Am 6. Dez. 2018 veröffentlichte die Tageszeitung "Der Standard" ein Interview mit dem österreichischen Vizekanzler Heinz-Christian Strache, in dem dieser sich auch zur Klimageschichte und zum Klimawandel äußerte. Die Deutsche Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte widersprach Straches Thesen in einem offenen Brief am 11. Dez. 2018.
Auf die Frage der Tageszeitung "Der Standard" an H.-Chr. Strache: "Was will die Regierung gegen den Klimawandel tun?" antwortete er unter anderem: "Inwieweit der Mensch das Klima beeinflussen kann, ist eine offene Frage. Klimaveränderungen gibt es seit Jahrtausenden. Die Sahara war einmal die Kornkammer Roms und ist dann zur Wüste geworden. Das hat mit vielen Faktoren zu tun, aber sicher nicht mit Fabriken oder sonstigen Entwicklungen, die es damals gar nicht gab. Es gibt Prozesse, die Erkältung und Erwärmungen herbeiführen in Zackenbewegungen, wo auch die Wissenschaft nicht weiß, wohin wir uns entwickeln."
In ihrem offenen Brief an den Vizekanzler und FPÖ-Chef (dort das PDF) stellt die DGUF gravierende Fehler in seinen Aussagen heraus: Die Sahara war nie die Kornkammer Rom, ihre jüngste "grüne Phase" endete 2.500 Jahre vor der Gründung Roms. Straches Aussagen fehlt es an einer fassbaren Einordnung der skizzierten Phänomene in die Zeit und an einer Berücksichtigung der Effektstärken. Der Wechsel zwischen Eiszeiten und Warmzeiten entzieht sich dem menschlichen Einfluss gänzlich. Doch innerhalb unserer aktuellen Warmzeit sind die Klimaveränderungen weitaus geringer in ihrer Intensität. Zugleich lehren Archäologie und Geschichte, dass bereits solche scheinbar geringen Veränderungen große Einflüsse auf menschliche Gesellschaften haben können. Die nach den Zahlen scheinbar geringe Erwärmung "seit den Fabriken" (so Strache), d. h. seit der Industriellen Revolution in der Mitte des 18. Jahrhunderts, ist der stärkste Erwärmungseffekt, der seit der Römerzeit beobachtet wurde, folglich dürften seine Auswirkungen erheblich gravierender sein als jene des "mittelalterlichen Klimaoptimums" oder der "kleinen Eiszeit" in Spätmittelalter und Neuzeit.
Die DGUF widersprach in ihrem Brief Straches Ansatz, "Halbwahrheiten und Schlagwörter zusammenzukleistern, während Sie zentrale Erkenntnisse der Paläoklimaforschung sowie der Klimafolgenforschung auslassen, um die Tragweite des gegenwärtigen, von Menschen verursachten Klimawandels zu verschleiern. Es ist auch bei weitem keine offene Frage, wie der Mensch das Klima beeinflussen kann. Die Wissenschaft spricht sehr deutlich davon, wohin sich die Menschheit und die Erde entwickeln können, wenn die menschengemachte Klimaveränderung nicht gestoppt wird."
Bereits im Sommer 2017 hatte Strache sich zum Paläoklima Grönlands geäußert – Thesen, welche damals das "Faktenfinder"-Team der Tagesschau widerlegte.
Stand: Dezember 2018
Weitere Informationen
Mehr im WWW
- Interview: "Strache: 'Wir Österreicher sprechen ja nicht zufällig Deutsch'. Interview mit Katharina Mittelstaedt." Der Standard, 6.12.2018
- FPÖ-Chef Strache und die Klimadebatte: Die Legende vom Wein aus Grönland (Tagesschau, 9.6.2017)
Lektüreempfehlungen (Auswahl allgemeinverständlicher Texte)
- Heinz Wanner: Klima und Mensch. Eine 12‘000-jährige Geschichte. Bern: Haupt Verlag 2016.
- Frank Sirocko (Hrsg.): Wetter, Klima, Menschheitsentwicklung von der Eiszeit bis ins 21. Jahrhundert. Stuttgart: Theiss-Verlag 2009.
- "Behauptung: ‚Grönland war früher eine grüne Insel‘. Fakt ist: Dass Grönland im Mittelalter grüner und wärmer war als heute, sagt wenig über den gegenwärtigen weltweiten Klimawandel" (Klimafakten.de, März 2015)
- "Behauptung: ‚Im Mittelalter war es wärmer als heute‘. Fakt ist: Die sogenannte ‚Mittelalterliche Warmzeit‘ konzentrierte sich auf einzelne Regionen, weltweit jedoch war es damals nicht wärmer als heute" (Klimafakten.de, Januar 2016)
- James A. Collins et al. (2017). Rapid termination of the African Humid Period triggered by northern high-latitude cooling. Nature Communications 8 (2017) no. 1372
- Juerg Luterbach u.a.: European summer temperatures since Roman times. Environmental Research Letters 11(2), 2016, 024001. doi:10.1088/1748-9326/11/2/024001 (open access).
- David Bressan: Scientists compile most complete climate curve over the last 2,000 years. Forbes, 12. Juli 2017
- "Temperature record of the past 1000 years", en.Wikipedia.org (3.11.2018). Inkl. eingehender Darlegung der "Hockey stick controversy" / Hockeyschläger-Debatte.
- UN-Experten- und Politikberatungs-Organisation IPPC (Intergovernmental Panel on Climate Change) mit zahlreichen Studien und Berichten.