Archäologische Quellen 7
Bei Verursachergrabungen in der Uckermark (Brandenburg) wurden zwischen 2009 und 2022 u.a. sechs Fundstellen mit bandkeramischen Befunden freigelegt und dokumentiert. Zwei Grubenhäuser in Dauerthal belegen einen für diese Epoche neuen Haustyp mit Pfostenstellungen und Wandbewurf: einfache, überdachte Arbeitsbereiche, die bei der Schlachtung, Milchveredlung und Nahrungszubereitung in Garöfen genutzt wurden. Am Fundplatz Dauerthal wurden ausschließlich Haustierknochen geborgen. Mehrere Rinder wurden vor Ort geschlachtet, zerlegt und die Häute zu Leder verarbeitet. Auffallend ist das Fehlen bestimmter Körperpartien der Rinderskelette. Pfostenstellungen von großen Langhäusern, anderenorts ein Charakterbefund der Bandkeramik, fehlen in Dauerthal. Die Keramik zeigt jedoch keine Unterschiede zu den Nachbarräumen. Der Kontakt der Bewohner zu den indigenen Jäger-und-Sammler-Gruppen ist über Silexartefakte (Trapeze und schrägendretuschierte Klingen) nachgewiesen.
Der Fundplatz Dauerthal (5.170 u. 5.075 cal BC) gehört ausweislich der zahlreich gefundenen Keramik zur bandkeramischen Kultur. Er liegt ca. 40 km westlich von Stettin und der Oder, wenig weiter westlich finden sich zahlreiche Fundstellen der zeitgleichen, mesolithischen Ertebølle-Kultur. Trotz hinreichender Grabungsfläche und Befunderhaltung konnte kein typisch bandkeramisches Langhaus beobachtet werden. Vielmehr wurde ein ungewöhnliches Grubenhaus mit Pfostenstellung erfasst. In dem umfangreichen Knochenmaterial fehlen Wildtiere gänzlich, es dominieren Knochen vom Hausrind. Dabei fehlen vom Rinderskelett die Gesichtsschädel, Rippen und Wirbel, es sind vor allem Vordergliedmaßen und Unterkiefer vorhanden. Cziesla und seine Co-Autoren deuten Dauerthal als spezialisierten Lagerplatz, an dem geschlachtet wurde und in dem eine Milchveredlung stattfand (Siebgefäße), wo die Langknochen der geschlachteten Tiere ausgekocht, Häute bearbeitet und Lederprodukte hergestellt wurden. Da die Schädel der geschlachteten Tiere fehlen, könnten diese abtransportiert worden sein, um an einem anderen Ort als "Bukranien" zu dienen. Der Fundplatz Dauerthal ist ein besonderer Ort, der bislang in der deutschen Bandkeramikforschung keine Parallele hat.
Die Fundplätze Wallmow, Klockow, Dreesch, Rosow und Bietikow
Die weiteren in diesem Band vorgestellten Grabungen weisen ähnliche Besonderheiten wie Dauerthal auf. Am Fundplatz Wallmow wurden auf knapp vier Hektar Fläche nur acht bandkeramische Befunde (Gruben) inklusive der einschlägigen Keramik aufgedeckt, doch erneut ohne Nachweis eines Langhauses. In Klockow konnte auf ähnlich großer Fläche nur eine bandkeramische Grube erfasst werden. In Dreesch wurden sechs sicher bandkeramische Befunde aufgedeckt, die ebenfalls nicht zu einem Hausgrundriss gehören. Sie liegen auf der trockenen Landzunge zwischen zwei Feuchtzonen und zeugen von einem spezialisierten Arbeitsbereich. In Rosow wurden neben kaiserzeitlichen Hausgrundrissen auch zwei bandkeramische Grubenkomplexe (4939 calBC) mit einem reichen Keramik- und Silexinventar erfasst. Eine der Gruben wird als Gargrube gedeutet; wiederum fehlen Hinweise auf die typischen Langhäuser der Bandkeramik. Auf dem mehrperiodigen Fundplatz Bietikow wurden 30 bandkeramische Befunde identifiziert, darunter ein Grubenhaus ähnlich dem Befund aus Dauerthal. Im Fundmaterial fallen zahlreiche Fragmente von Siebgefäßen auf, die mit der Milchverarbeitung verknüpft werden.
Der Autor
Erwin Cziesla, geb. 1955, Magister (1980) und Promotion (1989) an der Universität zu Köln, war 1979 beim Zweckverband Neandertal und 1980-1991 beim DFG-Projekt "Besiedlungsgeschichte der Ostsahara" beschäftigt, wo er an fünf Expeditionen in den Südwesten Ägyptens und den nördlichen Sudan teilnahm. 1987 organisierte er das internationale Symposium "The Big Puzzle", erkannte den "Wolf" vom Fundplatz Bonn-Oberkassel als domestizierten Hund und führte 1980-89 vier Grabungskampagnen in der Weidental-Höhle (Pfälzerwald) durch. Seit 1992 – seit 2000 als Geschäftsführer – arbeitet er bei der Grabungsfirma "Wurzel Archäologie und Umwelttechnik GmbH". Seine wissenschaftlichen Arbeitsgebiete sind methodische Fragen in der Archäologie der Steinzeiten, das Spätpaläolithikum, das Mesolithikum und der Beginn des Neolithikums, wozu er bislang zehn Monografien und mehr als 200 wissenschaftliche Beiträge verfasst hat.
Der Band
Kerpen-Loogh 2023. 261 Seiten, mit 281 meist farbigen Abb. und englischsprachiger Zusammenfassung. Verlag Deutsche Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte (DGUF).
E-Book im kostenlosen Open Access: ISBN 978-3-96929-288-4. DOI: https://doi.org/10.11588/propylaeum.1343, dort.
Gedruckte Ausgabe: ISBN 978-3-945663-23-3. Softcover. 39,50 Euro, für DGUF-Mitglieder 27,50 Euro. Preise zzgl. Porto und Verpackung.
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Stand: Jan. 2024