Archäologische Quellen 6
Der Grabungsbericht gilt einer Hofstelle des 10. bis 13. Jahrhunderts bei Mönchengladbach-Wanlo (NRW). Die vom Verursacher RWE Power AG finanzierte Rettungsgrabung erfasste den Ausschnitt einer für das Hochmittelalter typischen Anlage aus locker gestreuten Gebäuden - ebenerdigen Pfostenbauten und einem in den Boden eingetieften Haustyp - begleitet von Gruben, zwei Brunnen sowie einem im Rheinland verbreiteten Ofentyp. Das Hofareal war von Gräben umgrenzt und lag an einer alten Wegführung östlich der oberen Niers, etwa auf halber Strecke zwischen ehemaligen Rittersitzen in Wanlo und dem südlich gelegenen Keyenberg.
Südlich von Mönchengladbach-Wanlo wurde im Frühsommer 2019 ein neuer Fundplatz entdeckt. Die hochmittelalterliche Hofanlage aus dem 10. bis 13. Jahrhundert lag an einem alten, heute nicht mehr genutzten Verbindungweg zwischen Wanlo und Keyenberg. Dieser führte vom Wilderather Hof am westlichen Ortsrand von Wanlo – ursprünglich eine hochmittelalterliche Burg und zeitweilig im Besitz der Grafen von Jülich – zu Haus Keyenberg im Süden, das spätestens seit dem 12. Jahrhundert Sitz der Ritter von „Keyenburch“ war. Die Hofstelle wurde etwa auf halber Wegstrecke zwischen diesen ehemals mittelalterlichen Adelssitzen erbaut. Die Datierung beruht auf zahlreichen Keramikfunden einschließlich der populären Badorfer und Pingsdorfer Ware.
Der Fundplatz liegt östlich der oberen Niers auf traditionell landwirtschaftlich genutztem Gebiet. Wasserversorgung und ertragreiche Lößböden waren der Grundstock für die Besiedlung des Gebietes der Niersquellen von der Urgeschichte über die römische Zeit bis in das Mittelalter. Zahlreiche archäologische Fundstellen im Umfeld belegen dies. Im Mittelalter war die Auenlandschaft geprägt von großen Hofanlagen, darunter ehemaligen Adelssitzen.
Die spätestens seit dem Hochmittelalter bestehende Wegführung zwischen Wanlo und Keyenberg ist noch auf der Tranchotkarte von 1807/08 eingetragen. Sie durchkreuzte das Grabungsareal auf einer Breite bis zu 7 m und bildete das Zentrum, um das sich die Hofstelle gruppierte. Deutlich sichtbare Karrenspuren hatten sich tief in den Boden eingegraben und zeugten von der langen und intensiven Nutzung des Weges bis um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert.
Das Hofareal selbst erstreckte sich auf einer Breite von insgesamt rund 100 m westlich und östlich des Nord-Süd führenden Weges und war beidseitig von Gräben begrenzt. Nicht ergraben wurde seine Ausdehnung nach Norden und Süden, bedingt durch den Anlass der archäologischen Untersuchung. Diese sondierte den Trassenverlauf der geplanten L354n zwischen Wanlo und Kaulhausen lediglich auf einer Breite bis zu 15 m. Der erstellte Grabungsplan gibt daher nur einen Ausschnitt des ursprünglich bebauten Areals wieder.
Der Bereich östlich des kreuzenden Weges war geprägt von zahlreichen Pfostenstellungen. Mindestens vier Gebäude standen hier, von denen zwei nur randlich erfasst wurden. Vollständig innerhalb des Grabungsareals lag ein fast quadratischer Sechspfostenbau im äußersten Osten mit Seitenlängen zwischen 5,2 und 6,0 m. Er war wohl ein Nebengebäude und diente vielleicht als Speicher. Westlich am Wegesrand deutete sich ein weiterer annähernd quadratischer Pfostenbau an, dessen genaue Konstruktion aber vage blieb. Ein größeres Gebäude erstreckte sich nach Süden. Die hier noch am Rand erschlossenen Pfostengruben waren deutlich massiver und könnten auf eine Konstruktion von mindestens 11 m Länge hindeuten..
Östlich des Weges wurde zudem ein Ofen freigelegt, wie er im Rheinland häufiger anzutreffen ist, aber ungewöhnlich gut erhalten war. Für diesen Ofentypus wird in der Forschung eine Nutzung als Flachsdarre vorgeschlagen. Bei einer Gesamtlänge von rund 4,5 m bestand er aus einer Arbeitsgrube, in der das Feuer geschürt wurde, einem unterirdisch verlaufenden Feuerungskanal, der die Hitze weiterleitete, und einer angeschlossenen Grube, die vielleicht mit einem Rost abgedeckt war, auf der der Flachs getrocknet wurde. Flachsanbau spielte im Mittelalter insbesondere für die Textilproduktion eine wichtige Rolle und ist auch für das Rheinland belegt.
Westlich des Weges lag ein größeres, schiffsförmig in den Boden eingetieftes Gebäude, dessen Unterkante zum zentralen Weg hin deutlich anstieg. Möglicherweise erfolgte ein Zugang über eine Rampe an der östlichen Stirnseite, wo ein hochmittelalterlicher Reitersporn geborgen wurde. Die Wasserversorgung der Anlage sicherten zwei Brunnen, die sich zwischen der Stirnseite des schiffsförmigen Gebäudes und dem kreuzenden Weg abzeichneten. Die lockere, weilerartige Bebauung mit ebenerdigen Pfostenbauten, Grubenhäusern, Öfen, Gruben und Brunnen, begrenzt von Gräben, gilt als typisch für Hofstellen des Hochmittelalters.
Darüber hinaus belegten rudimentäre Reste eine frühere, vorgeschichtliche Besiedlung, die sich nach Osten über die Hofstelle erstreckte. Die stattliche Anzahl von insgesamt 37 geborgenen Keramikscherben sichert die zeitliche Einordnung in die Metallzeit, mit einer Tendenz von der Urnenfelder- bis in die Frühlatènezeit (rund 1200 bis 400 v.Chr.).
Die Autorin
Edith Krämer (geb. 1963) studierte Klassische Archäologie, Kunstgeschichte und Alte Geschichte an den Universitäten Bonn und Hamburg mit dem Abschluss Magister und anschließender Promotion. Nach dem Studium war sie neben kurzen Ausflügen in die Klassische Archäologie, etwa als Mitarbeiterin am Skulpturenkatalog der Antikensammlungen Berlin, als Lektorin und vor allem in der Firmenarchäologie tätig. Als Archäologin begleitete sie zahlreiche archäologische Maßnahmen im Rheinland mit dem Schwerpunkt Prospektion.
Der Band
Kerpen-Loogh 2023. 66 Seiten, inkl. 52 meist farbigen Abbildungen. Verlag Deutsche Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte (DGUF). E-Book im kostenlosen Open Access: ISBN 978-3-96929-111-5, dort.
Gedruckte Ausgabe: ISBN 978-3-945663-21-9. Softcover. 28,50 Euro; für DGUF-Mitglieder 18,50 Euro. Preise zzgl. Porto und Verpackung.
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