Ein spannender Versuch von CIfA Deutschland: Wege der Lohnfindung im 21. Jahrhundert

Ein Kommentar von PD Dr. Frank Siegmund

Die Auftragslage im Grabungswesen ist anhaltend gut, der Markt wächst stark – das ist ein Befund aus vielen persönlichen Gesprächen, aber auch aus dem handfesten "DGUF-Monitoring-Report privatwirtschaftliche Archäologie 2019". Weitere Erkenntnisse: Grabungsfirmen suchen qualifizierte Fachkräfte. Doch gleichzeitig ist das Lohnniveau in der privatwirtschaftlichen Archäologie erschreckend niedrig; es ist jener Faktor, der – so zeigt es die derzeit laufende Auswertung der DGUF-Umfrage "Evaluation Beruf Archäologie" – die Arbeitszufriedenheit in der deutschen Archäologie mit am stärksten negativ beeinflusst.

Frank SiegmundFrank SiegmundWarum ist das Lohnniveau trotz Boom und Arbeitskräftemangel so niedrig? Weil man, so sagen es die staatlichen Ämter, mit den Grabungsrichtlinien zwar die fachliche Qualität der Grabungen wirksam überwachen könne, aber keinen Einfluss habe auf die sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen, unter denen diese erzeugt würden. Weil, so sagen es vor allem Berufsanfänger, man froh sein müsse, überhaupt einen "Einstieg" in den Beruf zu erreichen, und der – gewiss geringe – Lohn "erst einmal" besser sei als nix und als das studentische Leben zuvor. Weil, so sagen es die Firmenchefs, einige wenige Billiganbieter am Markt die Preise und Angebote so drücken, dass sich all jene, die seriös anbieten und auskömmliche Löhne zahlen wollen, mit ihren Angeboten kaum durchsetzen könnten. Lösung? Lohnempfehlungen, die nett ausschauen, aber an die sich niemand hält (auch die nicht, die sie aufgestellt haben), sind es jedenfalls nicht. Es braucht Verbindlichkeit. Daher strebt der Berufsverband CIfA Deutschland an, dass sich alle seriösen Marktteilnehmer auf eine gemeinsam vereinbarte Lohnuntergrenze verständigen und das Einhalten u.a. dieser Lohnuntergrenze verbindlicher Teil der anstehenden Registrierungen deutscher Grabungsfirmen und des Gütesiegels wird. Gerne darf (und sollte) den Angestellten mehr gezahlt werden als die kollektiv vereinbarte Lohnuntergrenze, aber nie weniger.

Soweit die Theorie. In den Niederungen der Praxis kommt sofort die Frage auf: Wer setzt diese Lohnuntergrenze fest, und wie setzt man sie fest? Wie gut, dass CIfA international ist und die britischen Kollegen schon vorgespurt haben! Doch das Übertragen der bestehenden britischen Lohnempfehlungen auf den Kontinent hakt: zu unterschiedlich ist das britische System von Abgaben, Steuern und Sozialversicherung, zu unterschiedlich die Lebenshaltungskosten. Dann eben einfach die bestehenden Tarifverträge des öffentlichen Dienstes in Deutschland übernehmen!? "Am Markt nicht durchsetzbar", sagen Praktiker und ergänzen: "wegen nicht vergleichbarer Randbedingungen auch nicht gerecht und zielführend". Also muss statt Kopierens und allenfalls leichter Anpassungen gründlich selbst nachgedacht werden. CIfA Deutschland geht dazu nun einen ungewöhnlichen, ausnehmend spannenden Weg: Alle beruflich in der Archäologie in Deutschland Tätigen werden zwischen 19.3. und 14.4.2020 in einer öffentlichen Umfrage eingeladen, ihre Einschätzung zu sinnvollen Lohnuntergrenzen für die vier klassischen Qualifikationsebenen auf archäologischen Ausgrabungen der Privatwirtschaft zu nennen. Das klingt zunächst nach Wunschkonzert, aber das soll es keinesfalls sein, schreibt CIfA Deutschland: "Wir bitten Sie beim Ausfüllen um Realismus statt Wolkenkuckucksheimen! Sind Sie Arbeitnehmer, bedenken Sie bei Ihren Antworten, dass der Lohn, den Sie vorschlagen, von den Firmen auch am Markt erwirtschaftet werden muss. Wäre das nicht möglich, könnte eine Firma nicht überleben. Sind Sie Arbeitgeber, sollten Sie bedenken, dass Löhne hinreichend attraktiv sein müssen, um qualifiziertes Personal dauerhaft binden zu können." CIfA Deutschland bittet in der Umfrage die Antwortenden auch, sich den einschlägigen Funktionsbereichen der Archäologie selbst zuzuordnen, z. B. als Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst. Am Ende wird man also wissen, welche Lohnuntergrenzen unterschiedliche Interessensgruppen empfehlen. CIfA möchte dann auf seiner Mitgliederversammlung im Juli 2020 Bilanz ziehen und seine Empfehlungen anpassen.

Welch ein spannendes Versuchsdesign! Klar, man erwartet im Vorfeld der Ergebnisse, dass "die Unternehmer" am liebsten (unrealistisch) wenig zahlen wollen und "die Arbeitnehmer" am liebsten möglichst viel verdienen wollen – und sich dementsprechend weit auseinander klaffende Zahlen ergeben. Aber geht das wirklich so einfach auf? Wie, wenn sich herausstellt, dass Arbeitnehmer mehrheitlich zu bescheiden sind und Unternehmer im Grunde gerne weitaus mehr zahlen würden – damit es sich für Arbeitnehmer lohnt, dem Betrieb treu zu bleiben, sich weiter zu qualifizieren und per Fortbildung besser zu werden? Statt sich im klassischen gewerkschaftlichen Bild von Tarifverhandlungen als Arbeitnehmer und Arbeitgeber gegenüberzusitzen und sich im Kräftemessen und Fingerhakeln zu üben, ggf. Druck per Streik und Aussperrung zu erzeugen, probiert CIfA Deutschland einen anderen Weg: Mit der Umfrage setzt es alle Beteiligten in ein gemeinsames Boot, formt eine Verantwortungsgemeinschaft und lotet aus, ob die Wahrnehmungen zu einer Lohnuntergrenze im 21. Jahrhundert tatsächlich so simpel ausfallen, wie es die noch im 19. Jahrhundert geprägten Bilder von Unternehmern und Arbeitern nahelegen. Ob der Versuch aufgeht? Das weiß niemand, aber ihn zu wagen, lohnt unbedingt. Daher: bitte nehmen Sie an der CIfA-Umfrage teil.

Die DGUF unterstützt ihren Partner CIfA mit ihrer Erfahrung in der Durchführung und Auswertung von Umfragen. Wir sind ebenso, wie hoffentlich nun Sie, gespannt auf die Ergebnisse und auf die dahinterstehende Frage, ob das oft zitierte "Wir sitzen doch alle in einem Boot" auch gilt, wenn es ums Geld geht. Chapeau! – wenn die CIfA-Umfrage dies erweisen würde.

Kommentar vom 20.3.2020

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