Frank Siegmund: Deutscher Archäologiepreises 2019 an Maria Effinger & Katrin Bemmann

Zur Verleihung des Deutschen Archäologiepreises 2019 an Maria Effinger und Katrin Bemmann

Ein Kommentar vom leitenden Herausgeber der DGUF-Schriften PD Dr. Frank Siegmund

Publizieren ohne Open Access ist in den 2010er Jahren mehr und mehr zum Auslaufmodell geworden: Was nicht im Internet leicht zugänglich lesbar ist, verliert dramatisch an Wahrnehmung. Wissenschaftsförderer verlangen heute Open Access. Doch Publizieren im Open Access ist weitaus mehr, als ein paar PDFs ins Internet zu stellen! Denn beispielsweise eine hohe Auffindbarkeit durch professionelle Erschließung und die Garantie einer langfristigen Archivsicherheit des Digitalen können eine private Website und auch ein etablierter e. V. kaum bieten. Welch ein Glück für die nach einem Kooperationspartner für ihre Open-Access-Pläne suchende DGUF, dass sie 2012 an der UB Heidelberg auf das Propylaeum-Team Maria Effinger und Katrin Bemmann stieß!
 
Als Ergänzung zum Sondersammelgebiet Altertumswissenschaften / "Fachinformationsdienst Altertumswissenschaften", der nach dem Zweiten Weltkrieg an der Bayerischen Staatsbibliothek München etabliert wurde (die dieses Thema hinsichtlich aller Druckwerke weiterhin betreut), entstand um 2006 an der UB Heidelberg unter Leitung von Maria Effinger dessen digitales Pendant. Zunächst ausschließlich ein Portal, das Suchende unterstützte und ein Archiv für digitalisierte Werke aus dem 19. Jahrhundert war, bauten Maria Effinger und Katrin Bemmann das Portal tatkräftig zu einem modernen Fachinformationsdienst und leistungsfähigen Open-Access-Publikationsportal aus. Stets weit über ihre beruflichen Pflichten und Aufträge hinaus, stets innovativ, nach vorne blickend, stets an den Nutzern orientiert: den Lesern und den Autoren von altertumswissenschaftlicher Fachliteratur.
 
Nachdem die DGUF 2013 mit Beratung und handfester Unterstützung von Effinger und Bemmann mit ihrer Zeitschrift "Archäologische Informationen" und bald auch ihren Monografien "Archäologische Berichte" in den Open Access ging, akquirierte das Heidelberger Team sukzessive weitere archäologische Fachzeitschriften und bot ihnen das Hosting bei Propylaeum an. Im Frühling 2019 sind es bereits 30 Zeitschriften - die führenden oft - und 14 Reihen, die dieses Angebot eines (aus Herausgebersicht) Rundum-glücklich-Paketes angenommen haben. Es umfasst neben dem Hosting u. a. die vollständige bibliographische Erschließung jedes einzelnen Beitrags/Aufsatzes, die Überspielung der Katalogdaten in die internationalen Bibliotheksdatenbanken, die Vergabe stabiler URLs und DOIs, das professionelle "Kümmern" um Open Data, die Beratung und praktische Unterstützung umfangreicher Retro-Digitalisierungsvorhaben. Dadurch entsteht unter dem Dach von Propylaeum Heidelberg genau jene Sammlung zu einem fachlichen Netzwerk und Schwerpunkt, der von der Forschungsförderung (Stichwort NFDI) heute gewünscht wird. Musste man sich als Herausgeber 2013 noch dafür rechtfertigen, mit Open Access seine Publikationen "zu verschenken" und einer "Freibier-Mentalität" Vorschub zu leisten, hat sich gut fünf Jahre später der Rechtfertigungsdruck im archäologischen Publikationswesen Deutschlands umgekehrt: Die an Herausgeber gestellte Frage lautet heute eher: "Warum publizieren Sie noch im Closed Access?". Diesen Wandel möglich gemacht zu haben und allen daran Interessierten einen professionellen Hafen zu bieten, ist ein wesentliches Verdienst der beiden Preisträgerinnen.

Statt sich lediglich am Erreichten zu erfreuen, drängt das Heidelberger Team unermüdlich nach Innovation und Verbesserung. Auch Online-Autoren sollten nach Möglichkeit von den Tantiemen der VG Wort profitieren können – also schuf das Propylaeum-Team die notwendige, technisch aufwändige Einbindung der VG-Wort-Zählpixel in die Digitalisate und bietet diese Service nun ihren Zeitschriften und Autoren an. Noch bevor die ORCID – eine neue, weltweite ID für Wissenschaftsautoren – Anfang 2018 auch von der Deutschen Nationalbibliothek adaptiert wurde, trug Maria Effinger die Einführung der ORCID an die Herausgeber der Archäologischen Informationen heran. Gerne haben wir den Vorschlag aufgriffen - denn Archäologie muss nicht stets hintendrein hinken. "Wie wäre es denn, wenn man Monographien kommentieren könnte, öffentlich, mit Zitierfähigkeit auch der Kommentare? " – war eine Frage von Maria Effinger an die Herausgeber der "Archäologischen Berichte", wo es diese Option nun seit einiger Zeit gibt. "Könnten die Archäologen nicht auch so etwas brauchen wie die Historiker mit ihrem ‘recensio.net‘?" – fragte MariaEffinger und baute 2018 kurzerhand das Rezensionsportal "recensio.antiquitatis" auf, das inzwischen die Rezensionen von zwölf altertumswissenschaftlichen Zeitschriften bündelt, ihnen mehr Sichtbarkeit verschafft und vor allem diese Rezensionen zum Nutzen aller Suchenden bibliographisch mit den besprochenen Büchern verknüpft. All das wird von den Preisträgerinnen stets mit Ideen, Versuchen und praktischen Modellen vorangehend, bis – meist mit selbst beantragten Drittelmitteln – dann auch eine Verstetigung realisiert werden kann. Erst selbst etwas leisten, bevor man Andere um Geld bittet. Aktuell durchdenkt das Heidelberger Team gemeinsam mit den DGUF-Herausgebern das komplexe Thema "Akkreditierung und Zertifizierung".

Die Wirkung der beiden Preisträgerinnen reicht weit über die Archäologie hinaus. In den aktuellen, intensiven und auch öffentlich breit wahrgenommenen Debatten um die Frage, wie ein zeitgemäßes wissenschaftliches Publikationswesen generell aussehen sollte, geht es um einen tiefgreifenden Wandel, und es geht um viel Geld, Stichwort DEAL und der inzwischen internationale Konsumentenstreik dem Elsevier-Verlag gegenüber. Das deutsche Vorhaben DEAL und sein Ableger OA2020 (sowie viele ähnliche Bemühungen in anderen Staaten) streben an, das Geschäftsmodell der traditionellen, globalen Wissenschaftsverlage unter der Beibehaltung ihrer wesentlichen Funktionen und Strukturen auf Open Access hin zu verändern. Sie möchten die etablierten Verlage anstatt wie bisher für die Abonnements neu für die Dienstleistung des Publizierens bezahlen.

Das Portal Propylaeum bietet hierzu ein ideell wie ökonomisch ganz anders ausgerichtetes Alternativmodell: Eine Universitätsbibliothek mit all ihrem Knowhow in der Erschließung, Distribution, Archivierung und Verfügbar-Haltung von wissenschaftlichen Inhalten kooperiert direkt mit einer wissenschaftlichen Fachgesellschaft, die all ihr spezifisches fachliches Knowhow einbringt: in der Erstellung, der Gewinnung und der Qualitätssicherung hochwertiger wissenschaftlicher Inhalte. Dieses Modell bringt – das ist die Überzeugung des Teams Effinger & Bemmann – die beiden wirklich nötigen und kompetenten Partner direkt zusammen und erübrigt die Zwischenschaltung eines traditionellen Verlags. Aus einer solchen Überzeugung heraus und angesichts des anhaltenden Prestiges von Gedrucktem bei Autoren wie Lesern war es nur konsequent, dass aus dem Propylaeum-Team heraus dann auch eine Verlagsgründung für die Universität Heidelberg initiiert wurde: heiUP - Heidelberg University Publishing, wo Heidelberger Open-Access-Monographien nun auch zu Papier werden können. Dass auch hier nach Verlagsgründung und ersten Bänden unter dem Stichwort heiMTP schon wieder spannende Innovation entwickelt wird, versteht sich von selbst.

Daher bedeuten Propylaeum und das Wirken der Preisträgerinnen heute weit mehr als Open Access für die DGUF, die deutsche Ur- und Frühgeschichte oder die Altertumswissenschaften. Propylaeum ist vielmehr ein praktisch funktionierendes, einladendes und auch von Dritten adaptierbares Modell für ein neues, zeitgemäßes wissenschaftliches Publikationswesen, das ohne die traditionellen Großverlage auskommt und dennoch qualitätsorientiert und leistungsfähig ist. Eine Sicht, die Maria Effinger auf Tagungen, Vorträgen etc. auch keinesfalls verheimlicht, sondern zum breiten Mitwirken an dieser zukunftsweisenden Gestaltungsaufgabe ermuntert.

Kommentar vom 15.4.2019

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