DGUF Newsletter Nr. 115 vom 28.02.2023
DGUF Newsletter Nr. 115
vom 18. Februar 2023
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Inhalt
1.1 Über die Arbeitszufriedenheit in der deutschen Archäologie (EvaBA 3)
1.3 Laufende DGUF-Umfrage: Unternehmerische Archäologie im Geschäftsjahr 2022
1.4 Mitgliedsbeitrag für Studierende: Jetzt für 5 Euro /Jahr Mitglied werden!
2 Tagungen und Veranstaltungen
2.1 Kolloquium "100 Jahre Landesaufnahme in Schleswig-Holstein" (Flensburg, 9.5.)
3.1 Neu im Early View der "Archäologischen Informationen"
3.2 Aktuelle Ausgrabungen und Forschung in den Medien
3.3 Grundlage für die Bearbeitung von latènezeitlichem Glas
3.4 Umfassende Metastudie zu Moorleichen
3.5 Haithabu: Sondengänger entdeckt Hort aus der 1. Hälfte 13. Jahrh.
3.6 Svingerud-Stein: Runeninschrift vor 250 n.Chr.
3.7 Le Peu (Charente): Siedlung der frühesten Erbauer von Europas Megalithen
4.1 Wikibase als Museums-Inventar?
4.2 Ein Blogbeitrag zur Frage: Warum Quarto, warum weiterhin RMarkdown?
5 Nationale Forschungsdateninfrastruktur (NFDI)
5.1 NFDI4objects nimmt zum März 2023 seine Arbeit auf
6.1 Aktuelles rund um Kulturgutschutz in den Medien
6.2 Markus Westphal: Braunkohlenvertrag in NRW kündigen!
7.1 Historikerverband: neue Honorarempfehlungen für Freiberufler
7.2 Sudan: Tiefgreifende Veränderungen im Beruf Archäologie
7.3 Corona und die unternehmerische Archäologie in Großbritannien
7.4 Überblick über die wichtigsten Fehlentwicklungen des Wissenschaftssystems
8.1 Aktuelles rund um Museen in den Medien
9.3 Frühgeschichte in extrem rechten Comics
9.4 Münzkabinette im Open Access: das Desaster des Münzsammelns wird öffentlich
9.5 Wie sind die Arbeitsbedingungen von PostDocs in der Leibniz Gesellschaft?
9.6 Datenbank "Navigating Early Medieval Europe" online
9.7 Wie man für ca. 35 Euro eine alltagstaugliche Fototafel selber baut
9.8 Mastodon vs. Twitter: ein Sturm im Wasserglas?
1 DGUF-Nachrichten
1.1 Über die Arbeitszufriedenheit in der deutschen Archäologie (EvaBA 3)
Der dritte Teil der Auswertung des DGUF-Projekts "Evaluation Beruf Archäologie" (EvaBA), welches
die auf 624 Antworten beruhende Auswertung einer DGUF-Umfrage (10.6.-31.10.2019) darstellt, geht dem "weichen", aber keinesfalls unwesentlichen Faktor "Arbeitszufriedenheit" nach. "Die in der Archäologie Tätigen sind so zufrieden mit ihrer Arbeit wie es in Deutschland auch in anderen Berufen üblich ist", ist ein Fazit der Untersuchung. Positiv wahrgenommene Aspekte der Arbeit seien die Zusammenarbeit mit den Kollegen, die direkten Vorgesetzten und die alltäglichen Tätigkeiten. Unzufriedenheit löse vor allem die Organisation und Leitung des jeweiligen Gesamtbetriebs aus sowie die persönlichen beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten. Innerhalb der Archäologie gebe es beträchtliche Unterschiede in der Arbeitszufriedenheit zwischen den einzelnen Bundesländern, aber auch nach der Art der Arbeit gebenden Institution. "Bei Kommunen tätige Archäologen sind besonders arbeitszufrieden", schreiben die Autoren.
Siegmund, F., Schauer, M. & Scherzler, D. (2022). Über die Arbeitszufriedenheit in der deutschen Archäologie (EvaBA 3). Archäologische Informationen 45, Early View, online publiziert 31. Dez.
1.2 DGUF Tagung 2023: "Archäologischer Bildungskanon - wie gelingt ein zukunftsfähiges Kern-Curriculum UFG?" (Frankfurt a. M., 18.-19.5.; CfP bis 31.3.)
Immer wieder melden Lehrende, Arbeitgeber oder Interessenvertreter Wünsche und Forderungen an die Curricula der Universitäten an: mehr Praxis, mehr Theorie, mehr Archäologie der Neuzeit, mehr IT-Skills, Grundlagenkenntnisse des Denkmalrechts usw. usf. Häufig erscheinen diese Forderungen - für sich genommen - als sehr plausibel und sind es vielfach auch. Wie kann es gelingen, in dieser Gemengelage statt Untätigkeit, Frust-Schieben und "es ist halt so" aktiv zu werden und eine Verständigung über gemeinsame Ziele und Inhalte eines UFG-Studiums zu gewinnen? Eine Art Bildungskanon zu umreißen, der überall gewährleistet werden sollte, bei gleichzeitiger Erhaltung von hinreichendem Raum für individuelle wie institutionelle Spezialisierungen? Wir laden zu einer umfassenden Sichtung der Bedarfe ein und einer Debatte über Umsetzungsmöglichkeiten. Vorträge können sich für einzelne Themenfelder "stark machen", die mehr Platz in den Curricula benötigen, aber auch Lehrprogramme insgesamt durchleuchten. Die Tagung wird in enger Zusammenarbeit mit dem Archäologischen Museum der Stadt Frankfurt organisiert.
https://dguf.de/tagungen-events/aktuelle-tagung
1.3 Laufende DGUF-Umfrage: Unternehmerische Archäologie im Geschäftsjahr 2022
Die DGUF führt aktuell wieder ihre anonyme Umfrage zur Lage der privatwirtschaftlichen Archäologie in Deutschland im zurückliegenden Geschäftsjahr durch. Die erste Umfrage fand 2019 statt. Angesprochen sind alle (Grabungs-) Firmen, aber auch Selbständige, Beratungsbüros, Dienstleister etc., die einen wesentlichen Anteil ihres Jahresumsatzes mit Arbeiten für die Archäologie resp. mit Aufträgen aus der Archäologie erwirtschaften. Aus zahlreichen Rückmeldungen an die DGUF wissen wir, dass die Ergebnisse inzwischen u. a. auch für Berufs- und Studienberatungen verwendet werden. Für die Qualität und Tiefe der Auswertungen ist eine möglichst hohe Beteiligung erforderlich. Die DGUF hat alle ihr bekannten Firmen und Selbständigen angeschrieben. Wer zum Kreis der Angesprochenen gehört, aber am 23.2. keine entsprechende E-Mail erhalten hat, wende sich bitte gerne an frank.siegmund@dguf.de.
Siegmund, F. & Scherzler, D. (2019). Die derzeitige Wirtschaftslage in der privatwirtschaftlichen Archäologie Deutschlands - DGUF-Monitoring-Report privatwirtschaftliche Archäologie 2019. Archäologische Informationen, 42, 79-98. https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/arch-inf/article/view/69349
Siegmund, F. & Scherzler, D. (2020). Grabungsfirmen in Deutschland trotz Pandemie auf Wachstumskurs – DGUF-Monitoring-Report privatwirtschaftliche Archäologie 2020. Archäologische Informationen, 43, 211-224. https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/arch-inf/article/view/81411
Siegmund, F. & Scherzler, D. (2022). Zu geringes Lohnwachstum trotz Arbeitskräftemangels und zweistelliger Wachstumsraten bei Umsatz und Mitarbeitern – DGUF-Monitoring-Report privatwirtschaftliche Archäologie 2021. Archäologische Informationen 45, Early View, online publiziert 6. Juni 2022. Dort: https://dguf.de/publikationen/archaeologische-informationen/early-views
1.4 Mitgliedsbeitrag für Studierende: Jetzt für 5 Euro /Jahr Mitglied werden!
Sie als Studierende liegen uns am Herzen. Daher gibt es bei uns den Deutschen Studienpreis für Archäologie, unsere Handreichungen für Studierende, die jährliche Erhebung von Studierenden- und Absolventenzahlen uvm. Wir kämpfen für eine tragfähige berufliche Zukunft in der Archäologie, für gute Denkmalschutzgesetze und gegen Mittelkürzungen - damit Studierende von heute auch morgen in der Archäologie Arbeit finden können. Unterstützen Sie das und werden Sie jetzt Mitglied – für gerade einmal 5 Euro /Jahr!
https://dguf.de/mitmachen/mitglied-werden
1.5 Unter den DGUF-Rezensionsangeboten: Marie Louise Stig Sørensen & Katharina Rebay-Salisbury: Death and the Body in Bronze Age Europe. From Inhumation to Cremation
Unter den zahlreichen Publikationen, welche die Herausgeber der "Archäologischen Informationen" zur Rezension ausschreiben, sei diesmal auf ein im Januar bei Cambridge University Press publiziertes Buch hingewiesen. Aus dem Klappentext: "This volume offers new insights into the radical shift in attitudes towards death and the dead body that occurred in temperate Bronze Age Europe. Exploring the introduction and eventual dominance of cremation, Marie-Louise Stig Sørenson and Katharina Rebay-Salisbury apply a case-study approach to investigate how this transformation unfolded within local communities located throughout central to northern Europe. They demonstrate the deep link between the living and the dead body, and propose that the introduction of cremation was a significant ontological challenge to traditional ideas about death. In tracing the responses to this challenge, the authors focus on three fields of action: the treatment of the dead body, the construction of a burial place, and ongoing relationships with the dead body after burial. Interrogating cultural change at its most fundamental level, the authors elucidate the fundamental tension between openness towards the 'new' and the conservative pull of the familiar and traditional." Wenn Sie Interesse an einer Rezension haben, richten Sie bitte Ihre Anfrage mit einer kurzen Begründung, weshalb Sie dieses Werk besprechen wollen, an: editor@dguf.de.
Alle Rezensionsangebote der "Archäologischen Informationen" mit weiteren Informationen zu Modalitäten und Ablauf: https://www.dguf.de/fileadmin/user_upload/publikationen/AI/dguf-dok_arch-inf_rezensionsangebote.pdf
Marie Louise Stig Sørensen and Katharina Rebay-Salisbury: Death and the Body in Bronze Age Europe. From Inhumation to Cremation. 350 pages. January 2023. https://www.cambridge.org/de/academic/subjects/archaeology/archaeology-europe-and-near-and-middle-east/death-and-body-bronze-age-europe-inhumation-cremation?format=HB
2 Tagungen und Veranstaltungen
2.1 Kolloquium "100 Jahre Landesaufnahme in Schleswig-Holstein" (Flensburg, 9.5.)
Am 9.5. feiert die schleswig-holsteinische Landesarchäologie das runde Jubiläum ihrer Archäologischen Landesaufnahme mit einem wissenschaftlichen Kolloquium. Nach einem Bericht über den Stand der Landesaufnahme in Schleswig-Holstein wird das Thema aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet, wobei neben technischen Aspekten und Vergleichen aus benachbarten Bundesländern auch Dänemark, Österreich und die Maritime Landesaufnahme beleuchtet werden. Eine Teilnahme ist nach Anmeldung gegen einen Kostenbeitrag von 20 Euro möglich.
2.2 "Internationale Archäologie: Arbeiten im Ausland und internationale Zusammenarbeit" (Frankfurt a. M., 20.5.; CfP bis 31.3.)
Die Jahrestagung des Berufsverbands CIfA Deutschland fokussiert auf die Auswirkungen aktueller weltpolitischer Entwicklungen auf die deutsche Archäologie. Betroffen seien jahrelange internationale Kooperationen von akademischen Institutionen. Auch privatwirtschaftliche Firmen aus verschiedenen Ländern fänden sich für gemeinsame Großprojekte zusammen und müssten den Vorschriften und Gesetzen beider Länder genügen. Zudem kommen Archäologen aus dem nicht-deutschsprachigen Ausland zum Arbeiten hierher. Den Organisatoren sind Beiträge willkommen, die solche Beispiele veranschaulichen, auf Hindernisse aufmerksam machen und zeigen, wie diese internationalen Herausforderungen gelöst werden können/sollen. Ein kurzes Abstract (max. 300 Wörter) für 30-minütige Präsentation erbitten die Veranstalter bis zum 31.3. an mail@cifa-deutschland.de.
2.3 "Neue Funde im Osten – Entstehung, Verbreitung und Charakteristik des Phänomens Michelsberg im Lichte neuer Forschungen" (Münster, 31.5.-2.6.)
Ralf Gleser, Silviane Scharl, Ute Seidel, Michael Strobel haben eine internationale, hybride Tagung zur Michelsberger Kultur organisiert. Nähere Informationen bietet ein PDF mit dem Vortragsprogramm. Danach sind Gäste-Teilnahmen via Zoom möglich; ob auch eine Teilnahme vor Ort möglich ist, geht aus dem Programm nicht hervor.
Tagungsprogramm: https://www.uni-muenster.de/imperia/md/content/geschichte/ufg/pdf/poster_tagung_michelsberg_final.pdf
Zoom: https://unikoeln.zoom.us/j/97920959224?pwd=M2p0ajFxMTMvay8vT0NVR3pNZm1iZz09 MeetingID: 979 2095 9224, Passwort: 459460
3 Forschung
3.1 Neu im Early View der "Archäologischen Informationen"
van Oeveren, D. (2023). Book review of: Bonacchi, C. (2022). Heritage and nationalism: understanding populism through big data. London: UCL Press. Archäologische Informationen 45, Early View, published online 21 Febr. 2023.
Westphal, M. (2023). 70 Jahre "Landschaft in Not": Appelle gegen die Zerstörung unseres Kulturerbes im Rheinischen Braunkohlenrevier. Archäologische Informationen 45, Early View, online publiziert 13. Febr. 2023.
Schönfelder, M. (2023). Rezension zu: Rolland, J. (2021). Le verre de l’Europe celtique. Approches archéométriques, technologiques et sociales d’un artisanat du prestige au second âge du Fer. Leiden: Sidestone Press. - Archäologische Informationen 45, Early View, online publiziert 6. Febr. 2023.
Iwe, K. (2023). Rezension zu: Heller, D. (2022). Pfostenloch. Berlin: Avant-Verlag. Archäologische Informationen 45, Early View, online publiziert 2. Febr. 2023.
Siegmund, F., Schauer, M. & Scherzler, D. (2022). Über die Arbeitszufriedenheit in der deutschen Archäologie (EvaBA 3). Archäologische Informationen 45, Early View, online publiziert 31. Dez.
2022.
Preising, A.-D. (2022). Vergleichende Untersuchungen zu mittelalterlichen Schiffsbautechniken im Ostseeraum am Beispiel des Wrack 2 von Ralswiek (Rügen). Archäologische Informationen 45, Early View, online publiziert 21. 12. 2022.
https://www.dguf.de/early-views
3.2 Aktuelle Ausgrabungen und Forschung in den Medien
"Hat der Landgraben im Hessischen Ried eine römische Vergangenheit?" (Universität Frankfurt, 27.2.): https://idw-online.de/de/news809917
Grotte Mandrin: "Europe’s first humans hunted with bows and arrows. A cave site in France holds hundreds of tiny stone points, alongside remains thought to belong to Homo sapiens" (Nature, 22.2.): https://www.nature.com/articles/d41586-023-00526-y
"An der Lahn blieben den Römern 200 Tonnen Silber verborgen" (Universität Frankfurt, 21.2.): https://aktuelles.uni-frankfurt.de/forschung/an-der-lahn-blieben-den-roemern-200-tonnen-silber-verborgen/
"Mediterranean hunter-gatherers relied on marine resources more than previously thought" (University of York, 22.2.): https://www.york.ac.uk/news-and-events/news/2023/research/mediterranean-hunter-gatherers-marine-resources/
"Sumerian Lord Palace of the Kings found. Discovery of 4,500-year-old palace in Iraq may hold key to ancient civilization" (The Guardian, 17.2.): https://www.theguardian.com/science/2023/feb/17/discovery-of-4500-year-old-palace-in-iraq-may-hold-key-to-ancient-civilisation
"Forschung an Rinderknochen gibt neue Aufschlüsse über die Eisenzeit in Österreich" (NHM Wien, 13.2.): https://www.nhm-wien.ac.at/presse/pressemitteilungen2023/rinder_eisenzeit
"Did more than one ancient human relative use early stone tools? Scientists find oldest Oldowan butchery tools—long seen as a hallmark of our own genus—with Paranthropus fossils" (Science, 9.2.): https://www.science.org/content/article/one-ancient-human-relative-use-early-stone-tools
"Bering Land Bridge was only passable during 2 brief windows, study finds" (Live Science, 9.2.): https://www.livescience.com/bering-land-bridge-was-only-passable-during-2-brief-windows-study-finds
"Antike Fluchtafeln finden Anklang in der Offenbarung des Johannes" (Universität Mainz, 8.2.): https://presse.uni-mainz.de/antike-fluchtafeln-finden-anklang-in-der-offenbarung-des-johannes/
"Proof that Neanderthals ate crabs is another ‘nail in the coffin’ for primitive cave dweller stereotypes" (Frontiers, 7.2.): https://blog.frontiersin.org/2023/02/07/proof-that-neanderthals-ate-crabs-is-another-nail-in-the-coffin-for-primitive-cave-dweller-stereotypes/
"First solid scientific evidence that Vikings brought animals to Britain" (University of York, 1.2.): https://www.york.ac.uk/news-and-events/news/2023/research/evidence-that-vikings-brought-animals-to-britain/
"Neandertaler jagten Waldelefanten: Erster Beweis für Elefantenjagd durch den frühen Menschen. Untersuchung von Funden in Neumark-Nord bei Halle erbringt ersten eindeutigen Beweis für Jagd von Elefanten in menschlicher Evolution und neue Erkenntnisse über Lebensweise der Neandertaler" (Universität Mainz, 1.2.): https://presse.uni-mainz.de/neandertaler-jagten-waldelefanten-erster-beweis-fuer-elefantenjagd-durch-den-fruehen-menschen/
"Archaeologists Discover 1.2 Million-Year-Old 'Workshop' in Mind-Blowing Find. The discovery pushes the timeline of obsidian tool use back by an astonishing 500,000 years" (Vice, 27.1.): https://www.vice.com/en/article/n7zx77/archaeologists-discover-12-million-year-old-workshop-in-mind-blowing-find
Cueva Des-Cubierta (Spanien): "Large number of animal skulls found in Neanderthal cave" (Phys.org, 27.1.): https://phys.org/news/2023-01-large-animal-skulls-neanderthal-cave.html
"Neanderthals are not the only species whose dentition is characterized by the possession of thin enamel" (CENIEH, 19.1.): https://www.cenieh.es/en/press/news/neanderthals-are-not-only-species-whose-dentition-characterized-possession-thin-enamel
"Over twenty-five years of research at Göbekli Tepe" (DAI, 16.1.): https://www.dainst.blog/the-tepe-telegrams/2023/01/16/over-twenty-five-years-of-research-at-gobekli-tepe/
"Highly Significant Bronze Age and Roman Ritual Center Discovered in England" (Ancient Origins, 16.1.): https://www.ancient-origins.net/news-history-archaeology/ritual-center-0017799
"In the Neanderthal site of Combe-Grenal, France, hunting strategies were unaffected by changing climate" (PLOS, 11.1.): https://www.alphagalileo.org/en-gb/Item-Display/ItemId/229261
"The earliest humans swam 100,000 years ago, but swimming remains a privileged pastime" (Phys.org, 28.12.): https://phys.org/news/2022-12-earliest-humans-swam-years-privileged.amp
3.3 Grundlage für die Bearbeitung von latènezeitlichem Glas
Die Forschung zu eisenzeitlichem Glas war lange eine Domäne der deutschsprachigen Archäologie, Frankreich spielte bislang kaum eine Rolle. Die Dissertation von Joëlle Rolland stellt nun eine Synthese der Glasforschung in der Latènezeit dar, ist eine sehr umfassende Studie mit einem Schwerpunkt zu Material aus Frankreich. Im ersten Teil geht es um das Rohglas und seine Archäometrie, dann um den Produktionsprozess und die Werkstätten und zum Schluss um die Verbreitung und Verwendung von Glasschmuck. Martin Schönfelder hat den 2021 bei Sidestone erschienenen Band rezensiert. Er urteilt: "Die Arbeit von Joëlle Rolland wird auf längere Zeit die Grundlage für die Bearbeitung von latènezeitlichem Glas bleiben. Es bleibt zu hoffen, dass sie auch in Deutschland Verbreitung findet. Dabei mag der Vertriebsweg helfen – das Buch wird auch als Ebook angeboten und es ist kostenlos digital einsehbar – und so lassen sich ja auch großzügig Passagen digital übersetzten. Es wäre schön, wenn sich so die Sprachbarriere überwinden ließe."
Schönfelder, M. (2023). Rezension zu: Rolland, J. (2021). Le verre de l’Europe celtique. Approches archéométriques, technologiques et sociales d’un artisanat du prestige au second âge du Fer. Leiden: Sidestone Press. - Archäologische Informationen 45, Early View, online publiziert 6. Febr. 2023. https://dguf.de/fileadmin/AI/archinf-ev_schoenfelder.pdf
Das Buch beim Verlag mit online kostenlos einsehbarem Ebook: https://www.sidestone.com/books/le-verre-de-l-europe-celtique
3.4 Umfassende Metastudie zu Moorleichen
Eine in "Antiquity" im Open Access publizierte Studie hat zügig den Weg in die New York Times gefunden: eine diachrone und europaweite Analyse zu Moorleichen. Das Besondere: neben den klassischen Moorleichen / Mumien wurden auch alle aus Mooren stammenden Skelettfunde und Teil-Skelette erfasst, woraus sich eine Datenbasis mit 266 Fundorten und mehr als 1.000 Fällen ergibt. Dieser umfassende Ansatz ermöglicht es, nun entlang der Zeitachse Häufungen von im Moor bestatteten Menschenresten zu identifizieren. Die resultierenden sechs Zeitphasen zeigen auch räumlich jeweils spezifische Schwerpunkte, d. h. Bestattungen im Moor gab es diachron nicht immer und synchron nicht überall. Auch die Alters- und Geschlechtsverteilung der Moorleichen ist nicht zu allen Perioden gleich. Die Autoren haben ihre Datenbasis zugleich als Open Data publiziert, was Interessierten weitere vertiefende Auswertungen ermöglicht. Der informative Zeitungsartikel in der New York Times spart sogar das quellenkritische Thema Taphonomie nicht aus.
"What the Ancient Bog Bodies Knew: The first comprehensive survey of a 7,000-year-old burial tradition reveals an often violent final ritual" (New York Times, 30.1.): https://www.nytimes.com/2023/01/30/science/archaeology-bogs-mummies.html
Van Beek, R., Quik, C., Bergerbrant, S., Huisman, F., & Kama, P. (2023). Bogs, bones and bodies: The deposition of human remains in northern European mires (9000 BC–AD 1900). Antiquity, 1-21. doi:10.15184/aqy.2022.163 https://www.cambridge.org/core/journals/antiquity/article/bogs-bones-and-bodies-the-deposition-of-human-remains-in-northern-european-mires-9000-bcad-1900/B90A16A211894CB87906A7BCFC0B2FC7
"Die berühmten Moorleichen Europas – eine jahrtausendealte Tradition" (Archäologie in Deutschland, 13.1.): https://aid-magazin.de/2023/01/13/die-beruehmten-moorleichen-europas-eine-jahrtausendealte-tradition/
"Europe’s morbid marshes: the secrets of ‘bog bodies’ unraveled" (Heritage Tribune, 18.1.): https://heritagetribune.eu/europe/violent-endings-and-hotspots-in-the-marsh-the-secrets-of-europes-bog-bodies-unravelled
3.5 Haithabu: Sondengänger entdeckt Hort aus der 1. Hälfte 13. Jahrh.
Nahe Haithabu hat ein (im Bericht das Amtes namentlich genannter) Sondengänger einen Hortfund aus der Zeit Waldemars II (1202-1241) gefunden. Neben Hacksilber umfasst der Hort zwei goldene Ohrringe, zwei Fingerringe, eine kleine Ringfibel u. a. Anlass der Entdeckung war eine praktische Übung im Rahmen der schleswig-holsteinischen Sondengängerzertifizierung. Unmittelbar nach Entdeckung wurden das Landesamt verständig und der Hort fachgerecht geborgen.
"Glück beim Suchen: Detektorazubi findet Hortfund" (ALSH, 17.2.): https://www.schleswig-holstein.de/DE/landesregierung/ministerien-behoerden/ALSH/Information/ausgrabungen/ausgrabungen/2023/hortfund_2023-01/hortfund_2023-01.html?nn=cfc4265b-5469-465a-b335-630c861d8182
"Metallsondengänger-Azubi findet Goldschatz bei Haithabu" (NDR, 18.2.): https://www.ndr.de/kultur/kunst/schleswig-holstein/Metallsondengaenger-Azubi-findet-Goldschatz-bei-Haithabu,haithabu644.html
3.6 Svingerud-Stein: Runeninschrift vor 250 n.Chr.
Im Januar stellte das Nationalmuseum in Oslo in einer kleinen Ausstellung und auf seiner Website den 2021 nahe Ringerike entdeckten Svingerud-Stein vor: eine dünne Sandsteinplatte von ca. 30 x 30 cm Größe mit einer Runeninschrift. Die Inschrift wird als "Idibera" gelesen, vermutlich ein Frauenname - was dann wohl als Widmung "für Idibera" zu verstehen ist. Bemerkenswert: durch den Fundkontext kann der Stein in die Ältere Römische Kaiserzeit datiert werden, womit er der bislang älteste Runenstein Skaninaviens wäre. Bisher tauchen Runensteine erst ab dem 3./4. Jh. n. Chr. auf.
"The world's oldest rune stone" (Historical Museum, 21.1.): https://www.historiskmuseum.no/english/exhibitions/worlds-oldest-rune-stone/
"The world’s oldest rune stone is found at Tyrifjorden, Norway" (The Norwegian America, 23.1.): https://www.norwegianamerican.com/svingerud-rune-stone/
"Der älteste Runenstein der Welt und seine Rätsel" (Welt, 18.1.): https://www.welt.de/geschichte/article243265997/Wikinger-Der-aelteste-Runenstein-der-Welt-und-seine-Raetsel.html
"Das Geheimnis des ältesten Runensteins der Welt" (National Geographic, 26.1.): https://www.nationalgeographic.de/geschichte-und-kultur/2023/01/das-geheimnis-des-aeltesten-runensteins-der-welt-archaologie-geschichte
3.7 Le Peu (Charente): Siedlung der frühesten Erbauer von Europas Megalithen
Die frühesten Monumentalbauten in Westeuropa werden mit Megalithen in Verbindung gebracht - aber wo lebten die Erbauer dieser Monumente? In West-Zentral-Frankreich wird seit 2011 die Anlage von Le Peu erforscht, jetzt wurden Ergebnisse in "Antiquity" publiziert: Die Siedlung datiert in das Mittelneolithikum (ca. 4.400 v. Chr.) und wird eingefasst durch einen Graben mit zwei Eingängen, die Krabbenklauen ähneln. Nachgewiesen wurde auch eine doppelte Holzpalisade. Im Inneren befanden sich auf einer kleinen Erhebung Holzgebäude – derzeit die frühesten bekannten in der Region. Bodenuntersuchungen des Gebiets ergaben, dass die Siedlung auch von einem schützenden Sumpf umgeben war.
Vincent Ard, Marylise Onfray, David Aoustin, Éric Bouchet, Guillaume Bruniaux, Grégory Dandurand, François Daniel, Alexa Dufraisse, Salomé Granai, Antoine Laurent, Victor Legrand, François Lévêque, Friedrich Lüth, Vivien Mathé, Pascal Mora, Hélène Vitté: The emergence of monumental architecture in Atlantic Europe: a fortified fifth-millennium BC enclosure in western France. Antiquity vol. 97, issue 391, pp. 50-69 (21.2.): https://www.cambridge.org/core/journals/antiquity/article/emergence-of-monumental-architecture-in-atlantic-europe-a-fortified-fifthmillennium-bc-enclosure-in-western-france/8ED741E657BCBE5522E7EC273F7D697D
"Archaeologists discover homes of Europe's first monument makers" (Phys.org, 22.2.): https://phys.org/news/2023-02-archaeologists-homes-europe-monument-makers.html
4 Archäoinformatik
4.1 Wikibase als Museums-Inventar?
In einem lesenswerten Blogpost behandelt beleuchtet Michael Müller die Frage, ob sich Wikibase, d. h. die Software hinter Wikidata, auch zum Betreiben eines Museumsinventars eignet. Sein Fazit: ja. "Wikibase bietet ein breites Spektrum an Möglichkeiten, Informationen zu den Objekten der eigenen Sammlung digital zu erfassen und das Wissen zu den Objekten semantisch differenziert und präzise abzubilden. Technisch gesehen steht mit Wikibase ein ausgereiftes, funktionsmächtiges Open-Source-Werkzeug zur Verfügung, das durch die Verwendung beim Großprojekt Wikidata als sehr zukunftssicher und für alle denkbaren Szenarien skalierbar gelten kann."
Müller, M. (2023). Wikibase – taugt die Wikidata-Software zur Sammlungsdokumentation? (Teil 1). Hypotheses: Digitales Netzwerk Sammlungen, 10. 6. 2022: https://dns.hypotheses.org/546
4.2 Ein Blogbeitrag zur Frage: Warum Quarto, warum weiterhin RMarkdown?
Im August 2022 stellte die Firma (ehemals) "RStudio" / (neu) "posit" - bei R Anwendern durch ihre Benutzeroberfläche RStudio weithin bekannt - auf der rstudio::con(2022) ihr neues Schreibsystem "Quarto" offiziell vor, das schon einige Monate früher in Testversionen verfügbar war (DGUF-Newsletter vom 12.9.2022 Punkt 4.2). Wer genauer hinsah, erkannte schnell: "Aha, RMarkdown, nur etwas anders." Beide Programme, RMarkdown wie auch Quarto, gehören zur Familie jener Programme, die Texte in der offenen Auszeichnungssprache Markdown ablegen. Während es bei Oberflächen wie Typora, Zettlr oder Obsidian darum geht, kürzere Notizen wie längere Texte im Format Markdown zu verfassen, schnell und treffsicher wiederzufinden und zu bearbeiten, bieten RMarkdown und Quarto einen Zusatznutzen für Diejenigen, die R-Code und Text gemeinsam handhaben wollen. R-Code ist im Text ausführbar eingebettet - ideal z. B. für das Verfassen von einschlägigen Lehrbüchern. So wurde das seit 2012 in RStudio einbettbare RMarkdown die Grundlage vieler Bücher rund um R, Data Science und Statistik. Auf der rstudio::con(2022) versicherte "posit", dass es RMarkdown weiterhin pflegen und unterstützen werde. Warum also zu Quarto wechseln? In einem Blobgbeitrag bei der von posit unabhängigen IT-Beratungsfirma "JumpingRivers" sind Nicola Rennie und Colin Gillespie dieser Frage nun nachgegangen, also der nach dem Zusatznutzen von Quarto für R-Anwender, die bislang mit RMarkdown gearbeitet haben. Ihr Fazit: Quarto bietet Funktionen unter einem Dach, die man sich mit RMarkdown zusammensammeln muss (bookdown, destill, revealjs), und ist dadurch bequemer und konsistenter; es ist leichter, Texte zu einem großen Projekt zusammenzufügen (z. B. zu einem Buch). Sprich: viele kleine Vorteile, aber (noch?) kein zwingender Grund zum Umstieg von RMarkdown zu Quarto.
"I'm an R user: Quarto or R Markdown?", by Nicola Rennie & Colin Gillespie (JumpingRivers, 8.12.): https://www.jumpingrivers.com/blog/quarto-rmarkdown-comparison/
"Use Quarto for creating content with Python, R, Julia, and Observable" (RStudio, 8.8.): https://www.rstudio.com/blog/four-announcements-from-rstudio-conf-2022/#use-quarto-for-creating-content-with-python-r-julia-and-observable
Website Quarto: https://quarto.org/
5 Nationale Forschungsdateninfrastruktur (NFDI)
5.1 NFDI4objects nimmt zum März 2023 seine Arbeit auf
Am 27.1. fand eine umfassende Informationsveranstaltung von NFDI4objects statt – der Forschungsdateninfrastruktur für die materiellen Hinterlassenschaften der Menschheitsgeschichte. An ihr nahmen ca. 85 Mitglieder und Assoziierte teil. Nach der grundsätzlichen Bewilligung des Projekts am 4.11.2022 erfolgte Ende 2022 auch die konkrete Mitteilung über die bewilligten Mittel, die nun 17 % unter dem Antragsvolumen liegen. Dabei ist die darüberhinausgehende Finanzlücke unberücksichtigt, die sich aus der zu erwartenden Lohnprogression im öff. Dienst während der Projektlaufzeit ergibt. Daher waren seitens der Projektleitung Umstellungen und kräftige Kürzungen notwendig, über die nun informiert wurde. Alle "task areas" stellten ihre redimensionierten Arbeitspläne vor. Das Projekt wird ab März 2023 mit der konkreten Arbeit beginnen. Kai-Christian Bruhn erinnerte erneut daran, wie wichtig für ein Gelingen von NFDI4objects die Akzeptanz seitens der Community sei. Wer in einem Projekt mitwirken möchte, sei herzlich eingeladen, sich bei NFDI4objects zu melden.
6 Kulturgutschutz
6.1 Aktuelles rund um Kulturgutschutz in den Medien
Diskussion zur Novellierung des Treasure Act: "Neue Schatzdefinition in UK" (Archaeologik, 22.2.): https://archaeologik.blogspot.com/2023/02/neue-schatzdefinition-in-uk.html
"Zerstörte Kulturgüter, konfiszierte Kunst: Wem gehört das Gold der Krim?" (Tagesspiegel, 22.2.): https://www.tagesspiegel.de/kultur/zerstorte-kulturguter-konfiszierte-kunst-wem-gehort-das-gold-der-krim-9370124.html
Munzach (Schweiz): "Sondengänger überfällt römischen Gutshof" (Archaeologik, 19.2.): https://archaeologik.blogspot.com/2023/02/sondenganger-uberfallt-romischen-gutshof.html
"Kulturstätten nach Erdbeben in der Türkei. Gespräch mit Archäologe Felix Pirson" (DLF, 11.2.): https://www.deutschlandfunk.de/kulturstaetten-nach-erdbeben-in-der-tuerkei-gespraech-mit-archaeologe-felix-pirson-dlf-587b3ce2-100.html
"UNESCO-Weltkulturerbe-Status gefährdet Welterbe" (Archaeologik, 10.2.): https://archaeologik.blogspot.com/2023/02/unesco-weltkulturerbe-status-gefahrdet.html
"Mobiles Labor für die Erstversorgung von Kulturgut in Krisensituationen" (Kulturgutretter, 6.2.): https://www.kulturgutretter.org/mobiles-labor-fuer-die-erstversorgung-von-kulturgut-in-krisensituationen/
"Washed away: can Britain’s crumbling castles be saved from the sea? From Cornwall to the Orkney isles, heritage experts are battling to preserve the UK’s historic sites from coastal erosion" (The Guardian, 14.1.): https://www.theguardian.com/focus/2023/jan/14/washed-away-can-britains-crumbling-castles-be-saved-from-the-sea
"British Museum in talks with Greece over return of Parthenon marbles. Greek ministers say secret talks have been under way for more than a year" (The Guardian, 4.1.): https://www.theguardian.com/artanddesign/2023/jan/04/british-museum-in-talks-with-greece-over-return-of-parthenon-marbles
6.2 Markus Westphal: Braunkohlenvertrag in NRW kündigen!
Vor 70 Jahren erschien die Denkschrift "Landschaft in Not", in der sich u. a. der damalige Landeskonservator Prof. Walter Bader zum Geschehen im rheinischen Braunkohlenrevier äußerte. Die Forderung: Baudenkmalpflege und Archäologie müssten vor der absehbar unwiederbringlichen Zerstörung dieser Kulturlandschaft umfassend tätig werden. Der Archäologe und Journalist Markus Westphal erinnert in einem Aufsatz an diese damals auch von wichtigen Politikern getragene Forderung. Für die aktuelle Situation, in der nur 5% der sachlich notwendigen Rettungsgrabungen stattfinden, erinnert er an die sehr hinterfragenswürdige Entstehung des Vertrages vom 19.12.1995 zwischen Rheinbraun/RWE und dem Land NRW, nach dem zugunsten einer gänzlich unterdimensionierten Stiftung das Verursacherprinzip im Braunkohlengebiet keine Anwendung findet. Spätestens mit der Novellierung des DSchG NRW im Jahr 2013, mit dem das Verursacherprinzip auch in NRW gesetzlich verankert wurde, hätte dieser Vertrag gekündigt werden müssen. Es sei weiterhin sinnvoll, dies endlich zu tun - so Westphals Apell.
Westphal, M. (2023). 70 Jahre "Landschaft in Not": Appelle gegen die Zerstörung unseres Kulturerbes im Rheinischen Braunkohlenrevier. Archäologische Informationen 45, Early View, online publiziert 13. Febr. 2023: https://dguf.de/fileadmin/AI/archinf-ev_westphal.pdf
"Vertragliche Vereinbarung zwischen dem Land NRW, RWE und der Stiftung zur Förderung der Archäologie im rheinischen Braunkohlerevier" (Frag-den-Staat, 19.5.2020): https://fragdenstaat.de/anfrage/vertragliche-vereinbarung-zwischen-dem-land-nrw-rwe-und-der-stiftung-zur-forderung-der-archaologie-im-rheinischen-braunkohlerevier/
7 Beruf Archäologie
7.1 Historikerverband: neue Honorarempfehlungen für Freiberufler
Nach dem Verband der Deutschen Kunsthistoriker (s. DGUF-Newsletter 114 vom 5.12.2022 Punkt 7.2) hat nun auch der Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands (VHD) Honorarempfehlungen für Freiberufler veröffentlicht. Genauer: diese in seiner "AG Freelancer und Agenturen" erarbeitet und ihnen als VHD zugestimmt. Die nach Tätigkeitsfeldern differenzierten Sätze ähneln denen des Kunsthistorikerverbandes, die Untergrenzen der genannten Spannen sind gleich, die Obergrenzen bei den Historikern etwas höher.
"Honorar-Empfehlungen des VHD für selbstständige Historiker und Historikerinnen" (VHD, o.D.): https://www.historikerverband.de//verband/honorarempfehlungen-fuer-selbststaendige-historikerinnen.html
7.2 Sudan: Tiefgreifende Veränderungen im Beruf Archäologie
Wie wäre es, zehn, 15 sudanesische Archäologen der Universität Khartoum beantragten eine Forschungsgrabung nahe der Heuneburg? Sollten Sie sich fragen, ob die Kollegen denn hiesige prähistorische Kulturen verstehen oder erst Anleitung bräuchten, geht das jungen sudanesischen Archäologen ähnlich: "It is very important that Africans do African archaeology … because then we will have our own archaeological cultures. There is a lot we understand because we are from here. The idea that people from the west know best is changing", zitiert der Guardian in einem sehr lesenswertern Artikel über die Archäologie im Sudan die einheimische Studentin Sabrine al-Sadiq. 2018 war der Sudan das afrikanische Land mit den meisten Archäologen, immer mehr Frauen studieren dort heute das Fach, zunehmend werden Grabungen von einheimischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern durchgeführt, auch Citizen-Science-Projekte erfreuen sich großer Beliebtheit. Manche sudanesischen Kollegen sind für die jahrhundertelange Anwesenheit westlicher Archäologen dankbar, denn sie hätten geholfen, die Forschung voranzubringen und einheimische Experten auszubilden. Nun gebe es viele von diesen, sagt Dr. Eglal el-Malik von Sudans National Corporation of Antiquities and Museums. Er blickt für die Zukunft des Berufs nach Europa: "We are looking forward to the day when African archaeologists regularly travel to Europe or US to do archaeology there." Sabrine al-Sadiq ergänzt: "Why shouldn’t we come and study your history in the west like you have done here? We could teach you something, perhaps."
"Young Sudanese archaeologists dig up history as ‘west knows best’ era ends" (The Guardian, 27.12.): https://www.theguardian.com/world/2022/dec/27/young-sudanese-archaeologists-dig-up-history-as-west-knows-best-era-ends
"Here's why we need more African archaeologists" (The Guardian, 31.10.2020): https://www.theguardian.com/commentisfree/2020/oct/31/african-archaeologists-archaeology-europe-local-cultures
Kenneth Aitchison: "Discovering the Archaeologists of Africa – Update" (Landward, 4.8.2018): https://landward.eu/blog/discovering-the-archaeologists-of-africa-update/
7.3 Corona und die unternehmerische Archäologie in Großbritannien
In einer jüngst erschienenen Studie zeichnet Kenneth Aitchison die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die privatwirtschaftliche Archäologie in Großbritannien nach. Nach erstem Stocken und Aus-dem-Tritt-kommen im Frühling 2020 zu Beginn der Pandemie habe sich dank eines Investitionsbooms auch für die Archäologie eine starke Auftragslage entwickelt, die zu Personalzuwächsen geführt habe und guten Unternehmensgewinnen. Ein Boom, der mit dem Abklingen der Pandemie im letzten Quartal 2022 deutlich nachgelassen habe.
Aitchison, K. R. (2023). Professional Archaeology in the UK under COVID-19. Humans 3(1), 36-46; https://doi.org/10.3390/humans3010005: https://www.mdpi.com/2673-9461/3/1/5
7.4 Überblick über die wichtigsten Fehlentwicklungen des Wissenschaftssystems
Die weiterhin aktuelle Debatte #IchBinHanna rund um das Wissenschaftszeitvertragsgesetz ist für alle an der Academia Interessierten wichtig. Doch die Krise der Academia ist umfassender, wie Lutz Böhm und Michael Gerloff in einem lesenswerten Blogpost unterstreichen. Sie haben die diversen Krisen im akademischen System gesammelt und zusammengestellt. Die knapp kommentierte, mit vielen Links (d. h. Quellennachweisen) untermauerte Liste macht auf die einzelnen Themen, vor allem aber deren Vernetztheit aufmerksam.
Böhm, L. & Gerloff, M. (2023). Die Academic Crisis List Teil 1: Von der Karriereplanung bis zum wissenschaftlichen Publikationswesen. Von Lutz Böhm und Michael Gerloff. (Blog JMWiarda, 21.2.): https://www.jmwiarda.de/2023/02/21/die-academic-crisis-list/
8 Ausstellungen und Museen
8.1 Aktuelles rund um Museen in den Medien
"England's archaeological history gathers dust as museums fill up" (BBC, 24.2.): https://www.bbc.com/news/science-environment-64707488
8.2 "Überblick über die Anwendungsfälle auf Instagram": Rezension zu Marian Kulig, Museen auf Instagram
Marian Kulig hat sich in einer Monographie mit einem Thema beschäftigt, zu dem es derzeit noch wenig Studien in Deutschland gibt: Wie treten Museen auf Instagram auf? Markus Wiesenhofer, stv. Leiter der Hauptabteilung Kommunikation & Marketing der Österreichischen Galerie Belvedere in Wien, hat das im Tecum-Verlag erschienene Buch rezensiert: Auf 128 Seiten erwarte den Leser vor allem eine visuell-pragmatische Inhaltsanalyse, bei der Auftritte von Kunstmuseen und Geschichtsmuseen einander gegenübergestellt werden. Dabei ergebe sich, dass bei Geschichtsmuseen die Bildungsarbeit im Vordergrund stehe, bei Kunstmuseen eher das Selbstmarketing. Der Aspekt "Partizipation" - sprich: die Seele der Social Media - stehe eher im Hintergrund. Das Fazit der Rezension: "Für klare Empfehlungen oder gar eine Handlungsanleitung für die eigene Kommunikationsstrategie ist der Studienschwerpunkt zu sehr auf die Bildanalyse beschränkt und das Buch insgesamt zu kurzgefasst."
Markus Wiesenhofer: Buchrezension : M. Kulig (2022). Museen auf Instagram (KMN, 1.12.2022): https://www.kulturmanagement.net/Themen/Buchrezension-Museen-auf-Instagram,4507
8.3 "Beanspruchung verschiedener Sinne": Zur Ausstellung "Berauschend. 10000 Jahre Bier und Wein" (Stuttgart, bis 30.4.)
Die Sonderausstellung am Landesmuseum Württemberg widmet sich mit ca. 250 Objekten dem Thema Alkohol mit all seinen Facetten im sozialen Miteinander einer Gesellschaft. Neben den Trinkgewohnheiten und -spielen im Laufe der Jahrtausende beschäftigt sich die Ausstellung auch ausführlich den Problemen im Umgang und dem Missbrauch von Alkohol. Den Beginn machen frühe Nachweise aus dem Kaukasus vor 8.000 Jahren. Zu sehen sind auch Exponate vom türkischen Fundplatz Göbekli Tepe mit den bekannten Steinpfeilern, wo auch Steintröge mit Nachweis von Oxalat (Bierstein) zutage kamen, und von den Brauereien aus dem ägyptischen Kulturkreis. Gezeigt wird in chronologischer Abfolge, wie alkoholische Getränke in zahlreichen Kulturen verwurzelt sind. Nachweise aus dem Kulturbereich der Kelten und Griechen dürfen in einer solchen Schau in Baden-Württemberg nicht fehlen. Der Weinanbau der Region rund um Stuttgart findet ebenso viel Raum mitten in dieser Ausstellung. Alkohol in Mythos, Kultur und Religion wird durch Beispiele aus römischem Kontext und aus dem Christentum veranschaulicht. Erläuterungen zum Reinheitsgebot sowie die Rolle alkoholischer Getränke und Trinkgefäße in der höfischen Kultur am Beispiel des Hofes Württemberg ergänzen den kulturgeschichtlichen Rundgang. Mehrere "Hands On"-Stationen ermöglichen neben Medienstationen einen aktiven Museumsbesuch - durch die Beanspruchung verschiedener Sinne: Spielerisch kann eine Nachbildung eines keltischen Trinkhornes angehoben werden. In einem separaten Bereich finden die Besucher Hintergründe zu spezifischem Trinkgeschirr der Kelten heraus. Weiterhin kann man die Erfahrung eines Alkoholrausches simulieren, indem man mit unterschiedlich getrübten Brillen das Öffnen von Türen ausprobiert und dabei die nachlassenden motorischen Fähigkeiten unterschiedlicher Alkoholzustände spürt. Begleitet wird die zweisprachige Ausstellung von einem umfangreichen Programm. Bedauerlich ist lediglich, dass es keinen Katalog zur Ausstellung gibt.
https://www.landesmuseum-stuttgart.de/berauschend
9 Und sonst …
9.1 "Aufstieg und Fall der Peer-Review. Warum das größte wissenschaftliche Experiment der Geschichte gescheitert ist und warum das großartige ist"
(Selbst-) Kritik am wissenschaftlichen Publikationswesen ist nicht neu. Im Kern geht es stets um zwei leicht unterschiedliche Themen: (1) Wer zahlt? und (2) Was wird veröffentlicht? Die Wer-zahlt-Debatte wird heute unter dem Thema "Open Access" geführt: War es ehedem üblich, dass Interessierte in Kauf- und Abonnentensystemen für das Recht, wissenschaftliche Publikationen zu lesen, zahlten, soll heute Wissen ("das ja vom Steuerzahler schon bezahlt wurde") demokratisiert werden und breit zugänglich sein. Was - da Publizieren weiterhin mit Kosten einhergeht - bedeutet, dass nunmehr die Autoren oder ihre Arbeitgeber für das Publiziert-Werden bezahlen. Aktuell neigen viele Player wie z. B. die EU zum Prinzip Open Access, doch die Frage "Wer zahlt?" ist noch nicht überzeugend und nachhaltig beantwortet. Beim zweiten Thema geht es um die Frage, wer über die Annahme eines Manuskripts zur Veröffentlichung entscheidet? Ein einsamer Herausgeber ("editor review"), dem man auf Zeit das Schicksal einer wiss. Zeitschrift vollends anvertraut hat? Eine Gruppe renommierter Experten ("board review"), die den Herausgeber beraten? Oder ausgewiesene Experten, die man fallweise und themenspezifisch punktgenau um ihre Bewertung bittet ("peer review")? Aktuell scheint diese Frage entschieden: Peer Review gilt als der Goldstandard. Bedeutende Zeitschriften und solche, die es sein wollen, prunken mit ihrem Impact Factor, der auf dem Zitiert-Werden ihrer Artikel beruht, aber eben auch ihrem strengen Peer Review samt hoher Ablehnungsquote. Je höher der Anteil der via Peer Review abgelehnten Beiträge, desto höher das Renommee. Doch Peer Review kann fehlen, d. h. Beiträge zur Veröffentlichung zulassen, die fehlerhaft sind. Immer mal wieder wird dies auch mit absichtlichen Fake-Aufsätzen durchgespielt, wie z. B. beim Sokal-Bricmont-Skandal (Sokal 1996), der in das Buch "Fashionable Nonsense" (1997/8) mündete. Daher forderte Hubertus Kohle auf der DGUF-Tagung zu Open Access und Open Data 2014 in Berlin: "Publish first, filter later!" - man solle die Möglichkeiten von Open Access dazu nutzen, alles Eingereichte online zu publizieren und die Gemeinschaft der Wissenschaft erst im Nachhinein z. B. nach Zitationsfrequenzen entscheiden lassen, was denn auch gedruckt werde. Eine Art nachgelagertes Peer Review. Aktuell fordert der US-amerikanische Psychologe Adam Mastroianni dazu auf, Peer Review gänzlich abzuschaffen. Er verweist auf zurückliegende Zeiten erfolgreicher und dynamischer Forschung, die ohne Peer Review bestens funktioniert habe. Das nach den Zweiten Weltkrieg sich sukzessive selbstetablierende Review-Wesen sei heute als gescheitert anzusehen. Denn der mit dem Peer Review verbundene Aufwand sei enorm, die Zahl der Fehler zu hoch, und die in Aussicht gestellten Ziele würden nicht erfüllt. Seine Schlussfolgerung: "It’s worthwhile to try other things." "Sein langer und auch vielkommentierter Blogbeitrag ist lesenswert", so DGUF-Herausgeber Frank Siegmund, "weil er alle Kritik am System nochmals bündelt und seine Schwächen vor Augen führt". Was interessierten Bürgerinnen und Bürgern jedoch nicht deutlich gemacht wird: Peer Review ist kein Publikationsverbot und keine Zensur. Wird ein Beitrag abgelehnt, kann der Autor ihn bei einer anderen Zeitschrift einreichen. Nicht zuletzt ist der Fokus auf das Publikationswesen fehlleitend. Denn vor dem Publizieren steht das Forschen, und hier bilden das dem Peer Review nachgebildete Antrags- und Gutachterwesen weitaus gravierendere und unumgänglichere Hürden, die ebenfalls einer politischen Diskussion bedürften.
Mastroianni, A. (2022). The rise and fall of peer review. Why the greatest scientific experiment in history failed, and why that's a great thing. (Blog "Experimental History", 13.12.2022): https://experimentalhistory.substack.com/p/the-rise-and-fall-of-peer-review
ergänzend: ders., The dance of the naked emperors. A followup to "The rise and fall of peer review”. (Blog "Experimental History", 27.12.2022): https://experimentalhistory.substack.com/p/the-dance-of-the-naked-emperors
Sokal, Alan D. (1996). Transgressing the Boundaries: Towards a Transformative Hermeneutics of Quantum Gravity. Social Text, 46/47, 217–252: https://physics.nyu.edu/sokal/transgress_v2_noafterword.pdf
Sokal, A. & Bricmont, J. (1998). Fashionable Nonsense: Postmodern Intellectuals' Abuse of Science . New York: Picador. https://monoskop.org/images/5/53/Sokal_Alan_Bricmont_Jean_Fashionable_Nonsense.pdf
Hohle, H. (2015). Publish first – filter later. Über den Prozess der Qualitätsbewertung im Open Access. Archäologische Informationen, 38, 109-112: https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/arch-inf/article/view/26154
Siegmund, F. (2021). Forschungsförderung umstellen: Lotterie statt Gutachten! 100. DGUF-Newsletter vom 12.5.2021 Punkt 16.4 (S. 115-117): https://www.dguf.de/fileadmin/user_upload/Newsletter-Archiv/dguf-dok_100_newsletter_2021-05-12.pdf
"Peer-Review" (Wikipedia): https://de.wikipedia.org/wiki/Peer-Review
9.2 Einblick in den Alltag von Archäologen und den Mikrokosmos einer Ausgrabung: Die Graphic Novel "Pfostenloch"
Gezeichnet werde "eine vortreffliche Momentaufnahme der Belange aus dem Fach – inkl. der Sorgen und des Prekariats der jungen Generation": Karina Iwe rezensierte "Pfostenloch" aus der Feder von Daniela Heller. Die Graphic Novel ist Hellers Abschlussarbeit an der Kunsthochschule Kassel. Sie wurde im Juni 2022 auf dem Internationalen Comic-Salon Erlangen mit dem Max-und-Moritz-Preis für das beste deutschsprachige Comic-Debüt ausgezeichnet. Im Vorjahr hatte "Pfostenloch" bereits beim Wettbewerb "Battle of Print" im Bremer Wilhelm Wagenfeld Haus den ersten Platz belegt. - Die 1987 in Bayreuth geborene Daniela Heller studierte von 2006-2013 in Freiburg, Basel und Leiden Urgeschichtliche Archäologie, Biologische Anthropologie und Europäische Ethnologie. 2014-2020 studierte sie Visuelle Kommunikation mit Schwerpunkt Comic und Illustration an der Kunsthochschule Kassel, von 2020 bis 2022 war sie Meisterschülerin bei Hendrik Dorgathen. Daniela Heller lebt und arbeitet als Archäologin und freischaffende Illustratorin und Comiczeichnerin in Kassel.
Iwe, K. (2023). Rezension zu: Heller, D. (2022). Pfostenloch. Berlin: Avant-Verlag. Archäologische Informationen 45, Early View, online publiziert 2. Febr. 2023. https://dguf.de/fileadmin/AI/archinf-ev_iwe.pdf
"Pfostenloch" (Avant-Verlag): https://www.avant-verlag.de/comics/pfostenloch/#cc-m-product-9120718420
Website von Daniela Heller: http://danielaheller.de/
9.3 Frühgeschichte in extrem rechten Comics
"Seit einigen Jahren hat sich", schreibt Karl Banghard vom AFM Oerlinghausen, "nahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit eine extrem rechte Comicszene gefestigt, die auf eine längere Tradition zurückblicken kann." Auffällig viele dieser Comics spielten in einem frühgeschichtlichen Zusammenhang. In drei Blogposts beleuchtet Banghard die Thematik.
"Frühgeschichte in extrem rechten Comics, Teil 1: Legenden aus Hamsterland" (AFM Oerlinghausen, 16.1.): https://blog.afm-oerlinghausen.de/fruehgeschichte-in-extrem-rechten-comics-teil-1-legenden-aus-hamsterland-2022/
"Frühgeschichte in extrem rechten Comics, Teil 2. Siggi und Babarras" (AFM Oerlinghausen, 26.1.): https://blog.afm-oerlinghausen.de/fruehgeschichte-in-extrem-rechten-comics-teil-2-siggi-und-babarras-ab-1964/
"Frühgeschichte in extrem rechten Comics, Teil 3. Karl Martell" (AFM Oerlinghausen, 1.2.): https://blog.afm-oerlinghausen.de/fruehgeschichte-in-extrem-rechten-comics-teil-3-karl-martell-2018/
9.4 Münzkabinette im Open Access: das Desaster des Münzsammelns wird öffentlich
Anfang der 2010er-Jahre taten sich zahlreiche Münzkabinette zusammen und gründeten den Verbund NUMiD, das "Netzwerk universitärer Münzsammlungen in Deutschland". Mit diesem Hintergrund und weil Digitalisierung derzeit gerade für Abgelegenes, Verstaubtes etc. im Hype ist und man öffentliche Förderung - für im Grunde bislang noch nicht erledigte Selbstverständlichkeiten - erhalten kann, haben zahlreiche dieser Sammlungen seitdem Drittmittel eingeworben, um ihre Bestände unter einen "gemeinsamen" Suchoberfläche auch virtuell zugänglich machen. Immer wieder einmal stößt man auf Pressemeldungen seitens einer Trägerinstitution, dass nun diese oder jene Sammlung digitalisiert sei oder man damit bis zum Zwischenstand xyz vorangekommen sei. Die Resonanz auf diese Meldungen ist nach unseren Beobachtungen eher "übersichtlich" und war bislang auch dem DGUF-Newsletter keine Einzelnachricht wert. Doch die Gesamtheit der 30 NUMiD-Datenbanken und ca. sechs mit anderweitigen Datenbanken erfassten Sammlungen ist durchaus beeindruckend. Irgendwie klar: es gibt nicht eine Suchoberfläche, sondern jede Sammlung pflegt "ihre" Oberfläche, allerdings entlang einer übergreifenden Software. Begeben wir uns also in die erweiterte Suchmaske einer beliebigen dieser 30 NUMiD-Sammlungen: Der zeitliche Rahmen der Suche lässt sich eingrenzen, sodann Münzstätte, Sachbegriff, Nominal, Münzherr, Dargestellte/r, Münzstand, Material, Veräußerer, Vorbesitzer, weitere Körperschaften. Nur der jedem UFGler naheliegende Suchbegriff "Fundort" findet sich nicht. Probieren wir es mit dem Feld "Accession" - ein Begriff, dessen Sinnhaftigkeit für Münzen sich uns auch nach Besuch einschlägiger Lexika nicht erschließt und der daher nicht zum Suchen einlädt. Es öffnet sich ein Angebot von Suchbegriffen, wo dann u. a. auftaucht "Fundland", "Fundort" und "Provenienz". Heißa, das ist zwar gut versteckt, aber vorhanden. Hoffnungsvoll gestartete Recherchen durch diverse NUMiD-Datenbanken zeigen: Angaben zu diesen drei Suchbegriffen sind selten, sehr oft zeigt der rote Knopf unten rechts "0 Treffer" an. Im (umfangreichen) Münzkabinett Staatliche Museen zu Berlin mit 50.146 Einträgen haben gerade mal 6.586 Münzen einen Eintrag mit dem Vokal "e" unter Fundort (13 %), andere Sammlungen kommen bei ähnlichen Suchen auf ähnliche Trefferquoten zwischen 0 % (oft!) und ca. 15 %. Da, wo es ausnahmsweise mehr Fundortangaben auftauchen wie z. B. bei der HHU Düsseldorf (37%), ist es in der Regel ein einziger Schatzfund aus Deutschland, der nach seiner wiss. Bearbeitung im jeweiligen Kabinett verblieb und den Anteil von Münzen mit Fundort nach oben treibt. Womit wir beim Thema sind: Die nun öffentlich sichtbaren Kataloge vieler deutscher Münzkabinette verdeutlichen, was "Münzeln sammeln" unter dem Aspekt "Kulturelles Erbe" vorwiegend bedeutet: Das Archivieren von aus ihrem Fundkontext gerissenen Fundstücken, die nach Raubgrabung und Hehlerei in der Regel über Sammlungsschenkungen oder -ankauf in staatliche Hände geraten sind. Da man auch am Ende einer langen Besitzerkette kein rechtmäßiges Eigentum an Dingen erwerben kann, dessen Ursprung illegal ist, macht diese Recherche auch deutlich, dass ein hoher Anteil dieser mit staatlichem Aufwand erworbenen, gepflegten und nun digitalisierten Bestände "sehr fragwürdig" ist - um vorsichtshalber sich aufdrängende, klare juristische Termini zu vermeiden. Doch selbst wenn man den juristischen Aspekt ausklammert: nahezu jede dieser Münzen entstammt ursprünglich einem Fundkontext, in dem sie nun fehlt. NUMiD verdeutlicht, dank Digitalisierung und Open Access nun weithin öffentlich, welch gewaltiger Schaden am Kulturellen Erbe durch Münzsammeln und die derzeitige staatliche bzw. museale Praxis entsteht.
9.5 Wie sind die Arbeitsbedingungen von PostDocs in der Leibniz Gesellschaft?
Mit einer umfangreichen anonymen Befragung untersuchte die Leibniz-Gesellschaft 2020 die Arbeitsbedingungen ihrer PostDocs. Die Auswertung der Umfrage, an der 816 Mitarbeiter teilnahmen, liegt nun in englischer Sprache im Open Access vor. Der selbst bei einem Leibniz-Institut tätige Ökologe Gregor Kalinkat fasst das 68-seitige Dokument (dem auch der 25-seitige Fragebogen angehängt ist) auf Twitter zu drei Kernaussagen zusammen: (1) Leibniz Postdocs werden seitens der Leibniz Gesellschaft vor allem für den Weg zu einer Professur unterstützt. Ein Ziel, das viele PostDocs weder anstreben noch je realistisch werden erreichen können. (2) Wir sehen, dass Konflikte und Diskriminierungen am Arbeitsplatz kein systematisches Problem in der Leibniz Gemeinschaft darstellen, aber weiterhin in einem erschreckenden Umfang bestehen. (3) Viele Leibniz Institute sind nicht hinreichend gerüstet für den Empfang und die Unterstützung von internationalen PostDocs. Internationale Kräfte stehen vor hohen Barrieren insbes. hinsichtlich der Verwaltung.
Fiedler, D., Lösch, Th., Heinz, G., Heck, T., Díez Díaz, V., Repke, L., Williams, H., Breuer, J. & Zoch, G. (2022). Who are Leibniz PostDocs and what is it like to work at a Leibniz institute? Report of the first Leibniz PostDoc Survey 2020. Leibzig: Working Group “WG1 PostDoc Survey” of the Leibniz PostDoc Network. https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0168-ssoar-83394-4
Gregor Kalinkat (@gkalinkat@det.social): "Report of the 1st @LeibnizPostDocs Survey - three key findings" (Twitter, 10.1.): https://twitter.com/gkalinkat/status/1612917129849741314
9.6 Datenbank "Navigating Early Medieval Europe" online
Als ein Ergebnis des in Leiden und Liège beheimateten ERC-Forschungsprojektes "Rural Riches" ging am 9.12. die Datenbank "Navigating Early Medieval Europe" (NEME) online. Das Portal ist im Startzustand eine Karte aller frühmittelalterlichen Fundplätze (Gräberfelder und Siedlungen) "in Northern Gaule" - worunter die Autoren die Niederlande, Belgien, Luxembourg, Nordfrankreich und Westdeutschland verstehen. Zu den Plätzen können neben der Lagekarte Grundinformationen abgerufen werden: Wo ist das Gräberfeld publiziert, wie viele Gräber sind geborgen, wie ist seine Datierung/Laufzeit? Die Eingangsseite des Portals verkündet stolz: 6.875 Fundplätze. Im Hintergrund sind neben der Fundplatzdatenbank weitere Spezialdatenbanken vorhanden, aktuell zu Perlen und Glasgefäßen - doch deren Nutzungsmöglichkeiten sind eher kryptisch. Die Macher haben angekündigt, sukzessive weitere Sachdatenbanken zu veröffentlichen. Im Ist-Zustand ist NEME nur begrenzt spannend: einerseits technisch zuverlässig und gut dokumentiert, andererseits wegen des noch begrenzt zugänglichen Inhalts wenig mehr als eine bequem nutzbare Kartierung, wenn man z. B. nach der Lage eines Platzes sucht. Wer je Verbreitungskarten angefertigt hat, wird denken "immerhin!".
Startseite von NEME: https://www.earlymedievaleurope.org/index.php
9.7 Wie man für ca. 35 Euro eine alltagstaugliche Fototafel selber baut
Das erklären Archäologie-Unternehmerin Sarah Wolff und Rob Schmidt im 21. Rundbrief Grabungstechnik. Materialliste, Bauanleitung zum Lesen plus Bauanleitung im IKEA-Stil. Passt. Den Rundbrief Grabungstechnik kann man auf der Website des Verbands für Grabungstechnik und Feldarchäologie e. V. (VGFA) kostenlos abonnieren.
Sarah Wolff und Rob Schmidt: "Fototafel – How-to. Eine Anleitung zum Fototafel-Eigenbau." Rundbrief Grabungstechnik 21, 2022, 24-26. https://feldarchaeologie.de/publikationen/rundbrief/
9.8 Mastodon vs. Twitter: ein Sturm im Wasserglas?
Die anhaltenden Turbulenzen von Twitter, insbesondere der erratische Kurs seit der Übernahme durch Elon Musk, führen seit einigen Monaten viele Nutzer zur Frage nach Alternativen. Oft genannt wird das offene System Mastodon, was realiter nicht eine Einzelplattform ist, sondern die technische Basis für eine Vielzahl von unterschiedlichen Plattformen. Wohin also? Eine Entscheidungshilfe kann eine Sammlung bilden, die als offenes Google-Docs geführt wird: eine Tabelle, in der sich Archäologinnen und Archäologen mit ihrem Account eintragen (Stand Ende Dez.: ca. 170), damit ersichtlich wird, in welchen Mastodon-Gruppen man viele Kollegen findet. Listenführer dort sind (Ende Dez.) die beiden Instanzen archaeo.social (ca. 30 Accounts) und mastodon.social (ca. 25 Accounts). Eine weitere Liste von Fachkollegen auf Mastodon findet sich mit "Archaeologists of Mastodon" auf GitHub - und mit "Debirdify" kann man seine Twitter-Follower nach Mastodon importieren. Wenn sie denn dort einen Account haben und in ihrem Twitter-Profil darauf hinweisen ... Der Eindruck der Newsletter-Redaktion aber ist: Mastodon läuft bis heute zäh, der Massenexodus der Twitternden ist, allem Gemeckere über Musk zum Trotz, ausgeblieben, der größte Teil der relevanten Mastodon-Inhalte sind Crosspostings. So Mancher gibt Mastodon schon wieder auf. Ob sich der Wechsel also lohnt? Wir jedenfalls geben unseren Twitter-Account nicht auf und beobachten mal gelassen, wie sich Mastodon entwickelt.
"Archaeology on Mastodon" (GoogleDocs, 8.11.2022 ff.): https://docs.google.com/spreadsheets/d/13NRqZ3FNFOP9m15Ywu0LhdwrI7f7mKyB5362pDkT4-g/edit#gid=0
"Archaeologists of Mastodon" (GitHub): https://stark1tty.github.io/Mastodon-Archaeology/
"Mastodon: Twitter-Follower und -Follows importieren" (Mirco Lang, Blogbeitrag auf tutonaut.de, 5.11.2022): https://www.tutonaut.de/mastodon-twitter-follower-und-follows-importieren/
"Tröten über Droysen: ein Mastodon-Leitfaden für Historiker:innen" (Mareike König, Blogbeitrag auf hypotheses.org, 20.11.2022): https://dhdhi.hypotheses.org/7205
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