DGUF-Newsletter Nr. 125 vom 29.08.2024
Inhalt
1.2 DGUF-Monitoringreport 2023: Wachstumsjahr folgt auf Wachstumsjahr
1.3 UFG & AMANZ 2023: 25 % weniger Uni-Absolventen als in den Vorjahren
1.5 Archäologische Informationen 46, 2023 abschließend publiziert
1.6 Ausschüttungen VG Wort, Open Access, "Archäologische Informationen"
2 Tagungen und Veranstaltungen
2.1 "Open Science in Archaeology: An Unconference" (Leiden, 7.-8.11.)
2.2 "archaeoworks 5" (Köln, 17.-20.10.)
2.3 Zweites Community Meeting von NFDI4Objects (Mainz, 25.-27.9.)
3.1 Neu im Early View der "Archäologischen Informationen"
3.2 Aktuelle Ausgrabungen und Forschung in den Medien
3.4 SQuARE: Archäologische Untersuchungen auf der ISS
3.5 Erste Hominiden vor ca. 1,3 Mio. Jahren in Südwesteuropa
3.6 Pest im südskandinavischen Mittelneolithikum?
3.7 Kanton Basel-Land: 45.000 Jahre alter Faustkeil entdeckt
4.1 Uruk-Warka im Südirak als Digitaler Zwilling
4.3 Statistik-Handbücher mit R
5 Nationale Forschungsdateninfrastruktur (NFDI)
5.1 25.6.2024: Austausch NFDI4Objects und privatwirtschaftliche Archäologie
6.1 Aktuelles rund um Kulturgutschutz in den Medien
6.2 Der Schutz unkontaktierter Völker im Bergbau
6.3 24 neue UINESCO-Welterbestätten
6.5 Malta: Historisches Wegesystem für Viehwanderungen in Gefahr
7.1 Ethik in der archäologischen Praxis
7.2 Die privatwirtschaftliche Archäologie in Großbritannien und Irland 2023
7.3 Prof. Marion Ackermann wird neue Präsidentin der Stiftung Preußischer Kulturbesitz
7.5 Claus von Carnap-Bornheim von der EAA ausgezeichnet
8.1 Lohnuntergrenzen für 2025 liegen vor, Verabschiedung voraussichtlich am 14.9.
9.1 Echt jetzt: noch mehr Geld für DEAL?
9.3 Zehn Thesen zur Zukunft des wissenschaftsgeleiteten Open-Access-Publizierens
10 Bürger und Archäologie & Citizen Science
12.1 Lohnt es, ausführliche Forschungsanträge zu schreiben?
12.2 Drittmittelvergabe: Argumente für Lotterie statt Begutachtung
12.3 UNESCO-Welterbe Danewerk wird besser geschützt und touristisch erschlossen
12.4 ChatGPT und Co. in den Geisteswissenschaften - Grundlagen, Prompts und Praxisbeispiele
12.5 "Basler Hefte zur Archäologie" nun auch im Open Access
12.6 "Blickpunkt Archäologie": Ende für die Printausgabe
12.7 "Publish or perish" als Kartenspiel
12.8 RADO.NB: RADON & RADON-B vereint mit überarbeitetem Datenbestand
12.9 Archaeological Artefact Database of Finland
12.10 Auch sonst beherzigenswert: "RSS guide to statistics on social media"
12.11 ARD-Mittagsmagazin gedenkt der Entdeckung der Himmelsscheibe von Nebra
12.12 Kurz mal die Menschheit auslöschen? Apokalypse-Simulation mit dem Asteroid Launcher
1 DGUF-Nachrichten
1.1 Sektion "Von der digital gestützten Ausgrabung zu digitalen Diensten in der Archäologie" (Bochum, 9.10.)
Das Schwerpunktthema der aktuellen Tagung des Nordwestdeutschen Verbands für Altertumsforschung in Bochum vom 7.-11. Oktober ist - rund um das Projekt NFDI4Objects - die digitale Archäologie. Bei dieser Plenarsitzung am Mittwoch im Deutschen Bergbaumuseum geht es neben wichtigen, NDFI4Objects-üblichen Themen auch um die von der DGUF eingebrachte privatwirtschaftliche Archäologie als jenem Bereich, die in vielen Bundesländern die Masse der neuen Grabungsdaten einspeist. Dort, auf der Grabung, wird entschieden, was künftig forschbar ist. Das wirtschaftliche Potenzial, die Flexibilität und auch das Gebot der Wirtschaftlichkeit führen dazu, dass die Privatwirtschaft in der Digitalisierung innovationsfähiger ist als manche Behörde, so dass sich in den betreffenden Vorträgen zentrale Merkmale und Tendenzen der zukünftigen Archäologiepraxis widerspiegeln. Auf Initiative der DGUF wird ein weiteres bisher vernachlässigtes Feld in zwei Vorträgen hell ausgeleuchtet: die Einbindung der ehrenamtlichen Archäologie in die Digitalität. Stefanie Hoss stellt das Portable Antiquities of the Netherlands (PAN) vor, die ausgereifte Fundmeldeplattform in den Niederlanden. Eicke Siegloff stellt die startfertige, auf Behörden, Wissenschaftler wie Ehrenamtler zielende, web-basierte Lösung in Schleswig-Holstein vor. Ein Tag digitale Archäologie kompakt - eine gute Gelegenheit, sich umfassend zu informieren, mitzureden, Kontakte zu knüpfen, Gesprächs- und Bündnisparter zu finden!
Tagungsprogramm (Plenarsitzung S. 46 ff.): https://va-bochum-2024.de/wp-content/uploads/2024/08/Programm_Altertumsverbaende_2024.pdf
Abstracts (Schwerpunktthema S. 100 ff.): https://va-bochum-2024.de/wp-content/uploads/2024/08/Abstracts_Altertumsverbaende_2024.pdf
1.2 DGUF-Monitoringreport 2023: Wachstumsjahr folgt auf Wachstumsjahr
Die DGUF hat im Frühjahr 2024 die privatwirtschaftliche Archäologie Deutschlands wieder über das zurückliegende Wirtschaftsjahr befragt. Demnach beschäftigten die Fachfirmen deutschlandweit insgesamt ca. 2.760 - 3.370 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen (d. h. 3.065 ±10%), ca. 3 % mehr als im Vorjahr. 84 % der Mitarbeiter in dieser Branche sind unbefristet sozialversichert angestellt. Das Gehaltsniveau stieg von 2022 auf 2023 im Mittel um etwa 8 %. Im Mittel bieten die Unternehmen ihren Angestellten 5,6 Tage mehr bezahlten Urlaub als das gesetzlich vorgeschriebene Minimum von 20 Tagen. Im Hinblick auf das Jahr 2024 planen die Unternehmer ein Personalwachstum von etwa 11 %, davon ca. 7,7% im Qualifikationsbereich "mit wiss. Abschluss". Im Vergleich zum Vorjahr stieg der Jahresumsatz der Firmen im Jahr 2023 im Mittel um 9,4 %, der Umsatz pro Mitarbeiter um etwa 9.700 Euro. An der DGUF-Umfrage zum Jahr 2023 haben sich 25 der ca. 106 in Deutschland ansässigen Archäologie-Unternehmen beteiligt.
Siegmund, F. (2024). Deutliche Lohnverbesserungen im Jahr 2023 und Wachstumspläne für 2024 – DGUF-Monitoring-Report privatwirtschaftliche Archäologie 2023. Archäologische Informationen 47, Early View, online publiziert 12. Juni 2024. https://dguf.de/fileadmin/AI/siegmund_2024a.pdf
1.3 UFG & AMANZ 2023: 25 % weniger Uni-Absolventen als in den Vorjahren
Die seit 2019 jährlich von der DGUF durchgeführte Umfrage an den einschlägigen Universitätsinstituten zu den Studierenden- und Absolventenzahlen im Fach UFG & AMANZ zeigt für 2023 einen Einbruch der Absolventenzahlen um 25 % auf, mit aktuell ca. 82 MA-Absolventen und 32 Promotionen. Neu hinzugenommen wurde für das Jahr 2023 das Fach Provinzialrömische Archäologie, für das sich ca. 13 bis 17 MA-Abschlüsse und 5 bis 12 Promotionen ergeben. Da ca. 31 % der MA-Absolventen zunächst zwecks Promotion an der Universität verbleiben, stehen dem außeruniversitären Arbeitsmarkt, der 2024 einen zusätzlichen Bedarf von ca. 210 Stellen haben wird, also insgesamt ca. 110 Fachwissenschaftler zur Verfügung. Neu können wir auch die Größe des universitären Arbeitsmarktes UFG / AMANZ und Prov.-röm. Archäologie abschätzen. Er ist (erheblich) kleiner als bislang angenommen: Nach den Angaben der Institute beträgt die Gesamtzahl der Professuren, Mittelbaustellen und Drittmittelstellen für das Fach UFG & AMANZ ca. 234 Stellen und für das Fach Provinzialrömische Archäologie ca. 38 Stellen.
Siegmund, F. (2024). Die Studierenden- und Absolventenzahlen in den Fächern Ur- und Frühgeschichte sowie Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit und Provinzialrömische Archäologie im Jahr 2023. Archäologische Informationen 47, Early View, online publiziert 12. Juni 2024. https://dguf.de/fileadmin/AI/siegmund_2024b.pdf
1.4 Brücke zwischen Privatwirtschaft und NFDI: Zur Veranstaltung "NFDI4Objects und privatwirtschaftliche Archäologie" (Online, 25.6.)
Ende Juli fand eine von der DGUF organisierte Online-Veranstaltung mit ca. 45 Teilnehmern statt, die einer ersten Kontaktaufnahme zwischen NFDI4Objects und der privatwirtschaftlichen Archäologie diente. Die DGUF hatte interessierte Firmen dazu breit eingeladen. Dr. Christin Keller, Geschäftsführerin von NFDI4Objects, stellte den Vertretern der Privatwirtschaft das Projekt und seine Zielsetzungen vor. In drei Impulsvorträgen stellten wiederum privatwirtschaftliche Tätige Archäologinnen und Archäologen ihr Tätigkeitsspektrum auf dem Themenfeld Digitale Archäologie / Digitale Grabungsdokumentation vor. Sie machten u. a. auf die enorme Menge an Forschungsdaten aufmerksam, die seitens der Privatwirtschaft generiert würden. Die Privatwirtschaft beklagte nicht nur die ihres Erachtens überflüssige Fülle und Unterschiedlichkeit der länderspezifischen Dokumentations-Richtlinien, sondern sie stellte handfeste Lösungsansätze vor. Der anschließende Austausch unter allen Teilnehmern erhärtete, dass der künftige Weg darin bestehen werde, umfassend in autonomen Systemen zu dokumentieren und daraus das, was von einer Landesarchäologie gefordert werde, automatisiert nach deren Wünschen auszuspielen. Also letztlich eine Untermenge des tatsächlich Dokumentierten an die staatliche Archäologie zu übergeben. Vorträge wie Lösungsansätze schlugen erfolgreich eine Brücke zu dem Aufgaben- und Interessensfeld von NFDI4Objects, weil auch dort die Fülle der Richtlinien, Thesauri und Datenformate als Problem in Richtung langfristige Archivierung und FAIRness erscheint. Der DGUF-Termin führte einerseits dazu, dass auf der NFDI-Session bei der Bochumer Verbandstagung im Oktober nun auch die Privatwirtschaft mit mehreren Vorträgen präsent sein wird. Andererseits deutet sich an, dass die DGUF-Initiative zur Gründung eines Experten-Netzwerks in der privatwirtschaftlichen Archäologie führt.
Veranstaltungswebsite: https://dguf.de/tagungen-events/tagungen/vergangene-tagungen/tagungen-seit-2020/25-6-2024-austausch-nfdi4objects-und-privatwirtschaftliche-archaeologie
1.5 Archäologische Informationen 46, 2023 abschließend publiziert
Jahrgang 46, 2023 der DGUF-Zeitschrift ist abschließend publiziert. Alle diesbezüglichen Early-View-Fassungen wurden auf DGUF.de gelöscht, die Aufsätze findet man nun samt dauerhafter Seitenzahlen, stabiler URL und DOI beim FID Propylaeum. Der Jahrgang enthält 24 Aufsätze und 19 Rezensionen. Die Auslieferung der gedruckten Ausgabe erfolgte im Juli und August.
https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/arch-inf/issue/view/7023
1.6 Ausschüttungen VG Wort, Open Access, "Archäologische Informationen"
Als Autor oder Autorin wissenschaftlicher Werke kann man für Aufsätze einmalig eine Ausschüttung von der VG Wort erhalten, vorausgesetzt, man hat diesen Wunsch bei der VG Wort angemeldet (in deren Portal T.O.M.). Beißen sich Open Access und Tantiemen? Nein, wie ein Artikel von Felix Reda bei iRightsInfo darlegt. Obwohl sich die Idee der Tantiemen u. a. von der sog. Kopierabgabe ableitet, d. h. ihren Ursprung bei gedruckten Zeitschriften hat, die man im Abonnement hielt: Beiträge in den im Open Access publizierten "Archäologischen Informationen" sind trotz Open Access grundsätzlich tantiemen-fähig. Die Herausgeber unterstützen die Autoren sogar darin: Für Online erscheinende Werke verlangt die VG Wort, dass ein Zählpixel in den elektronischen Beitrag eingebaut wird, damit die VG Wort selbst zählen kann, wie oft ein Beitrag aufgerufen wurde. Unser Partner "Propylaeum" erledigt das für uns, d. h. alle Online-Beiträge erhalten diese Zählpixel. Nur – es nützt nix. Die VG Wort erwartet mindestens 1.500 Downloads in 1 Jahr – eine Anzahl, die wissenschaftliche Aufsätze in der Regel nicht erreichen. Weshalb es für die Online-Beiträge in der Praxis keine Tantiemen gibt. Was aber weiterhin gut funktioniert: den gedruckten Beitrag bei der VG Wort anmelden. Denn gedruckte Zeitschriften - und die Arch. Inf. gibt es ja weiterhin auch in einer gedruckten Ausgabe - müssen nur als Zeitschrift in einer hinreichenden Menge an öffentlichen Bibliotheken verfügbar sein, dann sind sie resp. ihre Beiträge tantiemen-fähig. Hinweis also an unsere Autoren: Beitrag aus den gedruckten Arch. Inf. anmelden! Da wir den Bereich "online only" weiterhin im Inhaltsverzeichnis der gedruckten Ausgabe anführen, könnte das eigentlich auch bei Beiträgen dort klappen ;-) Wer es ausprobiert und Erfahrungen gesammelt hat: wir freuen uns auf Rückmeldungen!
Felix Reda: "Kein Widerspruch: Open Access und Vergütung durch die VG Wort" (iRgightsInfo, 26.7.): https://irights.info/artikel/vg-wort-open-access/32271
VG Wort: "Wahrnemungsvertrag": https://www.vgwort.de/dokumente/wahrnehmungsvertrag.html
VG Wort: "Wissenschaftliche Publikationen": https://www.vgwort.de/auszahlungen/wissenschaftliche-publikationen.html
VG Wort T.O.M. - Texte Online Melden: https://tom.vgwort.de/portal/index
1.7 Unter den DGUF-Rezensionsangeboten: Fabienne Olmer, Benjamin Girard and Réjane Roure (Eds): Expressions artistiques des sociétés des âges du Fer
Unter den zahlreichen Publikationen, welche die Herausgeber der "Archäologischen Informationen" zur Rezension ausschreiben, sei diesmal der Band "Expressions artistiques des sociétés des âges du Fer" hervorgehoben. Vorgelegt werden die Vorträge des 46. Kolloquiums der AFEAF, das im Mai 2022 stattfand. Ziel des Kolloquiums war es, eine Bilanz der aktuellen Forschung über die künstlerischen Ausdrucksformen der Eisenzeit im westeuropäischen Raum zu ziehen, wobei vier Themenbereiche verfolgt wurden: (a) Der Begriff der Kunst: Historiographie und Epistemologie; (b) Die Herstellung der Kunst: materielle und immaterielle Formen; (c) Die Bedeutung der Produktionen: Darstellungen, Stile, Interpretationen; (d) Die Kunst in der Gesellschaft: Status, Identitäten, Funktionen. Veröffentlicht werden vierzig Beiträge, die während des Kolloquiums präsentiert wurden (Vorträge und Poster), zusammen mit fünfundvierzig Mini-Postern. Wenn Sie Interesse an einer Rezension haben, richten Sie bitte Ihre Anfrage mit Ihrer vollständigen Postanschrift sowie einer kurzen Begründung, weshalb Sie dieses Werk besprechen wollen, an:
Alle Rezensionsangebote der "Archäologischen Informationen" mit weiteren Informationen zu Modalitäten und Ablauf: https://www.dguf.de/fileadmin/user_upload/publikationen/AI/dguf-dok_arch-inf_rezensionsangebote.pdf
Fabienne Olmer, Benjamin Girard and Réjane Roure (Eds): Expressions artistiques des sociétés des âges du Fer. Actes du 46e colloque international de l'AFEAF, Aix-en-Provence, 26-28 mai 2022. (Collection AFEAF 6). 472 pages. July 2024. On the book: http://www.afeaf.org/bibliotheque/_modules/catalogue/colloques/colloques_46_3.pdf
2 Tagungen und Veranstaltungen
2.1 "Open Science in Archaeology: An Unconference" (Leiden, 7.-8.11.)
Die Organisatoren möchten eine (Un) Conference über Open Science und Archäologie gestalten: formal alles anders als sonst eben, d. h. ohne die klass. Abfolge von Vortrag, Diskussion, Vortrag, usw. Mehr mit Workshops, mehr teilnehmerbestimmt als üblich.
2.2 "archaeoworks 5" (Köln, 17.-20.10.)
Die Berufsmesse des DASV bringt angehende Archäologinnen und Archäologen in den Austausch mit Ausstellern aus Firmen und Dienstleistern sowie Verbänden wie der DGUF. Angeboten werden Vorträge aus allen Berufsrichtungen und Themengebieten innerhalb der Archäologie sowie Exkursionen. Um Anmeldung wird bis 15.9. gebeten.
https://www.dasv-ev.org/archaeoworks
2.3 Zweites Community Meeting von NFDI4Objects (Mainz, 25.-27.9.)
Die Veranstaltung bietet ein buntes Programm zum Thema Forschungsdatenmanagement von objektbezogenen Daten und den FAIR, TRUST und CARE-Prinzipien. So bietet z. B. Kai-Christian Bruhn ein FDM-Training für Studierende/Promovierende an, es wird über NFDI4Objects Tools & Services gesprochen, ein Treffen der NFDI4Objects Community Cluster und Temporary Working Groups findet statt und auch ein Workshop zur Harmonisierung und Integration von Konsortialdiensten durch Verknüpfung dezentraler Systeme in NFDI4Objects steht auf der Agenda. Es wird keine Teilnahmegebühr erhoben.
https://www.nfdi4objects.net/index.php/2nd-community-meeting-programm-veroeffentlicht
3 Forschung
3.1 Neu im Early View der "Archäologischen Informationen"
Hebert, B. (2024). Archäologische (Fach-)Ethiken – cui bono? Über die Umsetzung ethischer Prinzipien in der österreichischen Denkmalpflege und Archäologie. Archäologische Informationen 47, Early View, online publiziert 25. Juli 2024.
Belford, P. & Wait, G. (2024). Ethics in Archaeological Practice. Archäologische Informationen 47, Early View, published online 22 July 2024.
Oebbecke, J. (2024). Urheber- und Verwertungsrechte in der Bodendenkmalpflege – Ein Gutachten vom Dezember 1998 und eine Einordnung aus heutiger Sicht. Archäologische Informationen 47, Early View, online publiziert 28. Juni 2024.
https://www.dguf.de/early-views
3.2 Aktuelle Ausgrabungen und Forschung in den Medien
Serbien: "Ausgrabungen vor dem Osttor von Romuliana-Gamzigrad 2024" (DAI, 27.8.): https://www.dainst.blog/crossing-borders/2024/08/27/im-osten-viel-neues-ausgrabungen-vor-dem-osttor-von-romuliana-gamzigrad-2024/
"Trierer Goldrausch und antike Schätze. Ein Archäologie-Team der Universität Trier untersucht erstmals systematisch römische Artefakte aus der Mosel. Es handelt sich dabei um eine der größten Sammlungen an Flussfunden weltweit" (Universität Trier, 24.8.): https://www.uni-trier.de/universitaet/verwaltung/stabsstelle-praesidentin/kommunikation-marketing/medien-der-universitaet/konzentriert/beitrag?tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Bnews%5D=25873&cHash=81b1be517cfb08136a4ac888f9b5bc4b
"Villedieu-sur-Indre du Mésolitique au haut Moyen Âge (Indre)" (INRAP, 24.8.): https://www.inrap.fr/villedieu-sur-indre-du-mesolitique-au-haut-moyen-age-indre-19502
"Des vestiges gaulois à Amiens (Somme)" (INRAP, 23.8.): https://www.inrap.fr/des-vestiges-gaulois-amiens-somme-19501
"Jerusalem and Charlemagne" (ASOR, 22.8.): https://anetoday.org/jerusalem-and-charlemagne/
Schwarzwald: "Bauarbeiter finden Schatz im Glottertal: Im Mittelalter ein Vermögen, heute ein Archäologie-Traum" (SWR, 20.8.): https://www.swr.de/swrkultur/kunst-und-ausstellung/muenzschatz-im-glottertal-im-mittelalter-ein-vermoegen-heute-ein-archaeologen-traum-100.html
"Eiszeit-Europäer: Klimawandel verursachte dramatischen Rückgang von Jägern und Sammlern" (Senckenberg, 16.8.): https://www.senckenberg.de/de/pressemeldungen/eiszeit-europaeer-klimawandel-verursachte-dramatischen-rueckgang-von-jaegern-und-sammlern/
Landkreis Vorpommern-Greifswald: "Sensationsfund aus dem 12. Jahrhundert im Norden" (Morgenpost, 14.8.): https://www.mopo.de/im-norden/meck-pomm/sensationsfund-aus-dem-12-jahrhundert-im-norden
"Phoenician Trade Associations in Ancient Greece" (ASOR, 8.8.): https://www.asor.org/anetoday/2024/08/phoenician-trade-associations
Ägypten: "Forscher wollen Rätsel um Mumie der 'schreienden Frau' gelöst haben" (Spiegel, 2.8.): https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/altes-aegypten-forscher-wollen-raetsel-um-mumie-der-schreienden-frau-geloest-haben-a-da79509c-e9c7-4f01-9079-8450dfcc7a8e
"Slawische Siedlung und Gräberfeld am SuedOstLink bei Wettin-Löbejün entdeckt" (Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt - Landesmuseum für Vorgeschichte, 1.8.): https://www.lda-lsa.de/presse-und-oeffentlichkeitsarbeit/presseinformationen/1824-slawische-siedlung-bei-loebejuen
"Modernes Verhalten erklärt prähistorische Wirtschaft. Archäologische Studie untersucht Ausgabeverhalten der Menschen in der Bronzezeit" (Universität Göttingen, 30.7.): https://www.uni-goettingen.de/de/3240.html?id=7500
"Doppelte Naturkatastrophe. Nach dem Vulkan kam das Erdbeben über Pompeji" (Tagesschau, 23.7.): https://www.tagesschau.de/wissen/forschung/pompeji-vulkanausbruch-erdbeben-100.html
"Künstliche Intelligenz entziffert Keilschrift" (Deutschlandfunk, 22.7.): https://www.deutschlandfunk.de/babylonische-spracherkennung-ki-entziffert-keilschrift-dlf-1234f899-100.html
"Is it Ethical to Continue Excavating the Dead in the Ancient Near East?" (ASOR, 11.7.): https://www.asor.org/anetoday/2024/07/excavating-the-dead
"20 tote Kelten unter Schweizer Brücke: Massenunglück oder Opferritual?" (National Geographic, 21.6.): https://www.nationalgeographic.de/geschichte-und-kultur/2024/06/20-tote-kelten-unter-schweizer-bruecke-massenunglueck-oder-opferritual und Laffranchi, Z., Zingale, S., Indra, L. et al. Geographic origin, ancestry, and death circumstances at the Cornaux/Les Sauges Iron Age bridge, Switzerland. Sci Rep 14, 12180 (2024). https://doi.org/10.1038/s41598-024-62524-y
"Entre le forum antique et les arènes de Lutèce, fouilles à l’École des Arts Décoratifs (Paris)" (INRAP, 12.6.): https://www.inrap.fr/entre-le-forum-antique-et-les-arenes-de-lutece-fouilles-l-ecole-des-arts-18087
"Ältester Weißwein in Urne gefunden – zusammen mit menschlichen Überresten. In Spanien haben Forscher den wohl ältesten in flüssiger Form erhaltenen Wein gefunden. Kosten möchte man den antiken Tropfen eher nicht: Er lagerte offenbar mit menschlichen Überresten in einem Tongefäß" (Spiegel, 18.6.): https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/spanien-aeltester-weisswein-in-urne-gefunden-zusammen-mit-menschlichen-ueberresten-a-4ee05752-4f25-4981-81a2-cabba0b926f6
El Salt: "These Neanderthal fire pits offer an extraordinarily precise snapshot of ancient life. Researchers used traces of Earth’s changing magnetic field in sediments to identify the activity of ancient humans" (Nature News, 5.6.): https://www.nature.com/articles/d41586-024-01688-z
"Earliest cattle herds in northern Europe found in the Netherlands" (Phys.org, 4.6.): https://phys.org/news/2024-06-earliest-cattle-herds-northern-europe.html
Frankreich: Des chevaux gaulois ont-ils été sacrifiés à Villedieu-sur-Indre? (INRAP, 24.5.): https://www.inrap.fr/des-chevaux-gaulois-ont-ils-ete-sacrifies-villedieu-sur-indre-indre-18030 und "Archaeologists uncover ‘astonishing’ remains of horses buried 2,000 years ago" (CNN, 29.5.): https://edition.cnn.com/2024/05/29/europe/horses-remains-graves-france-intl-scli-scn/index.html
"Des chevaux gaulois ont-ils été sacrifiés à Villedieu-sur-Indre ? (Indre)" (INRAP; 24.5.): https://www.inrap.fr/des-chevaux-gaulois-ont-ils-ete-sacrifies-villedieu-sur-indre-indre-18030
"Ancient Mycenaean armor tested by Marines and pronounced suitable for extended combat. Hellenic Marines ran combat drills in Bronze Age armor, finding it not just ceremonial, but battle-worthy" (PLOS, 22.5.): https://www.eurekalert.org/news-releases/1044754
Çatal Höyük: "One of the world’s earliest farming villages housed surprisingly few people" (Science News, 20.5.): https://www.sciencenews.org/article/earliest-farming-villages-housed-people
"Human sacrifice evidence in Iron Age bones, say Bournemouth researchers" (BBC, 20.5.): https://www.bbc.com/news/uk-england-dorset-69039183
3.3 Aktuelle aDNA-Studie unterstreicht These von matrilinearer Machtweitergabe in der Späthallstattzeit
Der früh verstorbene Ludwig Pauli publizierte 1972 in den "Hamburger Beiträgen zur Archäologie" eine Analyse der späthallstattzeitlichen Gräberfelder von Hirschlanden, Asperg und Mühlacker, die insbesondere auf den Fundkombinationen und Stratigrafien beruhte. Seine Studie erbrachte unbequeme Thesen, die vom damaligen Mainstream der Forschenden kaum adaptiert wurden. Hinsichtlich der Chronologie wies er die Gleichzeitigkeit von Hallstatt D3 und Latène A nach, d. h. er nahm einen bislang chronologisch gedeuteten Unterschied als Ausdruck zweier gleichzeitig nebeneinander existierender Kulturen / Ideologien wahr. Noch unbequemer war seine Analyse hinsichtlich der Geschlechterrollen: Pauli leitete aus der Anlage neuer Grabhügel und der Belegungsabfolge in ihnen ab, dass in der Späthallstatt-Gesellschaft Frauen eine wichtige Rolle spielten und die Herrschaftsübergabe an die nächste Generation jeweils über die Frauenlinie erfolgt sei. Eine These, die seinerzeit angesichts der reichen "Fürstengräber" (!) nur ungern aufgegriffen wurde – wiewohl hie und da unter den "Fürstengräbern" weibliche Inventare nicht zu leugnen waren – mit Vix als wohl prominentestem Beispiel (zum Verlauf der Debatten s. Schweizer 2012). Auch wenn in Folge immer wieder ausstattungsreiche Frauengräber mit "Fürsten"/"Eliten"-Inventar entdeckt wurden (z. B. Claßen u. a. 2010, Linsmeier 2022), blieb die Vorstellung einer matrilinearen Machtweitergabe vielen Fachkollegen fremd. Vor diesem Hintergrund ist ein am 3.6. in einer Nature-Zeitschrift publizierter Aufsatz zu aDNA-Forschungen an 31 Elite-Gräbern der Späthallstattzeit in Baden-Württemberg bemerkenswert (Gretzinger u. a. 2024): Die nachgewiesenen biologischen Verwandtschaftsverhältnisse bestätigen das Modell von Pauli, die Weitergabe eines herausragenden sozialen Status erfolgte über die weibliche Linie. Isotopenuntersuchungen deuten an, dass die Bestatteten aus Eberdingen-Hochdorf und Asperg-Grafenbühl Vorfahren im heutigen Frankreich und Italien hatten - was hinsichtlich der Südkontakte der Späthallstattkultur eher nach Etrurien weist als auf die griech. Kolonie Massilia / Marseille.
Pauli, L. (1972). Untersuchungen zur Spathallstattkultur in Nordwürttemberg. Analyse eines Kleinraumes im Grenzbereich zweier Kulturen. Hamburger Beitrage zur Archäologie, 2(1).
Schweizer, B. (2012). Theoretische Archäologie und Historische Erzählung: Zu "Hochkultur" und "Barbaricum" am Beispiel der "Fürstensitze" der Späten Hallstattzeit. Ethnographisch-Archäologische Zeitschrift (EAZ), 53, 50-85: https://www.waxmann.com/index.php?eID=download&id_artikel=ART101485&uid=frei
Claßen, E. (2010). Fürstin - Priesterin - Händlerin: Wer bin ich in der Hallstattzeit. Archäologie in Deutschland 2010/6, 24-27. https://www.academia.edu/1799992/F%C3%BCrstin_Priesterin_H%C3%A4ndlerin_Wer_bin_ich_in_der_Hallstattzeit?auto=download
Linsmeier, K.-D. (2022). Heuneburg: Die neue Fürstin vom Bettenbühl. Spektrum.de (3.5.2022): https://www.spektrum.de/news/heuneburg-die-neue-fuerstin-vom-bettelbuehl/1960420
Curry, A. (2024). Graves of Celtic princess suggest powerful role for women in ancient Germany. Science News, 3. 6. 2024: https://www.science.org/content/article/graves-celtic-princes-suggest-powerful-role-women-ancient-germany
Paul, A. (2024). DNA suggests ancient Celtic royalty was matrilineal. Popular Science, 3.6.2024: https://www.popsci.com/science/celtic-burial-gender/
Gretzinger, J. et al. (2024). Evidence for dynastic succession among early Celtic elites in Central Europe. Nature Human Behaviour, 3.6.2024: https://www.nature.com/articles/s41562-024-01888-7
3.4 SQuARE: Archäologische Untersuchungen auf der ISS
Mit dem Sampling Quadrangle Assemblages Research Experiment (SQuARE) untersuchten Wissenschaftler aus Australien und den USA sechs Bereiche der Internationalen Raumstation (ISS). Als Citizen Scientists dienten hier die Astronautinnen und Astronauten auf der ISS. Sie fotografierten in den ersten 30 Tagen des Projekts immer zur selben Zeit und in den folgenden 30 Tagen zu zufälligen ausgewählten Zeitpunkten u. a. einen Wartungsbereich, einen Sammelbereich in der Nähe der Toilette sowie die Trainingsgeräte der Crew. Ähnlich wie bei einer Ausgrabung sollten die Gegenstände, die auf den Fotos zu sehen waren, Auskunft über das Nutzungsverhalten und die Bedeutung der Räumlichkeiten geben. 5.438 Objekte wurden von den Archäologen identifiziert und nach Typ und Funktion beschrieben, danach wurde eine chronologische Analyse durchgeführt. Ein Ergebnis des Projekts: die Bedeutung, die den Räumen zugewiesen wurde, stimmt nicht immer mit der tatsächlichen Nutzung überein. So wurde z. B. der Wartungsbereich kaum für Wartungszwecke genutzt. Im Essbereich tauchten immer wieder Bücher auf – vermutlich weil einige Astronauten beim Essen lasen. Hygieneaktivitäten fanden am häufigsten in einem nicht dafür vorgesehenen Bereich in der Nähe von Orten für Training und Abfallentsorgung statt. Die menschliche Anpassung an neue Lebensräume verläuft also nicht immer so, wie es ursprünglich vorgesehen war. Der Archäologe und Projektleiter Justin Walsh (Chapman University) sagt: "Manchmal werden Räume mit einer Bedeutung und einem Etikett versehen, bevor die tatsächliche Nutzung klar wird." Mit den Studienergebnissen soll nun auch das Design des Arbeits- und Lebensraums zukünftiger Raumstationen verbessert werden. Das Projekt ist Teil des International Space Station Archaeological Project (ISSAP), das die ISS als "Mikrogesellschaft in einer Miniwelt" untersucht.
Justin St. P. Walsh, Shawn Graham, Alice C. Gorman, Chantal Brousseau, Salma Abdullah: Archaeology in space: The Sampling Quadrangle Assemblages Research Experiment (SQuARE) on the International Space Station. Report 1: Squares 03 and 05. PLOS ONE, August 7, 2024
https://doi.org/10.1371/journal.pone.0304229
"Findings revealed for first-ever archaeological survey in space" (Flinders University, 8.8.): https://news.flinders.edu.au/blog/2024/08/08/findings-revealed-for-first-ever-archaeological-survey-in-space/
SQUaRE: https://issarchaeology.org/space-archaeology-for-real/
ISSAP: https://issarchaeology.org/
3.5 Erste Hominiden vor ca. 1,3 Mio. Jahren in Südwesteuropa
Drei Fundstellen mit frühen Hominiden in Südspanien wurden geochronologisch neu untersucht. Auf Basis ihrer Stratigraphie, Paläomagnetik und der Faunenensembles wurden die Fundplätze neu korreliert und datiert. Danach sind die Schichten mit frühen Hominiden etwa 1,3 Millionen Jahre alt. Diese Neudatierung passe eher zu einer Ausbreitung der Frühmenschen von Afrika aus über die Meerenge von Gibraltar als zur klassischen Out-of-Africa-Strecke über den Vorderen Orient und Südosteuropa.
Gibert, L., Scott, G., Deino, A. & Martin, R. (2024). Magnetostratigraphic dating of earliest hominin sites in Europe. Earth-Science Reviews, 2.7.2024: https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S001282522400182X?via%3Dihub#f0010
"New geological dating techniques place first European hominids in Iberian Peninsula 1.3 million years ago" (Pressemitteilung Univ. Barcelona, 12.7.): https://phys.org/news/2024-07-geological-dating-techniques-european-hominids.html
"Ausbreitung außerhalb Afrikas: Älteste menschliche Überreste in Europa sind 1,3 Millionen Jahre alt" (Spiegel, 16.7.): https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/wann-verliess-der-mensch-afrika-aelteste-menschliche-ueberreste-in-europa-sind-1-3-millionen-jahre-alt-a-623d6679-7e8a-428c-a313-b40cf4c45a41
3.6 Pest im südskandinavischen Mittelneolithikum?
Ein sehr großes Team um Frederik Valeur Seersholm hat aDNA-Untersuchungen an 174 Individuen aus Megalithgräbern in Südschweden durchgeführt, die im kulturellen Kontext später Trichterbecher stehen. Die Mehrheit der Individuen wird genetisch dem Pool der anatolisch / westeuropäischen Ackerbauern zugeordnet, einige jedoch der (jüngeren) sog. Steppen-Deszendenz. Die Verwandtschaftsbeziehungen deuten auf Patrilinearität mit Exogamie für Frauen hin. Im Schwerpunkt beschäftigt sich der im Open Access bei Nature publizierte Aufsatz jedoch mit der Genetik von Yersinia-Bakterien, die in ca. 17 % der Individuen nachgewiesen wurden. Dieser ausnehmend komplexe Teil der Studie ist sprachlich geprägt von Konjunktiven und Möglichkeitsformen und schwankt in der Sache verwirrend zwischen der Thematik Yersinia pestis (Pesterreger) und dem erheblich weniger spektakulären und weniger pathogenen Yersinia pseudotuberculosis. Klar ist, dass ein wichtiger, pathogener Genstrang vom die Iustinianische Pest auslösenden Bakterium Yersinia pestis, der sog. locus "ypm", nicht nachgewiesen ist - so dass für die vorgefundenen Bakterien gänzlich unklar bleibt, wie krankheitserregend bis tödlich sie sind. Dennoch schlussfolgern die Autoren: "we believe that plague could have been a contributing factor to the Neolithic decline." Am Ende also, peer-reviewd bei Nature publiziert, eine Glaubens-Satz zu einer Möglichkeit. Wer wollte dem widersprechen?
Seersholm, F. V., Sjögren, K.-G., Koelman, J. et al. (2024). Repeated plague infections across six generations of Neolithic Farmers. Nature (2024). https://doi.org/10.1038/s41586-024-07651-2
"Hochgradig ansteckende Krankheit: Pest könnte das Steinzeitvolk Nordeuropas ausgelöscht haben" (Spiegel, 12.7.): https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/pest-koennte-das-steinzeitvolk-nordeuropas-ausgeloescht-haben-a-6a53e3e8-51a6-4085-a972-c215d65fcaf6
3.7 Kanton Basel-Land: 45.000 Jahre alter Faustkeil entdeckt
Wer sich bisher rühmen konnte, alle Faustkeilfunde der Schweiz auswendig zu können, muss nun neben dem Faustkeil von Pratteln ein zweites Steingerät lernen: Bei Füllinsdorf im Kanton Basel-Land entdeckte ein Ehrenamtlicher einen Faustkeil, der typologisch ins Moustérien de tradition acheuléenne gehört. Eine erste Analyse des gesamten Fundmaterials brachte weitere mittelpaläolithische Werkzeuge zum Vorschein, u. a. einen Schaber aus Radiolarit und das Fragment eines Levalloiskerns aus Silex. "Damit ist klar", schreibt die Kantonsarchäologie, "dass der Faustkeil nicht zufällig verloren ging, sondern dass er von einem Rastplatz stammt, an dem sich Neandertaler aufgehalten haben." Naturwissenschaftliche Analysen der umgebenden Sedimente datieren den Faustkeil auf mind. 45.000 Jahre. Das Rohmaterial stamme von einer Lagerstätte bei Alle, Noir Bois im Jura, rund 50 km vom Fundort entfernt.
"Ein Faustkeil aus der Zeit der Neandertaler – Ein überraschender Neufund in Füllinsdorf" (Kantonarchäologie Basel, 14.6.): https://www.archaeologie.bl.ch/entdecken/fundstelle/169/
Jürg Sedlmeier/Jehanne Affolter/Philippe Rentzel: Füllinsdorf, Oberholz: ein Faustkeil aus der Zeit der Neandertaler. Archäologie Baselland, Jahresbericht 2023, 36-41.
https://www.archaeologie.bl.ch/uploads/files/website/ABJ_2023.pdf#page=38
4 Archäoinformatik
4.1 Uruk-Warka im Südirak als Digitaler Zwilling
Ein schönes Beispiel, was die Kombination aus Drohnen, Photogrammetrie und Game Engines inzwischen zu leisten vermag, meldete kürzlich das DAI: 2018 wurden in nur sechs Tagen 40 (!) Quadratkilometer Fläche der Fundstelle Uruk-Warka im Südirak mit einem VTOL-UAV beflogen – also einer Flächenflieger-Langstrecken-Drohne mit Senkrechtstart und -landekapazität. 32.000 präzise geogetaggte Luftbilder entstanden dabei. Bis die sortiert und prozessiert waren, hat's offensichtlich ein bisschen gedauert – jetzt erfolgte die Publikation des Projekts durch Max Haibt: Aus dem Bildmaterial entstand "Uruk-VR" – im Prinzip ein privates Google-Earth für die berühmte, vor allem in sumerischer und hellenistischer Zeit bedeutende Fundstelle. Halt mit erheblich besserer Auflösung. Und der Möglichkeit, weitere Daten wie alte Grabungsunterlagen, einzelne 3D-Modelle, Bohrungen oder geophysikalische Messungen miteinzubinden. Ein solcher "Digitale Zwillinge", ein digitales Modell eines Objektes oder (wie im vorliegenden Beispiel) einer Landschaft, ist ein wertvolle Grundlage für die weitere Forschung und die denkmalpflegerische Planung bzw. das Site Management. Nicht umsonst nutzen immer mehr Städte, dem Beispiel Zürichs und Barcelonas folgend, Digitale Zwillinge für die Stadtplanung!
Pressemitteilung des Deutschen Archäologischen Instituts (15.5.): https://www.dainst.org/newsroom/uruk-vr-neue-technologie-ermoeglicht-schaffung-grossflaechiger-digitaler-zwillinge/379
4.2 Datenvisualisierung mit R
Die auf X/Twitter sehr aktive, spanischsprechende Statistikerin und Datenanalystin Rosana Ferrero (@RosanaFerrero) hat eine gut durchdachte kurze Sammlung von online verfügbaren Handbüchern zur Datenvisualisierung mit R und R-Paketen zusammengestellt: "Data Visualization: A practical introduction", by Kieran Healy: https://socviz.co/; "Fundamentals of Data Visualization", by Claus O. Wilke: https://clauswilke.com/dataviz/; "ggplot2: Elegant Graphics for Data Analysis (3e)", by Hadley Wickham, Danielle Navarro & Thomas Lin Pedersen: https://ggplot2-book.org/; "Hands-On Data Visualization: Interactive Storytelling from Spreadsheets to Code", by Jack Dougherty & Ilya Ilyankou: https://handsondataviz.org/; "Interactive web-based data visualization with R, plotly, and shiny", by Carson Sievert: https://plotly-r.com/ und "R Graphics Cookbook, 2nd edition", by Winston Chang: https://r-graphics.org/. Ergänzend verweist sie auf den Blog "Daphne draws data - a storytelling with data adventure": https://www.storytellingwithdata.com/.
4.3 Statistik-Handbücher mit R
Aus einer weiteren gut überlegten Literaturzusammenstellung von Rosana Ferrero auf x/Twitter, dieses Mal zum Thema "Statistik mit R", exzerpieren wir jene Werke, die online frei verfügbar sind: "An Introduction to Statistical Learning, with Applications in R", by Gareth James, Daniela Witten, Trevor Hastie & Robert Tibshirani: https://hastie.su.domains/ISLR2/tmp2.pdf; "The Elements of Statistical Learning: Data Mining, Inference, and Prediction", by Trevor Hastie, Robert Tibshirani & Jerome Friedman: https://hastie.su.domains/Papers/ESLII.pdf; "R in Action, 2nd ed.", by Robert Kabacoff: https://livebook.manning.com/book/r-in-action-second-edition/about-this-book/; "Learning statistics with R: A tutorial for psychology students and other beginners. (Version 0.6.1)", by Danielle Navarro: https://learningstatisticswithr.com/book/; "Modern Statistics with R: From wrangling and exploring data to inference and predictive modelling", by Måns Thulin: https://modernstatisticswithr.com/index.html und "Introduction to Modern Statistics, 1st ed.", by Mine Çetinkaya-Rundel & Johanna Hardin: https://openintro-ims.netlify.app/.
5 Nationale Forschungsdateninfrastruktur (NFDI)
5.1 25.6.2024: Austausch NFDI4Objects und privatwirtschaftliche Archäologie
Ende Juli fand eine von der DGUF organisierte Online-Veranstaltung mit ca. 45 Teilnehmern statt, die einer ersten Kontaktaufnahme zwischen NFDI4Objects und der privatwirtschaftlichen Archäologie diente. Die DGUF hatte interessierte Firmen dazu breit eingeladen. Dr. Christin Keller, Geschäftsführerin von NFDI4Objects, stellte den Vertretern der Privatwirtschaft das Projekt und seine Zielsetzungen vor. In drei Impulsvorträgen stellten wiederum privatwirtschaftliche Tätige Archäologinnnen und Archäologen ihr Tätigkeitsspektrum auf dem Themenfeld Digitale Archäologie / Digitale Grabungsdokumentation vor. Sie machten u.a. auf die enorme Menge an Forschungsdaten aufmerksam, die seitens der Privatwirtschaft generiert würden. Die Privatwirtschaft beklagte nicht nur die ihres Erachtens überflüssige Fülle und Unterschiedlichkeit der länderspezifischen Dokumentationsrichtlinien, sondern sie stellte handfeste Lösungsansätze vor. Der anschließende Austausch unter allen Teilnehmern erhärtete, dass der künftige Weg darin bestehen werde, umfassend in autonomen Systemen zu dokumentieren und daraus das, was von einer Landesarchäologie gefordert werde, automatisiert nach deren Wünschen auszuspielen. Also letztlich eine Untermenge des tatsächlich Dokumentierten an die staatliche Archäologie zu übergeben. Vorträge wie Lösungsansätze schlugen erfolgreich eine Brücke zu dem Aufgaben- und Interessensfeld von NFDI4Objects, weil auch dort die Fülle der Richtlinien, Thesauri und Datenformate als Problem in Richtung langfristige Archivierung und FAIRness erscheint. Der DGUF-Termin führte einerseits dazu, dass auf der NFDI-Session bei der Bochumer Verbandstagung im Oktober nun auch die Privatwirtschaft mit mehreren Vorträgen präsent sein wird. Andererseits deutet sich an, dass die DGUF-Initiative zur Gründung eines Experten-Netzwerks in der privatwirtschaftlichen Archäologie führt.
Veranstaltungswebsite: https://dguf.de/tagungen-events/tagungen/vergangene-tagungen/tagungen-seit-2020/25-6-2024-austausch-nfdi4objects-und-privatwirtschaftliche-archaeologie
6 Kulturgutschutz
6.1 Aktuelles rund um Kulturgutschutz in den Medien
"UN stellt Bedrohung unkontaktierter Völker in den Mittelpunkt" (Survival, 5.8.): https://www.survivalinternational.de/nachrichten/14008
Krim: "Russische Geschichtsfantasy in Chersonesos: UNESCO-Welterbetitel muss aberkannt werden" (Archaeologik, 4.8.): https://archaeologik.blogspot.com/2024/08/russische-geschichtsfantasy-in.html
"Dank an Rio Tinto für die Zerstörung einer einzigartigen archäologischen Quelle" (Archaeologik, 31.7.): https://archaeologik.blogspot.com/2024/07/dank-rio-tinto-fur-die-zerstorung-einer.html
Delos: "Ancient Greek sanctuary slowly sinks into the Aegean Sea" (France 24, 12.6.): https://www.france24.com/en/live-news/20240612-ancient-greek-sanctuary-slowly-sinks-into-the-aegean-sea
"Italy claims back treasures stolen by tomb raiders after major operations across US" (The Telegraph, 28.5.): https://www.telegraph.co.uk/news/2024/05/28/italy-treasures-stolen-tomb-raiders-us-operation/
6.2 Der Schutz unkontaktierter Völker im Bergbau
Tesla will "die Notwendigkeit der Einrichtung einer No-Go-Zone für den Bergbau zum Schutz der Rechte indigener Völker und der Menschenrechte, insbesondere der Rechte unkontaktierter Gemeinschaften" prüfen. Das meldet die NGO "Survival". Sie deutet die Absichtserklärung des Konzerns als "das jüngste Zeichen dafür, dass der weltweite Druck in Bezug auf die Rechte dieser Völker Auswirkungen auf die Entscheidungen von Unternehmen in ihrer Lieferkette hat." Konkret geht es um Indonesien und um den Abbau von Nickel, z. B. für Autobatterien. Die größte Nickelmine der Welt könnte das unkontaktierte Volk der Hongana Manyawa auslöschen. In einer "No-Go-Zone" dürfen kein Bergbau oder andere Aktivitäten stattfinden. "Survival erklärt: "Tesla hat deutlich gemacht, dass es von seinen Zulieferern erwartet, dass sie auf dem Land indigener Völker nur mit deren freier, vorheriger und informierter Zustimmung aktiv werden. Dies ist bei unkontaktierten Völkern nicht möglich, wie die UN und die Initiative for Responsible Mining Assurance (IRMA) ausdrücklich ankennen. Die Erklärung von Tesla folgt auf die jüngste Entscheidung des italienischen Lederherstellers Pasubio, seine Zulieferer zu wechseln, nachdem bekannt wurde, dass ein Teil seines Leders von illegalen Rinderfarmen auf dem Land unkontaktierter Ayoreo in Paraguay stammt. Survival hatte zuvor eine Beschwerde gegen Pasubio gemäß den OECD-Leitsätzen für multinationale Unternehmen eingereicht."
"Bergbau: Tesla betont die Rechte unkontaktierter Völker – ein 'Weckruf' für Unternehmen und Regierungen" (Survival International, 23.5.): https://www.survivalinternational.de/nachrichten/13935
6.3 24 neue UINESCO-Welterbestätten
Vom 26.-31.7. fügte das UNESCO-Welterbe-Komitee 24 Stätten zur UNESCO-Welterbeliste hinzu, davon sind 19 Kulturstätten, 4 Naturstätten und 1 eine gemischte Stätte. Damit stiegt die Gesamtzahl der eingetragenen Stätten auf 1.223 an. Unter den Neueinträgen sind der Dakische Limes (Rumänien), die mehr als 800 km lange Via Appia (Italien), drei archäologische Stätten für die frühe Menschheitsgeschichte in Südafrika (Diepkloof Rock Shelter, Pinnacle Point Site Complex, Sibhudu Cave) und die medische Siedlung Hegmataneh (Iran).
https://www.unesco.org/en/world-heritage/grid?hub=68246
6.4 Sebastian Willert: "Kulturbesitz: Konflikte um archäologische Objekte in der deutsch-osmanischen Politik 1898-1918"
Der Historiker Sebastian Willert zeichnet auf Basis von Archiv-Studien vor allem in Deutschland und in der Türkei nach, wie um 1900 bis in den 1. Weltkrieg im damaligen Osmanischen Reich ergrabene Antiken nach Deutschland gelangten und welche diplomatischen Manöver, Konflikte und persönlichen Netzwerke dabei eine Rolle spielten. Im Blog "[gab_log]" auf Hypotheses stellt die Max-Weber-Stiftung, welche das Projekt förderte, Werk und Autor in einem kurzen Interview vor. Das im Wallstein-Verlag erschienene Buch ist auch im Open Access verfügbar.
Willert, S. (2024). Kulturbesitz: Konflikte um archäologische Objekte in der deutsch-osmanischen Politik 1898-1918. Göttingen: Wallstein. - Auch im Open Access: https://www.wallstein-verlag.de/openaccess/9783835355002-oa.pdf
"readme.txt: Konflikte um archäologische Objekte in der deutsch-osmanischen Politik 1898-1918" (Hypotheses, 10.7.): https://gab.hypotheses.org/13950
6.5 Malta: Historisches Wegesystem für Viehwanderungen in Gefahr
Beim Thema Kulturgutschutz denken wir oft an spektakuläre Objekte und Raubgräber oder an großflächige Zerstörungen wie Tagebaue und lineare Projekte, weniger an zunächst kleine, schleichende Veränderungen. Auf einen solchen Fall macht nun ein Team um den Archäologen und GIS- und Statistikexperten Gianmarco Alberti in Malta aufmerksam. Auf Malta existiert ein elaboriertes System von steingefassten Wegen, die Hirten zum Viehtrieb dienen. Diese Wege gehorchen anderen Bedingungen als moderne Verkehrswege, sind z. B. schmaler, steiler, oft auch getreppt und daher zum Fahren ungeeignet. Heute ist ihre Funktion vielfach vergessen, d. h. sie verfallen und werden oft achtlos überprägt. Die genannte Studie von Alberti u. a. macht auf das Thema aufmerksam, bietet eine Bestandaufnahme und zeigt Möglichkeiten auf, dieses historische Wegesystem als Bestandteil der Kulturlandschaft zu schützen. Keinesfalls ein allein Malta betreffendes Thema! – auf vielen griechischen Inseln, beispielsweise, kann man ähnliche Wege und einen ähnlich schleichenden Schwund dieser Relikte einer alten Kulturlandschaft beobachten.
Alberti, G., Grima, R., Vella, N.C., Xerri, K. & Zammit, D.E. (2024). A Historical Landscape under Threat: Contestation and Preservation of Malta’s Pastoral Droveways. Heritage, 7, 3095–3119. https://doi.org/10.3390/heritage7060146
7 Beruf Archäologie
7.1 Ethik in der archäologischen Praxis
"Ethik ist wirklich nicht kompliziert", schreiben Paul Belford und Gerry Wait, "und sie ist absolut nicht theoretisch. In der Tat ist Ethik ein alltäglicher Bestandteil des Lebens und der beruflichen Praxis eines jeden Archäologen." Ethik gilt für jeden – ob Ausgräber, Geophysikerin, Universitätsdozentin, Museumskonservator, Kommunalbeamter oder Sachbearbeiterin in einer Denkmalschutzbehörde. Die Autoren geben im ersten Aufsatz der DGUF-Tagung 2024 einen Überblick über die Ethik in der Archäologie und betrachten einige Fallstudien.
Belford, P. & Wait, G. (2024). Ethics in Archaeological Practice. Archäologische Informationen 47, Early View, published online 22 July 2024. https://dguf.de/fileadmin/AI/archinf_ev_belford_wait.pdf
7.2 Die privatwirtschaftliche Archäologie in Großbritannien und Irland 2023
FAME, die Vereinigung der privatwirtschaftlichen Archäologie-Arbeitgeber in UK und Irland, hat im Juli den Bericht von Kenneth Aitchison und Doug Rocks-Macqueen "State of the Archaeological Market 2023" veröffentlicht. Danach arbeiteten 2023 insgesamt ca. 4.850 Menschen in der privatwirtschaftlichen Archäologie in UK und Irland (in D: ca. 3.065 +/- 10%) - die höchste Zahl seit Beginn der FAME-Berichte 2014. Davon sind 10 % Nicht-Briten aus EU-Ländern (Anteil leicht sinkend seit 2017). 85 % der Beschäftigten sind in UK und Irland auf Basis unbefristeter Arbeitsverträge tätig (Anteil seit 2014 leicht steigend; in D: 84 %). Der Jahresumsatz pro Mitarbeiter betrug 63.780 Pfund/ca. 75.200 Euro (in D: ca. 55.170 Euro).
Aitchison, K. & Rocks-Macqueen, D. (2024). State of the Archaeological Market 2023. FAME: https://famearchaeology.co.uk/state-of-the-archaeological-market-2023/
Siegmund, F. (2024). Deutliche Lohnverbesserungen im Jahr 2023 und Wachstumspläne für 2024 – DGUF-Monitoring-Report privatwirtschaftliche Archäologie 2023. Archäologische Informationen 47, Early View, online publiziert 12. Juni 2024: https://dguf.de/fileadmin/AI/siegmund_2024a.pdf
7.3 Prof. Marion Ackermann wird neue Präsidentin der Stiftung Preußischer Kulturbesitz
Die derzeitige Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden wurde von einer Findungskommission einstimmig dem Stiftungsrat vorgeschlagen, der sie Anfang Juli einstimmig wählte. Marion Ackermann studierte Kunstgeschichte, Germanistik und Geschichte. In Göttingen wurde sie 1995 mit einer Arbeit über die autobiographischen und theoretischen Texte Wassily Kandinskys promoviert. Sie soll ihr Amt am 1.6.2025 antreten, wenn ihr Vorgänger Prof. Hermann Parzinger in den Ruhestand geht.
"Marion Ackermann wird neue Präsidentin der Stiftung Preußischer Kulturbesitz ab Juni 2025" (SPK, 8.7.): https://www.preussischer-kulturbesitz.de/pressemitteilung/artikel/2024/07/08/marion-ackermann-wird-neue-praesidentin-der-stiftung-preussischer-kulturbesitz-ab-juni-2025.html
"SKD-Chefin Ackermann wechselt 2025 zur Stiftung Preußischer Kulturbesitz" (MDR, 8.7.): https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen/dresden/berlin-stiftung-preussischer-kulturbesitz-ackermann-kultur-news-100.html
"Marion Ackermanns Aufgabe: Die Reform der Preußenstiftung darf nicht scheitern" (FAZ, 8.7.; Paywall): https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/kunst-und-architektur/marion-ackermann-wird-neue-praesidentin-der-stiftung-preussischer-kulturbesitz-19841759.html
"Das ist die neue Chefin der Stiftung Preußischer Kulturbesitz" (Welt, 9.7; Paywall): https://www.welt.de/kultur/article252387502/Stiftung-Preussischer-Kulturbesitz-wechselt-Chefetage-diese-Frau-uebernimmt-das-Amt.html
"Weniger Geld, weniger Einfluss, mehr Erwartungen. Mission impossible, Frau Ackermann?" (ZEIT, 17.7.; Paywall): https://www.zeit.de/2024/31/marion-ackermann-stiftung-preussischer-kulturbesitz-praesidentin-kunst-kultur
7.4 Landesrechnungshof Baden-Württemberg kritisiert unter-ausgelastete Masterstudiengänge, u. a. "Archäologie"
Sommer, Ferienzeit, Zeit der Nachrichtenarmut: es ist die Saison, in der Landesrechnungshöfe ihre Berichte veröffentlichen, um Aufmerksamkeit zu erhalten. So hat der Landesrechnungshof Baden-Württemberg im Juli u. a. seine "Denkschrift 2024 Beitrag Nr. 17" vorgelegt. Für diese Denkschrift hat der Rechnungshof 700 Masterstudiengänge über die Studienjahre 2015/16 bis 2021/22 untersucht. Auf dieser Basis stellen die Prüfer fest, dass 32 Prozent der geisteswiss. Masterstudiengänge an baden-württembergischen Universitäten nur zu 50 Prozent oder weniger ausgelastet sind und 84 von 147 MA-Studiengängen durchschnittlich zehn oder weniger Studienanfänger pro Jahr erreichen. Als einen der Gründe für die geringe Auslastungen nennt der Landesrechnungshof: "in einigen Fällen verteilten sich die ohnehin wenigen Studienbewerber auf identische oder inhaltlich ähnliche Angebote verschiedener baden-württembergischer Universitäten." In der Grafik Abb. 17-1 "Doppelstrukturen bei schwach nachgefragten Studiengängen an den Universitäten" des Berichts werden konkret genannt u. a die "Archäologie" und die "Ägyptologie". Der Bericht fährt fort: "Verschiedene Beratungsgremien wie beispielsweise der Wissenschaftsrat oder die Arbeitsgruppe zur Hochschulentwicklung Thüringen empfehlen eine Mindestanforderung der Studienanfängerzahlen, bei deren Nicht-Erfüllung der Studiengang aufzuheben ist. Eine konkrete Untergrenze, die in diesem Zusammenhang von den Experten diskutiert wird, lautet: Können drei Jahre in Folge weniger als zehn Studierende für das erste Fachsemester eines Masterstudiengangs gewonnen werden, sollte die Aufhebung des Studiengangs geprüft werden. Wendete man diese Nachfrageuntergrenze auf die vorhandenen Studierendenzahlen des geprüften Masterangebots an, müsste bei 114 Masterstudiengängen die Aufhebung geprüft werden. Dies entspricht 17 Prozent der Stichprobe." Erste Reaktionen wie z. B. der Kommentar von Anja Braun (SWR) fallen wie erwartet aus: Man dürfe Wissenschaft nicht an ihrer Wirtschaftlichkeit bemessen, gerade die "Orchideen" bedürften besonderen Schutzes. Bleibt zu hoffen, dass der Donner in breiten Kreisen gehört wird und der Reflex "es möge alles so schön bleiben, wie es immer schon war" nicht der einzige Plan der Geisteswissenschaften bleibt - mancher Kommentar im 100. DGUF-Newsletter vom 12. Mai 2021 war da schon weiter.
Rechnungshof Baden-Württemberg (2024). Auszug aus Denkschrift 2024 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Landes Baden-Württemberg: Beitrag Nr. 17 - Wirtschaftlichkeit der Masterstudiengänge an Hochschulen für angewandte Wissenschaften und Universitäten in Baden-Württemberg. https://rechnungshof.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/Denkschriften/Denkschrift_2024/Denkschrift_2024_-_Beitrag_Nr._17.pdf
"Kritik des Rechnungshofs Baden-Württemberg: Unis leisten sich Studiengänge ohne Studierende" (Spiegel, 23.7.): https://www.spiegel.de/panorama/bildung/baden-wuerttemberg-unis-leisten-sich-studiengaenge-ohne-studierende-a-ed205539-3d62-42f1-accb-44c7d922bff0
Anja Braun: Baden-Württemberg: Rechnungshof will kleine Studiengänge wegsparen - ein Kommentar (SWR Wissen, 23.7.): https://www.swr.de/wissen/kommentar-rechnungshof-bw-will-seltene-studienfaecher-orchideenfaecher-abschaffen-100.html
- DGUF Newsletter vom 12.05.2021: https://dguf.de/newsletter/newsletter-lesen/100-dguf-newsletter-vom-12-05-2021
7.5 Claus von Carnap-Bornheim von der EAA ausgezeichnet
Im Rahmen der gestrigen Eröffnungszeremonie der EAA-Jahrestagung 2024 in Rom wurde Prof. Claus von Carnap-Bornheim mit dem European Archaeological Heritage Prize (Individual Category) für seine Verdienste um das kulturelle Erbe ausgezeichnet.
https://x.com/archaeologyEAA/status/1828811560153985224
Der European Archaeological Heritage Prize: https://www.e-a-a.org/EAA/Awards/EAA_Heritage_Prize/EAA/Navigation_Prizes_and_Awards/EAA_Heritage_Prize.aspx
8 Berufsverband
8.1 Lohnuntergrenzen für 2025 liegen vor, Verabschiedung voraussichtlich am 14.9.
Nach Verhandlungen zwischen dem AK Arbeitnehmer:innen und dem AK Archäologiefirmen im Juni/Juli 2024 liegt nun ein Konsensvorschlag für die neuen Lohnuntergrenzen vor, die ab Jan. 2025 gelten sollen. Das Papier wird am 14.9. der Mitgliederversammlung von CIfA Deutschland vorgelegt, beraten und ggf. angenommen. Im Falle der Annahme sind die genannten Zahlen dann ab 1.1.2025 gültig. Der Vorschlag bedeutet eine Mindest-Gehaltserhöhung gegenüber 2024 für die unterste Lohnstufe 1 von 10 % und für die Stufen 2 bis 4 von 7,5 % gegenüber 2024. Änderungen an den Urlaubsregelungen sind gegenüber 2024 nicht vorgesehen. – Es handelt sich nicht um Lohnempfehlungen / Tarife, sondern um Untergrenzen im Wortsinne: Bei noch geringerem Lohn ist nach Ansicht von CIfA Deutschland eine seriöse Grabungstätigkeit nicht mehr möglich. Wer das Vorgehen und die Untergrenzen als Arbeitnehmer unterstützen möchte, kann eine Unterstützungserklärung abgeben. Derzeit bereiten die Arbeitgeber eine ähnliche Unterstützungserklärung vor.
Vorschlag Lohnuntergrenzen für 2025: https://cifa-deutschland.de/fachpolitik/lohnuntergrenzen-2025
Aktuelle Lohnuntergrenzen (2024): https://cifa-deutschland.de/fachpolitik/lohnuntergrenzen-2024
Unterstützungserklärung CIfA Lohnuntergrenzen: https://www.soscisurvey.de/lohnuntergrenzen2025/
9 Open Access & Open Data
9.1 Echt jetzt: noch mehr Geld für DEAL?
DEAL - das ist das deutsche Konsortium, das mit den drei weltweit größten Wissenschaftsverlagen Verträge geschlossen hat, damit die deutsche Academia dort ohne individuelle Publikationsgebühren im Open Access publizieren kann. So weit, so falsch, denn bekanntermaßen wird durch DEAL vor allem viel Geld in ein falsch organisiertes Publikationswesen gesteckt und, mehr noch, die eh schon üppigen Profite dieser Verlage staatlich subventioniert. Und nun stellt Hans-Ulrich Humpf, Professor für Lebensmittelchemie an der Universität Münster, in einem Meinungsbeitrag in "Forschung & Lehre" – der Verbandszeitschrift des Deutschen Hochschulverbandes – fest: "DEAL-Verträge sind mehr Fluch als Segen". Seinen Beobachtungen zufolge stiegen die Gebühren, die dann via DEAL auf die Universitäten umgelegt würden, stärker als erwartet und würden Einsparungen an anderer Stelle erfordern. Sein Fazit: "Es braucht für DEAL zusätzliche Mittel von Bund und Ländern, die dauerhaft bereitgestellt werden müssen. Dies hätte bereits vor Abschluss der DEAL-Verträge mit einem langfristigen Finanzierungskonzept geklärt werden müssen." Unfasslich! Man hat einen Fehler gemacht, es läuft (wie erwartbar) schief, und was ist die Lösung? – noch mehr Geld, d. h. den Fehler verstärken und verstetigen.
Hans-Ulrich Humpf: "Standpunkt: DEAL-Verträge sind mehr Fluch als Segen" (Forschung & Lehre, 12.8.): https://www.forschung-und-lehre.de/forschung/deal-vertraege-mehr-fluch-als-segen-6582das
9.2 Gebühren für Open-Access-Publikationen bei großen Wissenschaftsverlagen 2019 bis 2023 um 142% gestiegen
In einem jüngst auf arXiv.org publizierten Aufsatz hat ein Team rund um Erstautorin Stefanie Haustein die Entwicklung der Publikationsgebühren (APC) über die zurückliegenden fünf Jahre hin verfolgt. Die großen, gewinnorientierten Wissenschaftsverlage Elsevier, Frontiers, MDPI, PLOS, Springer Nature und Wiley verlangen Publikationsgebühren von ihren Autoren, teils über eine institutionelle Flatrate (wie im Modell DEAL), teils direkt von den Autoren. Der Aufsatz zeigt auf, dass die genannten sechs Verlage in den Jahren 2919 bis 2023 inflationsbereinigt auf Stand 2023 ca. 8,9 Milliarden Euro an APC eingenommen haben. Dabei entfallen ca. 6,6 Milliarden Euro auf Publikationen im Golden Open Access und 0,8 Milliarden Euro auf hybride Publikationen. Im genannten Zeitraum von fünf Jahren stiegen die Gebühren für Goldenen Open Access um 142 %, solche für hybride Publikationen um 215 %. Zudem deckten die Autoren eine Kluft zwischen den öffentlich kommunizierten und den tatsächlich gezahlten Gebühren auf. Der Mittelwert (Median) der genannten APCs pro Beitrag liegt bei 2.000 USD, der tatsächlich gezahlte Betrag bei 2.450 USD. Die Autoren sehen eine Kluft zwischen den tatsächlichen Kosten für die Publikation eines Aufsatzes und den von den Verlagen verlangten Gebühren – dieses Thema wollen sie in Zukunft genauer untersuchen.
Haustein, St. et al. (2024). Estimating global article processing charges paid to six publishers for open access between 2019 and 2023. arXiv.org, 23.7.2024: https://arxiv.org/abs/2407.16551
9.3 Zehn Thesen zur Zukunft des wissenschaftsgeleiteten Open-Access-Publizierens
Im Mai 2023 legte der Rat der Europäischen Union das Papier "Wege des hochwertigen, transparenten, offenen, vertrauenswürdigen und fairen wissenschaftlichen Publizierens" vor, das insbes. eine Stärkung des nicht-gewinnorientierten wiss. Publikationswesens empfiehlt – und insofern dem deutschen Sonderweg "DEAL" widerspricht. In Folge fand am Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaft (IBI) der Humboldt-Universität zu Berlin am 26.9.2023 die Konferenz "Wissenschaftsgeleitetes Open-Access-Publizieren" statt. Deren Organisatoren und Teilnehmer haben gemeinsam und partizipativ "Thesen zur Zukunft des wissenschaftsgeleiteten Open-Access-Publizierens" erarbeitet, die nun von einem Autorenteam rund um Heinz Pampel publiziert wurden. Der Aufsatz legt nicht nur die zehn Thesen vor, sondern macht auch deren Genese und die Diskussion um sie transparent. Auch hier geht es darum, das wissenschaftliche Publikationswesen von den gewinnorientierten Wissenschaftsverlagen zu emanzipieren und im Verbund von Bibliotheken und Fachgesellschaften mehr als bisher am Gemeinwohl zu orientieren.
Pampel, H. u.a. (2024). Thesen zur Zukunft des wissenschaftsgeleiteten Open-Access-Publizierens – Entwicklung und Diskussion in einem partizipativen Prozess. Bibliotkek: Forschung und Praxis 48(2), 322-333: https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/bfp-2024-0027/html
Rat der Europäischen Union (23.5.2023). Wege des hochwertigen, transparenten, offenen, vertrauenswürdigen und fairen wissenschaftlichen Publizierens - Schlussfolgerungen des Rates (gebilligt am 23. Mai 2023): https://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-9616-2023-INIT/de/pdf
10 Bürger und Archäologie & Citizen Science
10.1 "Deep Time": Bürgerwissenschaftler entdecken in drei Monaten mehr als 12.000 unbekannte archäologische Stätten
Im Kampf gegen die Klimakrise und um seine Netto-null-Ziele zu erreichen, sind in Großbritannien Aufforstungen nötig. Jährlich betrifft das mindestens 700 Quadratkilometer Land. Um das besser zu planen und dabei archäologische Stätten möglichst nicht unerforscht zu zerstören, greift das Vereinigte Königreich auf die Hilfe von Citizen Scientists zurück. Auch bei anderen Folgen des Klimawandels, z. B. an Küsten, kommen Citizen Scientists zum Einsatz. Im "Guardian" (und in Deutschland im "Spiegel") wird in diesem Zusammenhang das 2012 gegründete, sehr professionell und erfolgreich agierende Unternehmen "DigVentures" vorgestellt, welches mit dem Claim "archaeology in your hands" tausende von Bürgerwissenschaftlern anzieht. Mehr als 12.000 zuvor unbekannte archäologische Stätten auf gut 500 Quadratkilometern Land haben die Hobbyarchäologen in den zurückliegenden drei Monaten unter Anleitung der Fachleute von DigVentures und mit Einsatz moderner Technologie (wie z. B. LiDAR) entdeckt. DigVentures kooperiert dabei mit dem National Trust, der große Teile der untersuchten Landschaften besitzt und/oder verwaltet. Entdeckt wurden u. a. 262 mögliche Hügelgräber aus der Bronzezeit und drei römische Straßen.
"Deep Time" bei DigVentures: https://digventures.com/projects/deep-time/missions/
"Hobbyist archaeologists identify thousands of ancient sites in England. Bronze age remains and Roman roads among 12,802 sites discovered using latest technology" (The Guardian, 27.5.): https://www.theguardian.com/science/article/2024/may/27/hobbyist-archaeologists-identify-thousands-of-ancient-sites-in-england-deep-time-digventures-national-trust
"Hobbyarchäologen finden Tausende antike Stätten in England" (Spiegel, 28.5.): https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/grossbritannien-hobbyarchaeologen-finden-tausende-antike-staetten-in-england-a-aedbc698-3493-4a02-87c5-c797d83a4a51
11 Ausstellungen und Museen
11.1 "Wertvoller Beitrag zur Weiterentwicklung musealer Praxis im digitalen Zeitalter": Bericht MAI-Tagung 2024 (Berlin, 16.-17.5.)
An der vermutlich größten technischen Revolution seit der Industrialisierung kam auch die diesjährige "Museums and the Internet" (MAI)-Tagung im Jüdischen Museum Berlin nicht herum: Gleich am ersten Tag stand Künstliche Intelligenz (KI) im Fokus. Die Keynote Speaker vom digiS Berlin zeigten Meilensteine der technologischen Entwicklung von KI und Machine Learning auf und erläuterten zentrale Begriffe. Ein beliebtes Anwendungsfeld für Large Language Models ist demnach Texterstellung im musealen Kontext, z.B. in der Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit. So nutzt die Kommunikationsabteilung des Bucerius-Kunst-Forum einen eigenen Content Assistant (basierend auf ChatGPT) für Konzepte, Postings auf Social Media, Flyer, Website, Anfragen für Kooperationen oder Sponsoring. Allgemeiner Konsens: Der Einsatz von KI spart wertvolle Arbeitszeit, die in strategische und konzeptionelle Arbeit investiert werden kann. Vorsicht geboten ist jedoch bei der sachlichen Richtigkeit – beim Antworten „halluzinieren“ aktuell verfügbare KI-Programme nämlich nicht selten. Faktencheck und Redaktion der Ergebnisse sind daher unerlässlich. – Etwa 80 Prozent der Teilnehmer hatten ChatGPT bereits beruflich genutzt, ergab eine Umfrage per Handzeichen – erfreulich viele, angesichts von bestehenden Vorbehalten. Wiederholt thematisiert wurde ein wenige Tage zuvor veröffentlichtes Update der frei zugänglichen Version von ChatGPT, sodass einige Details in den Vorträgen überholt waren. Die Erkenntnis: Sobald wir bereit sind, eine neue Technologie in unserer Arbeit einzusetzen, ist sie oftmals schon veraltet. Plädiert wurde daher für einen „good enough“-Ansatz: Ein Abschied vom Perfektionismus zugunsten von Experimentierbereitschaft und transparenter Arbeitsweise. – Bekanntlich ist KI nur so gut wie die Trainingsdaten, mit denen sie „gefüttert“ wird. Eine Frage aus dem Publikum: Liegt es in der Verantwortung von Museen, Forschungs- und Kultureinrichtungen, für dieses Training Material und Forschungsdaten bereitzustellen? Eine mögliche Antwort: Das Einspeisen von Daten aus digitalen Sammlungen ist wünschenswert, würde aber (noch) auf etliche Hindernisse stoßen, darunter fehlende Schnittstellen und mangelnde Standardisierung. Die aktuellen Grenzen der Technologie veranschaulichte ein ambitioniertes Projekt im Potsdamer Museum Barberini, wo mittels KI ein musikalisches Klangerlebnis für Besuchende generiert werden sollte, abhängig von ihrem Standort im Raum und der Nähe zu bestimmten Exponaten. Das Learning: Soweit ist die Technologie noch nicht. Nur mit menschlichen Komponisten ließen sich akzeptable Musikstücke erstellen. Die KI diente dabei aber immerhin als Ideengeber und Sparringspartner. – Kritische Töne kamen vom Deutschen Museum in Nürnberg, das auf ökologische Probleme (Kühlung der Serverfarmen, Trinkwasserverbrauch) und humanitäre Aspekte (Arbeitsbedingungen von Clickworkern im globalen Süden) von KI aufmerksam machte. – Tag zwei stand im Zeichen von Inklusion und digitaler Barrierefreiheit. So stellen beispielsweise die historischen Museen Hamburg die YouTube-Videos zu ihren Ausstellungen auch in Deutscher Gebärdensprache (DGS) zur Verfügung – im Team steht dazu eine versierte Sprecherin zur Verfügung. Die App des Deutschen Museums in München bietet dem User Leichte Sprache oder DGS als Option an. Das Frankfurter Städelmuseum berichtete von seinem digitalen Angebot für Demenzkranke. Nachweislich hat die – bedürfnisgerechte – Beschäftigung mit Kunst einen therapeutischen Effekt. Reizüberflutung und zu viele sensorische Stimuli gilt es dabei jedoch vermeiden, z.B. durch langsame Kameraschwenks und maßvollen Schnitt. – Das Projekt DE-BIAS des Deutschen Filminstituts und Filmmuseums versucht, mithilfe von KI-Unterstützung diskriminierende Begriffe und Sprachmuster in kulturrelevanten Metadaten zu erkennen. So sollen Sammlungsdokumentationen verbessert und aktualisiert werden – im Zuge von Dekolonialisierung und Inklusion marginalisierter Gruppen sicherlich ein wichtiger Schritt. Im Bremer Überseemuseum wird angesichts der Erkenntnis, dass ethnologische Sammlungsbestände und Exponate oftmals den Menschen der jeweiligen Herkunftsgesellschaft gar nicht zugänglich sind, eine partizipative Plattform entwickelt. Dabei können die Erfahrungen und das kulturelle Wissen von Vertretern aus Ozeanien eingebunden werden. Der Austausch fand übrigens hauptsächlich über Facebook statt, das im deutschen bzw. europäischen Raum zunehmend kritisch gesehen wird – hier zeigt sich ein eurozentristischer Blick auf Social Media. – Insgesamt verdeutlichte die MAI-Tagung 2024, dass der Einsatz Künstlicher Intelligenz und digitaler Technologien in der Museumsarbeit gleichermaßen Chancen wie Herausforderungen mit sich bringt. Konstruktiver Dialog und die Präsentation richtungsweisender Projekte leisten dabei einen wertvollen Beitrag zur Weiterentwicklung musealer Praxis im digitalen Zeitalter.
https://mai-tagung.lvr.de/de/startseite.html
11.2 "Nicht innovativ, aber äußerst informativ": Sonderausstellung "Höhenflüge. Luftbilder und Archäologie in Sachsen" (Knappenrode, bis 27.10.)
Seit dem 31.5. und noch bis 27.10. präsentiert das Landesamt für Archäologie Sachsen (LfA) die neue Sonderausstellung. Die nach der Wiedervereinigung dokumentierten Spuren im Boden reichen von den frühen Perioden bis zu den Zeugnissen des Zweiten Weltkriegs. Die Ausstellung führt in das Thema Luftbildarchäologie ein, zeigt zahlreiche Fundstellen sachsenweit aus der Luft, präsentiert Geländemodelle sowie ausgewählte Fundstücke von Ausgrabungen in Vitrinen und vermittelt Inhalte an Medienstationen. Beleuchtete Tafeln mit Schaubildern, großformatigen Fotografien und deutschsprachigen Texten weisen den Weg durch die Ausstellung. Regelmäßig verteilen sich in allen Räumen Sitzgelegenheiten, die ein Verweilen an den Tafeln erleichtern – zudem erscheinen sie passend zum Thema mit aufgedruckten Bewuchsmerkmalen. Ergänzt wird die Gestaltung durch hervorgehobene archäologische Strukturen als Klebefolien am Boden und an den Wänden. Die einzelnen Stationen greifen ein Farbcodesystem auf, so kann der Betrachter schnell zwischen Siedlungen, Grabenwerken, Wegen und Grenzen sowie Grabungen, Befestigungen und Gräbern unterscheiden. Die einzelnen Tafeln weisen Einführungstexte auf und geben Informationen zur Lage und Zeitstellung der Denkmale, zudem erläutern sie, weshalb sie aus der Luft zu sehen sind. Im Eingangsbereich der Ausstellung werden die negativen und positiven Bewuchsmerkmale erläutert, durch die ein geschultes Auge aus der Luft archäologische Spuren erkennen kann. Es folgen zahlreiche dokumentierte Denkmale aus dem Freistaat Sachsen aus verschiedenen Jahrhunderten und Jahrtausenden. Ergänzt werden diese durch zwei Stationen von Luftbildern einer neolithischen Siedlung und einer Turmhügelburg, die mithilfe von Augmented Reality lebensnahe Rekonstruktionen anschaulich vermitteln. Eine weitere Station zum Drohnenflug lässt den Besucher selbst zu einem Luftbildarchäologen werden und 21 Strukturen im Gelände suchen – und vielleicht auch finden. Die Ausstellung ist nicht innovativ, aber äußerst informativ dank des Einblickes in das umfangreiche Luftbildarchiv. Somit erfüllt sie auch eine der Aufgaben des LfA, denn neben der Dokumentation, dem Schutz und der Erforschung gehört auch die Präsentation zu den grundlegenden Aufgaben des Landesamtes. Die als Wanderausstellung konzipierte Schau führt mit dem Ausstellungort der Energiefabrik Knappenrode zu einer Belebung des ländlichen Raumes und findet damit auch dort statt, wo sich die meisten Denkmale befinden – im ländlichen Raum. Der Ort, ein Industriedenkmal, befindet sich unweit von Hoyerswerda entfernt. Zum Begleitprogramm gehören Vorträge von Archäologen aus Sachsen, die sich zwar im Flyer, jedoch im Internet schwer finden lassen. Parallel zur Ausstellung hat das LfA gemeinsam mit dem Landesamt für Geobasisinformation Sachsen einen beeindruckenden 240-seitigen Bildband zum Thema veröffentlicht.
Website zur Ausstellung: https://www.energiefabrik-knappenrode.de/ausstellung-details/hoehenfluege-185
"Bildband ‚Höhenflüge – Luftbilder und Archäologie in Sachsen‘" (Landesamt für Geobasisinformation Sachsen, 19.6.): https://www.landesvermessung.sachsen.de/bildband-luftbilder-und-archaeologie-in-sachsen-9569.html
11.3 "Viele blieben unverheiratet": Die Ausstellung "Ein gut Theil Eigenheit – Lebenswege früher Archäologinnen" (Stuttgart, bis 9.3.)
Von Anfang an spielten Frauen in der archäologischen Wissenschaft eine Rolle, waren als Ausgräberinnen, Forscherinnen und Sammlerinnen tätig. "Im Gegensatz zu ihren männlichen Kollegen sind sie größtenteils vergessen", schreibt Sophia Volkhardt vom SWR nach dem Besuch der von AktArcha konzipierten Wanderausstellung "Ein gut Theil Eigenheit – Lebenswege früher Archäologinnen". Der Journalistin fällt auch auf: "Viele der vorgestellten Frauen bleiben unverheiratet." Seit Mitte Juli zeigt das Landesmuseum Württemberg die kleine Ausstellung.
SWR2, 25.7.): https://www.swr.de/swrkultur/kunst-und-ausstellung/zu-unrecht-vergessen-pionierinnen-der-archaeologie-100.html
"Auch Frauen können graben" (Stuttgarter Nachrichten, 22.7.): https://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.ausstellung-im-landesmuseum-ueber-vergessene-archaeologinnen-auch-frauen-koennen-graben.7a792283-5d96-44d4-8da8-8136a7f10657.html
Ausstellungswebsite: https://www.landesmuseum-stuttgart.de/ausstellungen/ein-gut-theil-eigenheit
Zur Ausstellung mehr bei AktArcha: https://aktarcha.hypotheses.org/325
12 Und sonst …
12.1 Lohnt es, ausführliche Forschungsanträge zu schreiben?
Das Verfassen von Anträgen auf Forschungsmittel kostet viel Zeit, die Lektüre dieser Anträge zwecks Begutachtung ebenfalls. Braucht es diese Texte eigentlich? Der Niederländische Forschungsrat hat ein Experiment gewagt: Die vorliegenden Drittelmittelanträge für "Early Career Awards" à 800.000 € wurde für die Begutachtung in zwei Gruppen aufgeteilt. Ein Teil der Gutachter bekam die Anträge in voller Länge vorgelegt, ein anderer Teil der Gutachter nur verkürzt auf den CV und die Zusammenfassung des Antrags. Ergebnis anhand der (Nicht-) Übereinstimmungen von jeweils zwei Gutachten pro Antrag: auf die Gutachterentscheidungen hatte es keinen signifikanten Einfluss, ob die Anträge gekürzt oder in voller Länge vorlagen. Erkenntnis: CV und Zusammenfassung reichen aus, die eigentlichen Antragstexte haben auf die Entscheidung der Gutachter kaum einen Einfluss. Die drei Autoren beschreiben in ihrem Aufsatz das Versuchsdesign sorgfältig und betonen, dass weitergehende Versuche zwecks Erhärtung der Ergebnisse sinnvoll seien. Angesichts der Gewichtigkeit dieser Ergebnisse dürften vertiefende Experimente dieser Art sehr sinnvoll sein.
Simek, M., de Vaan, M. & van de Rijt (2024). Do grant proposal texts matter for funding decisions? A field experiment. Scientometrics, 129, 2521-2532: https://link.springer.com/article/10.1007/s11192-024-04968-7
12.2 Drittmittelvergabe: Argumente für Lotterie statt Begutachtung
Lambros Roumbanis, Assistenzprofessor am Zentrum für Organisationsforschung der Univ. Stockholm, geht in einem Meinungsbeitrag nochmals die Argumente und die Kosten für den aktuell dominierenden Modus der Drittmittelvergabe per Kollegen-Begutachtung durch und stellt dem Argumente für eine Drittmittel-Lotterie entgegen. Seines Erachtens bedürfe es lediglich eines ersten Screenings, welche Vorhaben für die Lotterie zugelassen würden, um gänzlich Unwürdiges auszuschließen. Danach sei eine Lotterie das bessere Verfahren: erheblich aufwandsärmer für Antragsteller wie für Gutachter (und damit viel Forschungszeit freisetzend), fairer und offener für Unerwartetes, Innovatives.
Roumbanis, L. (2024). New Arguments for a pure lottery in Research Funding: A Sketch for a Future Science Policy Without Time-Consuming Grant Competitions. Minerva, 62, 145-165. https://link.springer.com/article/10.1007/s11024-023-09514-y?fromPaywallRec=false#auth-Lambros-Roumbanis-Aff1-Aff2
Frank Siegmund: Forschungsförderung umstellen: Lotterie statt Gutachten! 100. DGUF-Newsletter vom 12. Mai 2021 Punkt 16.4: https://dguf.de/newsletter/newsletter-lesen/100-dguf-newsletter-vom-12-05-2021#_Toc71731972
12.3 UNESCO-Welterbe Danewerk wird besser geschützt und touristisch erschlossen
Zur Stärkung der ländlichen Entwicklung in Schleswig-Holstein fördert die Landesregierung die Aufwertung und den Schutz der (seit 2018) UNESCO-Welterbestätte Haithabu und Danewerk mit insgesamt rund 1,9 Millionen Euro. Die feierliche Übergabe der Fördermittelbescheide erfolgte am 12.8. auf dem Gelände des Danevirke Museums. Im Kern geht es darum, nicht nur Haithabu, sondern auch das Danewerk besser für den Tourismus zu erschließen und, unter Einbezug des neuen Danevirke Museums, einen Weg auf dem Hauptwall anzulegen. Zum besseren Schutz des Bodendenkmals sollen Flurbereinigungen und Flächentausche stattfinden, so dass die Landwirtschaft keine großen Einschränkungen erfährt.
"UNESCO Welterbe Haithabu und Danewerk: Förderbescheide in Millionenhöhe erhalten" (sat1regional, 12.8.): https://www.sat1regional.de/unesco-welterbe-haithabu-und-danewerk-foerderbescheide-in-millionenhoehe-erhalten/
"Das neue Danevirke Museum" 2026 ff.: https://danevirkemuseum.de/de/damu2025/
12.4 ChatGPT und Co. in den Geisteswissenschaften - Grundlagen, Prompts und Praxisbeispiele
In einem lesenswerten Erklärbeitrag auf der Plattform hypotheses.org orientiert Mareike König über große Sprachmodelle und ihre Anwendung auf geisteswissenschaftliche Texte resp. geisteswissenschaftliches Schreiben. Im Anhang und in den Fußnoten (insbes. Anm. 40) verbergen sich weitere wertvolle Texte und Hinweise.
Mareike König: ChatGPT und Co. in den Geisteswissenschaften - Grundlagen, Prompts und Praxisbeispiele (Hypotheses.org, 19.8.): https://dhdhi.hypotheses.org/9197
12.5 "Basler Hefte zur Archäologie" nun auch im Open Access
Die mit vier Bänden 2002 bis 2008 erschienene Reihe "Basler Hefte zur Archäologie" ist nun via Propylaeum auch online im Open Access zugänglich.
Stöckli, Werner (2002). Absolute und relative Chronologie des Früh- und Mittelneolithikums in Westdeutschland (Rheinland und Rhein-Main-Gebiet). (Basler Hefte zur Archäologie, 1). Basel: Archäologie-Verlag. https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/basler_hefte_archaeologie_1
Hansen, Christina M. (2004). Frauengräber im Thüringerreich: zur Chronologie des 5. und 6. Jahrhunderts n. Chr. (Basler Hefte zur Archäologie, 2). Basel: Archäologie-Verlag. https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/basler_hefte_archaeologie_2
Alt, Kurt W. & Vach, Werner (2004). Verwandtschaftsanalyse im alemannischen Gräberfeld von Kirchheim, Ries. (Basler Hefte zur Archäologie, 3). Basel: Archäologie-Verlag. https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/basler_hefte_archaeologie_3
Heege, Andreas, u.a. (2008). Töpferöfen: die Erforschung frühmittelalterlicher bis neuzeitlicher Töpferöfen (6.-20. Jh.) in Belgien, den Niederlanden, Deutschland, Österreich und der Schweiz. (Basler Hefte zur Archäologie, 4). Basel: Archäologie-Verlag. https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/basler_hefte_archaeologie_4
12.6 "Blickpunkt Archäologie": Ende für die Printausgabe
Die Verbandszeitschrift des DVA, "Blickpunkt Archäologie", erscheint ab dem Jg. 2024 beim FID Propylaeum im Open Access; dafür gibt der DVA die Druckausgabe auf. Die Anmoderation dieses Schritts durch den Herausgeber fällt denkbar knapp aus: "Blickpunkt Archäologie erscheint mit dieser Ausgabe das erste Mal online. Der Deutsche Verband für Archäologie möchte die damit die weitere Verbreitung der Beiträge, die schnellere Rezeption in Öffentlichkeit und Wissenschaft und den fachlichen Diskurs stärken. Wir werden an den Rubriken und der Vielfalt der Themen festhalten, hoffen jedoch, dass auch kurzfristige Entwicklungen im Fach und aktuelle Herausforderungen, wie sie in diesem Heft in der Stellungnahme zu den Kürzungsplänen an der Frankfurter Goethe- Universität zu erkennen sind, stärker Eingang in dieses Diskussionsforum unseres Faches finden werden." Etwas irritierend ist die Zählweise des Jahrgangs 2024 als Band 1, Heft 1 - erschien die Zeitschrift des DVA doch in einer Druckausgabe unter gleichem Namen seit 2013, zunächst beim Theiss-Verlag, zwischen 2015 und 2023 beim Verlag Pfeil. Inhaltlich ist dieses erste Heft des Jahrgangs 2024 wie üblich vom VLA gestaltet, dieses Mal steht das von Ulf Ickerodt ausgerichtete Kolloquium "100 Jahre Landesaufnahme in Schleswig-Holstein" im Mittelpunkt.
"Blickpunkt Archäologie" (Propylaeum): https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/blickarc/index
12.7 "Publish or perish" als Kartenspiel
Spielend fürs Leben lernen: die Devise "publish or perish" wird derzeit in ein Kartenspiel übersetzt. Am Ende gewinnt der Spieler, der die meisten Zitate gesammelt hat. Die weit fortgeschrittene Spieleentwicklung plant, in den nächsten Monaten via Kickstarter das nötige Kapital für eine Produktion zu sammeln.
Kozlov, M. (2024). ‘Publish or Perish’ is now a card game — not just an academic’s life. Nature News, 1.8.2024: https://www.nature.com/articles/d41586-024-02511-5
12.8 RADO.NB: RADON & RADON-B vereint mit überarbeitetem Datenbestand
Vor 24 Jahren wurde RADON, die Datenbank für 14C-Daten des Neolithikums aus dem vorwiegend deutschsprachigen Raumes erstmals veröffentlicht. Der anfängliche Bestand von 2.200 Datierungen war bis 2022 auf 35.400 Datierungen für das Neolithikum und die Bronzezeit angewachsen. RADON wurde erst als Tabelle, dann als Datenbank für den PC und seit 2012 schließlich als echte Online- Datenbank in der aktuellen Form im Internet präsentiert. Ein Jahr später wurde mit RADON-B eine Sammlung von Radikarbondatierungen aus der Bronzezeit online gestellt. Der enorme Zuwachs an Daten erfolgte vor allem in dieser Zeit. Mit diesem Zuwachs nahm leider auch die Zahl der unvollständigen oder auch fehlerhaften Daten zu. Die Trennung in zwei Datensammlungen führte nicht nur zu Dopplungen von Datierungen, sondern entsprach zudem nicht dem Verständnis von Geschichte als einem dynamischen Prozess. Mit RADO.NB steht nun ein vereinigter und deutlich überarbeiteter Datenbestand zur Verfügung. Zudem wurden Schlagworte und Begriffe vereinheitlicht und in das Englische übertragen. Bei den Fundorten sind zahlreiche Fehler bereinigt, so dass die Koordinaten zwar nicht exakt sind, aber die Position für die oft überregionalen bis europäischen Analysen in hoher bis guter Genauigkeit wiedergeben. Der bereinigte Bestand umfasst aktuell 34.500 Datierungen von 8.500 Fundplätzen. Einzelne Bereiche, so z.B. die Aktualisierung der zitierten Literatur, sind noch nicht vollständig abgeschlossen.
RADO.NB: https://radonb.ufg.uni-kiel.de/
12.9 Archaeological Artefact Database of Finland
Eine Datenbank archäologischer Typen für Finnland mit ca. 38.000 einzelnen Artefakten und ca. 10.000 Keramik-Typen vom frühen Mesolithikum bis zum Beginn der Neuzeit: frei zugänglich, mit Bild- und Textinformation sowie Lagekoordinaten und Python- und R-Skripten, um die Datennutzung zu vereinfachen. Das 2009 begonnene Projekt Archaeological Artefact Database of Finland (AADA) wurde Ende 2023 fertig gestellt und nun in einem im Juli erschienen Nature-Aufsatz vorgestellt. Die Daten selbst, die Fotos und die gen. Skripte zur Zusammenführung von Daten und Fotos sind bei Zenodo publiziert. Bei der Erstellung dieses Registers wurden alle großen Museen Finnlands berücksichtigt, so dass ca. 90 % allen bekannten Materials eingeschlossen sein dürften.
Pesonen, P., Moilanen, U., Roose, M. et al. (2024). Archaeological Artefact Database of Finland (AADA). Nature Scientific Data, 11, 815(2024). https://doi.org/10.1038/s41597-024-03602-8
Pesonen, P. et al. (2023). Archaeological Artefact Database of Finland (AADA). Zenodo https://doi.org/10.5281/zenodo.11279777 (2024).
Moilanen, U., Pesonen, P., Saipio, J., Tiilikkala, J. & Sanwal, M. (2024). Archaeological Artefact Database of Finland (AADA), photograph repository: Zenodo https://doi.org/10.5281/zenodo.11256533 (2024).
12.10 Auch sonst beherzigenswert: "RSS guide to statistics on social media"
Die RSS, die britische "Royal Statistical Society", gibt auch sonst immer mal wieder sinnvolle Empfehlungen. Dieses Mal zu Statistiken, die man in Social Media vorfindet oder auch selbst verbreiten will: Zehn Punkte, die man prüfen resp. bedenken sollte. Lesenswert, sinnvoll auch jenseits von Social Media.
"RSS guide to statistics on social media" (RSS, 10.6.2024): https://rss.org.uk/RSS/media/File-library/Policy/2024/RSS-guide-to-statistics-on-social-media.pdf
12.11 ARD-Mittagsmagazin gedenkt der Entdeckung der Himmelsscheibe von Nebra
"Vor 25 Jahren wurde die Himmelsscheibe von Nebra gefunden" - erinnerte am 8.7. ein Beitrag des MDR für das Mittagsmagazin der ARD. Gast im Studio war der Landesarchäologe Harald Meller, der den Fund als sehr bedeutend einordnete und Sachsen-Anhalt auch sonst zum Kernland der deutschen Archäologie erklärte. Der Beitrag ist bis zum 15.7.2025 in der Mediathek abrufbar.
"Zu Gast: Archäologe Harald Meller" (MDR, 8.7.): https://www.ardmediathek.de/video/mittagsmagazin/zu-gast-archaeologe-harald-meller/das-erste/Y3JpZDovL21kci5kZS9iZWl0cmFnL2Ntcy9mNDNkN2QzZC1lMDkzLTRkZTItYjk5ZS01YzI5ZGRhZmEzODg
12.12 Kurz mal die Menschheit auslöschen? Apokalypse-Simulation mit dem Asteroid Launcher
Nördlinger Ries? Da klingelt doch was, irgendeine schwache Resterinnerung von damals aus der UFG-Vorlesung ... Der Ipf bei Bopfingen, die Ofnethöhlen und ein Asteroideneinschlag und so? Wer eine Vorstellung davon bekommen will, was ein Asteroideneinschlag für eine Verwüstung hinterlässt, dem sei die Website "Asteroid Launcher" von Neal Agarwal empfohlen. Asteroidentyp wählen, Durchmesser, Geschwindigkeit, Einschlagswinkel und -ort einstellen und auf "Launch Asteroid" klicken – die Website wirft detailliert Kratergrößen, Energiemengen und (echt unschöne) Auswirkungen aus. (Runterscrollen nicht vergessen!) Und, vermutlich zur Beruhigung, eine Angabe, wie wenig häufig sowas eigentlich passiert. Wer also schnell mal eine kleine Katastrophe und ihre Auswirkung auf eine (prä-)historische Siedlungslandschaft simulieren will, virtuell die Schwäbische Alb wegsprengen möchte oder die Dinosaurier ausrotten mag – viel Spaß! Aber, mal ernsthaft: Was Neal Agarwal da macht, ist schlicht simple, witzige und supergut gemachte Wissenschaftskommunikation. Einfach mal durch seine Projektseite klicken, der Asteroid Launcher ist durchaus nicht allein! Da werden (vermutlich) offen verfügbare Daten mit ein paar Zeilen Code kreativ umgesetzt – da kann sich die Archäologie gerne mal 'ne Scheibe abschneiden. Oder hakt's bei uns schon an den frei verfügbaren Daten? Hmmm ...
Asteroid Launcher von Neal Agarwal: https://neal.fun/asteroid-launcher/
Projektseite von Neal Agarwal: https://neal.fun/
Neal Agarwal on Twitter, pardon, X: https://x.com/nealagarwal