DGUF Newsletter Nr. 117 vom 31.05.2023
DGUF Newsletter
vom 31. Mai 2023
Inhalt
1.2 Die Studierenden- und Absolventenzahlen UFG & AMANZ im Jahr 2022
1.4 Deutscher Studienpreis für Archäologie 2023 an William Daniel Snyder (Universität Tübingen)
1.5 Archäologische Informationen 45, 2022 abschließend online publiziert
2 Tagungen und Veranstaltungen
2.1 Mensch und Tier: eine jahrtausendealte Beziehung (Schaffhausen, 15.-16.6.)
2.2 Ruralia XV (Fredrikstad /Norwegen, 4.-10.9.)
2.3 CAA 2023 (Würzburg, 14.-15.9.; CfP bis 1.7.)
2.4 14. Internat. Tagung der AG Werkzeuge & Waffen 2023 (Seebruck, 28.9.-1.10.)
2.5 "Klänge der Bronzezeit" (Archäologiepark Gävernitz bei Dresden, 10.6.)
2.6 Lithic Studies Society (UK) 2023 Conference (Newark-on-Trent, 27.-28.10.; CfP bis 14.7.)
3.1 Neu im Early View der "Archäologischen Informationen"
3.2 Aktuelle Ausgrabungen und Forschung in den Medien
3.3 2.500 Jahre alte Büsten menschlicher Figuren der Tartessos-Kultur entdeckt
3.6 Grönland: mittelalterliche Siedler importierten Holz aus Nordamerika
3.7 Zwei Silberschatzfunde aus Bramslev (DK) nahe Fyrkat
3.8 Das Rätsel der Neandertaler-Ästhetik
4.1 Building reproducible analytical pipelines with R
4.2 Re-Analyse archäologischer Daten zu "Neolithic Founder Crops" auf R-bloggers
4.3 DGUF-Softwarebox aktualisiert und erweitert
5.1 Aktuelles rund um Kulturgutschutz in den Medien
5.2 Welterbestätten: Brennpunkte für Konflikte und ohne Kontakt zu den lokalen Gemeinschaften
5.3 Es braucht eine Konvention zum Kulturgutschutz auf dem Mond – dringend!
6.1 Nachfolge W. Schier, FU Berlin: Prof. Dr. Henny Piezonka
6.2 Debatte um die universitäre Archäologie in den USA
6.3 Feedbackinstrumente in der Lehre: Erwartungsabfrage und Feedbackrunde
7.2 CIfA-Arbeitskreis "Arbeitnehmer:innen" bittet um Unterstützung betr. Lohnuntergrenzen
9.1 Deutscher Museumsbund: "Leitfaden Klimaschutz im Museum"
1 DGUF-Nachrichten
1.1 Leichtes Wachstum im Jahr 2022, verhaltene Branchenstimmung für 2023 – DGUF-Monitoring-Report privatwirtschaftliche Archäologie 2022
Im vierten Jahre beleuchtet die DGUF auf Basis einer Umfrage die aktuelle Lage der privatwirtschaftlichen Archäologie in Deutschland. In Kürze: Auch im Jahr 2022 sind die Mitarbeiterzahlen in der unternehmerischen Archäologie gestiegen, ebenso die durchschnittlichen Gehälter und zudem der Qualifikationsgrad innerhalb der Teams. Auch wenn das Gehaltsniveau in der Firmenarchäologie weiterhin unbefriedigend ist, werden die von CIfA Deutschland empfohlenen Lohnuntergrenzen flächendeckend durchgesetzt (d. h. auch bei Nicht-CIfA-Mitgliedern) und eingehalten. Derzeit arbeiten hochgerechnet ca. 3.025 Arbeitnehmer in der unternehmerischen Archäologie, der geplante Mitarbeiterzuwachs bedeutet für 2023 ca. 180 zusätzliche Stellen. Die Branchenstimmung für das Jahr 2023 ist jedoch wegen einer aktuellen Flaute verhalten.
Siegmund, F. (2023). Leichtes Wachstum in 2022, verhaltene Branchenstimmung für 2023 – DGUF-Monitoring-Report privatwirtschaftliche Archäologie 2022. Archäologische Informationen 46, Early View, online publiziert 24. April 2024. https://dguf.de/fileadmin/AI/archinf-ev_siegmund2.pdf
Siegmund, F. & Scherzler, D. (2022). Zu geringes Lohnwachstum trotz Arbeitskräftemangels und zweistelliger Wachstumsraten bei Umsatz und Mitarbeitern – DGUF-Monitoring-Report privatwirtschaftliche Archäologie 2021. Archäologische Informationen 45, Early View, online publiziert 6. Juni 2022. https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/arch-inf/article/view/95259
Siegmund, F. & Scherzler, D. (2020). Grabungsfirmen in Deutschland trotz Pandemie auf Wachstumskurs – DGUF-Monitoring-Report privatwirtschaftliche Archäologie 2020. Archäologische Informationen, 43, 211-224. https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/arch-inf/article/view/81411
Siegmund, F. & Scherzler, D. (2019). Die derzeitige Wirtschaftslage in der privatwirtschaftlichen Archäologie Deutschlands – DGUF-Monitoring-Report privatwirtschaftliche Archäologie 2019. Archäologische Informationen, 42, 79-98. https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/arch-inf/article/view/69349
1.2 Die Studierenden- und Absolventenzahlen UFG & AMANZ im Jahr 2022
An der seit 2019 von der DGUF durchgeführten "Institutsumfrage" beteiligten sich dieses Mal 88% aller UFG-Institute. Danach gab es 2022 deutschlandweit 112 BA-Abschlüsse, 104 MA-Abschlüsse und 49 Promotionen - ein leichter Rückgang gegenüber 2021. Für 2023 sind ähnliche Zahlen zu erwarten. Die im DGUF-Monitoring-Report privatwirtschaftliche Archäologie 2022 (s. Punkt 1.1. in diesem Newsletter) erhobenen aktuellen Zahlen zur Wirtschaftslage der privatwirtschaftlichen Archäologie in Deutschland und eine Interpolation aus den Zahlen der DISCO-Studien 2008 und 2012-14 für die staatliche Archäologie ergeben zusammengenommen für das Jahr 2023 einen zusätzlichen Arbeitskräftebedarf von ca. 305 Fachkräften (170 zusätzliche neue Stellen, mind. 135 Neubesetzungen wg. Rente), denen ca. 150 Absolventen gegenüberstehen. Dieses krasse Missverhältnis deutet nicht nur ein Problem für die Arbeitgeberseite an, sondern weist auch auf die großen Chancen für Arbeitnehmer hin, im Berufsfeld der privatwirtschaftlichen Archäologie deutliche Verbesserungen ihrer eigenen Arbeitsbedingungen zu erreichen.
Siegmund, F. (2023). Die Studierenden- und Absolventenzahlen in den Fächern Ur- und Frühgeschichte sowie Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit im Jahr 2022. Archäologische Informationen 46, Early View, online publiziert 1. Mai 2023. https://dguf.de/fileadmin/AI/archinf-ev_siegmund3.pdf
Siegmund, F. (2022). Die Studierenden- und Absolventenzahlen in den Fächern Ur- und Frühgeschichte sowie Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit im Jahr 2021. Archäologische Informationen 45, 67-71. https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/arch-inf/article/view/95257
Siegmund, F. (2021). Die Studierenden- und Absolventenzahlen in den Fächern Ur- und Frühgeschichte sowie Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit im Jahr 2020. Archäologische Informationen 44, 99-104. https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/arch-inf/article/view/89185
Siegmund, F. (2020). Die Studierenden- und Absolventenzahlen in den Fächern Ur- und Frühgeschichte sowie Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit im Jahr 2019. Archäologische Informationen 43, 199-210. https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/arch-inf/article/view/81410
1.3 Kurzbericht "Archäologischer Bildungskanon - wie gelingt ein zukunftsfähiges Kern-Curriculum UFG?" (DGUF-Jahrestagung, Frankfurt, 19.5.)
Die Tagung versammelte zehn Vorträge, die aus unterschiedlichsten Perspektiven Bedarfe an ein zeitgemäßes Fachstudium UFG & AMANZ resp. an die Fähigkeit der Absolventen herantrugen. Einleitend gab D. Gutsmiedl-Schümann einen Überblick über die "Bologna-Reform" und die aktuellen Curricula UFG & AMANZ in Deutschland. Vertreter des DASV e. V. unterstrichen die Ziele eines hochwertigen Fachstudiums, das die Absolventen auch auf das Berufsleben vorbereiten müsse. Es folgten acht Vorträge, die jeweils eine spezifische Perspektive und ein spezifisches Bedarfsfeld behandelten. Übergreifende Gemeinsamkeit war die Lösungsorientierung der Vortragenden: kein Klagen, sondern Machen. Zudem herrschte Konsens darin, dass heute lebenslanges Lernen wichtiger sei denn je und man von frischen BAs und MAs nicht erwarten darf, "alles" zu können. Fortbildung sei daher ein wichtiger Begriff inkl. der Frage nach guten Fortbildungsanbietern. Im Hinblick auf die aktuellen Curricula zeichneten sich drei unterschiedliche Ansätze ab, zusätzliche Inhalte im Studium zu verankern resp. den Absolventen zu bieten: (1) Durch eine geschicktere Didaktik wichtige Inhalte in bestehende curriculare Gefäße und Kapazitäten einzubinden (u.a. D. Gutsmiedl-Schümann, A. Veling, W. David, N. Müller-Scheeßel, AG Wissen schafft Karriere). (2) Besondere Wissensgebiete, die an einem Standort evtl. nicht hinreichend umfassend vorgehalten werden können, durch Kooperationen und Netzwerke so zu bündeln, dass daraus strukturierte Angebote für den Wahlbereich der Curricula geschnürt werden können. Damit kann, wer will, lernen und sich dies auch zertifizieren lassen (z. B. Sophie C. Schmidt, E. Rosenstock u.a.). (3) Unterschiedliche Vertreter der privatwirtschaftlichen Archäologie betonten, dass der gängige Ruf nach "mehr Praxis" im tatsächlich nötigen Umfang von den Universitätsinstituten nicht leistbar sei. Sie gehen daher dazu über, auf die Grabungsarchäologie zielende Fortbildungen aus den Firmen heraus anzubieten, wobei unterschiedliche Modelle im Werden sind: Vorpraktikum, Werkstudierende / studienbegleitende Praktika, berufspraktisches Jahr, Trainee-Programme (u.a. denkmal3D, SPAU, Anzenberger & Leicht). "Selbstverständlich" müssten die Lernenden bei all diesen Modellen angemessen entlohnt werden. Es ist geplant, die ausgearbeiteten Vorträge im Jg. 46, 2023 der Archäologischen Informationen zu veröffentlichen.
Tweets zur Tagung: https://twitter.com/search?q=%23dguf2023&src=typed_query&f=live
Bildergalerie zur Tagung (Facebook): https://www.facebook.com/DGUF1969/posts/pfbid02dTU2UfEgAqsW7Eg8VRDjQqUiNw5JRUEAix4fLFRNXebki1WxwrtpFsVE9iVxpneXl
1.4 Deutscher Studienpreis für Archäologie 2023 an William Daniel Snyder (Universität Tübingen)
Für seine Dissertation "New Experimental Insights into Early Hominin Cultures and Oldowan Technology" wurde William Daniel Snyder am 18.5. im Archäologischen Museum Frankfurt mit dem Deutschen Studienpreis für Archäologie der DGUF ausgezeichnet. Seine Arbeit macht wahrscheinlich, dass die Lernweise der frühen Homininen vor rund 2,6 Millionen Jahren eher jener nichtmenschlicher Primaten ähnelt als der Lernweise heute lebendender Menschen. Kern der Arbeit sind Experimente zur Herstellung von Steinwerkzeugen. Dabei zeigte sich, dass die Studienteilnehmer trotz fehlender Vorkenntnisse alle technologischen Prinzipien des Oldowan, der ältesten bekannten Steinwerkzeugformen, anwendeten. Die zur Herstellung von Oldowan-Steinwerkzeigen notwendigen Bearbeitungstechniken können somit zeitlich und geografisch wiederholt und unabhängig neu erfunden worden sein, sie erfordern keine kulturelle Tradition, keine Weitergabe speziellen Wissens. Snyder revolutioniert durch seine Forschungen unser Verständnis früher menschlicher Kultur. Er erarbeitete die Dissertation an der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät der Eberhard-Karls-Universität Tübingen. Der Deutsche Studienpreis für Archäologie der DGUF zeichnet besondere Leistungen von Studierenden aus und dient damit der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Der Preis wurde 2011 ins Leben gerufen und 2013 erstmals verliehen.
Bilder von der Preisverleihung (Facebook): https://www.facebook.com/DGUF1969/posts/pfbid0UiJ8Ch9UFg988n9KkiywPm9vaJqxuPgRPxbWaJw23YmoU8j9BPEFcEGNYg1WTXWLl
"Deutscher Studienpreis für Archäologie für Dr. William Daniel Snyder" (Universität Tübingen, 24.5.): https://uni-tuebingen.de/universitaet/aktuelles-und-publikationen/attempto-online/newsfullview-attempto/article/deutscher-studienpreis-fuer-archaeologie-fuer-dr-william-daniel-snyder/
1.5 Archäologische Informationen 45, 2022 abschließend online publiziert
Der Jahrgang 45 der Archäologischen Informationen ist beim DGUF-Partner Propylaeum online publiziert worden. Titelthemen sind: "Beruf Archäologie", "FAIRe Daten und digitale Infrastrukturen", "Bodendenkmalpflege - Recht und Praxis" sowie "Campaigning strategies for archaeology and cultural heritage", doch der Band enthält wie üblich auch weitere "freie" Aufsätze zu diversen Themen. Die gedruckte Fassung braucht noch etwas Geduld: nach Angaben der Druckerei soll die Fertigstellung ca. Mitte Juni erfolgen - unmittelbar schließend erfolgt der Versand an die DGUF-Mitglieder, Abonnenten, Käufer und alle Aufsatzautoren.
Archäologische Informationen 45, 2022: https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/arch-inf/issue/view/6441
1.6 Bericht von der DGUF-/CIfA-Diskussionsrunde "Archäologie, WissZeitVG und #IchBinHanna" (Online, 11.4.)
Am Osterdienstag fand im Rahmen der DGUF-CIfA-Deutschland-Onlinevorträge eine vom DASV e. V. gewünschte Diskussionsveranstaltung statt zum Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) und der aktuellen Debatte, die unter dem Namen #IchBinHanna bekannt ist. Frank Siegmund (DGUF) und Michaela Schauer (CIfA Deutschland) als Gastgeber eröffneten die Veranstaltung, an deren Anfang vorverabredete Impulsbeiträge standen. Die Frühmittelalterarchäologin und langjährige Dozentin Doris Gutsmiedl-Schümann betonte, was das 6-plus-6-Jahre Forschungszeitfenster für junge Wissenschaftler bedeute: Unerreichbarkeit der Qualifikationsziele Dissertation und Habilitation spätestens dann, wenn "das Leben" hinzuträte, z. B. Familienpflichten. In der Praxis führe dies zu einer strukturellen Benachteiligung von Frauen, aber auch von finanziell schlechter Gestellten bzw. Studierende in erster akademischer Generation. Der häufige Wechsel von Personal des Mittelbaus habe auch massive Auswirkungen auf die Lehre, weil es zu wenig Kontinuität gebe. Patrick Schollmeyer, Klassischer Archäologe und derzeit Präsident des DVA, wollte die Versammelten aufrütteln; das Verfassen eines "letter of concern" an die zuständige Ministerin sei seitens des DVA zwar erfolgt, aber vermutlich gänzlich wirkungslos und folglich kein taugliches Mittel. Er appellierte, nach Frankreich zu schauen und von den dortigen Protestbewegungen zu lernen: Es sei an der Zeit, Massenproteste zu organisieren und auf die Straße zu gehen. Die Urgeschichtlerin mit langer Drittmittelkarriere Eva Rosenstock wandte sich explizit gegen das derzeitige Lehrstuhlsystem, welches auf eine einzelne "Leuchtturmfigur" (aka Professorin bzw. Professor) setzt. Zeitgemäß sei hingegen Teamarbeit in flachen Hierarchien, und dafür fehle es an einer breiten Teilhabe des Mittelbaus. Gerade in der Archäologie mit ihrer komplexen Interdisziplinarität sei die Fokussierung auf jeweils eine dominierende und alles entscheidende Professur nicht zeitgemäß und ein Forschungshemmnis. Der aus Großbritannien stammende Historiker James Harland erinnerte daran, dass der typisch deutsche Blick auf die Insel als Vorbild in akademischen Dingen nicht geboten sei: Die Lage in der Academia in UK sei für sehr viele Wissenschaftler weitaus instabiler und prekärer als in Deutschland; es gebe noch kürzere Verträge, noch schlechtere Bezahlung. Die Wettbewerbsideologie in der deutschen Wissenschaft, Stichwort Exzellenzinitiative, sei nur ein schwacher Abklatsch der weitaus härteren Dynamik in UK. Kurz: England sei keinesfalls ein kopierenswertes Vorbild. Johannes Dieter Reller betonte für den DASV e.V., dass den Studierenden die aktuelle Debatte sehr wichtig sei, da es einerseits um den eventuell künftigen Beruf von Studierenden gehe, andererseits alle Studierenden von den problematischen Auswirkungen des Ist-Zustandes auf die Lehre betroffen seien. Nach den Eingangsimpulsen entwickelte sich unter den insgesamt 38 Teilnehmenden eine rege Diskussion, die zunächst in vielen Fallbeispielen vor allem die Probleme des Ist-Zustandes ausleuchtete. So plädierte Nicole Boenke (Bonn) dafür, auszusprechen, was geschehe: ein Berufsverbot nach zwölf Jahren für Wissenschaftler, sofern sie nicht den begehrten Status einer Professur erreichten. Schleppender verlief der Gedankenaustausch beim Themenfeld Lösungen. Das Votum von Frank Siegmund, dass es hier nicht um rein archäologische Themen und Fachkompetenzen gehe, sondern um ein weitaus breiteres, nicht archäologie-spezifisches Thema, und man sich folglich, statt als Archäologie aktiv zu werden, besser der bereits aktiven Protestbewegung anschließen und diese unterstützen solle, fand breite Zustimmung. Doch bei der Frage "wie?" und "wer?" blieb die Debatte offen: Twitter als (in diesem Thema erfolgreiches) Medium nutzen ja/nein? Liegt der Lead bei den Profs, beim betroffenen Mittelbau, bei den Studierenden? Wäre ein Mittelbau-Streik ein wirkungsvolles Instrument? Fragen, die lebhaft debattiert wurden.
Amrei Bahr, Kristin Eichhorn, Sebastian Kubon (2022). #IchBinHanna. Prekäre Wissenschaft in Deutschland. Frankfurt /M.: Suhrkamp.
"95 Thesen gegen das WissZeitVG", Website: https://95vswisszeitvg.wordpress.com/
Meist verwendete Hashtags: #IchBinHanna; #95vsWissZeitVG
Website der Graswurzelbewegung #IchBinHanna: https://ichbinhanna.wordpress.com/
Kostenloser Newsletter "Arbeit in der Wissenschaft": https://arbeitinderwissenschaft.substack.com/
Weitere Websites: https://mittelbau.net/; https://profsfuerhanna.de/
Zu den aktuellen Protesten in UK: www.ucu.ork.uk/stampout
Auslöser der aktuellen Proteste: ein Video im Auftrag des BMBF "Ich bin Hanna" (YouTube, 2018, 2:23 Min.): https://www.youtube.com/watch?v=PIq5GlY4h4E
1.7 Unter den DGUF-Rezensionsangeboten: Anna Flückiger, Michaela Helmbrecht, Alexandra Hilgner (Hrsg.): Kommunikation – Zeichen – Macht
Unter den zahlreichen Publikationen, welche die Herausgeber der "Archäologischen Informationen" zur Rezension ausschreiben, sei diesmal auf ein im Mai publiziertes Buch hingewiesen, das Beiträge zweier Tagungen der AG Spätantike und Frühmittelalter aus den Jahren 2016 und 2017versammelt. Aus dem Klappentext: "Der Band widmet sich der Vermittlung von Botschaften über materielle Kultur und weitere Quellengattungen. Im Mittelpunkt stehen einerseits Fragen nach archäologisch, ikonographisch oder schriftlich greifbaren Manifestationen von Macht und Herrschaft, andererseits auch nach weiteren Kommunikationsformen, -wegen und -räumen sowie den Mechanismen des Austauschs. In vierzehn interdisziplinären Beiträgen spannt sich der Bogen dabei von der Kommunikation und Machtdarstellung über Schrift(-quellen) und schriftliche Zeichen zu raumanalytischen Studien bzw. zu den Themen Macht und Kommunikation im Raum. Die Vermittlung von Macht- und anderen Inhalten über die materielle Kultur – Architektur, Artefakte und bildliche Darstellungen – wird ebenfalls betrachtet." Wenn Sie Interesse an einer Rezension haben, richten Sie bitte Ihre Anfrage mit einer kurzen Begründung, weshalb Sie dieses Werk besprechen wollen, an:
Alle Rezensionsangebote der "Archäologischen Informationen" mit weiteren Informationen zu Modalitäten und Ablauf: https://www.dguf.de/fileadmin/user_upload/publikationen/AI/dguf-dok_arch-inf_rezensionsangebote.pdf
Anna Flückiger, Michaela Helmbrecht, Alexandra Hilgner (Hrsg.): Kommunikation – Zeichen – Macht. Studien zu Spätantike und Frühmittelalter 10. 374 Seiten. Mai 2023. https://www.verlagdrkovac.de/978-3-339-13512-4.htm
2 Tagungen und Veranstaltungen
2.1 Mensch und Tier: eine jahrtausendealte Beziehung (Schaffhausen, 15.-16.6.)
Die Wolfsfalle von Bignasco, die Beziehung von Menschen und Schädlingen durch die Zeit und Einblicke in die Tierhaltung und in die Nutzung von Fäkalien als Ressource durch mikroskopische Analysen: diese und weitere Themen stehen im Fokus der anderthalbtägigen Veranstaltung von "Archäologie Schweiz". Optional schließt sich am 17.6. eine Exkursion im Kanton Schaffhausen an. Eine Anmeldung ist bis 1.6. erforderlich.
https://archeologie-suisse.ch/wp-content/uploads/2023/04/Flyer_A5_Tagungen_db_120423.pdf
2.2 Ruralia XV (Fredrikstad /Norwegen, 4.-10.9.)
Die Tagung der European Association of Medieval and Post-Medieval Rural Archaeology setzt sich in diesem Jahr mit dem Thema "Farmers’ trade and markets. Social and economic interaction in the medieval and early modern European countryside" auseinander. Eine Registrierung ist bis 1.7. erforderlich.
Tagungswebsite: http://ruralia2.ff.cuni.cz/index.php/conference/
Programmheft (PDF): https://www.academia.edu/102337225/Ruralia_XV_Fredrikstad_Programme_draft_24May2023
2.3 CAA 2023 (Würzburg, 14.-15.9.; CfP bis 1.7.)
Das CfP für das diesjährige Treffen der AG CAA ist eröffnet, besondere thematische Bindungen sind nicht vorgesehen. Eine Mitgliedschaft in der AG CAA ist für eine Teilnahme oder Vortragsanmeldung nicht erforderlich.
https://www.ava.phil.uni-wuerzburg.de/caade2023/
2.4 14. Internat. Tagung der AG Werkzeuge & Waffen 2023 (Seebruck, 28.9.-1.10.)
Die Jahrestagung der Archäologischen Arbeitsgemeinschaft Werkzeuge & Waffen findet in diesem Herbst in Kooperation mit dem Römermuseum Bedaium und mit Unterstützung durch die Gemeinde Seebruck am Chiemsee statt. Neben dem Thema "Militaria: Relikt, Replik und Reenactment", für das wie üblich kein chronologischer Schwerpunkt vorgesehen ist, sind u. a. auch wieder ein Regionalblock zum Tagungsort, die traditionelle Bücherbörse und Artefaktschau sowie ein Praxisblock in Verbindung mit einem Aktionstag "Lebendiges Museum" geplant. Bei ausreichender Nachfrage ist für den 30.10.2023 zudem ein Schiffsausflug auf dem Chiemsee vorgesehen. Um Anmeldung bis 30.6. wird gebeten.
2.5 "Klänge der Bronzezeit" (Archäologiepark Gävernitz bei Dresden, 10.6.)
Am 10.6. findet auf dem Gelände von Sachsens erstem archäologischen Freilichtmuseum die Veranstaltung "Klänge der Bronzezeit" statt. Kinder und Jugendliche einer Musikschule tragen auf selbst hergestellten, der Bronzezeit entlehnten Instrumenten Musikstücke vor. Abends werden bronzezeitliche Blasinstrumente vorgeführt. Die Eröffnung des Archäologieparks bei Dresden geht zurück auf das Jahr 1930. Ausgrabungen stießen 1929 an diesem Fundplatz auf ein großes öffentliches Interesse. Der Archäologiepark präsentiert heute rekonstruierte Grabhügel der späten Bronzezeit (ca. 1200 vor Chr.). Mithilfe von Infotafeln und moderner Vermittlungsangebote wie einer Augmented-Reality-Anwendung wird in die Bronzezeit eingeführt.
Archäologiepark Gävernitz: https://archaeologiepark.com/
2.6 Lithic Studies Society (UK) 2023 Conference (Newark-on-Trent, 27.-28.10.; CfP bis 14.7.)
Abstracts are welcome from researchers at all career stages and on any topic related to lithic studies including but not restricted to: Studies of new sites and assemblages; Re-analysis/new perspectives on old sites and assemblages; New methods/approaches to the study of lithic assemblages; Retrospective views of developments in lithic studies; New perspectives on lithic technology;
Experimental approaches to lithic studies, and Public archaeology and outreach in lithic studies. An abstract of no more than 250 words should be submitted by 14th July.
http://lithicsconference.uk/2023conference/
2.7 Strahlender Lichtschein über New Yorks Backstein- und Stahlschluchten: Manhattan-Henge (29.5.-13.7.)
Weil diese Ausgabe des DGUF-Newsletters in Manhattan finalisiert wird, weisen wir Sie auf das jetzt wieder beginnende Manhattan-Henge hin, sollten Sie in New York weilen oder demnächst dorthin reisen. 2023 tritt dieser Effekt zwischen dem 29.5. und dem 13.7. auf, bei dem die Sonne zwischen dem Wolkenkratzern erscheint, wenn sie tief am Himmel steht und untergeht. Der US-amerikanische Astrophysiker und Wissenschaftsjournalist Neil deGrasse Tyson schreibt dazu: "Was werden zukünftige Zivilisationen von Manhattan Island denken, wenn sie es ausgraben und ein sorgfältig angelegtes Netzwerk aus Straßen und Alleen finden? Sicherlich wird angenommen, dass das Gitter astronomische Bedeutung hat, so wie wir es auch für den prähistorischen Kreis großer vertikaler Felsen namens Stonehenge in der Salisbury-Ebene in England festgestellt haben. Für Stonehenge ist der besondere Tag die Sommersonnenwende, wenn die Sonne in perfekter Ausrichtung mit mehreren Steinen aufgeht und den Wechsel der Jahreszeiten ankündigt. Für Manhattan, einen Ort, an dem der Abend wichtiger ist als der Morgen, kommt dieser besondere Tag zweimal im Jahr, wenn die untergehende Sonne genau mit dem Straßennetz Manhattans übereinstimmt und einen strahlenden Lichtschein über Manhattans Backstein- und Stahlschluchten erzeugt, der zugleich die Nord- und Südseiten jeder Querstraße des Bezirksnetzes beleuchtet. Ein seltener und schöner Anblick. Diese beiden Tage fallen zufällig mit dem Memorial Day [29. Mai; Anm. d. Red.] und der Baseball-All-Star-Pause [13.7.; Anm. d. Red.] zusammen. Zukünftige Anthropologen könnten zu dem Schluss kommen, dass die Menschen, die sich Amerikaner nannten, über die Sonne Krieg und Baseball verehrten." Wo Sie Manhattan-Henge am besten beobachten könnten, finden Sie auf der Website des American Museum for Natural History bequem zusammengestellt.
https://www.amnh.org/research/hayden-planetarium/manhattanhenge
3 Forschung
3.1 Neu im Early View der "Archäologischen Informationen"
Kriesch, S. F. (2023). Rezension zu: Castiello, M. E. (2022). Computational and Machine Learning Tools for Archaeological Site Modeling (Springer Theses). Cham: Springer. Archäologische Informationen 46, Early View, online publiziert 17. Mai 2023.
Bunnefeld, J.-H. (2023). Rezension zu: Stig Sørensen, M. L. & Rebay-Salisbury, K. (2023). Death and the Body in Bronze Age Europe. From Inhumation to Cremation. Cambridge: Cambridge University Press. Archäologische Informationen 46, Early View, online publiziert 15. Mai 2023.
Siegmund, F. (2023). Rezension zu: Sorg, M. (2022). Fibelausstattung und Lebensalter in der Merowingerzeit: Studien zu Abnutzung und Gebrauch frühmittelalterlicher Bügelfibeln. (RGA Erg.bd., 129). Berlin: de Gruyter. Archäologische Informationen 46, Early View, online publiziert 5. Mai 2023.
Siegmund, F. (2023). Die Studierenden- und Absolventenzahlen in den Fächern Ur- und Frühgeschichte sowie Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit im Jahr 2022. Archäologische Informationen 46, Early View, online publiziert 1. Mai 2023.
Kleingärtner, S. (2023). Rezension zu: Ford, B., Halligan, J. J. & Catsambis, A. (2020). Our Blue Planet. An Introduction to Maritime and Underwater Archaeology. Oxford: Oxford University Press. Archäologische Informationen 46, Early View, online publiziert 29. April 2023.
Siegmund, F. (2023). Leichtes Wachstum in 2022, verhaltene Branchenstimmung für 2023 – DGUF-Monitoring-Report privatwirtschaftliche Archäologie 2022. Archäologische Informationen 46, Early View, online publiziert 24. April 2024.
Schönfelder, M., Meyer, M., Łuczkiewicz, P., Guichard, V., Hornung, S. & Schwab, R. (2023). Entwicklungsdynamiken am Ende des 2. Jahrhunderts v. Chr. in Mitteleuropa: Kontinuität und Diskontinuität, Chronologie und Geschichte. Internationale Tagung in Mainz, 7.-8.11.2022. Archäologische Informationen 45, Early View, online publiziert 13. April 2023.
Castelli, Th. (2023). Review of: Koranyi, J. & Hanscam, E. (eds) (2023). Digging Politics. The Ancient Past and Contested Present in East-Central Europe. Berlin: de Gruyter Oldenbourg. Archäologische Informationen 45, Early View, published online 12. April 2023.
https://www.dguf.de/early-views
3.2 Aktuelle Ausgrabungen und Forschung in den Medien
Wiltshire: "Uncovering a Bronze Age barrow cemetery" (Cotswold Archaeology, 31.5.): https://cotswoldarchaeology.co.uk/uncovering-a-bronze-age-barrow-cemetery/
"Ältester Hinweis auf Gusseisenherstellung in Europa: In Südtirol 500 Jahre früher als nördlich der Alpen. Säbener Eisenhütte markiert Schwelle eines neuen Zeitalters / Leistungsfähige Hochöfen verhütten auch Erze mit geringerem Eisengehalt" (Universität Mainz, 23.5.): https://presse.uni-mainz.de/aeltester-hinweis-auf-gusseisenherstellung-in-europa-in-suedtirol-500-jahre-frueher-als-noerdlich-der-alpen/
Jungpaläolithikum in Frankreich: "Puzzling rings may be finger loops from prehistoric weapon system, research finds" (The University of Kansas, 23.5.): http://today.ku.edu/2023/05/23/rings-puzzling-paleolithic-artifacts-may-be-linked-spearthrower-finger-loops
"Vermisst seit 1362: Kirche von versunkenem mittelalterlichen Handelsplatz entdeckt. Wissenschaftliches Gemeinschaftsprojekt lokalisiert untergegangene Kirche von Rungholt im nordfriesischen Wattenmeer" (Universität Mainz, 23.5.): https://presse.uni-mainz.de/vermisst-seit-1362/
"Glanz und Katastrophe – Müssen wir das alte Rom neu denken? Alexander Wasner diskutiert mit
Dr. Alexander Bätz, Althistoriker, Universität Konstanz; Prof. Dr. Alexandra W. Busch, Generaldirektorin des Leibniz-Zentrums für Archäologie, Mainz, und mit Dr. Gabriel Zuchtriegel, Direktor des Archäologischen Parks Pompeji (SWR2, 22.5.2023; Audio, 44:14 Min.): https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/glanz-und-katastrophe-muessen-wir-das-alte-rom-neu-denken-swr2-forum-2023-05-24-100.html
Jordanien und Saudi-Arabien: "Prähistorische Baupläne beschreiben mysteriöse Megastrukturen in der Wüste" (Universität Freiburg, 19.5.): https://kommunikation.uni-freiburg.de/pm/2023/praehistorische-bauplaene-beschreiben-mysterioese-megastrukturen-in-der-wueste
"Ancient Romans sacrificed birds to the goddess Isis, burnt bones in Pompeii reveal" (LiveScience, 16.5.): https://www.livescience.com/archaeology/romans/ancient-romans-sacrificed-birds-to-the-goddess-isis-burnt-bones-in-pompeii-reveal
"What happened when archaeologists found what could have been the medieval King’s Wharf in the centre of Oslo?" (Science Norway, 16.5.): https://sciencenorway.no/archaeology-history-medieval-history/archaeologists-had-to-destroy-nearly-all-of-the-medieval-kings-wharf-soon-after-they-excavated-it/2197805
"South Africa’s desert-like interior may have been more inviting to our human ancestors. Study expands range of livable regions in interior South Africa nearly 200,000 years ago" (University of Michigan, 15.5.): https://news.umich.edu/south-africas-desert-like-interior-may-have-been-more-inviting-to-our-human-ancestors/
Kupfer: "Begann die Globalisierung bereits in der Jungsteinzeit?" (Universität Kiel, 10.5.): https://www.uni-kiel.de/de/detailansicht/news/121-kupfer-globalisierung
"Archéologie urbaine à Châlons-en-Champagne (Marne)" (INRAP, 10.5.): https://www.inrap.fr/archeologie-urbaine-chalons-en-champagne-marne-17228
"Gabriel Zuchtriegel: 'Die Toten von Pompeji, das sind wir alle'" (SWR, 9.5.): https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/gabriel-zuchtriegel-archaeologe-und-super-direktor-archaeologisches-welterbe-pompeji-swr2-zeitgenossen-2023-05-13-100.html
"Byzantine and Late Period relics uncovered in Meir necropolis in Assiut" (Ahram Online, 6.5.): https://english.ahram.org.eg/News/500224.aspx
"Steinzeit-Moleküle zum Leben erwecken. Forschende rekonstruieren bis zu 100.000 Jahre alte mikrobielle Naturstoffe aus dem Zahnstein von Menschen und Neandertalern" (MPG, 4.5.): https://www.mpg.de/20258530/0504-evan-steinzeit-molekuele-zum-leben-erwecken-150495-x
"Schimpansen kombinieren Rufe zu neuen Bedeutungen. Ähnlich wie Menschen hängen auch Schimpansen einzelne Rufe zu grösseren, kommunikativ sinnvollen Strukturen zusammen. Laut UZH-Forschenden könnte diese Fähigkeit somit evolutionär älter sein als Sprache selbst" (Universität Zürich, 4.5.): https://www.news.uzh.ch/de/articles/media/2023/Schimpansenrufe.html
Anatolien: "Traces of ancient life come to surface in Mobolla" (Hurriyet Daily News, 4.5.): https://www.hurriyetdailynews.com/traces-of-ancient-life-come-to-surface-in-mobolla-182848
"Modern humans migrated into Europe in three waves: 54,000, 45,000 and 42,000 years ago, a new study claims" (LiveScience, 3.5.): https://www.livescience.com/archaeology/modern-humans-migrated-into-europe-in-3-waves-ambitious-and-provocative-new-study-suggests
Denisova-Höhle: "Forschende gewinnen uraltes Erbgut einer Frau aus einem 20.000 Jahre alten Anhänger" MPG, 3.5.): https://www.mpg.de/20238006/0428-evan-spuren-aus-der-vergangenheit-150495-x
Neolithikum: "Un rocher à cupules attire les curieux au Mont-Saint-Michel" (France Info, 29.4.): https://www.francetvinfo.fr/france/normandie/manche/manche-un-rocher-a-cupules-attire-les-curieux-au-mont-saint-michel_5798423.html
"The Ishtar Gate of Babylon: One Monument, Multiple Narratives" (ASOR, 27.4.): https://www.asor.org/anetoday/2023/04/ishtar-gate-babylon
"Archäologie im Warschauer Ghetto" (Archaeologik, 26.4.): https://archaeologik.blogspot.com/2023/04/archaologie-im-warschauer-ghetto.html
"Fossilized soot and charcoal from torches dating back more than 8,000 years make it possible to reconstruct the history of the Nerja Cave. A new study reveals that Nerja is the European cave containing Paleolithic Art in with the most confirmed and recurrent visits during Prehistory" (University of Córdoba, 25.4.): https://www.eurekalert.org/news-releases/987238
"Digesta: An overlooked source of Ice Age carbs" (University of Michigan, 24.4.): https://news.umich.edu/digesta-an-overlooked-source-of-ice-age-carbs/
Karmøy:"New discovery of a Viking ship in Norway. A 20-metre-long Viking ship has been discovered using georadar on a mound previously believed to be empty" (Science in Norway, 21.4.): https://sciencenorway.no/archaeology-viking-age-vikings/new-discovery-of-a-viking-ship-in-norway/2187930
"Underwater Nabataean temple discovered in major archaeological find in Italy. Since the 18th century, five of the submerged ancient Roman altars have been found in the area near Naples" (The Art Newspaper, 19.4.): https://www.theartnewspaper.com/2023/04/19/underwater-nabataean-temple-discovered-in-major-archaeological-find-in-italy
- Jh. n. Chr.: "Redécouverte d’une nécropole de Lutèce (Paris)" (INRAP, 19.4.): https://www.inrap.fr/redecouverte-d-une-necropole-de-lutece-paris-17191 und "Archäologen freuen sich über Münzfund im Mund eines Toten" (Spiegel, 21.4.): https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/paris-archaeologen-freuen-sich-ueber-muenzfund-im-mund-eines-toten-a-4d57cfbe-4d64-403f-a335-a91d9052aa7c
"Early Romans may have been the first to breed flat-faced dogs" (Phys.org, 14.4.): https://phys.org/news/2023-04-early-romans-flat-faced-dogs.html
"Spain: A Tailoring Tool From 40,000 Years Ago" (Haaretz, 13.4.): https://www.haaretz.com/archaeology/2023-04-13/ty-article/miraculous-discovery-in-spain-a-tailoring-tool-from-40-000-years-ago/00000187-702c-dde0-afb7-7e3f17e30000
Menorca: "Haarprobe aus der Bronzezeit – Drogentest positiv" (Spiegel, 6.4.): https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/menorca-archaeologie-drogen-in-haarprobe-aus-der-bronzezeit-gefunden-a-eeaa8eb3-0cb1-44f6-9488-dca614435c39
Gokstad-Schiff: "1,100-year-old 'ceremonial' Viking shields were actually used in battle, study suggests" (LiveScience, 5.4.): https://www.livescience.com/1100-year-old-ceremonial-viking-shields-were-actually-used-in-battle-study-suggests
3.3 2.500 Jahre alte Büsten menschlicher Figuren der Tartessos-Kultur entdeckt
Fünf lebensgroße Büsten könnten die ersten bekannten menschlichen Darstellungen der Tartessos sein, eine Kulturgruppe, die vor mehr als 2.500 Jahren verschwand. Die gemeißelten Steingesichter fanden Archäologen versteckt in einer Grube innerhalb eines Tempel in Casas del Turuñuelo, einer alten tartessischen Stätte in Südspanien. Die Stücke lagen inmitten von Pferdeknochen, die wahrscheinlich von einem Massenopfer stammten. Archäologen des Spanischen Nationalen Forschungsrates (CSIC) nennen diese Entdeckung "einen tiefgreifenden Paradigmenwechsel in der Interpretation von [Tartessos]", da diese alte Zivilisation, die etwa vom achten bis zum vierten Jahrhundert v. Chr. andauerte, bisher als nicht-bildhaft angesehen wurde; zuvor waren ausschließlich Tier- oder Pflanzenmotive gefunden worden. Von den fünf Büsten sind zwei fast vollständig und stellen möglicherweise weibliche Gottheiten dar, die Ohrringe tragen. Von den drei anderen Büsten sind nur Fragmente erhalten, eine wird als Krieger mit Helm interpretiert. Obwohl die Tartessos keine großen archäologischen Aufzeichnungen hinterlassen haben, ist bekannt, dass sie in der Goldschmiedekunst begabt waren; Der neue Fundort zeigt ebenso Brandspuren wie zwei nahe gelegenen tartessische Stätten, Cancho Roano und La Mata. Die Ursache für die Brände bleibt noch rätselhaft.
"Investigadores del CSIC hallan las primeras representaciones humanas de Tarteso. Los trabajos en el yacimiento de Casas del Turuñuelo (Badajoz) sacan a la luz los restos de cinco relieves antropomorfos del siglo V a.C" (CSIC, 18.4.): https://www.csic.es/es/actualidad-del-csic/investigadores-del-csic-hallan-las-primeras-representaciones-humanas-de-tarteso
3.4 Drei fossile Fußabdrücke von Homo heidelbergensis zwischen prähistorischen Elefantenspuren in Schöningen entdeckt
Erstmalig wurden die fossilen Fußabdrücke von zwei Fundorten in Schöningen detailliert untersucht. Der Erstautor einer Mitte Mai veröffentlichten Studie, Dr. Flavio Altamura, sagt: "Diese Spuren liefern uns, zusammen mit den Informationen aus sedimentologischen, archäologischen, paläontologischen und paläobotanischen Analysen, Erkenntnisse über die Paläoumwelt und die einst in diesem Gebiet lebenden Säugetiere. Unter den Abdrücken befinden sich auch drei Spuren, die mit Fußabdrücken von Homininen übereinstimmen – mit einem Alter von etwa 300.000 Jahren sind sie die ältesten in Deutschland bekannten menschlichen Spuren und stammen wahrscheinlich von Homo heidelbergensis." Da unter den Spuren auch die von Kindern und Jugendlichen sind, sei nicht von einer Jagdsituation auszugehen, sondern eher von einer Art Familienausflug.
"300.000 Jahre alte Momentaufnahme: Älteste menschliche Fußabdrücke aus Deutschland gefunden" (Senckenberg, 12.5.): https://www.senckenberg.de/de/pressemeldungen/300-000-jahre-alte-momentaufnahme-aelteste-menschliche-fussabdruecke-aus-deutschland-gefunden/
Flavio Altamura, Jens Lehmann, Bárbara Rodríguez-Álvarez, Brigitte Urban, Thijs van Kolfschoten, Ivo Verheijen, Nicholas J. Conard, Jordi Serangeli 2023. Fossil footprints at the late Lower Paleolithic site of Schöningen (Germany): a new line of research to reconstruct animal and hominin paleoecology. Quaternary Science Reviews. DOI: https://doi.org/10.1016/j.quascirev.2023.108094
"Wie der Mensch zum Menschen wurde: Die Fundstätte Schöningen" (Senckenberg, o. D.): https://www.senckenberg.de/de/presse/erdfrequenz/podcast-serangeli/
3.5 Bayern im 5. Jahrh. n. Chr.: Naturwissenschaft bestätigt und konkretisiert, was wir schon immer wussten
Nach dem Zerfall des Weströmischen Reiches formieren sich im Gebiet der ehemaligen Provinz Reatia secunda resp. des heutigen Bayern unter merowingischer Oberhoheit die frühmittelalterliche Bajuwaren, wobei in der 2. Hälfte des 5. Jh. Einwanderungen insbes. aus dem Raum Böhmen eine spürbare Rolle spielen. Dieses konventionell-archäologisch erarbeitete Wissen wird jetzt in einer umfassenden anthropologischen Studie bestätigt. Dazu wurden 171 Skelette von elf Gräberfeldern dieser Zeit aus dem Raum München sowie Regensburg - Straubing näher untersucht, insbes. im Hinblick auf die stabilen Istotope von Strontium, Kohlenstoff und Stickstoff. Einige Frauen mit Schädeldeformationen - einer ursprünglich reiternomadischen Sitte - waren Teil der untersuchten Stichprobe. Auf Basis der Geologie sowie als Referenz dienenden Messungen an Tierknochen lassen sich anhand der Strontiumisotopie Individuen bestimmen, die ihr Leben im nahen Umfeld des Gräberfelds verbrachten, und von solchen abgrenzen, die Teile ihres Lebens außerhalb dieses Nahfeldes verbrachten. Danach sind 23 % der untersuchten Individuen nicht-lokaler Herkunft, d. h. Immigranten, und zwar Frauen wie Männer in gleichen Anteilen. Dabei wurde der Grenzwert, ab wann ein Fall als nicht-lokal gilt, recht streng angesetzt. Zeitlich fällt das Maximum der Immigration in die zweite Hälfte des 5. Jahrhunderts. Die Kohlenstoff-Stickstoff-Isotopie zeigt eine getreidebasierte Ernährung an (sog. C3-Pflanzen) mit moderatem Anteil von Fleisch oder Frischwasserfisch. Die Hypothese, dass sich Männer fleischreicher ernährten als Frauen lässt sich nicht verifizieren. Allerdings weisen Frauen eine erhöhte Variablität der Isotopenwerte auf, was auf diversere Ernährungsstrategien hinweist. Einige wenige Individuen zeigten Kohlenstoff-Werte an, die auf eine C4-basierte Ernährung hinweisen, was insbes. auf Hirse zurückgehen könnte - also mediterrane oder osteuropäische Ernährungsweisen. Die Frauen mit artifizieller Schädeldeformation ernährten sich in ihrer Kindheit und Jugend anders als im Erwachsenenleben: neben der bereits untersuchten Genetik ein weiteres Indiz dafür, dass es sich um Immigranten handelt.
Velte, M. u.a. (2023). Between Raetia Secunda and the dutchy of Bavaria: Exploring patterns of human movement and diet. Plos One 18(4), e0283243: https://doi.org/10.1371/journal.pone.0283243
3.6 Grönland: mittelalterliche Siedler importierten Holz aus Nordamerika
Historische Aufzeichnungen deuten seit langem darauf hin, dass mittelalterliche Siedler auf Grönland (985–1450 n. Chr.) auf importiertes Material wie Eisen und Holz angewiesen waren, denn die einheimischen Bäume waren z. B. für größere Bauvorhaben oder den Schiffsbau ungeeignet. Woher die Holzimporte stammen und welchen Umfang sie hatten, war bisher ungeklärt. Lísabet Guðmundsdóttir (Universität Island) untersuchte nun die Holzfunde von fünf verlässlich datierten Orten in Westgrönland aus der Zeitspanne zwischen 1000 und 1400 n. Chr., von denen vier mittelgroße Farmen und einer ein bischöfliches Herrenhaus waren. Eine mikroskopische Untersuchung der Zellstrukturen der Hölzer ermöglicht die Identifizierung der Baumgattung oder -art. Treibholz war einer der wichtigsten Rohstoffe im damaligen Grönland und macht mehr als 50 % der gesamten Fundmaterials aus. Nur 0,27 % des untersuchten Holzes waren eindeutige Importe, darunter sind Eiche, Buche, Schierlingstanne und Banks-Kiefer. Weitere 25 % des untersuchten Gesamtholzes könnten entweder importiertes Holz oder Treibholz sein, darunter Lärche, Fichte, Waldkiefer und Tanne. Da Schierlingstanne und Banks-Kiefer zu jener Zeit in Nordeuropa nicht vorkamen, müssen die identifizierten Stücke aus Nordamerika stammen. Dieses Ergebnis bestätigt die historischen Quellen bzw. Sagas, dass die Nordmänner Leifurheppni, Þorleifurkarlsefni und Freydísall Holz von Vínland nach Grönland zurückbrachten. Holz stammte auch aus Nordeuropa, darunter auch Eiche, Buche und Waldkiefer. Manches kam möglicherweise als fertiges Objekt nach Grönland, wie zum Beispiel Fassdauben. Während die Bedürfnisse der meisten Haushalte zwar durch lokale Hölzer und Treibholz gedeckt wurden, importierten bedeutende Gehöfte Holz aus Nordeuropa und Nordamerika. Die Ergebnisse von Lísabet Guðmundsdóttirs Forschung wurden am 17.4. in "Antiquity" publiziert.
"Norse Greenlanders found to have imported timber from North America" (Phys.og, 18.4.): https://phys.org/news/2023-04-norse-greenlanders-imported-timber-north.html
Lísabet Guðmundsdóttir: Timber imports to Norse Greenland: lifeline or luxury? Antiquity (2023). DOI: 10.15184/aqy.2023.13
3.7 Zwei Silberschatzfunde aus Bramslev (DK) nahe Fyrkat
Im April wurden zwei wikingerzeitliche Schatzfunde vorgestellt, die im Herbst 2022 von Metalldetektoristen beim dänischen Bramslev gefunden worden waren. Der Fundort liegt acht Kilometer entfernt von der Wikingerburg Fyrkat. Es handelt sich um ursprünglich wohl zwei Schatzfunde mit zusammen ca. 300 Objekten, die beide in die 980er-Jahre datiert werden können, d. h. in die Zeit von Harald Blauzahn - und damit auch zeitgleich zu Fyrkat sind. Durch späteres Pflügen sind die ursprünglich ca. 50 m voneinander deponierten Schätze jedoch verlagert worden, so dass heute eine eindeutige Trennung nicht mehr möglich ist. Ab 1.7. werden die Funde im Museum Aalborg ausgestellt. Im Herbst 2023 sollen Grabungen am Fundort stattfinden, inbes. um das Vorhandensein von Gebäudespuren abzuklären.
"Zwei Wikingerschätze in der Nähe von Fyrkat gefunden" (Nordyske Museer, 19.4.): https://nordjyskemuseer-dk.translate.goog/hele-to-vikingeskatte-fundet-naer-fyrkat/?_x_tr_sl=da&_x_tr_tl=de&_x_tr_hl=de&_x_tr_pto=wapp
"Fund in Dänemark: Gewaltiger Wikingerschatz erzählt von unruhigen Zeiten" (Der Standard, 30.4.): https://www.derstandard.at/story/2000145819332/gewaltiger-wikingerschatz-erzaehlt-von-unruhigen-zeiten
3.8 Das Rätsel der Neandertaler-Ästhetik
In der spanischen Cueva Des-Cubierta wurden neben Neandertaler-Knochen ungewöhnlich viele Schädel von Bisons, Wildrindern, Rothirschen und Nashörnern aus der Zeitspanne von 135.000 bis 50.000 Jahren entdeckt. Alle waren fragmentiert, aber ihre Hörner oder Geweihe waren recht intakt, und einige Stücke wurden in der Nähe von Feuerstellen gefunden. Als die die Schichten im Inneren der Höhle freigelegt wurden, zeigte sich, dass die Schädel nicht einfach weggeworfen worden waren, sondern vermutlich als Symbol dienten. Wenn das zutrifft, wäre das ein Indikator dafür, dass Neandertaler zu den komplexen symbolischen Konzepten und Verhaltensweisen fähig waren, die unsere eigene Spezies charakterisieren. Das schreibt die Urgeschichtlerin Rebecca Wragg Sykes für die BBC. Aber ist es wirklich denkbar, hinterfragt sie, dass Neandertaler Rituale entwickelten, die sich auf die Schädel ihrer Beute konzentrierten? Dass sie Kunst hervorgebracht haben? Die Neandertaler-Expertin und Bestseller-Autorin erläutert im Beitrag, warum für uns der Neandertaler immer eine ganz besondere Menschenart geblieben ist, warum wir immer nach Erklärungen suchen, warum Neandertaler ausstarben, wir aber nicht. Tatsächlich aber könnten wir davon ausgehen, dass Neandertaler uns in vielerlei Hinsicht sehr ähnlich sind, auch in Bezug auf die Intelligenz oder hinsichtlich ihres Interesses an Farben: "As we found out more about them, the gaps between our species have narrowed. Today there are relatively few areas that remain as clear differences." Ob man bisher von Neandertaler-Kunst sprechen könne, sei unklar, aber: "What Neanderthals' engravings and pigments have in common is an intention to alter how surfaces were perceived, whether visually or in a tactile way." Rebecca Wragg Sykes diskutiert in dem ausführlichen Artikel mehrere Fundstellen. Zur Cueva Des-Cubierta überlegt sie: "It might have made perfect sense to perceive both their prey and other predators as fellow beings, and part of their social world. "
Rebecca Wragg Sykes: "The puzzle of Neanderthal aesthetics" (BBC, 30.4.): https://www.bbc.com/future/article/20230428-the-puzzle-of-neanderthal-culture-and-aesthetics
Rebecca Wragg Sykes: Der verkannte Mensch. Ein neuer Blick auf Leben, Liebe und Kunst der Neandertaler. Goldmann-Verlag. April 2022. https://www.penguinrandomhouse.de/Buch/Der-verkannte-Mensch/Rebecca-Wragg-Sykes/Goldmann/e593480.rhd
4 Archäoinformatik
4.1 Building reproducible analytical pipelines with R
Der in Luxemburg lebende Software-Ingenieur (und R-Kenner) Bruno Rodrigues hat einen Leitfaden verfasst, wie man als Wissenschaftler seine Daten und seinen analytischen Code "reproduzierbar" macht. Leider versteht man bei der Lektüre sehr bald, dass das Veröffentlichen der Daten z. B. als Excel-Tabelle und des Codes "irgendwie" als Textdatei nicht der goldene Weg ist. Das Erreichen der Ziele von "Reproducible Analytical Pipelines" (RAP) - nämlich Transparenz, Nachhaltigkeit und Skalierbarkeit - ist durchaus aufwändiger. Warum man welche Schritte begehen kann, erklärt dieses so gut wie fertige Buch anschaulich, u. a. so oft genannte Dinge wie GitHub, Docker usw.
Rodrigues, B. (2023). Building reproducible analytical pipelines with R. https://raps-with-r.dev/
4.2 Re-Analyse archäologischer Daten zu "Neolithic Founder Crops" auf R-bloggers
Archäologie auf R-bloggers! "R-bloggers" ist der wohl bekannteste internationale Blog rund um R und Datenanalyse, wo z. B. neue R-Pakete oder deren wesentliche Updates u. ä. vorgestellt werden. Wer als Archäoinformatiker aktuell bleiben möchte, stöbert immer mal wieder durch die neuesten Beiträge, oder nutzt das Artikelarchiv von R-bloggers bei der Suche nach Hilfe und Anleitungen. Am 17.4. erschien dort ein Blogbeitrag der Chemikerin Louise E. Sinks, die einen publizierten archäologischen Datensatz, quasi als Fingerübung, neu analysierte. Dabei kommt sie zu dem Ergebnis, dass seit der Neolithisierung in Südwest-Asien der Anteil von Gerste und von Leguminosen (Erbsen, Linsen, ...) in den Pflanzenspektren weitgehend konstant blieb, während der Weizenanteil sukzessive anstieg. Warum das eine Nachricht wert ist? Der Fall zeigt exemplarisch, was möglich wird, wenn Autoren nicht nur einen wissenschaftlichen Aufsatz publizieren, sondern die Daten und den von ihnen verwendeten R-Code offen und gut zugänglich machen (hier auf GitHub), sodass Re-Analysen möglich werden resp. zu ihnen angeregt wird. Nicht zuletzt eine Ermutigung für R-Anfänger: der Blogbeitrag von Sinks enthält keine komplexen statistischen Verfahren, sondern gewinnt Erkenntnisse durch wohlüberlegte Datenaufbereitung und das Erstellen einer geeigneten Grafik.
R-bloggers: www.-r-bloggers.com
Louse E. Sinks (18.4.2023). "TidyTuesday Week 16: Neolithic Founder Crops". R-bloggers: https://www.r-bloggers.com/2023/04/tidytuesday-week-16-neolithic-founder-crops/
Arranz-Otaegui, Amaia, and Roe, Joe (2023). Revisiting the concept of the "Neolithic Founder Crops" in southwest Asia. Vegetation History & Archaeobotany. https://doi.org/10.1007/s00334-023-00917-1
Arranz-Otaegui, Amaia, and Roe, Joe (2023). The "Neolithic Founder Crops" in Southwest Asia: Research Compendium: https://github.com/joeroe/SWAsiaNeolithicFounderCrops
4.3 DGUF-Softwarebox aktualisiert und erweitert
Der ehemalige DGUF-Beirat Dr. Christoph Rinne (Uni Kiel) hostet und pflegt die von der DGUF initiierte "Softwarebox. IT-Ausstattung fürs Studium" weiterhin - die DGUF-Handreichung für Studierende der Ur- und Frühgeschichte & Archäologie. Der inzwischen in RMarkdown geschriebene Text steht als Markdown-File, als PDF und als HTML kostenlos öffentlich zur Verfügung. Neu wurde das "readme" auf der Startseite durch eine kurze Anleitung ergänzt, wie man sich die - sehr bequem zu nutzende - HTML-Version herunterladen kann. Inzwischen ist der Bestand an Handreichungen zu diesem Themenfeld gewachsen, er umfasst nun auch Handreichungen u.a. zu Zotero, NotePad++, SQLite u.a. Neu gibt es eine auf völlige Anfänger zielende Anleitung "Office Grundlagen", die auf erste Schritte mit dem PC, Datensicherung etc. abzielt und vor allem das Arbeiten mit Libre Office (statt MS-Word, Powerpoint etc.) erklärt.
DGUF-Softwarebox: https://github.com/chrinne/Softwarebox_DGUF
Weitere Handreichungen: https://github.com/chrinne/Softwarebox_DGUF/tree/master/software
"Office Grundlagen: Arbeiten mit dem Computer": https://github.com/chrinne/Softwarebox_DGUF/tree/master/software/Office_Grundlagen
5 Kulturgutschutz
5.1 Aktuelles rund um Kulturgutschutz in den Medien
"Technische Charakteristika des Rettungsmechanismus" (Kulturgutretter, 4.5.): https://www.kulturgutretter.org/kulturgutretter-kgr-technische-charakteristika-des-rettungsmechanismus/
"Rechtliche Aspekte des Schutzes afrikanischen Kulturgutes fundiert aufarbeiten" (Universität Leipzig, 3.5.): https://www.uni-leipzig.de/newsdetail/artikel/rechtliche-aspekte-des-schutzes-afrikanischen-kulturgutes-fundiert-aufarbeiten-2023-05-03
5.2 Welterbestätten: Brennpunkte für Konflikte und ohne Kontakt zu den lokalen Gemeinschaften
Ist kulturelles Erbe wirklich ein neutrales, universelles Konzept? Die Klassifizierung des kulturellen Erbes erfolgt oft aus dem Blickwinkel der westlichen Definition und aus materiellen Aspekten, sagt die Archäologin Prof. Lynn Meskell (University of Pennsylvania) in einem lesenswerten Artikel der Uni-Zeitschrift "Penn Today". Das stimme nicht mit den tatsächlichen Wahrnehmungen und Werten der Menschen überein, die nahe UNESCO-Welterbestätten leben. Meskell und ihr Team haben die öffentliche Meinung zu kulturellem Erbe weltweit untersucht und festgestellt, dass die Ergebnisse oft im Widerspruch zu den Vorstellungen internationaler Organisationen wie der UNESCO und NATO stehen. Es bestehe die Gefahr, dass lokale Bevölkerungsgruppen nicht angemessen berücksichtigt würden: "Menschen, die in der Nähe von Kulturerbestätten leben, werden oft vom Planungsprozess ausgeschlossen, sie werden umgesiedelt, wenn die Stätten zu touristischen Zentren umgestaltet werden. Sie misstrauen den Regierungen, die die Stätten für die Eintragung vorschlagen, und den multinationalen Geschäftsinteressen, die eingreifen, sobald die Stätten die Auszeichnung erhalten." Kulturelles Erbe werde zunehmend als politisches Druckmittel in Konflikten genutzt. Auch gehe es um die Frage der Definition, da das Konzept des kulturellen Erbes über Bauwerke hinausgeht und auch andere kulturelle Aspekte einschließt. Für das 21. Jahrhundert brauche es eine andere Herangehensweise.
Lynn Meskell: "Reconsidering world heritage for the modern era" (Penn Today, 15.5.): https://penntoday.upenn.edu/world-heritage-sites-lynn-meskell
5.3 Es braucht eine Konvention zum Kulturgutschutz auf dem Mond – dringend!
Das japanische Unternehmen iSpace, dessen Mondmission am 26.4. scheiterte, befindet sich in Gemeinschaft mit der der ersten israelischen Mondmission, die 2019 mit dem Absturz von Beresheet im Mare Serenitatis harsch endete. Nun beschäftigen sich Kulturgutschützer und Weltraumrechtler erneut mit Fragen des Kulturgutschutzes auf dem Mond. Alle relevanten Plätze wie z. B. jene der erfolgreichen Apollo-Missionen, seien rechtlich ungeschützt, da die einschlägigen UN-Konventionen ausschließlich auf der Erde gelten. Es gebe zwar Schutzanweisungen z. B. der NASA, die Landeplätze von Apollo 11 und Apollo 17 im 75- bzw. 225-Meter-Umkreis zu meiden, aber rechtlich handle es sich dabei um eine Bitte, mehr nicht. Angesichts der Aussicht auf kommerzielle, touristische Flüge zum Mond seien die einschlägigen Plätze real gefährdet. Archäologen pochen nun erneut darauf, dass die UNESCO hierzu eine internationale Konvention verabschiedet. Der Antarktis-Vertrag und die 2001er Konvention zum Schutz des Unterwasser-Kulturerbes könnten als Vorbild dienen. Die Debatte ist keinesfalls neu; so fand z. B. bereits auf der EAA-Tagung 2003 in St. Petersburg eine Session zu Kulturgut und bemannten Raumfahrt statt (EAA-Veteranen erinnern sich an den brechend vollen Tagungsraum, in dem ein SETI-Experte um Zusammenarbeit mit Archäologen warb). Die Organisation "For All Moonkind" wirbt um den Erhalt des Kulturguts: "The Lunar Landing Sites Represent Unparalleled Human Achievement. Help us Protect our Human Heritage in Outer Space" und arbeitet dafür auch mit den Vereinen Nationen zusammen. Erschütternd ist, dass es trotz aller Bemühungen noch immer keine juristischen Regelungen gibt.
Kiona Smith: "iSpace Crash Highlights Why Apollo Sites Need Protection, Say Archaeologists" (inverse.com, 1.5.): https://www.inverse.com/science/ispace-crash-apollo-sites-need-protection-archaeologists-say
"For All Moonkind": https://www.forallmoonkind.org/
Michelle L.D. Hanlon: "Protecting human heritage on the moon: Don’t let 'one small step' become one giant mistake" (The Conversation, 15.2.2019): https://theconversation.com/protecting-human-heritage-on-the-moon-dont-let-one-small-step-become-one-giant-mistake-111020
Annette Froehlich (Hrsg.): Protection of Cultural Heritage Sites on the Moon. Studies in Space Policy 24. April 2020, Springer: https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-030-38403-6
Greg Uyeno: "Moon exploration site preservation remains uncertain as Artemis era begins" (Space.com, 26.8.2022): https://www.space.com/moon-heritage-preservation-artemis-accords
Zhuang Tian: "Outer space heritage site protection" (Leiden Law Blog, 14.11.2022): https://www.leidenlawblog.nl/articles/outer-space-heritage-site-protection
6 Beruf Archäologie
6.1 Nachfolge W. Schier, FU Berlin: Prof. Dr. Henny Piezonka
Seit Mai hat Prof. Dr. Henny Piezonka, zuvor Juniorprofessorin für Anthropologische Archäologie an der CAU Kiel, die W3-Professur für Prähistorische Archäologie an der FU Berlin inne. Ihre Magisterarbeit zur Forschungsgeschichte der Bronze- und Eisenzeit in der ehemaligen Neumark erfolgte noch an der Humboldt Universität Berlin. 2010 wurde sie an der FU Berlin mit einer Arbeit zur Ausbreitung der Keramik steinzeitlicher Wildbeutergruppen zwischen dem Ural und dem Baltikum promoviert. Diverse Projekte führten sie ans DAI und die Universitäten Berlin und Greifswald, zuletzt war sie Ko-Sprecherin des Clusters ROOTS und Antragstellerin des SFB 1266 an der Univ. Kiel. Sie forscht vor allem zu Jägern/Sammlern und pastoralen Gemeinschaften sowie zu frühen bäuerlichen Gesellschaften, wobei ein regionaler Schwerpunkt auf der eurasischen Waldzone und der Arktis liegt. In einem breiten Zeitfenster vom Ende der Eiszeit bis zur Gegenwart untersucht sie langfristige soziokulturelle und wirtschaftliche Dynamiken in Verbindung mit Mobilität und sesshaften Lebensweisen in Steppen-, Wald- und Tundra-Umgebungen.
Website an der FU-Berlin: https://www.geschkult.fu-berlin.de/e/praehist/institut/Mitarbeiterinnen-und-Mitarbeiter/Professoren/Piezonka.html
6.2 Debatte um die universitäre Archäologie in den USA
Im "SAA Archaeological Record", der Zeitschrift der Society for American Archaeology, stieß Michael J. Shott, emeritierter Professor für Archäologie, im vergangenen Jahr eine Debatte um die akademische Archäologie in den USA an. Es stehe schlecht um das Fach. Wer nach der Promotion zufällig eine der wenigen Festanstellungen an einer Universität erhalte, sei weitgehend immobilisiert: keine weiteren Veränderungen. Der weitere Impact auf die Forschung sei weitgehend von der Universität bestimmt, d. h. von der Frage, ob die Universität auf BA- und MA-Programme angelegt sei oder auch PhD-Programme umfasse - Thesen, die Shott auf eine umfangreiche Studie zu Publikationen und zum h-Index der Publikationen stützen kann (vgl. Shott 2022b). Nicht zuletzt sei das Fach an die Anthropologie (i. e. Ethnologie) gefesselt; um sich angemessen entwickeln zu können (intellektuell wie institutionell), müsse die Archäologie selbstständig werden. Ihm antworten jetzt im Folgejahrgang der Zeitschrift in vier Artikeln Alice B. Kehoe, Stanton W. Green, Jess Back & Julien Riel-Salvatore, was M. J. Shott wiederum kommentiert. In vielem ist die Debatte ausnehmend USA-spezifisch und kaum auf Europa übertragbar. Spannend ist die Debatte allemal, weil man hier (insbes., wenn man auch der zitierten Literatur folgt) beobachten kann, wie die akademische Archäologie in den USA freimütig über sich selbst nachdenkt.
Shott, Michael J. (2022a). Will future archaeology professors be where they deserve to be? Tha SAA Archaeological Record 22(4), 26-33: https://mydigitalpublication.com/publication/?m=16146&i=761718&p=28&ver=html5
"Comments and Reply" (2023): The SAA Archaeological Record 23(3), 36-46: https://mydigitalpublication.com/publication/?m=16146&i=792733&p=38&ver=html5
vgl. auch: Shott, Michael J. (2022b). Merit and placement in the American faculty hierarchy: Cumulative advantage in archaeology. PlosOne 17(1): e0259038. https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0259038
6.3 Feedbackinstrumente in der Lehre: Erwartungsabfrage und Feedbackrunde
Um während eines Semesters zu sehen, ob ein Seminar oder eine Übung so läuft, wie sie das geplant hatte, nutzt Doris Gutsmiedl-Schümann zwei sehr einfach einzusetzende Feedbackinstrumente: zu Semesterbeginn eine Erwartungsabfrage sowie eine Feedbackrunde zum Ende der Lehreinheit. In einem Blogpost stellt die Ur- und Frühgeschichtlerin beide Methoden vor.
"Was nehmen Sie aus der heutigen Sitzung mit?" (Archaeologiskop, 15.5.): https://archiskop.hypotheses.org/784
7 Berufsverband
7.1 "Viele neue Eindrücke und Inputs": Bericht von der CIfA-Deutschland-Jahrestagung "Internationale Archäologie" (Frankfurt, 20.5.)
Gemeinsames Thema der acht Vorträge an der Univ. Frankfurt: "Internationale Archäologie – Arbeiten im Ausland und Internationale Zusammenarbeit2. Zunächst ging es in Fallstudien um die internationale Zusammenarbeit in der privatwirtschaftlichen Archäologie, an Museen und zwischen Universitäten; am Nachmittag folgten Berichte über das Arbeiten im Ausland aus studentischer und wissenschaftlicher Sicht. Alle Teilnehmenden waren aufgefordert, Fragen, die während der Tagung aufkamen, zu sammeln; diese wurden in einem abschließenden World Café diskutiert. Zwei dieser übergreifenden Fragen – "Wie geht man als Archäologe mit Konflikten um?" und "Wie verhindert man Machtmissbrauch gegenüber Studierenden?" – wurden besonders ins Auge gefasst. Das kollektive Ergebnis zur Frage nach Konflikten war zwiespältig. So wurde eine Zusammenarbeit zum Beispiel mit Russland auf Grund des Angriffskrieges auf die Ukraine ausgeschlossen. Bei Betroffenheit mit anderen autokratischen Systemen waren die Grenzen jedoch eher verschwommen. Um Machtmissbrauch gegenüber Studierende auf Auslandsgrabungen zu verhindern, müsse es – so die einhellige Meinung – dezidierte Beauftragte und Regelungen in allen Institutionen geben, damit Betroffenen ein unabhängiger Ansprechpartner zur Verfügung steht. Insgesamt gewannen die Teilnehmer viele neue Eindrücke und Inputs für ihren Berufsalltag, was u.a. auch die internationale Zusammenarbeit weiter stärken kann.
Tagungswebsite mit Abstracts aller Vorträge: https://cifa-deutschland.de/veranstaltungen/vergangene-tagungen
7.2 CIfA-Arbeitskreis "Arbeitnehmer:innen" bittet um Unterstützung betr. Lohnuntergrenzen
Das Lohnniveau in der privatwirtschaftlichen Archäologie Deutschlands ist unbefriedigend. Daher wurden im Jahr 2022 durch die unter dem Dach von CIfA Deutschland organisierten Arbeitskreise "Archäologiefirmen" und "Arbeitnehmer:innen" erstmals Lohnuntergrenzen für die privatwirtschaftliche Archäologie in Deutschland definiert. Hierdurch sollen schrittweise unethische Niedriglöhne und Dumpingangebote verhindert werden. Die Lohnuntergrenzen wurden der Mitgliederversammlung von CIfA Deutschland vorgelegt und durch diese unterstützt. Lohnuntergrenzen bezeichnen dabei das unterste ethisch noch vertretbare Lohnniveau in den jeweiligen Verantwortungsebenen. Dass grundsätzlich höhere Löhne anzustreben sind, versteht sich aus Arbeitnehmersicht von selbst. Derzeit ist der AK Arbeitnehmer:innen dabei, im Hinblick auf die CIfA-Mitgliederversammlung im Herbst 2023 neue, höhere Lohnuntergrenzen auszuhandeln, die zum 1.1.2024 in Kraft treten sollen. Hierbei ist es wichtig, den Arbeitgebern aufzeigen zu können, dass der AK Arbeitnehmer:innen darin weit über die Mitgliedschaft von CIfA Deutschland hinaus von Vielen unterstützt wird. Daher bittet der AK Arbeitnehmer:innen alle in der archäologischen Privatwirtschaft Berufstätigen um eine Unterstützungserklärung, die mit einem Onlineformular abgegeben werden kann. Ansprechpartner für Rückfragen ist Hendrik Hofmann BA, Sprecher des CIfA-AK Arbeitnehmer:innen:
Website mit Unterstützungserklärung: https://s2survey.net/Lohnuntergrenzen/
CIfA Deutschland: "Empfehlungen zu Lohnuntergrenzen für die privatwirtschaftliche Archäologie in Deutschland - Rev. 2022": https://cifa-deutschland.de/fachpolitik/lohnuntergrenzen
Aktuelle Ist-Löhne: Siegmund, F. (2023). Leichtes Wachstum in 2022, verhaltene Branchenstimmung für 2023 – DGUF-Monitoring-Report privatwirtschaftliche Archäologie 2022. Archäologische Informationen 46, Early View, online publiziert 24. April 2023, insbes. S. 4 Abb. 4: https://dguf.de/fileadmin/AI/archinf-ev_siegmund2.pdf
8 Open Access & Open Data
8.1 EU & Open Access: das Pflegekräfte-Modell "kollektives Klatschen statt angemessener Entlohnung" greift um sich - ein Kommentar von Frank Siegmund
Wir erinnern uns an die frühe Zeit der Pandemie und die ersten Lockdowns: In kollektiven Balkonversammlungen wurden Krankenhauspersonal und Pflegekräfte ob ihrer wichtigen, entsagungsvollen Arbeit beklatscht - was überfällige, einschlägige Tariferhöhungen jedoch nicht inkludierte. Ziemlich ähnlich steht es in der EU um das Thema Open Access. Inzwischen ist rundum deutlich, dass der deutsche Weg DEAL ein Irrweg ist, also der Versuch der deutschen Wissenschaftsorganisation, durch Verträge mit den großen Wissenschaftsverlagen mit Pauschalzahlungen einen gebührenlosen Open Access für deutsche Leser und Autoren im Wissenschaftssystem zu erreichen (denn, Achtung Kleingedrucktes, Bürger außerhalb der Academia sind in den DEAL-Verträgen nicht mitgemeint). Dieser Weg ist unverhältnismäßig teuer, stärkt die eh schon bestehen Quasi-Monopolisten und eröffnet ihnen weitere attraktive Geschäftsfelder im wiss. Publikationswesen. Nein, die EU will es anders. Die EU-Wissenschaftsministerien haben in ihrer Sitzung am 23.5. ein Papier des EU-Rats vom 4.5. angenommen und bekräftigt. Darin wird eine Stärkung der für Leser wie Autoren gebührenlosen und nicht-profitorientierten Publikationsmodelle gefordert. Also das, was man in Fachkreisen "Diamond Open Access" oder synonym "Platinum Open Access" nennt: Zeitschriften, die z. B. von autonomen Fachgesellschaften getragen werden, im (echten, d.h. für alle Bürger offenen) Open Access publizieren und von ihren Autoren keine Publikationsgebühren verlangen. Kurz: das aktuelle offizielle EU-Ideal sind Publikationsmodelle, wie es die DGUF (und viele andere!) umsetzen. Danke, EU, die DGUF-Herausgeber und -Mitglieder fühlen sich geehrt und bestärkt! Nur: was sind solche offiziellen Erklärungen mehr als das eingangs erinnerte kollektive Klatschen? Auch wenn Fachgesellschaften eine Zeitschrift tragen, entstehen Aufwände und Kosten. Alles im Ehrenamt? Das ist, wie es u. a. die DGUF zeigt, möglich. Aber ist es auch nachhaltig? Ist es auch fair? Millionen per DEAL an die Monopolisten überweisen, und alles jenseits dessen doch bitte ehrenamtlich und "für lau" machen. Der Open-Access-Experte Heinz Pampel bilanziert es in seinem Bericht über die gen. EU-Sitzung nüchtern und unpolemisch: "Dafür sind, wie das Papier richtig betont, abgestimmte Förderaktivitäten erforderlich, die beispielsweise in Deutschland, komplementär zu DEAL, dem wissenschaftsgeleiteten Open-Access-Publizieren einen deutlichen Aufschwung geben." Yep. Nur ist diese Erkenntnis nicht neu, sondern steht seit der "Budapester Erklärung" (2002) und der von vielen hochkarätigen Leitwölfen unterschriebenen "Berliner Erklärung über offenen Zugang zu wissenschaftlichem Wissen" (2003) im Raum. Ohne, dass es in Deutschland auch nur eine einzige ernsthafte Initiative gäbe, das von Fachgesellschaften getragene Platinum-Open-Access-Publizieren nachhaltig zu finanzieren.
Heinz Pampel: "EU-Mitgliedstaaten betonen die Rolle von wissenschaftsgeleiteten Open-Access-Modellen jenseits von APCs" (wisspub.net, 23.5.): https://wisspub.net/2023/05/23/eu-mitgliedstaaten-betonen-die-rolle-von-wissenschaftsgeleiteten-open-access-modellen-jenseits-von-apcs/
Rat der Europäischen Union (4.5.2023): "Council conclusions on high-quality, transparent, open, trustworthy and equitable scholarly publishing": https://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-8827-2023-INIT/de/pdf
9 Ausstellungen und Museen
9.1 Deutscher Museumsbund: "Leitfaden Klimaschutz im Museum"
Parallel zu seiner Jahrestagung "Ins Handeln kommen: Klimaschutz im Museum" Anfang Mai in hat der Deutsche Museumsbund einen weiteren Leitfaden herausgegeben: "Klimaschutz im Museum". Es geht um Beratung und Unterstützung von Museen durch praktische Handlungsempfehlungen. Mit Anregungen für viele kleine und große Maßnahmen möchte der DMB Museen darin unterstützen, einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten und Impulse für eine nachhaltige Gesellschaft zu setzen. Ziel des Leitfadens sei es, die Kernaufgaben der Museen in höchster Qualität weiterführen zu können und trotzdem klimafit zu werden. Die Publikation kann kostenlos von der Website des DMB heruntergeladen werden. Hinter dem Leitfaden steht die Arbeitsgruppe "Klimaschutz und Nachhaltigkeit" des DMB mit ca. 70 Mitwirkenden.
Deutscher Museumsbund (Hrsg.). (2023). Leitfaden Klimaschutz im Museum. Berlin: DMB. https://www.museumsbund.de/wp-content/uploads/2023/05/dmb-leitfaden-final.pdf
10 Und sonst …
10.1 Sie schrieb Bücher über Tod und Trauer, aber das bereitete die Archäologin Sarah Tarlow nicht auf den Verlust eines geliebten Menschen vor
"Mein ganzes Erwachsenenleben lang habe ich mich mit dem Tod beschäftigt", schreibt Sarah Tarlow (Universität Leicester). "Ich bin Professorin für Archäologie und spezialisiert auf Bestattungs- und Gedenkpraktiken. Ich habe Dutzende von Artikeln und mehrere Bücher über den Tod geschrieben". Aber das alles bereitete sie nicht auf die Trauer um ihren Ehemann vor. Tarlows berührender Artikel dreht sich um lange Krankheit, die Kunst des Sterbens und persönliche Trauer. Der Text ist ein überarbeiteter Ausschnitt von Tarlows im April erschienen Buch "The Archaeology of Loss".
'I spent years studying death, but it didn’t prepare me for grief': archaeologist Sarah Tarlow on losing her husband" (The Guardian, 8.4.): https://www.theguardian.com/books/2023/apr/08/archaeologist-sarah-tarlow-the-archaeology-of-loss
Sarah Tarlow: "The Archaeology of Loss". Pan Macmillan. 288 Seiten, April 2023. https://www.panmacmillan.com/authors/sarah-tarlow/the-archaeology-of-loss/9781529099539
10.2 "Die zeitliche Dimension der Parallelisierung von archäologischen und historischen Informationen": Bericht von der Tagung "Entwicklungsdynamiken am Ende des 2. Jh. v. Chr. in Mitteleuropa" (Mainz, 7.-8.11.2022)
Am Ende des 2. Jahrhunderts v. Chr. setzten im Bereich der Latènekultur besondere Entwicklungsdynamiken ein, die das Siedlungswesen und die Wirtschaft betreffen und die strukturellen Unterschiede zu den kulturellen Einheiten weiter nördlich, der
Jastorf- und Przeworsk-Kultur, noch deutlicher als zuvor hervortreten lassen. In einer Mainzer Tagung im November 2022 wurden dazu nicht nur Einzelphänomene, sondern v. a. deren präzise chronologische Verortung in einem relativen und absolutchronologischen System diskutiert. Die Teilnehmer arbeiteten heraus, dass trotz wohlbegründeter Regionalchronologien deren weitreichende absolutchronologische Verzahnung Schwächen aufweist und vertiefender Forschung bedarf. Martin Schönfelder et al. berichten von der hochkarätigen Tagung.
Schönfelder, M., Meyer, M., Łuczkiewicz, P., Guichard, V., Hornung, S. & Schwab, R. (2023). Entwicklungsdynamiken am Ende des 2. Jahrhunderts v. Chr. in Mitteleuropa: Kontinuität und Diskontinuität, Chronologie und Geschichte. Internationale Tagung in Mainz, 7.-8.11.2022. Archäologische Informationen 45, Early View, online publiziert 13. April 2023.
https://dguf.de/fileadmin/AI/archinf-ev_schoenfelder-etal.pdf
Impressum und Redaktionshinweise
Der Newsletter wird herausgegeben von der Deutschen Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte (DGUF). Verantwortlich für den Inhalt des Newsletters: Diane Scherzler.
Wenn Ihnen der Newsletter gefällt und Sie ihn weiterempfehlen möchten: gerne! Auch wer nicht Mitglied der DGUF ist, kann den Newsletter beziehen. Dort geht es zur Anmeldung: Newsletter abonnieren
Den Newsletter gibt es auch in unserem Archiv. Dort finden Sie auch alle bisherigen Newsletter: Newsletter-Archiv
Wir freuen uns über Ihre Hinweise auf Veranstaltungen, Tagungen etc. Bitte schicken Sie dazu eine E-Mail an die Redaktion:
Keine Gewähr für Angaben, die nicht aus der DGUF selbst kommen.
Deutsche Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte e.V.
An der Lay 4
54578 Kerpen-Loogh
Telefon: 06593/9896-42
Fax: 06593/9896-43