Gerhard Ermischer zur Reform der Umweltverträglichkeitsprüfung

Die Europäische Kommission will das kulturelle Erbe in der Umweltverträglichkeitsprüfung stärken
- Ein Erfolg für die Archäologie und die DGUF!

Ein Kommentar von Dr. Gerhard Ermischer
 
Die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) auf dem Prüfstand
Richtlinien der EU werden regelmäßig überprüft. Derzeit steht unter anderem die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) auf dem Prüfstand. Solche Verfahren dauern lange und binden die Öffentlichkeit mit ein. So wurden Bürger wie Verbände schon 2010 aufgefordert, ihre Meinung zur UVP mitzuteilen: Funktioniert sie, wo könnte sie verbessert werden, was fehlt, was ist vielleicht zu viel? Die DGUF hat diese Chance genutzt und sich dafür ausgesprochen, die Themen kulturelles Erbe und Landschaft in der UVP zu stärken. Zwar waren diese Themen in der ursprünglichen Fassung schon vertreten, aber nicht so stark und eindeutig wie die Themen des klassischen Naturschutzes.
 
Die Umsetzung der UVP in Deutschland: mangelhaft!
Dies hat zum Beispiel dazu geführt, dass gerade in Deutschland die Themen Landschaft und Kulturerbe bei den UVP-Verfahren bisher kaum berücksichtigt wurden oder in der Interessensabwägung gegenüber anderen Interessen chronisch benachteiligt waren. Die schlechte Umsetzung der UVP in deutsches Recht, insbesondere in das Recht mancher Bundesländer, wurde daher sowohl von der deutschen UVP-Gesellschaft als auch von der Europäischen Kommission gerügt. Die nun seitens der EU anstehende Stärkung von Landschaft und kulturellem Erbe in der UVP würde auch Deutschland dazu zwingen, sich erneut mit der Umsetzung der UVP in deutsches Recht und in die deutsche Praxis zu beschäftigen und Missstände zu beseitigen.

Warum ist die UVP für die Archäologie von Bedeutung? Weil sie das wichtigste planerische Instrument ist, um bei großen Bauvorhaben frühzeitig Konflikte - z. B. mit dem Denkmalschutz - zu erkennen und möglichst gute Lösungen für die erkannten Probleme zu erarbeiten. Auch gibt die UVP der Bürgerbeteiligung einen großen Raum, so dass auch die zuständigen Verbände (wie etwa die DGUF) sich äußern und auf die Gefährdung von Bodendenkmälern, archäologischen Strukturen oder Kulturlandschaften hinweisen können. Gut umgesetzt ist die UVP ein starkes Instrument zum Schutz unserer Landschaft und unseres kulturellen Erbes.
 
Das kulturelle Erbe - ein Auftrag für Europa
Besonders interessant im laufenden Renovierungsverfahren ist die Begründung der Europäischen Kommission. Die Kommission verweist darauf, dass eine Stärkung des kulturellen Erbes in der UVP der Verpflichtung der EU entgegenkommt, kulturelle Aspekte in allen ihren Politikfeldern einzubeziehen. Dies ist ein fundamentales Prinzip der Union, das auf nationaler Ebene leider viel zu oft ignoriert wird.
Dabei verweist die Kommission explizit auf die Konventionen des Europarats zum Schutz des kulturellen Erbes. Diese Konventionen können eine nützliche Grundlage für die Anwendung der UVP darstellen. Damit folgt die Kommission einer Empfehlung des Europäischen Parlaments. Es sind sich in dieser Frage also Europäische Kommission und Europäisches Parlament einig: Die Konventionen des Europarats sind wertvolle Elemente für den Schutz des kulturellen Erbes, und sie sollten von den Mitgliedsstaaten der EU in diesem Sinne genutzt werden - gerade auch zur Umsetzung einschlägiger Richtlinien der EU, wie eben der UVP.
 
Das kulturelle Erbe - eine Herausforderung für Deutschland
Innerhalb der EU bietet Deutschland ein peinliches Bild. Denn die Bundesrepublik hat etwa die Konvention des Europarats zur Landschaft immer noch nicht unterzeichnet. Darüber hinaus setzt Deutschland andere Konventionen nicht hinreichend in nationales Recht um, man denke nur an das Urteil vom 20.9.2011 aus NRW zum Verursacherprinzip. Da stellte das Oberlandesgericht Münster fest, wie schlecht (oder besser gar nicht) die Konvention von Valetta zum Schutz des archäologischen Erbes in nationales Recht und vor allem in Landesrecht umgesetzt worden ist. Leider trifft dies auch für die UVP zu: Gerade auf Landesebene gibt es Mängel bei der Umsetzung, insbesondere wenn es um die Berücksichtigung des kulturellen Erbes geht.
 
Das kulturelle Erbe - ein Auftrag für die Zivilgesellschaft
Es bleibt also an den Verbänden und an der Zivilgesellschaft, sich umso wachsamer für den Schutz unseres gemeinsamen kulturellen Erbes in Deutschland einzusetzen. Auf der ach so gerne und viel geschmähten europäischen Ebene funktioniert das sehr gut, wie jetzt etwa die Erfolge der DGUF bei der Kulturgüterabwägung oder der UVP zeigen. Auch auf nationaler Ebene geht einiges voran, man denke etwa an die jüngsten Nachrichten, dass Deutschland nun wohl den UNESCO-Konventionen zum immateriellen Kulturerbe und zum Schutz des Unterwassererbes beitreten wird. Aber auf Ebene der Bundesländer, da, wo der Denkmalschutz aufgrund des Kulturföderalismus wirklich gelebt werden muss, bleibt noch viel zu tun. Die DGUF engagiert sich weiter, mit Wahlprüfsteinen und Stellungnahmen. Aber nur mit einer starken Unterstützung der Bürger wird es gelingen, aus guten Ansätzen auf europäischer Ebene und auf Bundesebene auch gute Taten vor Ort in den Ländern und Kommunen zu schaffen. Der Vater der deutschen Denkmalpflege, Georg Dehio, hat schon vor einem Jahrhundert geschrieben, dass Denkmalpflege nur durch bürgerschaftliches Engagement erfolgreich sein kann. Dies ist in Zeiten von Finanzkrise, Eurokrise, Wirtschaftskrise, Klimawandel und Energiewende so aktuell wie vor hundert Jahren.
 
Kommentar vom 5.12.2012
 
Dr. Gerhard Ermischer war von 2005-2009 DGUF-Vorsitzender, von 2009-2014 Beirat der DGUF.
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