Das archäologische Jahr 2022

Welche spannenden archäologischen Ausgrabungen, Entdeckungen und Entwicklungen gab es in Deutschland im Jahr 2022? Darüber berichten Ausgräber, Forschende und Fachleute am Samstag, 25. Februar 2023, auf unserer virtuellen Tagung via "Zoom". Sie richtet sich gleichermaßen an Fachkollegen wie an interessierte Bürgerinnen und Bürger – sie alle sind uns ganz herzlich willkommen! Die Teilnahme ist kostenlos, eine Anmeldung ist erforderlich.

Anmeldung zur Tagung / die Vorträge sehen

Eine Anmeldung zur Tagung ist bis 24. Februar, 15:00 Uhr möglich; später eingehende Anmeldungen können nicht mehr berücksichtigt werden. Die Teilnahme ist kostenfrei und unabhängig von einer Mitgliedschaft bei DGUF oder CIfA Deutschland für alle Interessierten möglich. Alle bis dahin Angemeldeten erhalten wenige Tage vor der Veranstaltung eine Erinnerung zugemailt, und am Morgen der Tagung gegen 8:45 Uhr erhalten Sie dann den Zugangslink. Für Ihre Anmeldung nutzen Sie bitte unseren Event-Kalender: [dort].

 

Programm

 

ab 9:00 Uhr: Einlass

9:15 Uhr: Begrüßung

9:20 Uhr: Altes Fundmaterial, neue Methoden, neue Ergebnisse – Beispiele aus unterschiedlichen Regionen

Dr. Birgit Gehlen & Dr. Werner Schön (Univ. Köln)

Bundesland: Deutschland; Zeitstellung: Mesolithikum

Die Analyse prähistorischer Steinartefakte hilft bei der Beantwortung zahlreicher Fragen zu archäologischen Kontexten und prähistorischem menschlichem Verhalten. In drei Projekten haben wir die Herkunft der Rohstoffe von 32 Inventaren aus dem Spätglazial und Frühholozän in Nordwest- und Süddeutschland untersucht. Die basalpetrographische Analysen wurden von der Geologin und Petroarchäologin Jehanne Affolter durchgeführt. Zusätzlich wurden Daten von mehr als 60 publizierten Fundkomplexen aus der Schweiz sowie aus West- und Süddeutschland aufgenommen. Die Herkunft der lithischen Rohstoffe aus den meisten dieser Inventare wurde mit der Mikrofazialmethode bestimmt. Es werden GIS-basierte Karten der Rohstoffquellen aus den genannten Regionen erstellt und Rohstoffeinzugsgebiete der steinzeitlichen Fundstellen kartiert. Die Flächenberechnungen der Rohstoffeinzugsgebiete zeigen einen diachronen Wechsel von größeren und kleineren Einzugsgebieten an, die vor allem auf kulturell bedingte Zyklen im Bereich der Mobilitäts- und Kommunikationsnetze schließen lassen.

 

9:40 Uhr: Bietikow - Fundplatz der Bandkeramik

Dr. Erwin Cziesla (Wurzel Archäologie und Umwelttechnik GmbH)

Bundesland: Brandenburg; Zeitstellung: Neolithikum

Südlich von Prenzlau (Lkr. Uckermark, Brandenburg) fanden im Frühjahr 2022 Bodeneingriffe für den Bau einer Windkraftanlage statt. Für Turm- und Kranaufstellfläche, Zufahrten, Kabeltrassen und Zisternen wurden ca. 9.150 Quadratmeter vom Oberboden befreit. Befunde unterschiedlicher Zeitstellung zeigten sich, bandkeramische Gruben und Pfosten gruppieren sich halbkreisförmig um eine Feuchtzone. Aus einer Grube stammt das vollständigste bodenlose Siebgefäß der Bandkeramik, das kürzlich in „Archäologie in Deutschland“ vorgestellt wurde. Eine andere bandkeramische Verfärbung – 3,85m lang und 2,35m breit – lieferte rund 125 Scherben, häufig verziert, außerdem ein Stück Bims und Tierknochen. Dieser Befund, dessen Breitseite nach Westen zur Hauptwindrichtung ausgerichtet ist, besaß an beiden Schmalenden jeweils einen Pfosten: im Norden eine Pfostengrube, die noch 45 cm unter den Befund reichte, im Süden eine Steinstickung, die ehemals einen Pfosten stabilisierte. Auf der östlichen Längsseite fand sich, leicht vom Befund abgesetzt, ein ca. 90 x 80 cm großes Steinpflaster mit verziegeltem Rand: ein 2-Pfosten-Grubenhaus mit vorgelagertem Garofen.

 

10:00 Uhr: In seltener Klarheit – Gräberfeld und Siedlung der Frühbronzezeit aus dem Münchner Osten

Andreas Otto M.A. (Archäologisches Büro Anzenberger & Leicht)

Bundesland: Bayern; Zeitstellung: Bronzezeit

Gräberfelder und Siedlungen der Frühbronzezeit sind von der Münchner Schotterebene in einiger Zahl bekannt. Gerade in letzter Zeit häufen sich hier Neufunde und weisen besonders den Streifen zwischen dem Münchner Osten und dem Erdinger Raum auch für diese Epoche als einen Hotspot der Besiedlung aus. Ein kleines Gräberfeld der Frühbronzezeit mit auf einzelne Gräber zulaufenden Pfostenreihen, wie sie mittlerweile als typisch für die frühbronzezeitliche Grabarchitektur erkannt wurden, kam 2022 auch auf dem Gemeindegebiet von Feldkirchen im Bereich der Messe München zutage. In geringer Entfernung fand sich eine wohl zugehörige Siedlung. Im Gegensatz zu anderen Fundstellen, wo sich Grab- und Siedlungsbefunde verschiedener Perioden vielfach überlagern und das Gesamtbild verunklaren, zeigen sich hier die frühbronzezeitlichen Befunde ohne Überschneidungen in seltener Eindeutigkeit.

 

10:20 Uhr: Urnengräber in Osterburken

Antonie Löschner (ADW Archäologische Dienstleistungen Wolff)

Bundesland: Baden-Württemberg, Neckar-Odenwald-Kreis; Zeitstellung: Bronzezeit (Hallstatt A)

Vom 5. 9. bis 14. 10. 2022 fand in Osterburken, Gemarkung Hügelsdorf, die Ausgrabung von Urnengräbern statt. Angestoßen wurde das Projekt durch die Planung einer Photovoltaik-Anlage auf der Fläche in Verbindung mit dem in Sichtweite liegenden Umspannwerk. Bereits im Jahr 2021 fanden Untersuchungen durch das Landesamt statt, diese wurden durch die Arbeit von ADW nun ergänzt.

Gefunden wurden sieben Urnengräber bzw. deren Beigabengefäße und vier Pfostengruben. Eine weitere Urne wurde in der Baggerschaufel aufgefunden, was auch gleich das spezifische Problem der Grabung aufzeigt. Aufgrund des sehr hoch anstehenden Muschelkalks und der dünnen Oberbodenauflage waren die Urnen besonders gefährdet. Da sie auch bei ihrer Beisetzung nicht tief eingegraben worden waren, sind zahlreiche Urnen durch die moderne Landwirtschaft stark beschädigt worden.

Dennoch konnten schöne Stücke aus den Urnen und einem Pfostenloch geborgen werden. Darunter drei Nadeln vom Typ Wollmesheim und eine einteilige Blattbügelfibel, die erstmalig im Raum Nordwürttemberg nachgewiesen werden konnte – alle vorherigen Exemplare tauchten nicht viel näher als im Raum Frankfurt auf. Ein weiterer interessanter Fund ist ein Insektennest, das aus einer Pfostengrube geborgen werden konnte. Insgesamt waren die Befunde auf der Grabung sehr spärlich, wenn auch konzentriert verteilt, bieten aber in der Nachbereitung reichlich Material.

 

10:40 - 10:50 Uhr: Pause

 

10:50 Uhr: Zwei Hektar und Tausend Pfosten: eine eisenzeitliche Siedlung bei Hanau

Anke S. Weber und Hendrik Hofmann (SPAU GmbH)

Bundesland: Hessen; Zeitstellung: Eisenzeit

Nahe von Hanau in Südhessen wurde 2021-22 in Erlensee „Auf der Beune“ eine ländliche Flachlandsiedlung der vorrömischen Eisenzeit archäologisch untersucht. Auf einer Fläche von knapp zwei Hektar konnten – in 20 km Entfernung von der befestigten Höhensiedlung am Glauberg – trotz eines schwierigen Geländereliefs mehr als 1100 Gruben und Pfostensetzungen freigelegt werden. Speziell die große Anzahl an Pfostengruben stellt eine Herausforderung für die Interpretation dar. Vorgestellt werden vorläufige Ergebnisse und methodologische Fragestellungen der Flächengrabung, deren Befunde – Gruben, Grubenhütten und Pfostengruben – von der späten Bronzezeit bis in die Latènezeit datieren. Die hohe Befunddichte und viel mehr noch der mögliche Nachweis der Bestandsdauer einer eisenzeitlichen Siedlung von mehreren hundert Jahren dürfen als Besonderheit für die hessische Siedlungsarchäologie betrachtet werden. Derzeit wird anhand des Vergleichs verschiedener Pfostentypen herauszuarbeiten versucht, ob und wie sich die fast eintausend Pfostengruben zu möglichen Gehöftstrukturen verbinden lassen. Rekonstruktionsversuche innerhalb einer mehrphasigen Siedlung anhand von Pfostengruben ohne datierbares Fundmaterial sind bekanntermaßen herausfordernd.

 

11:10 Uhr: Von Sichtbaren und Unsichtbaren – Ein spätlatènezeitliches Kriegergrab aus München-Freiham

Christiana Later M.A. (Archäologisches Büro Anzenberger & Leicht)

Bundesland: Bayern; Zeitstellung: Latènezeit

Grabfunde des jüngsten Abschnitts der Latènekultur sind in Südbayern äußerst selten. Dies gilt sowohl für die Phase Lt D1, in der eine intensive Besiedlung der Region zu verzeichnen ist, als auch für die Phase Lt D2, unter der die Zeit nach dem Zusammenbruch der Oppida verstanden wird. Zwar liegen aus diesen letzten Jahrzehnten vor Christi Geburt vereinzelte Bestattungen vor, doch ist ihre Datierung wie auch ihre kulturelle Zugehörigkeit nach wie vor in der Diskussion. Obwohl für beide Zeitabschnitte mit einem bedeutenden Anteil von Bewaffneten in der Bevölkerung zu rechnen ist – wie einerseits zahlreiche Waffenfunde insbesondere aus den Oppida belegen, andererseits die These von dem Vorstoß fremder Bevölkerungsgruppen aus dem Gebiet nördlich der Donau suggeriert –, sind diese Personen in den wenigen Gräbern bislang weitgehend unsichtbar. Allenfalls vereinzelte Bewaffnungselemente in Lt D2-zeitlichen Bestattungen können als mutmaßliche Pars-pro-toto-Beigaben angesprochen werden. Unter diesem Aspekt stellt das 2021 aufgefundene Brandgrab aus München-Freiham einen bislang in der Region einzigartigen Befund dar: In ihm war ein Krieger mit einer kompletten, in Lt D datierenden Waffenausrüstung beigesetzt worden. Deren genaue zeitliche und kulturelle Einordnung in Kombination mit geplanten naturwissenschaftlichen Analysen der menschlichen Überreste bildet einen wichtigen Baustein für die Erforschung der spätesten Latènekultur in Bayern.

 

11:30 Uhr: Neue Forschungen zur Varusschlacht in Kalkriese

Dr. Stefan Burmeister (VARUSSCHLACHT im Osnabrücker Land gGmbH)

Bundesland: Niedersachsen; Zeitstellung: Römische Kaiserzeit

Seit 1989 wird in Kalkriese archäologisch geforscht. Die Grabungsergebnisse haben schnell zu Erfolgsmeldungen geführt, dass die Suche nach dem Ort der historischen Varusschlacht erfolgreich zum Ziel geführt wurde. Es ist offensichtlich, dass hier römische Truppen vernichtend geschlagen wurden – und die Datierung des Fundplatzes passt zur historischen Zeitstellung der Varusschlacht im Jahr 9 n. Chr. Mit der Zeit entwickelte sich jedoch eine kritische Auseinandersetzung zu dieser Deutung. Ist Kalkriese wirklich ein Gefechtsort der sich über mehrere Tage hinziehenden Kämpfe oder nicht doch eher in die Zeit des Germanicus und seiner Rachefeldzüge zu setzen? Die sog. Schlacht an den Langen Brücken im Jahr 15 n. Chr. könnte für den Fundplatz verantwortlich sein. In dem Vortrag wird ein Einblick in einige laufende Forschungsprojekte in Kalkriese gegeben. Eines davon könnte die Frage nach der historischen Einordnung klären; erste Auswertungen scheinen Kalkriese als Ort der Varusschlacht zu bestätigen.

 

11:50 - 12:00 Uhr: Pause

 

12:00 Uhr: Jede Menge Kohle: Archäologische Untersuchungen an einer frühmittelalterlichen Ringwallanlage bei Gifhorn (Niedersachsen)

Ingo Eichfeld (Gifhorn) & Uwe Kraus (Leipzig)

Bundesland: Niedersachsen; Zeitstellung: Mittelalter

Seit 2019 erforschen die Kreis- und Stadtarchäologie Gifhorn, der Leipziger Lehrstuhl für Ur- und Frühgeschichte und die Archäologische Arbeitsgemeinschaft Gifhorn die auf einer Aller-Flussinsel bei Gifhorn gelegene Ringwallanlage "Sassenburg". Die seit Langem bekannte Anlage wurde von Carl Schuchhardt als "eine frühmittelalterliche Wohnburg vom Pipinsburg-Typus" angesprochen. Funde oder gar naturwissenschaftliche Datierungen, die diese Annahme bestätigen oder präzisieren konnten, lagen bislang jedoch nicht vor. Im Zuge der nun durchgeführten Untersuchungen kamen massive Brandspuren und verkohlte Balkenlagen zum Vorschein, die nicht nur einen Einblick in die Konstruktionsweise der Befestigung, sondern auch eine genaue dendrochronologische Datierung erlauben. Die Errichtung der Anlage erfolgte demnach am Ende des 10. Jahrhunderts, also in einer politisch unruhigen Zeit, in der sich im Raum westlich der Elbe konkurrierende kirchliche und weltliche Mächte kriegerisch gegenüberstanden. Vor dem Hintergrund der spärlichen historischen Überlieferung sind verschiedene Szenarien vorstellbar, die zum Bau und der späteren Zerstörung der Anlage geführt haben könnten. Siedlungsfunde im Inneren des Ringwalls zeigen zudem, dass der Befestigung auch nach ihrer Zerstörung eine gewisse regionale Bedeutung zukam.

 

12:20 Uhr: Aktuelle Einblicke in die jüngere Stadtgeschichte Offenbachs

Dr. Regine Müller (SPAU GmbH)

Bundesland: Hessen; Zeitstellung: 17.-20. Jh.

Die archäologische Baubegleitung im Rahmen der Umgestaltung und Neubebauung eines seit den 1970er-Jahren unbebauten Grundstückes am westlichen Rande des Mathildenviertel in der Offenbacher Innenstadt, ermöglichte einen – wenn auch in geringen Rahmen – interessanten Einblick in die jüngere Stadtgeschichte Offenbachs.

Da sich das Gelände noch im Bereich der historischen Altstadt Offenbachs befindet, nur ca. 250 m südlich des Schloss Isenburg gelegen, wurden die dortigen Bauarbeiten von Seiten der Denkmalpflege mit entsprechenden archäologischen Maßnahmen beauflagt, waren doch archäologische Hinweise auf eine mögliche mittelalterliche Bebauung innerhalb dieses Areals nicht auszuschließen.

Im Rahmen der Baubegleitung konnten nicht nur Fundamentreste der jüngeren Stadtgeschichte – Gebäude des ausgehenden 19. Jh. und Spuren deren Nutzung noch zu Beginn des 20. Jh. – freigelegt, sondern auch Belege für eine frühneuzeitliche Besiedlung des Geländes dokumentiert werden.

 

12:40 Uhr: Gerberhandwerk im Buchen der frühen Neuzeit

Michael Franz (ADW Archäologische Dienstleistungen Wolff)

Bundesland: Baden-Württemberg; Zeitstellung: Frühe Neuzeit

Anfang des Jahres 2022 erfolgten in Buchen im Odenwald Ausgrabungen am Lohplatz, nachdem dort bereits im Oktober 2021 bei Sondagen verschiedene Befunde des ausgehenden Mittelalters und der frühen Neuzeit festgestellt worden waren. Trotz massiver Störungen durch Wohnbauten der Nachkriegszeit waren entlang der Stadtmauer des späten 15. Jh. auf einer Fläche von nur 242 m² dicht beisammen dreizehn Gerbergruben und drei Keller erhalten. Obwohl die starken Störungen es verhindern, die einzelnen Befunde stratigraphisch in Zusammenhang zu bringen, lassen sich dennoch anhand von Grubenformen und Verfüllungen Bezüge herstellen und Schlüsse auf Arbeitsschritte der Gerberei ziehen. Nachdem ein durch das Gesundheitsamt beauflagtes Gutachten nicht belegen konnte, dass die Gerbergruben frei von Anthrax und gesundheitsschädlichen Chrom-VI-Salzen sind, wurden die unter der Bauzieltiefe liegenden Befunde nicht ausgegraben. Aus diesem Grund fehlt zwar datierbares Fundmaterial aus den meisten Verfüllungen, weshalb sich die Befunde nur grob datieren lassen, aber eine Zugehörigkeit mehrerer Gruben zu einer einzelnen Gerberwerkstatt lässt sich dennoch erkennen.

 

13:00 Uhr: Ende der Veranstaltung

 

Stand: 22. Febr. 2023