Die wahlrelevanten Parteien in Hessen (CDU, AfD, SPD, Bündnis90/Die Grünen, Freie Wähler, FDP und Die Linke) werden im Vorfeld der Landtagswahl vom 8. Oktober 2023 von der DGUF zu drängenden Themen von Archäologie und Baudenkmalpflege in Hessen befragt. Wir erwarten die Antworten der angefragten Parteien spätestens Anfang September und werden sie auf dieser Seite einsehbar machen. Zudem werden wir die Parteiantworten in eine kurze vergleichende Matrix zusammenfassen und aus DGUF-Sicht einordnen, inwieweit sie eher denkmalschutz- und archäologiefreundlich sind und inwieweit sie solchen Interessen entgegenstehen.
Unsere Wahlprüfsteine
Zur Landtagswahl 2023 stellen wir den zur Wahl stehenden Parteien folgende zwei Fragen, mit denen sich weiterhin große Sorgen und auch Hoffnungen für die Archäologie und Baudenkmalpflege in Hessen verknüpfen.(1) Nutzungsrechte an Grabungsdokumentationen
Die überwiegende Mehrheit der aktuellen archäologischen Ausgrabungen in Hessen wird, finanziert nach dem Verursacherprinzip, durch Fachfirmen ausgeführt. Das hessische Landesamt für Denkmalpflege (HLfD) / hessenARCHÄOLOGIE verlangt per Beauflagung die dauerhafte, nicht entgoltene Übertragung der exklusiven Nutzungsrechte an den dabei erstellten wissenschaftlichen Dokumentation an sich; das hat binnen weniger Monate nach Grabungsende zu geschehen. Aus Sicht der DGUF ist dies sachlich nicht notwendig (also z. B. nicht für Forschungstempo förderlich) und verstößt gegen die Wissenschaftsfreiheit und das Urheberrecht der wissenschaftlichen Grabungsleiter:innen. Die Vorgehensweise verstößt außerdem gegen international breit anerkannte fachliche Ethiken, denen zufolge den Ausgräbern auf zehn Jahre ein Veröffentlichungsrecht einzuräumen ist. Die Praxis von hessenARCHÄOLOGIE schadet zudem der freien Wirtschaft als attraktive Arbeitgeberin, wenn bei Fachfirmen angestellte Archäolog:innen ihre Grabungen nicht publizieren können. Die Masse an archäologischen Ausgrabungen wandert in Deutschland unveröffentlicht ins Archiv und kann damit bestenfalls sehr eingeschränkt für die Forschung oder auch von interessierten Bürger:innen genutzt werden. Das heißt im Ergebnis: In den meisten Fällen dürfen die Ausgräber die Ergebnisse ihrer Ausgrabungen nicht veröffentlichen; die Landesbehörde kann die anfallende Publikationslast nicht leisten, besteht aber unbeirrt auf der Übertragung der Nutzungsrechte an sie. Andere Bundesländer verfahren nicht so – Hessen schlägt hier einen Sonderweg ein. Unterstützt Ihre Partei das spezielle Vorgehen von hessenARCHÄOLOGIE oder wird sie es in der kommenden Legislaturperiode kritisch hinterfragen und abstellen oder jedenfalls gründlich überarbeiten?
(2) Scheinselbständigkeit auf archäologischen Ausgrabungen
In Hessen arbeiten auf archäologischen Grabungen, die von öffentlichen Trägern (Kommunen, Land) beauftragt wurden, viele Archäologen in scheinselbstständigen Arbeitsverhältnissen (alias Werkverträgen) bei Grabungsfirmen; sie zahlen nicht in die Sozialkassen ein. Es entsteht ein Preisdruck auf seriöse Fachfirmen, die ihre Mitarbeiter:innen unbefristet und sozialversichert anstellen. Wäre es nach Ihrer Auffassung geboten, auch auf archäologischen Ausgrabungen diesbezüglich Kontrollen durchzuführen, wie sie z.B. im Baugewerbe üblich sind? Was sind die Pläne ihrer Partei zu dieser Frage für die kommende Legislaturperiode?
Die Antworten der Parteien
Stand: 26. Sept. 2023
Offizieller Hashtag: #WPSHessen
Sachverhalt zum Thema Publikationsrechte in Hessen und Debatte im Fach
Eric Biermann (2021): Publikationsverbot und Zwangslöschung von Veröffentlichungen auf Betreiben des Landesamtes für Denkmalpflege Hessen (LfDH). Archäologische Informationen, 44, 25-45. [dort]
Raimund Karl (2021): Bearbeitungs- und Publikationsrechte an archäologischen Feldforschungsergebnissen. 100. DGUF-Newsletter vom 12. Mai 2021, Nr. 7.3. [dort]
Ickerodt, U., Jantzen, D., Recker, U., Claßen, E., Irlinger, W. & Rind, M. (2022): Forschung in der archäologischen Denkmalpflege: Zwischen individueller Selbstverwirklichung und fachlichen Grundsätzen. Archäologische Informationen, 45, 33-46. [dort]
Erwin Cziesla (2021): Der Publikations- und Auswertungsstau bei archäologischen Untersuchungen. 100. DGUF-Newsletter vom 12. Mai 2021, Nr. 9.2. [dort]
Eric Biermann (2022): Ignorantia legis non excusat - Zum Stand der Forschungsfreiheit in der archäologischen Feldforschung. Archäologische Denkmalpflege, 5. Nov. 2022. [dort]