Archäologische Berichte 25
Christian Lau veröffentlicht die einheimische Keramik aus drei kleinen Siedlungen in Ostwestfalen, die 1999 – 2003 im Zuge der üblichen Rettungsgrabungen durch die Außenstelle Bielefeld der westfälischen Bodendenkmalpflege in Ausschnitten aufgedeckt wurden. Die drei Siedlungen von Enger, Hüllhorst und Kirchlengern im Ravensberger Land bestanden jeweils aus nicht viel mehr als einem Hofplatz, also einem meist dreischiffigen Wohn-Stall-Haus und seinen zugehörigen Nebengebäuden wie Grubenhaus und Speicher. Sie zeigen, dass hier im Binnenland nach einer relativ kurzen Siedlungslücke in der Zeit um Christi Geburt bereits in der frühen Römischen Kaiserzeit, d. h. ab ca. 50 n. Chr. (RKZ B1b) und somit deutlich früher als bislang angenommen, wieder dauerhaft gesiedelt wurde. Nach gut 250 Jahren wurden die immer wieder erneuerten Höfe im Verlauf der späten Römischen Kaiserzeit (RKZ C2), also im beginnenden 4. Jh. n. Chr., von ihren Bewohnern aufgegeben – vermutlich zu Gunsten eines Lebens in einer größeren Dorfgemeinschaft, wie sie ab dieser Zeit fassbar werden.
Für die heutigen Bürger in den drei genannten Orten, die vor einem Jahrzehnt die Ausgrabungen persönlich erlebt haben, ist das Buch von Christian Lau ein Stück konkreter Heimatgeschichte und für die Archäologie zugleich ein Rechenschaftsbericht, aber auch eine Grundlagenstudie, auf der nun weitere Forschungen aufbauen können. Finanziell unterstützt wurde die Arbeit von Christian Lau, die 2009 an der Universität Basel als Dissertation angenommen wurde, aus der Region, nämlich 2006 – 2008 durch ein Stipendium des Kreisheimatvereins Herford.
Grundlage der historischen Ergebnisse ist eine akribische Studie zur Typologie der rhein-weser-germanischen Siedlungskeramik, wobei Lau über die 4.879 Gefäßeinheiten der drei Fundplätze hinaus auch den gesamten deutschen Mittelgebirgsraum vom Rhein im Westen bis an den Harz und den Thüringer Wald im Osten betrachtet. Alle wesentlichen Siedlungskomplexe dieses weiten Raumes sind in seine Auswertung einbezogen und werden durch seine neue Chronologie nach einem einheitlichen Raster datiert.
Ausgangspunkt dafür ist eine detaillierte Merkmalanalyse der Keramikfunde, und zwar weniger – wie bislang üblich – anhand der ganzen Gefäße, sondern auf Basis der Scherben und deren Merkmale. Der damit verbundene erheblich geringere Anspruch an die Erhaltung des Materials erlaubt es, weitaus mehr Komplexe zu berücksichtigen als in den bisherigen Typologien.
Mit Hilfe von Korrespondenzanalysen – einem modernen statistischen Verfahren – hat Christian Lau die Funde und Typen zeitlich geordnet und eine Chronologie des Fundstoffes wie auch der Befunde erstellt. Die neue Chronologie beruht allein auf der einheimischen Keramik und ist daher auch auf all die vielen Fundkomplexe anwendbar, denen markante Metallfunde wie etwa Fibeln oder römisches Importgeschirr fehlen. Im Ergebnis hat Lau nicht nur den Fundstoff der drei von ihm publizierten Siedlungen datiert, sondern das gesamte einheimische Material einer weiten Region in deren Umfeld neu geordnet.
Dabei betont Lau freilich, dass es nicht möglich ist, Gruben aufgrund des bloßen Vorkommens eines einzelnen Typs oder gar eines einzelnen Merkmals zu datieren, sondern dass es jeweils einer Mehrzahl an aussagefähigen Stücken bedürfe, da die Keramikentwicklung in der Römischen Kaiserzeit dieser Region recht gleichförmig verlaufe. Typologisch ältere Merkmale blieben lange in Gebrauch, und neue Merkmale etablierten sich nur langsam.
An den drei ostwestfälischen Siedlungen, die den Ausgangspunkt der Studie bilden, erlaubt die Rückbindung der Keramikchronologie an die einzelnen Befunde, deren Zusammengehörigkeit und Abfolge zu rekonstruieren und damit die Bau- und Besiedlungsgeschichte dieser Höfe über etwa 250 Jahre zu verfolgen.
Veröffentlichung im Open Access: kostenlos und online erreichbar
Erhältlich ist das Referenzwerk kostenlos als E-Book im Open Access. In Fortschreibung der Schriftenreihe "Archäologischen Berichte" der Deutschen Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte e. V. (DGUF) nimmt die Publikation von Christian Lau eine Pionierstellung ein: Es ist die erste neu erschienene Monographie, welche die DGUF im Open Access vorlegt – ohne jede Schutzfrist. Seit Anfang 2016 ist auch der Bezug einer gedruckten Ausgabe möglich. Als weitere Neuerung werden zugleich auch alle der Studie zu Grunde liegenden wissenschaftlichen Daten veröffentlicht. Dadurch ist die Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse gewährleistet und eine Weiterarbeit mit ihnen erheblich vereinfacht.
Der Autor
Der Band
Kerpen-Loogh 2014. 508 Seiten (inkl. 212 Abbildungen und 91 Tafeln); Datenbank der Keramik und der seriierten Komplexe als Open Data. Verlag Deutsche Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte (DGUF). ISBN 978-3-945663-00-4. DOI: 10.11588/propylaeum.22.15. Als E-Book kostenlos im Open Access.
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