Archäologische Quellen 5
In der Cottbuser Altstadt fand zwischen Schlosskirch- und Burgstraße von April bis November 1994 eine Ausgrabung durch die Grabungsfachfirma "Wurzel Archäologie und Umwelttechnik GmbH" statt. Auf ca. 2.400 m2 wurden rund 2.200 Befunde dokumentiert und ca. 65.000 Funde geborgen. Ein zuvor erarbeitetes Gutachten der Denkmalbehörde ließ eine schlechte Befunderhaltung erwarten, stattdessen erbrachte etwa die Hälfte der Fläche herausragende Siedlungsbefunde, vornehmlich aus dem ersten Drittel des 13. Jahrhunderts bis an den Anfang des 16. Jahrhunderts.
Die Siedlungs- und Keramikabfolgen dieses Cottbuser Stadtquartiers wurden bereits in einer Dissertation umfänglich dargestellt, ohne jedoch die drei hervorragend erhaltenen Holzkeller im Detail vorzulegen und zu rekonstruieren. Deshalb erschien es dem Autor Erwin Cziesla als eine persönliche Verpflichtung, die vor 27 Jahren dokumentierten Befunde (zumindest im Ansatz) auszuwerten und in gedruckter Form vorzulegen. Nun kann sich jeder Leser ein Bild von der Maßnahme, von den seitens der Denkmalbehörde geschaffenen, nach Ansicht des Autors gänzlich unzulänglichen Ausgangsbedingungen, vom Fundmaterial und von den rekonstruierten Kellerbefunden machen.
In den drei Kellern 130, 131 und 1093 standen die Holzwände teilweise noch bis zu 1,5m hoch und lassen erkennen, dass sie zusammen mit den darüberliegenden Stockwerken einer Brandkatastrophe zum Opfer fielen. Dabei stürzte der Brandschutt in die Keller und löschte den Kellerbrand, so dass die Kellerwände "inkohlten". Nach den dendrochronologischen Untersuchungen wurden die Keller um 1458 errichtet und bereits nur zehn Jahre später, im Jahre 1468 bei einem Stadtbrand vernichtet. Somit stammen alle in den Kellern vorgefundenen Objekte aus einem Zeitfenster von nur 10 Jahren: 1458 bis 1468. Auch die gefunden Münzen bestätigen dieses Zeitfenster. Es ist ein außerordentlicher Glücksfall, dass in den fünf Jahrhunderten nach dem Stadtbrand zwar immer wieder an der Schlosskirchstraße Häuser errichtet wurden, dass aber keine Unterkellerung erfolgte, so dass die kompletten Kellerinventare unangetastet und unvermischt erhalten blieben.
Im Rahmen dieser Veröffentlichung werden Baubefunde und Funde ausführlich vorgelegt, und die Keller werden bezüglich ihrer Konstruktion untersucht und zeichnerisch rekonstruiert. Alle drei Keller-Konstruktionen erweisen sich als Rahmengerüste, bestehend aus liegenden Schwellbalken und darauf aufgestellten Eck- und Wandständern, wobei sich die Schwellbalken in der Unterkonstruktion der nächsten Etage wiederholen. Die Wandverkleidung besteht aus angestellten Wandbohlen, die lediglich durch die Baugrubenverfüllung fixiert wurden, so dass diese Konstruktionen einer „Holzkiste“ in Einfachheit kaum zu überbieten sind. Vermutlich waren spezialisierte Baukolonnen am Werk, die diese Keller schnell und kostengünstig herstellten, und nach den individuellen Bedürfnissen und Geldbeuteln der Auftraggeber variierten.
Sowohl der Keller 131 als auch der unvollständig untersuchte Keller 1093 waren – vermutlich aus Sicherheitsgründen – nur über eine in der Dielung im Parterre eingelassene Luke zugänglich. Anders der deutlich kleinere, nur rund 9 m2 große Keller 130, der einen "Kellerhals" in Form einer steilen Treppe besitzt und dessen Boden mit Lesesteinen gepflastert war. Hier haben sich Hinweise auf die Installation erhalten, und in der Rekonstruktion sind neun Fässer und vermutlich eine Truhe belegt. Außerdem waren in einem Bereich mehrere Gegenstände abgestellt, die Hinweise auf eine ackerbauliche Tätigkeit liefern: eine dreizinkige Forke, mehrere Beile, eine Axt, Scheren, Schleifsteine und möglicherweise auch ein Pflug. Hervorzuheben sind aber auch einige Militaria-Funde wie Schwert, Kettenhemd, Spore und Munitionskugeln, wobei die gemeinsame Aufbewahrung von ackerbaulichen Geräten und Militaria fremd wirken und der Interpretation bedürfen. Auf dem Boden und vermutlich auch auf einem Regal standen rund 30 keramische Gefäße. Zusammen mit den möglichen Fassinhalten werden auch die meist kleinen und wenigen größeren Tongefäße als Vorratsbehälter interpretiert, und am Montag, den 19. September 1468, dem Tag der Brandkatastrophe wenige Tage vor dem Michaelis-Tag (Erntedank), werden die Vorräte gut gefüllt gewesen sein.
Zweifelsohne besteht die besondere Bedeutung dieser drei Cottbuser Keller in der Zusammenstellung der keramischen Funde, die in aktueller Nutzung waren und aus einem Zeitintervall von nur 10 Jahren stammen. Aus jedem Keller sind zwei bis drei Dutzend Gefäße überliefert, wobei es zwei Größengruppen gibt: häufig sind überraschend kleine Gefäße von 8 - 10 cm Höhe, sowie einige henkellose oder gehenkelte Töpfe und Krüge von 16 - 20 cm Höhe. Auffällig sind auch einige Sondergefäße. Im Keller 131 ist ein Krug mit wappenförmiger Applikation belegt, vermutlich "Waldenburger Provenienz", auch eine Scherbe eines Gesichtskruges. Außerdem Keramik mit gekämmten Wellenbändern, wobei identische Gefäße aus den Kellern 131 und 1093 stammt. Der Keller 1093 weist außerdem einen gemündelten Becher aus grauer Irdenware auf, einen großen Krug mit Bleiglasur und schließlich das Highlight aller Funde: einen bauchigen Krug reich verzierten ostdeutschen Steinzeugs der Spätgotik mit plastischem Dekor eines Männerkopfes mit gegabeltem Bart. Diese Sondergefäße, besonders das spätgotische Steinzeug, könnten zumindest ein Hinweis darauf sein, dass hier nicht die ärmsten Cottbuser wohnten, was auch durch Hinweise auf Kachelöfen und auf Glasfenster seine Bestätigung findet.
Die drei im Jahre 1994 dokumentierten Cottbuser Holzkeller eröffnen uns einen einmaligen Blick in spätmittelalterliche Lebensverhältnisse. Bereits heute ist der bauchige Krug eines reich verzierten ostdeutschen Steinzeugs der Spätgotik mit plastischem Dekor der bestdatierte Beleg dieser Fundgattung. Zweifelsohne werden die drei Keller zukünftig zu einem Zeitmarker werden, denn geschlossene Inventare aus den Jahren 1458 bis 1468 suchen ihresgleichen.
Hinweis: Eine Bearbeitung der Keramikfunde des 13. bis 18. Jahrhunderts aus Grabungen in der Cottbuser Altstadt bietet: Heber, S. (2014). Zwischen Spremberger-, Burg- und Schlosskirchstraße – Archäologie eines Wohnquartiers im Südosten der Cottbuser Altstadt. Phil. Diss. HU Berlin. (Open Access).
Rezension: F. Biermann 2023, Jahresschr. mitteldte. Vorgesch. 99, dort.
Der Autor
Erwin Cziesla, geboren 1955, Magister 1980 und Promotion 1989 an der Universität zu Köln, war zunächst beim "Zweckverband Neandertal" (1979) und anschließend im DFG-Forschungsprojekt "BOS - Besiedlungsgeschichte der Ostsahara" (1980-1992) angestellt. Seit 1993 ist er für die Firma "Wurzel Archäologie und Umwelttechnik GmbH" tätig, zunächst als wissenschaftlicher Mitarbeiter, dann als Geschäftsführer. Seine monographischen Veröffentlichungen von Verursachergrabungen waren bislang die Vorlage der Grabungsergebnisse der beiden Großgrabungenvon Merzenich-Valdersweg und Arnoldsweiler bei Düren mit dem Schwerpunkt auf der Bandkeramik (2014), die mesolithische Grabung am südlichen Berliner Autobahnring A 10 bei Jühnsdorf (2017) und die Veröffentlichung einer Großgrabung auf der Trasse der Ortsumfahrung Passow im Landkreis Uckermark (2019; siehe dort). Bisher hat er rund 200 wissenschaftliche Aufsätze und Rezensionen verfasst, darunter auch sieben Monographien, einen Tagungsband ("The Big Puzzle") und gemeinsam mit Kollegen eine Festschrift für Bernhard Gramsch.
Der Band
Gedruckte Ausgabe: ISBN 978-3-945663-20-2. Softcover. 48,00 Euro; für DGUF-Mitglieder 34,50 Euro. Preise zzgl. Porto und Verpackung.
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