DGUF-Newsletter vom 31.7.2015

DGUF-Newsletter vom 31.7.2015

1. Tagungen und Veranstaltungen
1.1. "Archäologie in der Schweiz - Resultate und Visionen. (Abschluss?) Tagung der Trägerplattform Horizont 2015" (Zürich, 11.9.)
1.2. 8. Mitteldeutscher Archäologentag (Halle, 22.-24.10.)
1.3. "Im Dialog über Archäologie und ihre Öffentlichkeiten: Die Zukunft freilegen!" (Berlin, 17.-18.9.)

2. Forschung
2.1. Neu im Early View der "Archäologischen Informationen"
2.2. Aktuelle Ausgrabungen in den Medien
2.3. Aktuelle Forschung in den Medien
2.4. Besonderer Fund und neues Königsgrab in Alt-Uppsala
2.5. Video: Römische Gräber am Augsburger Bahnhof
2.6. Große Halle wikingischer Art auf Kap Arkona gefunden
2.7. Nachweis keltischer Fabelwesen in Südengland
2.8. Rezensionen als Mittel zur Selbstfindung einer Archäologie der Neuzeit / Historischen Archäologie
2.9. Vergina: Grab von Philipp II., dem Vater Alexander des Großen, verwechselt?
2.10. 3D-Scanner-Analyse der VAR-Gegenstempel auf römischen Münzen soll helfen, ein Bewegungsprofil der letzten Monate des Varus und seiner Legionen zu rekonstruieren
2.11. Blog begleitet die Ausgrabung eines Megalithgrabes in Ostholstein vom 17.7.-15.8.
2.12. Vorträge der Tagung "Archaeological Research in Progress 2015" (Edinburgh, 30.5.2015) als Videos online

3. Kulturgutschutz
3.1. Aktuelles rund um Kulturgutschutz in den Medien
3.2. Bundesregierung novelliert Kulturgutschutzrecht: Kunsthandel protestiert
3.3. Erster Beweis, dass der IS mit Antiken handelt?
3.4. Vermehrt Antiken aus Syrien im Schweizer Kunsthandel?
3.5. Schweiz bietet "Safe Haven" für ausländische Kulturgüter an
3.6. Antikenhandel und Terror - eine Podiumsdiskussion (Mainz, 10.7.)

4. Ausbildung, Job-Themen und Personalia
4.1. Jörg Biel verstorben
4.2. Mathias Hensch beklagt die mangelnde Bezahlung in der privatwirtschaftlichen Archäologie
4.3. Archäologien an der Universität Saarbrücken gerettet !?

5. Open Access & Open Data
5.1. Archäologische Informationen 13, 1990, neu im Open Access
5.2. Fünf Wissenschaftsverlage dominieren das Publikationswesen

6. Bürger und Archäologie / Citizen Science
6.1. US-amerikanische Archäologie-TV-Show "Diggers" geläutert?
6.2. Vom rechten Umgang mit Sondengängern: Die Debatte im Forum der Archäologischen Informationen und darüber hinaus
6.3. DRadio Wissen informiert über das Sondengehen
6.4. Finanzierungs-Krise des PAS bestätigt
6.5. Bogen zur Archäologie: "Schatzsuche 2.0: Abenteuer Geocaching" (Takt, Sommer 2015)

7. Und sonst …
7.1. Die Minions erklären den Untergang des Weströmischen Reichs. Oder: über die allmähliche Modernisierung der Lehre und der Lehrbücher
7.2. Social Media: Der richtige Umgang mit Shitstorms und Kritik
7.3. Tagung "Quo vadis Denkmalrecht? Kulturerbe zwischen Pflege und Recht" (Münster, 15.-17.7.)
7.4. Fast komplett: der Archäologische-Informationen-Schwerpunkt "Sammlungsstrategien auf dem Prüfstand" (Tagung Berlin, 6.10.2014)
7.5. Könnte sich lohnen: der MOOC "Ancient Egypt: A history in six objects"
7.6. Zeitgeist oder "digital turn": Was sind und was leisten die Digital Humanities?
7.7. Die Wikinger als UNESCO-Weltkulturerbe?

8. Impressum und Redaktionshinweise


1.
Tagungen und Veranstaltungen
1.1. "Archäologie in der Schweiz - Resultate und Visionen. (Abschluss?) Tagung der Trägerplattform Horizont 2015" (Zürich, 11.9.)
2010 gründete sich der Verein "Horizont 2015" als übergreifende Diskussionsplattform für die schweizerische Archäologie. Ziel war es, dem gemeinsamen Gedankenaustausch ein Forum zu bieten, Synergien aufzuzeigen und Strategien für die Zukunft der schweizerischen Archäologie zu entwickeln. In diesem Jahr ist das eponyme Zeitziel nun erreicht - Zeit für eine Bilanz! Die breit angelegte Tagung bietet einen Querschnitt durch die schweizerische Archäologielandschaft, sie reicht thematisch von aDNA bis zum Spannungsfeld von Politik, Gesellschaft und Archäologie, von der Photogrammetrie bis zum UNESCO-Weltkulturerbe Pfahlbauten. Unklar ist aus Sicht der Initiatoren noch, ob das Projekt mit der angekündigten Tagung seinen Abschluss findet oder ob es zu einer Erweiterung des Horizontes kommen wird. Die Anmeldefrist endet am 15. August. Der Tagungsbeitrag beträgt regulär 40 CHF, ermäßigt 20 CHF (ca. 38,50 bzw. 19,25 Euro).
http://www.horizont2015.ch/15511.html

1.2.
8. Mitteldeutscher Archäologentag (Halle, 22.-24.10.)
Das Programm des 8. Mitteldeutschen Archäologentages in Halle a. d. Saale zum Thema "Arm und Reich: Zur Ressourcenverteilung in prähistorischen Gesellschaften" liegt vor. Mag das Thema noch ähnlich klingen wie das einer AG bei den Tagungen der Altertumsverbände, macht das Programm deutlich, dass hier ein weiterer Blick gesucht wurde, ganz ohne Fokussierung auf die Region des Veranstalters: Neben der Prähistorie wird das Thema u. a. auch aus dem Blickwinkel anderer Archäologien, der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, der Ethnologie und Primatologie beleuchtet. Vielversprechend - eine Tagung, bei der wohl auch Experten noch lernen können. Eine Anmeldung zur Teilnahme ist erforderlich und bis zum 27.9. erbeten, die Tagungsgebühr beträgt 30, ermäßigt 15 Euro.
http://www.lda-lsa.de/de/tagungen/8_mitteldeutscher_archaeologentag/

1.3.
"Im Dialog über Archäologie und ihre Öffentlichkeiten: Die Zukunft freilegen!" (Berlin, 17.-18.9.)
Öffentliche Podiumsdiskussion und ein World Café veranstaltet das Berliner Antike-Kolleg für (Post-) Doktoranden Mitte September 2015 im Topoi-Haus Dahlem. Sie fragen: Wie könnten oder sollten die gängigen Herangehensweisen der Kommunikation zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit verändert werden, um den fundamentalen Veränderungen in Bezug auf die von uns verwendeten Theorien, Methoden und Praktiken Rechnung zu tragen? Könnte die Einführung eines dialogischen Prinzips die Formen der Wissensproduktion selbst verändern? Die Veranstaltung ist kostenfrei.
http://berliner-antike-kolleg.org/event/die-zukunft-hat-viele-vergangenheiten-eine-diskussion-uber-die-verflechtungen-von-archaologie-und-offentlichkeit/


2. Forschung
2.1.
Neu im Early View der "Archäologischen Informationen"
Stoll-Tucker, B. (2015). Das EU-Projekt ARCHES und sein Handbuch zur archäologischen Archivierung. Archäologische Informationen, Early View, online publiziert 28. Juli 2015.
Schoellen, A. (2015). Metalldetektoren: Militärische Kampfmittel als Rettungsanker für unser archäologisches Erbe? Archäologische Informationen, Early View, online publiziert 24. Juli 2015.
Gattiglia, G. (2015). Think big about data: Archaeology and the Big Data challenge. Archäologische Informationen, Early View, published online 23 July 2015.
Davydov, D. (2015). Das Verursacherprinzip in der Rückabwicklung. Die Erstattung von Grabungskosten in der Spruchpraxis nordrhein-westfälischer Gerichte. Archäologische Informationen, Early View, online publiziert 22. Juli 2015.
Derks, H. & Mühlenbrock, J. (2015). Wie sollen, wollen, können wir sammeln? Sammlungsstrategien auf dem Prüfstand – eine Einführung. Archäologische Informationen, Early View, online publiziert 15. Juli 2015.
Pilger, A. (2015). Archivieren oder kassieren? Überlieferungsbildung in Archiven. Archäologische Informationen, Early View, online publiziert 15. Juli 2015.
Rind, M. M. (2015). Zur Problematik der Archivierung archäologischer Funde. Archäologische Informationen, Early View, online publiziert 8. Juli 2015.
Simon-Nanko, L. (2015). Open Access in der ungarischen Archäologie – Notwendigkeit oder Chance? Archäologische Informationen, Early View, online publiziert 8. Juli 2015.
Greif, J. (2015). Die Berufsmessen ARCHAEOworks3 und ARCHAEOskills5 vom 8. bis 10. Mai 2015 an der Humboldt-Universität zu Berlin. Archäologische Informationen, Early View, online publiziert 8. Juli 2015.
Schreg, R. (2015). Das Portable Antiquities Scheme als Vorbild? Anmerkungen zum Beitrag von Christoph Huth, Arch. Inf. 36, 2013. Archäologische Informationen, Early View, online publiziert am 6. Juli 2015.
v. Carnap-Bornheim, C., Ickerodt, U. & Siegloff, E. (2015). Einige Bemerkungen zu Christoph Huths Beitrag "Vom rechten Umgang mit Sondengängern" – die Schleswig-Holsteinische Perspektive. Archäologische Informationen, Early View, online publiziert 6. Juli 2015.
Hansen, S. (2015). Rezension zu: Martin Rundqvist, In the landscape and between worlds: Bronze Age deposition sites around lakes Mälaren and Hjälmaren in Sweden. Umeå: Umeå Universitet 2015. - Archäologische Informationen, Early View, online publiziert 6. Juli 2015.
http://www.dguf.de/index.php?id=9

2.2.
Aktuelle Ausgrabungen in den Medien
"Archäologen finden gut erhaltenes Skelett von Vincent van Goghs Ohr" (Der Postillon, 29.7.): http://www.der-postillon.com/2015/07/archaologen-finden-gut-erhaltenes.html
Arago (Frankreich): "16-Jährige findet 560.000 Jahre alten Menschenzahn" (Spiegel, 28.7.): http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/hoehle-von-arago-maedchen-findet-550-000-jahre-alten-zahn-a-1045719.html
Litauen: "Skeletons Of Napoleon's Soldiers Discovered In Mass Grave Show Signs Of Starvation" (Forbes Magazine, 25.7.): http://www.forbes.com/sites/kristinakillgrove/2015/07/25/skeletons-of-napoleons-soldiers-in-mass-grave-show-signs-of-starvation/
"Dorset Jurassic Coast 'Bronze Age' mound investigated" (BBC, 14.7.): http://www.bbc.com/news/uk-england-dorset-33517687
"Bronze Age treasure found in Denmark" (The Local, 8.7.): http://www.thelocal.dk/20150708/danish-archaeologists-make-huge-bronze-age-find
Irland: "Major Viking site discovery described as ‘mind-blowing’" (Irish Central, 29.6.): http://www.irishcentral.com/news/major-viking-site-discovery-described-as-mind-blowing-131442918-237416911.html

2.3.
Aktuelle Forschung in den Medien
Neu entdecktes Elfenbeinfragment aus dem Hohle Fels: "Es muss eigentlich eine Frau sein" (Pressemeldung Universität Tübingen, 22.7.): http://www.uni-tuebingen.de/newsfullview-landingpage/article/es-muss-eigentlich-eine-frau-sein.html
"Prehistoric man in South Africa made milk-based paint tens of thousands of years ago" (Ancient Origins, 4.7.): http://www.ancient-origins.net/news-history-archaeology/prehistoric-man-south-africa-made-milk-based-paint-tens-thousands-years-ago-020419

2.4.
Besonderer Fund und neues Königsgrab in Alt-Uppsala
Gamla Uppsala / Alt-Uppsala ist das bedeutendste (früh-) mittelalterliche Zentrum Mittelschwedens, zunächst vorchristlich, dann ab 1164 als Bischofssitz das christliche Zentrum, bis dann im ausgehenden 13. Jahrhundert der Bischofssitz um gut 5 Kilometer nach Süden in das heutige Uppsala verlegt wurde. Eine Gegend, in der bei modernen Aktivitäten immer wieder besondere Befunde und Funde zum Vorschein kommen. 2013 waren es mehrere hundert Meter lange Reihen von Holzpfosten, die möglicherweise mit dem bei der Christianisierung demonstrativ zerstörten Tempel von Alt-Uppsala zusammenhängen (DGUF-Newsletter vom 25.11.2013 Punkt 4.5.). Aktuell vermelden die schwedischen Kollegen die überraschende Entdeckung eines bislang unbekannten und sehr großen Grabhügels, der unter Siedlungsresten des 12. Jahrhunderts entdeckt wurde. Nach derzeitigem Grabungsstand hatte der Grabhügel eine schützende Steinpackung von etwa 30 m Durchmessern und wurde später absichtlich abgetragen. Der forschende Blick unter diese Steinpackung steht noch aus - doch angesichts der drei bereits bekannten "Königs-"Gräber in Alt-Uppsala aus dem 5.-6. Jahrhundert n. Chr. liegt es nahe, hier ein weiteres, und zwar ausnehmend großes Elitengrab zu erwarten. Ende Juni präsentierte der Projektleiter Per Frölund der Öffentlichkeit zudem einen ungewöhnlichen, an derer Stelle gemachten Siedlungsfund: einen vollständigen, kreuzförmigen Anhänger aus Gold mit Almandin-Einlagen auf Waffelfolie im Stil kontinentaler Funde der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts. Das Objekt stammt aus Siedlungsschichten aus der Nähe einer Schmiede und ist das erste unbeschädigte Schmuckstück dieser Zeit aus Schweden, das nicht aus einem Grabkontext stammt. Es unterstreicht erneut die Bedeutung Alt-Uppsalas als Zentralort und seine weitreichenden Fernbeziehungen.
"A medieval ditch and a new great mound!" (Blog 'Gamla Uppsala - a mythical centre', 23.6.): http://glaup.blogspot.se/2015/06/a-medieval-ditch-and-new-great-mound.html
"Den största utgrävningen någonsin i Gamla Uppsala" (30.1.): http://www.arkeologigamlauppsala.se/Sv/Pages/default.aspx
"Ovanligt guldfynd i Gamla Uppsala" (UNT.SE, 1.7.): http://www.unt.se/uppland/uppsala/ovanligt-guldfynd-i-gamla-uppsala-3791575.aspx
"The Gold Pendent" (Blog 'Gamla Uppsala - a mythical centre', 30.6.): http://glaup.blogspot.se/2015/06/the-gold-pendant.html

2.5.
Video: Römische Gräber am Augsburger Bahnhof
Ein für die Stadtwerke Augsburg gedrehtes Video ist den römischen Gräbern gewidmet, die beim Umbau des Bahnhofs in Augsburg gefunden wurden. Der Grabungsleiter Günther Fleps erklärt vor dem Hintergrund der laufenden Ausgrabungen das Bestattungswesen in römischer Zeit. Freundlich, anschaulich, kurzweilig und ganz ohne High-Tech-Einsatz wird der unspektakuläre, aufregende Alltag der Archäologie erklärt.
"swa Hauptbahnhofumbau Dokumentation, Teil 4: Archäologie Spezial" (Youtube, 7.7.; Video, 10:04 Min.): https://www.youtube.com/watch?v=6ePiPln1eLQ

2.6.
Große Halle wikingischer Art auf Kap Arkona gefunden
Die äußerste Nordspitze Rügens bildet das knapp 45 Meter aus der Ostsee aufragende Kliff von Kap Arkona. Im frühen Mittelalter befanden sich dort ein slawischer Burgwall und vor allem ein bedeutendes slawisches Heiligtum für den Gott Swantevit, das zumindest im 11. Jahrhundert auch eine überregionale Bedeutung für den weiteren Ostseeraum innehatte. Weil heute die Ostsee am Kliff nagt und Land verloren geht, ist die mecklenburgisch-vorpommersche Bodendenkmalpflege dort seit 2012 immer wieder vorgreifend tätig, um archäologische Reste unmittelbar vor ihrer absehbaren natürlichen Zerstörung zu sichern. Nun sind bei den Rettungsgrabungen Reste einer "großen Halle" aus dem 11. Jahrhundert gefunden worden, ca. 11 x 8 m groß, mit mächtigen Eichenpfosten und schiffsförmigem Grundriss: ein gänzlich un-slawischer Gebäudetypus, der im wikingerzeitlichen Skandinavien bestens bezeugt ist. Als "große Halle" bezeichnet man dort jene Gebäude, die im Vergleich zu den üblichen Wohngebäuden größer sind, erheblich stärkere Pfosten aufweisen und sich oft durch besondere Funde ausweisen: Häuser, die eben nicht als Wohngebäude dienten, sondern als Versammlungshalle und Repräsentationsgebäude. Doch da, wo man nach der schriftlichen Überlieferung einen slawischen Tempelbau erwartet, im archäologischen Befund eine eher profane Wikingerhalle zu finden, macht die Kommunikation nicht leicht. "Landesarchäologe Jantzen hält es für durchaus möglich, dass die Burg [Arkona] schon in einer früheren Zwischenphase - im 11. Jahrhundert - in skandinavischer Hand gewesen sein könnte und damals die Halle errichtet wurde", schreibt der Südkurier und zeichnet damit nach, wie klar und behutsam der Landesarchäologe die verständlichen Erwartungen und die archäologischen Befunde abzugleichen versucht.
"Slawische Tempelburg am Kap Arkona: Archäologen finden antike Kulthalle auf Rügen" (n-tv, 14.7.): http://www.n-tv.de/wissen/Archaeologen-finden-antike-Kulthalle-auf-Ruegen-article15516246.html
"Kulthalle in slawischer Tempelburg am Kap Arkona entdeckt" (Südkurier, 14.7.): http://www.suedkurier.de/unterhaltung/promis/news/boulevard/Kulthalle-in-slawischer-Tempelburg-am-Kap-Arkona-entdeckt;art402,8000287
"Waffen, Münzen und Perlen: Rügens Tempelburg offenbart wahre Schätze" (Nordkurier, 14.7.): http://www.nordkurier.de/mecklenburg-vorpommern/ruegens-tempelburg-offenbart-wahre-schaetze-1416175707.html
"Rügen: Archäologen entdecken Zeremonienhaus" (NDR, 14.7.): https://www.ndr.de/nachrichten/mecklenburg-vorpommern/Ruegen-Archaeologen-entdecken-Zeremonienhaus-,kaparkona148.html

2.7.
Nachweis keltischer Fabelwesen in Südengland
Sphinx, Greif, Minotauros, Drache und Chimäre: die antike Welt hat viele Vorstellungen und Darstellungen von Fabelwesen, die so in der realen biologischen Welt nicht existieren. Sie kombinieren - wie neuzeitliche Wolpertinger - Elemente und Eigenschaften unterschiedlicher Tiere, auch mit Menschen. In der spätkeltischen Siedlung North West Farm bei Winterborne Kingston, Dorset (Südwest-England) wurden jetzt Materialisierungen ähnlicher Vorstellungen nachgewiesen. Die auf um 100 v. Chr. datierte und mit etwa 150-200 Häusern recht große Siedlung wies Vorratsgruben auf, in die nach ihrer primären Nutzung seltsam kombinierte Tierknochen zu Tierskeletten arrangiert worden waren: eine Kuh mit Pferdebeinen, ein Pferd mit Kuhhörnern, ein zweiköpfiges Schaf. Nach einem vorläufigen Bericht über die noch nicht abgeschlossenen Untersuchungen scheinen diese Deponierungen mit der planmäßigen Aufgabe der Siedlung zusammenzuhängen.
"The boneyard of the bizarre that rewrites our Celtic past to include hybrid-animal monster myths" (The Independent, 11.7.): http://www.independent.co.uk/news/science/archaeology/news/the-boneyard-of-the-bizarre-that-rewrites-our-celtic-past-to-include-hybridanimal-monster-myths-10381965.html

2.8.
Rezensionen als Mittel zur Selbstfindung einer Archäologie der Neuzeit / Historischen Archäologie
An einem Sonderheft von "Archäologie in Deutschland" scheint sich eine Grundsatzdebatte zu entzünden, nämlich an dem von der Mittelalter- und Neuzeitarchäologin Prof. Dr. Claudia Theune-Vogt (Univ. Wien) verfassten Band 6/2014: "Archäologie an Tatorten des 20. Jahrhunderts". In einer Besprechung hatte Dr. Ulf Ickerodt, wissenschaftlicher Leiter des Archäologischen Landesamts in Schleswig-Holstein, eine aus seiner Sicht gegebene Lückenhaftigkeit und die Schwerpunktsetzung des Heftes bemängelt. Wesentliche Dimensionen und Erkenntnispotenziale einer Neuzeitarchäologie bleiben nach seiner Auffassung ausgeklammert (vgl. DGUF-Newsletter vom 20.4.2015 Punkt 8.4.). Darauf antwortet nun in einer Replik der Historiker Dr. Florian Freund, Universitätsdozent am Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien, und kommt zu einer diametral anderen Bewertung des Sonderheftes: Angesichts des Zielpublikums und des Mediums seien Auswahl und Beschränkung auf das Wesentliche nötig, und genau dies sei der Autorin punktgenau gelungen. Doch jenseits der Debatte um enzyklopädische Vollständigkeit versus exemplarisches Vorgehen und Schwerpunktbildung verläuft hier ein tiefgründigerer Diskurs. Während Ickerodt von der Neuzeitarchäologie einen umfassenden interdisziplinären Ansatz fordert, begrüßt Freund die Fokussierung der Autorin auf die materiellen Hinterlassenschaften, denn s. E. sei die "vornehmliche Aufgabe der Archäologie … die Analyse der Überreste der materiellen Kultur". Die mit seiner Replik vermeintlich geschützte Autorin dürfte mit dieser sehr grundsätzlichen Einordnung nicht zufrieden sein, denn als Mitherausgeberin der damals neu gegründeten Zeitschrift "Historische Archäologie" forderte sie 2009 auf, "Funde und Befunde im Rahmen methodisch wie theoretisch fundierter und orientierter Beiträge einzureichen und der Fachwelt zur Diskussion zu stellen. Wichtig erscheint uns, dass die unterschiedlichen Quellengattungen (Archäologische Quellen, Schriftquellen, Bildquellen, Oral History) komplementär für die Fragestellungen herangezogen und ausgewertet werden, um so zu umfassenden kulturwissenschaftlichen oder kulturhistorischen Aussagen zu gelangen." Eine weitere, nur konventionell im Druck greifbare Besprechung des Heftes durch den Vorderasiatischen Archäologen Prof. Dr. Reinhard Bernbeck, 2013 Mitwirkender der neuzeitarchäologischen Untersuchungen auf dem Tempelhofer Feld in Berlin, begrüßt den von Theune dargebotenen "verdienstvollen Einblick in die zeitgeschichtliche Archäologie", nimmt aber – wie Ickerodt – eine Fokussierung auf die materielle Kultur wahr und vermisst eine gleichwertige Berücksichtigung der ihm ebenso wichtigen Quellenbereiche Wort und Bild. Seine Besprechung thematisiert das Problem einer möglichen Ästhetisierung des Schrecklichen durch die Archäologie, hinterfragt die abgedruckten Bilder von Toten und äußert weitere ethische Vorbehalte. Auch ihm geht es in seiner Rezension um mehr als um das besprochene Werk, was an Textpassagen deutlich wird wie: "Auch die Beantwortung solcher Fragen steht im Rahmen einer Archäologie des 20. Jahrhunderts noch aus" und "… besonders aber auf die skandalöse Vernachlässigung der wissenschaftlichen Verankerung der zeitgeschichtlichen Archäologie aufmerksam macht". Die Publikation wie ihre Rezensionen zeugen von einem Diskurs um die Notwendigkeit und die Selbstfindung einer Archäologie des 19. und 20. Jahrhunderts, ihrer Auslegung, Fragestellungen und Ethik.
Florian Freund, Replik auf die Rezension von U. Ickerodt zu Cl. Theune: Archäologie an Tatorten des 20. Jahrhunderts. H-Soz-u-Kult, 6.7.2015: http://www.hsozkult.de/publicationreview/id/rezbuecher-23211 [unten leicht versteckt, bei "Kommentare"]
"Historische Archäologie" (Open Access): http://www.histarch.uni-kiel.de/Ueber.htm
Bernbeck, R. (2014). Besprechung zu Claudia Theune-Vogt, Archäologie an Tatorten des 20. Jahrhunderts. Archäologie in Deutschland, Sonderheft 6/2014. Das Altertum 59, S. 311-316.

2.9.
Vergina: Grab von Philipp II., dem Vater Alexander des Großen, verwechselt?
Bislang gilt vielen Wissenschaftlern das Ende der 1970er Jahre ergrabene, reich ausgestattete Grab II in dem großen Tumulus von Vergina als das Grab des Makedonenkönigs Philipp II. (382-336 v. Chr.), dem Vater von Alexander dem Großen. Nun hat ein multinationales Team von Anthropologen die Knochen aus der völlig geplünderten Grabkammer I umfassend neu untersucht und hält diese u. a. für die Knochen von Philipp II. Ausschlaggebend sind die schriftliche Überlieferung, wonach Philipp II. drei Jahre vor seinem Tod eine schwere Knieverletzung erlitten habe, und der dazu passende Befund an den Beinknochen. Außerdem wurde die Bestimmung weiterer Skelettreste aus Grab I als von einer ca. 18-jährigen Frau und einem Neugeborenen bestätigt, weshalb nun Grab I als der Bestattungsplatz Philipps II., seiner Frau Cleopatra und ihres neugeborenen Kindes gilt. Doch wie die Anthropologin Prof. Dr. Kristina Killgrove in einem Kommentar zu diesem Aufsatz im Forbes-Magazin darlegt, bleiben in der Fachwelt erhebliche Zweifel an der neuen Deutung und Zuordnung. Wichtige Untersuchungen, welche die neuen Thesen verifizieren könnten, stünden noch aus.
Bartsiokas, A., Arsuaga, J.-L., Santos, E., Algaba, M. & Gómez-Olivencia, A. (2015). The lameness of King Philip II and Royal Tomb I at Vergina, Macedonia. PNAS (9.7.2015). doi: 10.1073/pnas.1510906112 http://www.pnas.org/content/early/2015/07/15/1510906112
"Bones of Philip of Macedon identified" (Popular Archaeology, 20.7.): http://popular-archaeology.com/issue/summer-2015/article/bones-of-philip-of-macedon-identified
"Twisted Knee Might Identify Alexander The Great's Father, But Some Are Skeptical" (Forbes, 20.7.): http://www.forbes.com/sites/kristinakillgrove/2015/07/20/twisted-knee-might-identify-macedonian-king-philip-iis-tomb/

2.10.
3D-Scanner-Analyse der VAR-Gegenstempel auf römischen Münzen soll helfen, ein Bewegungsprofil der letzten Monate des Varus und seiner Legionen zu rekonstruieren
"Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft" – dieses Sprichwort könnte auch auf die römischen Münzen zutreffen, die zur Zeit des Augustus mit dem Initialen "VAR" gestempelt wurden. Münzexperten und Historiker gehen davon aus, dass es sich hierbei um Münzen handelt, die Publius Quinctilius Varus als römischer Statthalter seinen Truppen in Germanien schenkte. Als Varus um 7. n. Chr. den Oberbefehl in Germanien übernahm, deutete nichts darauf hin, dass die Ausdehnung des römischen Reiches in Richtung der Elbe bereits zwei Jahre später durch die Vernichtung von drei Legionen und den Tod Varus' in einem Hinterhalt einer germanischen Stammeskoalition einen dramatischen Rückschlag erleiden sollte. Als in der Neuzeit dieser germanische Sieg schließlich zu einem Wendepunkt der deutschen Geschichte erhoben wurde, begannen die Geschichtswissenschaften, verstärkt nach dem Ort der Varusschlacht zu forschen. Doch da die römischen Quellen in Bezug auf die Lage des Schlachtfeldes und die gesamte Vorgeschichte des Feldzuges wenig aussagekräftig waren und auch die wenigen archäologischen Funde und Inschriften keinen weiteren Anhaltspunkt lieferten, blieb dieses Rätsel über mehr als ein Jahrhundert ungelöst. Bei der Neuentfachung der Debatte sollten wieder die Münzen mit dem VAR-Stempel eine entscheidende Rolle spielen: Waren bereits im 19. Jahrhundert in der Region um Kalkriese römische Münzen gefunden und als Spuren der Varusschlacht gedeutet worden, so rückten die Funde von römischer Militärausrüstung als Hinweis auf ein Schlachtfeld diese Region wieder in den Blickpunkt der Forschung und Öffentlichkeit. Für die Datierung des Schlachtfeldes entscheidend war die hohe Anzahl mit VAR-gestempelter Münzen, sowie die Tatsachse, dass nach 9 n. Chr. geprägte Münzen fehlten. Mit Hilfe eines hochauflösenden 3D-Scanners möchte das Landesamt für Archäologie Sachsen jetzt die Spur der Münzen weiter verfolgen. Erinnert man sich an die Funktion der Münzen als "Prämien" für die Legionen, so ist es sehr wahrscheinlich, dass die Stempel während der Truppenbesuche des Varus angebracht und an die jeweiligen Einheiten ausgegeben wurden. Dass es sich hierbei um große Mengen an gestempelten Münzen gehandelt haben muss, zeigt nicht nur ihr häufiges Auftreten in archäologischen Grabungen, sondern auch die Tatsache, dass eine ganze Reihe an Stempeleisen benutzt wurde und die Abdrücke immer wieder auf einen hohen Verschleiß der Stempel hindeuten. Vergleicht man also die in den Stempelabdrücken erkennbaren Abnutzungsspuren der Stempel, so müsste man die Reihenfolge ihrer Stempelung und vielleicht sogar der Stempelorte rekonstruieren können. Die notwendigen technischen Möglichkeiten stehen hierfür seit einigen Jahren durch die Möglichkeit von hochauflösenden 3D-Scanverfahren zu Verfügung. Die spannende Frage wird sein, ob sich bei einer Kartierung der Stempelreihenfolge möglicherweise ein Bild zeigt, das Rückschlüsse auf die Bewegungen des Varus zulässt. Handelt es sich bei den Münzfunden aus Kalkriese vielleicht sogar um die letzten gestempelten Geschenke des Varus? Wissenschaftler des Landesamtes für Archäologie in Sachsen werden in den kommenden Wochen Museen in der Schweiz, Deutschland, Luxemburg und den Niederlanden besuchen und dort Münzen mit dem Gegenstempel des Varus einscannen. Ganz neu jenseits der rein wissenschaftlichen Aspekte: Das Landesamt tut all dies öffentlich, mit einer Serie von YouTube-Videos und bei Twitter.
Projekt "Charonspfennige: Kann HR-3D-Scanning von Gegenstempeln auf römischen Münzen helfen, ein 'Bewegungsprofil' der Legionen des Varus in den letzten Monaten vor der Varusschlacht (9 n. Chr.) zu rekonstruieren?": http://www.archaeologie.sachsen.de/5155.htm
Pilotfilm zum Projekt: https://www.youtube.com/channel/UCcYZ1HPFYFW6WLzJecicVDQ
Twitter-Account des Projekts: https://twitter.com/LegionesRedde
Ulrich Werz, Gegenstempel auf Aesprägungen der frühen römischen Kaiserzeit im Rheingebiet: Grundlagen, Systematik, Typologie. Frankfurt/Main, 2009: http://publikationen.ub.uni-frankfurt.de/frontdoor/index/index/docId/6876

2.11.
Blog begleitet die Ausgrabung eines Megalithgrabes in Ostholstein vom 17.7.-15.8.
Im Rahmen des DFG-Schwerpunktprogramms 1400 führt das Teilprojekt "Megalithanlagen und Siedlungsmuster im trichterbecherzeitlichen Ostholstein (3500-2700 v.Chr.)" Mitte Juli bis Mitte August eine Untersuchung am Megalithgrab Wangels LA 69 durch. Mit einem Blog berichtet das Team (wie schon im Jahr 2014) fortlaufend vom aktuellen Grabungs- und Kenntnisstand.
http://www.wangelsla69.de/

2.12.
Vorträge der Tagung "Archaeological Research in Progress 2015" (Edinburgh, 30.5.2015) als Videos online
Gaulcross Hoard, Burnswark, Ness of Brodgar etc.: Aktuelle Forschung in Großbritannien war Thema der Tagung "Archaeological Research in Progress 2015", die am 30.5. in Edinburgh stattfand. Der Archäologe Doug Rocks-Macqueen hat alle Vorträge aufgezeichnet, die Präsentationen darin integriert und die Videos nun auf Youtube hochgeladen. Eine Fundgrube!
https://dougsarchaeology.wordpress.com/2015/07/19/archaeological-research-in-progress-2015/


3. Kulturgutschutz
3.1.
Aktuelles rund um Kulturgutschutz in den Medien
"Thüringen: Wegebauer zerstören Reste von Burg Hermannstein" (Burgerbe-Blog, 14.7.): http://www.burgerbe.de/2015/07/14/wegebauer-zerstoeren-reste-von-burg-hermannstein-27344/
"Schiffsplünderer vor Warnemünde" (NDR, 14.7.; Video, 3:34 Min.): https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/nordmagazin/Schiffspluenderer-vor-Warnemuende,nordmagazin30512.html
"Schweizer Galerien handeln mit Kulturgütern aus Kriegsgebiet" (Basler Zeitung, 12.7.): http://bazonline.ch/schweiz/standard/Schweizer-Galerien-handeln-mit-Kulturguetern-aus-Kriegsgebiet/story/29730159 und: "Zweifelhafte Artefakte aus Syrien. Kunst aus dem Kriegsgebiet" (NZZ, 12.7.): http://www.nzz.ch/nzzas/nzz-am-sonntag/kunst-aus-dem-kriegsgebiet-1.18578595
"Italien: Alles muss raus. Eine Kultur schafft sich ab" (Zeit, 12.7.): http://www.zeit.de/2015/26/denkmaeler-italien-bau-spekulation-kulturgut
"Museums and looted art: the ethical dilemma of preserving world cultures" (The Guardian, 29.6.): http://www.theguardian.com/culture/2015/jun/29/museums-looting-art-artefacts-world-culture

3.2.
Bundesregierung novelliert Kulturgutschutzrecht: Kunsthandel protestiert
Kulturstaatsministerin Monika Grütters bereitet bekanntermaßen eine Novellierung des Kulturgutschutzgesetzes vor. Ein überfälliger Schritt, weil damit nicht nur eine einschlägige EU-Richtlinie vom Mai 2014 umgesetzt werden soll, sondern weil vor allem die international kritisierten Mängel der erst im Jahr 2007 von der Bundesrepublik gesetzlich geregelten Umsetzung der UNESCO-Konvention von 1970 grundlegend verbessert werden soll. Denn bislang ist in Deutschland die Rückgabe illegal eingeführter Kulturgüter, insbesondere archäologischer Funde aus Raubgrabungen, unüblich kompliziert geregelt und an Bedingungen geknüpft, die in den Herkunftsländern kaum zu erfüllen sind - weshalb Rückführungen in die Herkunftsländer bislang kaum stattfinden. Der Gesetzgebungsprozess ist seit 2014 auf dem üblichen Weg. Ein erster verbindlicher Entwurf, der sog. Referentenentwurf, liegt noch nicht vor, schon setzt ein öffentlichkeitswirksam inszenierter Proteststurm ein, der vor allem vom deutschen Kunsthandel getragen wird. Charakteristisch ist ein Artikel in der "Welt" vom 10.7., der nach eigener Aussage auf einem geleakten Text eben dieses Referentenentwurfes beruht. Eine Fülle von aufgeregten Artikeln in den deutschen Feuilletons ist das Resultat, das Suchwort "Kulturgutschutz" spült allein bei der FAZ sieben Artikel seit dem 7.7. empor. Der Begriff Enteignung kursiert, und öffentlichkeitswirksam zieht Georg Baselitz alle seine Leihgaben an öffentliche Museen zurück, eben um sich durch eine vermeintliche Enteignung durch das neue Gesetz zu schützen. Am 21.7. startete Ursula Kampmann, bekannt als streitbare Münz- und Antikenhändlerin, eine an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags gerichtete öffentliche Petition "Für den Erhalt des privaten Sammelns"; begleitend wurde eine entsprechende Facebook-Präsenz angelegt. Die Kulturstaatsministerin versucht gegenzuhalten und - aus ihrer Sicht falsche - Aufgeregtheiten zu dämpfen, u. a. mit einer Pressekonferenz am 15.7. Und wie unterstützen die archäologischen Institutionen öffentlichkeitswirksam die Bemühungen der Kulturstaatsministerin? Anfang Juli stellten DAI und DVA den Bericht über die Berliner Tagung "Kulturgut in Gefahr: Raubgrabungen und illegaler Handel" vom 11.-12. Dezember 2014 im Open Access auf ihre Websites. Muss das reichen?
"Kulturgutschutzgesetz: Kunstbesitz ist eine nationale Angelegenheit" (Frankfurter Rundschau, 24.7.): http://www.fr-online.de/leitartikel/kulturgutschutzgesetz-kunstbesitz-ist-eine-nationale-angelegenheit,29607566,31304028.html
"Statement zur Pressekonferenz: Novellierung des Kulturgutschutzrechts" (Die Bundesregierung, 15.7.): http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Artikel/2015/07/2015-07-15-statement-novelle-kulturgutschutzgesetz.html
"Kulturgutschutzgesetz - Schutz oder Schaden für die Kunst?" (titel – thesen – temperamente, 27.7.; Video, 4:59 min): https://www.youtube.com/watch?v=HI2rmKL9AK0
"Kulturgutschutz: Denn die Gesetzgeber wissen nicht was sie tun" (Die Welt, 10.7.): http://www.welt.de/kultur/kunst-und-architektur/article143806716/Denn-die-Gesetzgeber-wissen-nicht-was-sie-tun.html
Ursula Kampmann, Petition "Für den Erhalt des privaten Sammels" (Openpetition, 21.7.): https://www.openpetition.de/petition/online/fuer-den-erhalt-des-privaten-sammelns
Gersch, C. (2015). Kulturgut in Gefahr - Raubgrabungen und illegaler Handel: Tagungsbericht. Hrsg. Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Berlin: SPK. http://www.dvarch.de/rep_docs/DVA_000019_2015_Tagungsbericht.pdf

3.3.
Erster Beweis, dass der IS mit Antiken handelt?
Mitte Mai stürmte die U.S. Delta Force, ein Spezialeinheit der US-amerikanischen Armee, das Haus von Abu Sayyaf, einem IS-Kommandanten im Nordosten Syriens. Vom irakischen Journalisten Amir Musawy und der SWR-Autorin Esther Saoub stammt ein Filmbeitrag, der erzählt, dass die Soldaten dort auch einen Schrank voller Antiken fanden – darin auch Stücke, die mutmaßlich aus dem geplünderten Museum in nordirakischen Mossul stammen. Der erste echte Beweis für die Antikengeschäfte des IS? "Es ist schon viel gemutmaßt und behauptet worden, über die Verbindung des IS zum illegalen Handel mit Antiken", sagte Esther Saoub dem DGUF-Newsletter. "Es werden sogar Summen genannt, einen wirklich greifbaren Beweis hat aber bislang niemand vorgelegt. Dieser Fund ist in meinen Augen das bislang stärkste Indiz, wenn auch kein endgültiger Nachweis dafür, dass IS wirklich mit Antiken handelt. Die Tatsache aber, dass die Stücke nicht nur verpackt waren, sondern teils sogar restauriert, legt doch die Vermutung sehr nahe, dass sie nicht zerstört werden sollten, sondern transportiert und verkauft. Warum sonst würde man ein Stück reparieren? Ein Fragezeichen allerdings bleibt: Die US-Spezialeinheit war allein bei ihrem Einsatz. Kein Unbeteiligter hat gesehen, was geschehen ist. 'Abu Sayyaf' ist tot, seine Frau sitzt im Gefängnis. Momentan bleibt uns also nichts anderes übrig, als dem Bericht der US-Botschaft zu glauben und dabei einen Restzweifel zu behalten." Mitte Juli hat das US-amerikanische Bureau of Educational and Cultural Affairs Informationen ins Netz gestellt, darunter die Abbildung alle Funde.
Amir Musawy, Esther Saoub: "USA finden Artefakte bei IS-Führer" (ARD-Mittagsmagazin, 15.7.; Video, 2:28 Min.): http://www.tagesschau.de/ausland/is-203.html
Samuel Hardy: "The ‘first material proof’ that Islamic State is trafficking antiquities" (Conflict Antiquities, 15.7.): https://conflictantiquities.wordpress.com/2015/07/15/syria-iraq-islamic-state-conflict-antiquities-trafficking-forensic-evidence-mosul-museum/
"Artifacts looted during the Iraq invasion turned up in the house of an Islamic State leader" (The Washington Post, 15.7.): https://www.washingtonpost.com/blogs/worldviews/wp/2015/07/15/how-ancient-artifacts-looted-during-the-iraq-invasion-turned-up-in-the-house-of-an-islamic-state-leader/
ISIL Leader’s Loot (Bureau of Educational and Cultural Affairs, 15.7.): http://eca.state.gov/cultural-heritage-center/iraq-cultural-heritage-initiative/isil-leaders-loot

3.4.
Vermehrt Antiken aus Syrien im Schweizer Kunsthandel?
Mitte Juli berichteten Schweizer Medien über den Verdacht, dass aktuell vermehrt Antiken aus Syrien auf dem Markt angeboten würden. Die in den Berichten kontrastierend gegenübergestellten Aussagen der Beteiligten sind nicht überraschend: Der Kunsthandel betont, dass alles legal sei - wobei das zentrale Argument in der Schweiz meist ein Erwerb der Objekte vor dem Jahr 2005 ist, in dem das Land eine erheblich strengere Gesetzgebung einführte. Die einschlägigen Behörden wie z. B. der Zoll betonen die Strenge und Effektivität ihrer Kontrollen. Doch die mit der Archäologie Syriens vertrauten Wissenschaftler bleiben bei ihrem Eindruck, dass derzeit viele illegale Antiken auf dem Markt angeboten würden. So beobachtet Marc-André Haldimann (Uni Bern), dass auffallend viele Serienprodukte im Handel auftauchten, bei denen im konkreten Einzelfall ein Herkunftsnachweis besonders schwierig sei. In Summe ergibt sich das Bild eines routinierten Betriebs, bei dem alle Beteiligten ihr Prestige pflegen, wobei offen bleibt, inwieweit dies berechtigt ist. Für die aktuelle Debatte in Deutschland um die überfällige und für 2016 angekündigte Renovierung des Kulturgüterschutzgesetzes bietet die Debatte jedoch wertvolle Hinweise auf typische Argumentationsmuster und Gesetzeslücken.
"Zweifelhafte Artefakte aus Syrien: Kunst aus dem Kriegsgebiet" (NZZ, 12.7.): http://www.nzz.ch/nzzas/nzz-am-sonntag/kunst-aus-dem-kriegsgebiet-1.18578595
"Schweizer Galerien handeln mit Kulturgütern aus Kriegsgebiet" (BAZ, 12.7.): http://bazonline.ch/schweiz/standard/Schweizer-Galerien-handeln-mit-Kulturguetern-aus-Kriegsgebiet/story/29730159

3.5.
Schweiz bietet "Safe Haven" für ausländische Kulturgüter an
Mitte Juli berichteten deutsche Medien über das Angebot der Schweiz, zeitweilig als "sicherer Hafen" für im Heimatland gefährdete Kulturgüter zu dienen. Neu ist das Angebot nicht. Denn die Politik in der Schweiz hatte Ende 2013 den politischen Willen dazu formuliert und die nötigen gesetzlichen Regelungen geschaffen. Staaten in Krisenlagen wie etwa Bürgerkriegen, die ihre wertvollen Kulturgüter zur Sicherung bis auf weiteres auslagern möchten, können diese in die Schweiz geben. Nach Inkrafttreten des Gesetzes Mitte 2014 haben die einschlägigen Schweizer Behörden mit der Umsetzung begonnen und alte, militärisch überflüssig gewordene Munitionsdepots tief unter den Alpen entsprechend hergerichtet, damit bieten sie nun sichere und qualitativ hochwertige Depoträume an. Doch ist dies mehr als eine Geste, die gut aussieht und dem Prestige der wegen ihrer sehr aktiven Antikenhändler oft kritisierten Schweiz helfen soll? Wohl kaum, mein Prof. Mirko Novák, Vorderasiatischer Archäologie an der Universität Bern. Denn die Auslagerung nationaler Kulturgüter in die Schweiz etwa seitens der syrischen Regierung sei ein kaum zu verheimlichender und symbolhafter Akt, der von keinem umstrittenen und gefährdeten Regime zu erwarten sei. Zudem seien etwa in Syrien die immobilen Kulturgüter weitaus gefährdeter denn die beweglichen Objekte.
"Ein sicherer Fels für bedrohte Schätze: Schweiz als Bergungsort für ausländische Kulturgüter" (WDR5, 10.7.): http://www.wdr5.de/sendungen/scala/schweizer-bergungsort-kultur-100.html
"Hafen für gefährdete Kulturgüter: Der sichere Fels bei Affoltern" (Deutschlandradio, 16.7.): http://www.deutschlandradiokultur.de/hafen-fuer-gefaehrdete-kulturgueter-der-sichere-fels-bei.979.de.html?dram:article_id=325579
"Schutz der Kulturgüter bei bewaffneten Konflikten. Bundesgesetz. Totalrevision" (Die Bundesversammlung - Das Schweizer Parlamanet, 13.11.2013): http://www.parlament.ch/d/suche/Seiten/legislaturrueckblick.aspx?rb_id=20130090
"Kulturgüterschutz: Parlament will Kulturgüter neu auch vor Feuer und Wasser schützen" (Blick.ch, 4.6.2014): http://www.blick.ch/news/schweiz/kulturgueterschutz-parlament-will-kulturgueter-neu-auch-vor-feuer-und-wasser-schuetzen-id2891725.html
"Ständerat setzt Zeichen gegen Handel mit gestohlenen Kulturgütern" (awp, 3.3.2015): http://felix-gutzwiller.ch/wp-content/uploads/150303_awp.pdf
"Asyl für syrische Kulturgüter in der Schweiz" (5.4.2015): http://www.srf.ch/kultur/gesellschaft-religion/asyl-fuer-syrische-kulturgueter-in-der-schweiz

3.6.
Antikenhandel und Terror - eine Podiumsdiskussion (Mainz, 10.7.)
Mitte Juli fand am RGZM Mainz eine Podiumsdiskussion statt zum Thema "Fördert der Handel mit Antiken den internationalen Terror?". Anlass war die Präsentation des Buchs "Stolen, Smuggled, Sold. On the Hunt for Cultural Treasures" von Nancy Moses, der ehemaligen Direktorin des History Museum Philadelphia. An der Podiumsdiskussion nahmen Eckard Laufer (LKA Wiesbaden) teil, Michael Müller-Karpe (RGZM), Michelle Müntefering (MdB) und der Journalist Amir Musawy (Iraquia TV; vgl. dieser Newsletter Punkt 3.3.). Rainer Schreg, Mitarbeiter des RGZM und Autor des Blogs "Archaeologik", resümiert die Veranstaltung in einem überaus lesenswerten Beitrag.
Rainer Schreg, "Antikenhandel und Terror - eine Podiumsdiskussion" (Archaeologik, 11.7.): http://archaeologik.blogspot.de/2015/07/antikenhandel-und-terror-eine.html
"'Kulturzeit'-Gespräch mit Nancy Moses: Antikenhandel und Terrorismus: Fördert der Handel mit Antiken den internationalen Terror?" (3sat, 10.7.; Video, 5:37 Min.): http://www.3sat.de/mediathek/?mode=play&obj=52833
"Raubkunst und geplünderte Königsgräber: So finanziert sich der IS" (Ostthüringer Zeitung, 13.7.): http://www.otz.de/startseite/detail/-/specific/Raubkunst-und-gepluenderte-Koenigsgraeber-So-finanziert-sich-der-IS-2102177526


4. Ausbildung, Job-Themen und Personalia
4.1.
Jörg Biel verstorben
Am 18.7. verstarb nach langer, schwerer Krankheit im Alter von 72 Jahren der langjährige Landeskonservator von Baden-Württemberg, Dr. Jörg Biel. Nach seinem Studium in Tübingen und einer Dissertation über "Vorgeschichtliche Höhensiedlungen in Südwürttemberg-Hohenzollern" (1972, gedruckt 1987) wurde der aus Bad Urach stammende Prähistoriker im Fach überregional bekannt vor allem durch seine Grabung und archäologische Erforschung des keltischen Fürstengrabes von Eberdingen-Hochdorf. 1994 wurde er Landesarchäologe von Baden-Württemberg, zum August 2008 trat er in den Ruhestand.
Prof. Dr. Dirk Krausse, Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg, zum Tode von Jörg Biel (Verband der Landesarchäologen, 28.7.): http://www.landesarchaeologen.de/aktuelles/newsdetails/zum-tode-von-dr-joerg-biel/cfe1d1ea72757c66d33bddd4dc96c687/
Publikationen von Jörg Biel: http://www.statistik.baden-wuerttemberg.de/LABI/LABI.asp?HC=226w1TyiT.r&K2=2&T2=Biel%2C+J%F6rg

4.2.
Mathias Hensch beklagt die mangelnde Bezahlung in der privatwirtschaftlichen Archäologie
Der vor allem in Bayern tätige Firmen-Archäologe Dr. Mathias Hensch denkt in seinem Blog "Schauhütte" über die finanzielle Situation der Firmenarchäologie nach, die geprägt sei von Termindruck und Unterbezahlung. Die Entlohnung der schwierigen und anspruchsvollen Arbeit liege oft kaum über dem gesetzlichen Mindestlohn und sei im Vergleich zu anderen Gewerken und der erforderlichen Qualifikation inakzeptabel niedrig. Es liege an der Archäologie selbst, ihre Wertschätzung und eben auch faire Löhne und Preise durchzusetzen. Grundlegend neu sind Henschs Beobachtungen und Thesen nicht, aber dennoch lesenswert und vor allem einer Diskussion wert. Die öffentliche Hand beauftragt keine Firmen, die nicht nach Tarif bezahlen. Warum eigentlich erhalten Investoren und die von ihnen beauftragten Firmen vom Staat eine Grabungsgenehmigung, obwohl sie nicht nach Tarif bezahlen?
"In eigener Sache: Kritische Anmerkungen zur Geschäftsstrategie von Grabungsfirmen in Bayern (und anderswo)" (Blog Schauhütte: Anschauliche Archäologie", 22.7.): http://www.schauhuette.de/blog/archives/777

4.3.
Archäologien an der Universität Saarbrücken gerettet !?
Die Fächer Ur- und Frühgeschichte sowie Klassische Archäologie an der Universität Saarbrücken waren von einer vollständigen Streichung bedroht, wogegen sich beide betroffenen Fächer Mitte Dezember 2014 in getrennten Petitionen wendeten und um eine breite öffentliche Unterstützung baten (DGUF-Newsletter vom 19.12.2014 Punkt 1.3.; DGUF-Newsletter vom 20.4.2015 Punkt 8.3.). Die Petitionen gewannen bis 31.7. 1.707 (Klassische Archäologie) und 2.446 (Vor- und Frühgeschichte) Unterschriften, ein nennenswerter Zuwachs ist seit längerem nicht feststellbar. Ein gemeinsames Angebot von DGUF und dArV vom Januar 2015 an das zuständige Saarbrücker Ministerium und an die Universitätsleitung, mit externer fachlicher Beratung zu helfen, wurde in Saarbrücken nicht aufgegriffen. Nun sind offenbar an der Universität die Sparentscheidungen gefallen und konkretisiert worden. Die Petenten pro Ur- und Frühgeschichte meldeten am 20.7. einen Erfolg: das Fach bleibe an der Universität Saarbrücken erhalten. Die recht unspezifische Meldung veranlasste die Redaktion des DGUF-Newsletters zur Nachfrage. Wie ein Vertreter der Universität Saarbrücken dem DGUF-Newsletter gegenüber spezifizierte, werde für das Fach Ur- und Frühgeschichte das laufende, jedoch bereits zuvor unterbrochene Berufungsverfahren für eine W3-Professur förmlich abgebrochen und anschließend die Stelle als W2-Professur neu ausgeschrieben. Die in der Ur- und Frühgeschichte bestehende Stelle eines akademischen Rates werde nach dessen Pensionierung Ende 2015 nicht wieder besetzt werden. Für die Klassische Archäologie seien verbindliche Beschlüsse noch nicht gefallen, doch zeichnet sich hier der Erhalt als W1-Stelle ab. Archäologien gerettet? Wohl kaum. Mit einer W2- und einer W1-Stelle ist ein wie auch immer geschnittener eigenständiger Studiengang unter Bologna-Bedingungen nicht aufrecht zu erhalten. Das ist eher eine Abwicklung in Raten. Keine Missverständnisse: Man sollte sich über eine gerettete W2- und W1-Stelle freuen! Gewiss kann dies eine nützliche Plattform für den Nachwuchs sein, gewiss ist damit ein gewisser Lehrbetrieb möglich. Aber von einem Erhalt des Faches kann mit einer solchen Ausstattung nach Einschätzung der DGUF keine Rede sein. Man lese die jüngst von R. Echt (2015) verfasste Institutsgeschichte samt den großen Forschungsprojekten, um sich erinnernd zu vergewissern, wie heftig der nunmehrige Verlust ist.
Petition zum Erhalt der Klassischen Archäologie: https://www.change.org/p/an-die-landesregierung-des-saarlandes-erhalt-der-professur-f%C3%BCr-klassische-arch%C3%A4ologie-an-der-universit%C3%A4t-des-saarlandes
Petition zum Erhalt der Ur- und Frühgeschichte: https://www.change.org/p/ministerpr%C3%A4sidentin-annegret-kramp-karrenbauer-und-den-universit%C3%A4tspr%C3%A4sident-prof-dr-volker-linneweber-erhaltet-die-vor-und-fr%C3%BChgeschichte-an-der-universit%C3%A4t-des-saarlandes
Meldung der Petenten vom 20. Juli 2015: https://www.change.org/p/ministerpr%C3%A4sidentin-annegret-kramp-karrenbauer-und-den-universit%C3%A4tspr%C3%A4sident-prof-dr-volker-linneweber-erhaltet-die-vor-und-fr%C3%BChgeschichte-an-der-universit%C3%A4t-des-saarlandes/u/11448596
Echt, R. & Loew, A. M. (2015). Aus dem Saarland in die Welt und zurück: 50 Jahre Forschungen des Instituts für Vor- und Frühgeschichte und Vorderasiatische Archäologie der Universität des Saarlandes (1964–2014). In M. Koch (Hrsg.). Archäologie in der Großregion - Beiträge des internationalen Symposiums zur Archäologie in der Großregion in der Europäischen Akademie Otzenhausen vom 7. - 9. März 2014. (S. 15-46). Nonnweiler: Europäische Akademie Otzenhausen.


5. Open Access & Open Data
5.1.
Archäologische Informationen 13, 1990, neu im Open Access
Der Doppelband des Jahrgangs 1990 der Archäologischen Informationen ist jetzt retrodigitalisiert und im Open Access verfügbar. Das erste Heft enthält insbesondere Aufsätze, die aus der DGUF-Jahrestagung im Mai 1990 in Maastricht hervorgingen und die - im Jahr der Vereinigung Deutschlands - von einer Unruhe im Fach und einem großen Diskussionsbedarf der damals Jüngeren zeugen. Unter dem Oberthema "Gesellschaft und Archäologie: Selbstbild, Spiegelbild, Trugbild" unternimmt Winrich Schwellnus eine Zwischenbilanz und Standortbestimmung nach 20 Jahren DGUF, stellt Heinrich Härke den informellen, damals starke Impulse gebenden "Unkeler Kreis" vor, skizziert J. H. F. Bloemers den um 1990 bemerkenswerten Stand der niederländischen Archäologie, stellt sich der Tübinger Arbeitskreis "Selbstverständnis der Archäologie" vor, erinnern Lutz Fiedler und Hartmut Thieme am Beispiel eines menschlichen Schicksals an den - manchmal eben mangelnden - "aufrechten Gang". Das zweite Heft ist - typisch für die damaligen Arch. Inf. - dann vor allem einem Sachthema gewidmet, in diesem Fall dem Thema "Computer-Anwendungen". Der mit zwölf Beiträgen ungewöhnlich reiche Schwerpunkt gibt Heutigen einen kompakten Überblick über die Themen und den technischen Stand der EDV-Anwendung in der Archäologie um 1990. Unter den übrigen Aufsätzen sind besonders wieder-lesenswert der Bericht von Heinrich Härke über die deutsche Sektion auf der Tagung der "Theoretical Archaeology Group" 1990 in Lampeter und der Bericht des damaligen Kieler Studenten und heutigen Landesarchäologen von Niedersachsen, Henning Haßmann, über eine Studententagung im Sommer 1990 in Göttingen. Aus heutiger Sicht spannend an Haßmanns Schilderung sind weniger die konkreten Sorgen und Themen der Studierenden, die dort rege diskutiert wurden, sondern deren heute letztlich kaum verändertes (d. h. nicht wirklich gelöstes) Fortdauern - ohne dass es ähnlich bewegte und engagierte studentische Treffen gäbe.
Arch. Inf. 13(1), 1990: http://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/arch-inf/issue/view/2301
Arch. Inf. 13(2), 1990: http://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/arch-inf/issue/view/2302

5.2.
Fünf Wissenschaftsverlage dominieren das Publikationswesen
Im Juni publizierte PloS ONE, eine der führenden Open-Access-Zeitschriften, eine systematische und weltweit angelegte Studie zum wissenschaftliche Publikationswesen der Jahre 1973-2013, soweit es vom "Web of Science" erfasst ist. Demnach erscheinen im Bereich Medizin und Naturwissenschaften zusammengenommen 50 % aller Aufsätze in nur fünf großen Wissenschaftsverlagen, bei den Sozialwissenschaften beträgt deren Anteil sogar 70 %. Nur in den Geisteswissenschaften ist die Konzentration auf wenige Verlage erheblich geringer. Im Laufe des Untersuchungszeitraums nahm die Konzentration auf diese wenigen Verlage stark zu, und parallel dazu wuchsen die Renditen dieser Verlage erheblich. Ein hohes Maß an Verantwortung für diesen Zustand tragen - so die Autoren - die wissenschaftlichen Gesellschaften und Vereine, die zumeist als Herausgeber der Zeitschriften fungieren.
Larivière, V., Haustein, S. & Mongeon, P. (2015). The Oligopoly of Academic Publishers in the Digital Era. PLoS ONE 10(6): e0127502. doi:10.1371/journal.pone.0127502 http://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0127502


6. Bürger und Archäologie / Citizen Science
6.1.
US-amerikanische Archäologie-TV-Show "Diggers" geläutert?
Die im Jahr 2012 von National Geographic gestartete Archäologie-Show "Diggers" - offensichtlich inspiriert von der erfolgreichen britischen TV-Serie "Time Team" (Channel 4; 1994-2014), stand wie auch "Time Team" in der heftigen Kritik der professionellen Archäologie: Die Serie würde die Suche nach Funden in den Mittelpunkt stellen, ihren kommerziellen Wert betonen, die Rechte der Landeigentümer missachten und zu Raubgrabungen ermuntern. Nach drei Staffeln mit insgesamt 40 Episoden und einer Unterbrechung wohl auch wegen der heftigen Kritik startet National Geographic nun die vierte Staffel mit neuem Konzept: unter Beteiligung professioneller Archäologen. Die Episoden sollen nun Projekte vorstellen, bei denen Sondengänger, engagierte Laien und professionelle Archäologen konstruktiv zusammenarbeiten und gemeinsam Forschungen unternehmen, wie die Anthropologin Kristina Killgrove in ihrem Blog bei Forbes berichtet.
Kristina Killgrove, "'Diggers' Returns For A New Season With Better Collaboration With Archaeologists" (Forbes, 20.7.): http://www.forbes.com/sites/kristinakillgrove/2015/07/20/diggers-returns-tonight-with-better-collaboration-with-archaeologists/
K. Kloor, "Archaeologists Protest 'Glamorization' of Looting on TV" (Science AAAS 1.3.2012): http://news.sciencemag.org/2012/03/archaeologists-protest-glamorization-looting-tv?rss=1
https://en.wikipedia.org/wiki/Time_Team

6.2.
Vom rechten Umgang mit Sondengängern: Die Debatte im Forum der Archäologischen Informationen und darüber hinaus
Zu der von Christoph Huth in den Arch. Inf. 36 (2013) angestoßenen Debatte über das britische Portable Antiquities Scheme (PAS) und den Umgang mit Sondengängern in Deutschland sind drei wichtige Aufsätze neu im Early View erschienen: Der Luxemburger André Schoellen möchte das Sondengehen stark einschränken und weist als Argumentationshilfe auf die zumeist unbekannten, gravierenden Gefahren durch Kampfmittel hin, deren unprofessionelle Bergung und Sammlung durch Sondengänger immer wieder zu schlimmen Unfällen führt. Auch Rainer Schreg teilt die Zuversicht von Huth nicht, sondern betont die negativen Aspekte des britischen Modells und warnt mit Blick auf die Schäden vor allem am Befund vor einer (eh nicht möglichen) 1:1-Übertragung nach Deutschland. Demgegenüber stellt ein Autorenteam um den schleswig-holsteinischen Landesarchäologen Claus von Carnap-Bornheim das dortige Modell einer umfassenden Kooperation vor, das dem Vorgehen in Dänemark nicht unähnlich ist. Den ehedem ablehnend-restriktiven Umgang mit Sondengängern habe man überdacht und heute in ein pragmatisch-kooperatives Verhältnis gewandelt, das klare Abmachungen mit Sondengängern, eine Zertifizierung und eine Ausbildung umfasst. Da die Landesarchäologie in Niedersachsen neu ähnlich vorgeht und innerhalb von Nordrhein-Westfalen zumindest der Landesteil Westfalen ähnlich agiert, deutet sich ein grundlegender Wandel in einigen großen und gewichtigen Landesarchäologien an. Interessant, dass jene Landesarchäologien, die - gewiss wohlüberlegt und mit guten Argumenten - weiterhin an ihrer strikten Ablehnung des Sondengehens festhalten (vgl. Arch. Nachrichtenbl. 11, 2006), in der in den Arch. Inf. transparent geführten Debatte bislang schweigen. Umso gespannter darf man auf die Vorträge zur 82. Tagung des Nordwestdeutschen Verbandes für Altertumsforschung in Hannover (3.-5.9.) sein, die ganz dem Thema Detektor-Archäologie gewidmet sind.
Schreg, R. (2015). Das Portable Antiquities Scheme als Vorbild? Anmerkungen zum Beitrag von Christoph Huth, Arch. Inf. 36, 2013. Archäologische Informationen, Early View, online publiziert 6. Juli 2015.
v. Carnap-Bornheim, C., Ickerodt, U. & Siegloff, E. (2015). Einige Bemerkungen zu Christoph Huths Beitrag "Vom rechten Umgang mit Sondengängern" – die Schleswig-Holsteinische Perspektive. Archäologische Informationen, Early View, online publiziert 6. Juli 2015.
Schoellen, A. (2015). Metalldetektoren: Militärische Kampfmittel als Rettungsanker für unser archäologisches Erbe? Archäologische Informationen, Early View, online publiziert 24. Juli 2015.
17. Kolloquium des Verbandes der Landesarchäologen "Detektor-Archäologie - Kooperative Modelle in Denkmalpflege und Forschung. 82. Tagung des Nordwestdeutschen Verbandes für Altertumsforschung und 17. Tag der Niedersächsischen Denkmalpflege 2015, in Hannover vom 03. bis 05. September 2015": http://www.denkmalpflege.niedersachsen.de/portal/live.php?navigation_id=36655&article_id=134690&_psmand=45
"Wer stiehlt unsere Vergangenheit? Archäologische Quellen zwischen öffentlichem Interesse und privater Verwertung", in: Archäologisches Nachrichtenblatt, Band 11, 2/2006.

6.3.
DRadio Wissen informiert über das Sondengehen
DRadio Wissen hat Ende Juli in mehreren Interviews das Thema Sondengehen behandelt. In den Berichten und Interviews kommen u. a. der Sondengänger Carsten Konze und der niedersächsische Landesarchäologe Henning Haßmann zu Wort, die Website enthält weiterführende Links.
"Suchfiber: Komm, wir finden einen Schatz. Unterwegs mit dem 'German Treasure Hunter'" (28.7., Audio, 5:34 Min.): http://dradiowissen.de/beitrag/suchfieber-komm-wir-finden-einen-schatz
"Hobby-Archäologen: Schatzsucher oder Raubgräber?" (28.7.; Audio, 8:46 Min.): http://dradiowissen.de/beitrag/hobby-arch%C3%A4ologen-schatzsucher-oder-raubgr%C3%A4ber

6.4.
Finanzierungs-Krise des PAS bestätigt
Wie der DGUF-Newsletter vom 4.7.2015 Punkt 4.5. unter Berufung auf Paul Barford berichtete, steht das auch international beobachtete und viel diskutierte PAS in Großbritannien vor schwerwiegenden, finanzbedingten Änderungen. Bislang waren diese Informationen nur informell. Nun berichtet Rebecca Atkinson im Museums Journal, dass Roger Bland, der bisherige Leiter des PAS-Projektes, zurückgetreten ist und das British Museum zum 1.8. verlässt. Grund für den Rückzug sei die Kürzung der Mittel für das PAS seit April 2015 um 6 % und die Verlagerung des PAS-Teams in das "Department Learning, Volunteers & Audiences" des British Museum, mit der künftig wohl auch eine andere Ausrichtung seiner Aktivitäten verbunden sei. Das British Museum hat indes in einer Erklärung versichert, dass die Kürzungen alle Abteilungen des Hauses beträfen und durch Einsparungen und Effizienzsteigerungen gesichert sei, dass das PAS in seinen Grundfunktionen erhalten bleibe. Der renommierte Numismatiker Roger Bland war beim PAS seit seiner Gründung 1996 führend engagiert. Die Finanzierung des PAS dient dazu, die notwendige Datenbank im British Museum zu betreiben und vor allem jene Archäologen ("FLOs") an 47 Standorten in England und Wales zu bezahlen, welche die Fundmeldungen annehmen, die Funde bestimmen und in die Datenbank eintragen. Im September 2014 hatte das PAS den Millionsten Fund registriert.
"Roger Bland quits BM over cuts to PAS" (Museums Journal, 28.7.): http://www.museumsassociation.org/museums-journal/news/28072015-roger-bland-steps-down-from-pas
"Roger Bland Resigns as Portable Antiquities Scheme is Reorganized Within BM" (Committee for Cultural Policy): http://committeeforculturalpolicy.org/roger-bland-resigns-as-portable-antiquities-scheme-is-reorganized-within-bm/

6.5.
Bogen zur Archäologie: "Schatzsuche 2.0: Abenteuer Geocaching" (Takt, Sommer 2015)
So, wie in den ICEs und überregionalen Zügen der Deutschen Bundesbahn das kostenlose Monatsmagazin "mobil" ausliegt, findet man in Regionalzügen gelegentlich die Zeitschrift "Takt - Die Bahn in Ihrer Region". Das Titelthema der Sommerausgabe 2015 für Nordrhein-Westfalen lautet "Schatzsuche 2.0: Abenteuer Geocaching", dem dann im 16-seitigen Heft die Seiten 3-7 gewidmet sind. "Jäger der verborgenen Schätze" titelt der Leitartikel, der erklärt, was Geocaching ist, nämlich die GPS-gestützte Suche nach "Schätzen", die kollektiv hinterlegt und wiederum aufgespürt werden. Ein Volkssport, zu dem sich auch der Geschäftsführer der Deutschen Wanderjugend begeistert äußert. Eigentlich - so erläutert der Beitrag - geht es im Kern um moderne, artifizielle "Schätze" ohne hohen Wert, mehr um das Suchen und Finden denn um die Objekte. Doch da der Gedanke an echte Schätze naheliegt, schlägt der Beitrag am Ende den Bogen auch zu diesen, nämlich zu archäologischen Funden. Knapp und sorgfältig verweist er auf die Rechtslage und ermuntert, solche Entdeckungen ggf. den Fachämtern zu melden. Auf der folgenden Seite outet sich dann der Comedian Bernhard Hoëcker als Fan des Geocaching. Wie schon in der Juli-Ausgabe von "mobil" (vgl. DGUF-Newsletter vom 4.7.2015 Punkt 4.6.), fügt sich hier ein neues Begriffsfeld, eine Assoziationskette zusammen: Natur, Wandern, Spaß haben, gemeinsam etwas unternehmen, GPS, Sondengehen, Schätze, Archäologie. Ein mögliches junges, modernes Publikum (oder besser: Mitmacher) auch für die Archäologie - wenn man es denn zu gewinnen verstünde.
http://www.bahn.de/regional/view/regionen/nrw/info/takt_nrw.shtml


7. Und sonst …
7.1.
Die Minions erklären den Untergang des Weströmischen Reichs. Oder: über die allmähliche Modernisierung der Lehre und der Lehrbücher
Der Niedergang des Römischen Weltreiches galt seit jeher als interessanter Stoff althistorischer Betrachtungen, besonders dann, wenn moderne Imperien in der Krise waren oder sich in einer solchen fühlten. Wie wird dieser zum Vergleich mit der Gegenwart anregende Stoff an Geschichts-Studierende und werdende Geschichtslehrer vermittelt? "Damals noch", d. h. in den 1960/70er Jahren vermutlich, indem man in einem Seminar 90-minütige Referate vergeben hätte, um "die Klassiker" zu lesen und zu analysieren, beispielsweise das berühmte sechsbändige Werk des britischen Historikers Edward Gibbon (1737-1794) "History of the decline and fall of the Roman Empire". Nach Durcharbeiten dieser ca. 3.200 Druckseiten hätte man sich noch rasch den neueren Forschungsstand erschlossen, etwa anhand einzelner Bände der Enzyklopädie Haase & Temporini (1972 ff.). Mit der Ablösung der grundständigen Promotion durch Magisterstudiengänge erschien das als zu aufwendig oder auch unzumutbar. So tauchten seit Mitte der 1980er Jahre stark zusammenfassende Synthesen auf dem Markt auf, etwa die klug gemachte Reihe "Oldenburg Grundriss der Geschichte", die solche Themen ausnehmend kondensiert und zugleich mit erschöpfenden Verweisen auf die aktuellen Debatten und die Forschungsliteratur aufbereiteten. Knapp 300 Seiten im Format DIN A5, wie etwa die empfehlenswerten Bände von W. Dahlheim (1984) und J. Martin (1987). Doch trotz häufiger Aktualisierung durch Neuauflagen und der späteren Verfügbarkeit als eBook hat sich das Format heute schon fast überlebt: zu viel, zu dick. So schufen die Bologna-Reform und ihre BA-Studiengänge einen neuen Bedarf. Heute sieht man in der Hand von BA-Studierenden eher handlichere Bände wie etwa jene um die Jahrtausendwende aufgekommene Reihe "Beck Wissen", die bei kleinerem Format auf etwa 128 Seiten alles Wesentliche darbietet, z. B. M. Clauss (1996), K. Rosen (2002) oder K. Bringmann (1995). Abschreckende Fußnoten oder Literaturverweise im Text sind nun entfallen, zu Gunsten einer Seite "weiterführende Literatur" am Ende der Hefte. Doch ist das kurz genug fürs Bulimie-Lernen auf die Klausur? Es geht kürzer, lehrt uns BuzzFeed, das 2006 gegründete ausnehmend erfolgreiche Medienportal. In 1.348 Wörtern, animiert durch zahlreiche Clips der Minions, erklärt Luke Bailey das Thema treffend, kurz und bündig. Der Platz reicht sogar aus, um am Ende des Beitrags zwei gut gewählte weiterführende Bücher zu empfehlen. Allzu eng ist der Text-Bild-Bezug nicht, die Minion-Clips sind eher zappelnde Bewegtbilder zur Belebung von Textschnipseln, die groß und fett gesetzt sind, eher aufs Smartphone-Display hin formatiert denn auf einen Laptop-Bildschirm. So hat sich in einem halben Jahrhundert die intellektuelle Herausforderung verändert: Ehedem mit einer Fülle an Quellen und Sekundärliteratur konfrontiert, sollte man selbst das Wesentliche herausarbeiten und erkennen, und doch blieb ob des Nicht-Gelesenen stets voll Demut und eines schlechten Gewissens: "Ich weiß, dass ich nichts weiß". Nun wird nur mehr das Wesentliche skizziert, es liest sich leicht, und das Übersehen der nur dezent erwähnten "weiterführenden Literatur" macht auch kein schlechtes Gewissen mehr.
Luke Bailey: "The decline and fall of the western Roman Empire, explained by Minions. This is a complex issue, and therefore Minions should explain it" (BuzzFeed, 7.7.): http://www.buzzfeed.com/lukebailey/when-in-rome-do-as-the-minions-do#.vxxV2zaajx

7.2.
Social Media: Der richtige Umgang mit Shitstorms und Kritik
Die Furcht vor Shitstorms und Gerüchte von scheinbar unbewältigbaren Situationen halten viele Museumsleitungen und Chefetagen archäologischer Fachbehörden vom Gang in die Social Media ab. Wer sich nicht von Vorbehalten leiten lassen will, braucht Faktenwissen: Was steckt hinter dem Begriff Shitstorm? Kann ein negativer Beitrag über das eigene Haus oder die eigene Arbeitspraxis, z. B. zum Umgang mit Ehrenamtlichen, zum Shitstorm werden? Wie geht man erfolgreich mit kritischen und negativen Beiträgen um? Erfahrene und geschulte Betreuer von Social-Media-Accounts sind in der Lage, aus einer regen Diskussion sogar Vorteile zu ziehen. Wie schaffen sie das? Welche Ressourcen sind nötig, wie müssen kritische Situationen im Vorfeld trainiert werden? Welchen Einfluss hat Social-Media-Management auf klassische Hierarchien und Kommunikationsstrukturen? Wir haben ein paar aktuelle, empfehlenswerte Hinweise für Sie gesammelt.
"Nach der Shitstorm-Panik – professioneller Umgang mit ungewünschten Beiträgen" (Social Media Talk, 29.6.): http://www.socialmedia-talk.com/nach-der-shitstorm-panik-professioneller-umgang-mit-ungewuenschten-beitraegen/
"10 Tipps für den richtigen Umgang mit einem Shitstorm" (Krisen-Blog): http://blog.kommunikation360.de/shitstorm/10-tipps-fuer-den-richtigen-umgang-mit-einem-shitstorm
"Umgang mit Shitstorms und Kritik" (Allfacebook, 4.2.): http://allfacebook.de/policy/umgang-mit-shitstorms-und-kritik-rechtliche-stolperfallen-im-facebook-marketing-teil-21
"Social Media Pro Tipp: Das richtige Shitstorm Management" (geistreich78, 24.9.2014): https://geistreich78.info/social-media/social-media-pro-tipp-das-richtige-shitstorm-management

7.3.
Tagung "Quo vadis Denkmalrecht? Kulturerbe zwischen Pflege und Recht" (Münster, 15.-17.7.)
Das spröde Thema Recht und Rechtsprechung im Denkmalschutz versammelte in Münster etwa 200 Tagungsteilnehmer, darunter auch einen Vertreter der DGUF. Das Deutsche Nationalkomitee für Denkmalschutz (DNK), der Landschaftsverband Westfalen-Lippe und die Universität Münster hatten mehrere Grußworte, zwölf ausführliche Fachvorträge und eine Podiumsdiskussion eingeworben für eine dreitägige Veranstaltung, die Juristen, Archäologen wie Baudenkmalpfleger gleichermaßen ansprach. Vorträge wie Diskussionen, die in die angenehm umsorgten Kaffeepausen und Abendempfänge ausgedehnt wurden, führten zu einem regen Erfahrungsaustausch unter den Experten. Die Vorträge sollen 2016 in der Schriftenreihe des DNK publiziert werden. Welche Eindrücke ergaben sich über die einzelnen Vorträge hinaus bzw. verbanden diese? Die föderale Struktur der Bundesrepublik Deutschland macht den Aufbau gebündelter Expertise schwierig, da weniger der Bund, sondern 16 unterschiedliche Gesetzgeber, Rechte und Rechtsprechungen relevant sind und daher überblickt werden wollen. Die von allen Experten als zunehmend wichtig und dynamisch eingeschätzte Entwicklung des Europarechts (EU) und europäischer Konventionen (Europarat), die wiederum in kompliziert diversifizierten und nicht immer unmittelbar einleuchtenden Feldern stattfinden, vermehren die Komplexität. Im Ergebnis steht oft nur ein Experte für ein relevantes Themengebiet zur Verfügung. Die wachsende Bedeutung der europäischen Ebene sei in ihren Konsequenzen, die in Deutschland über den Bund hinweg direkt in den Ländern relevant und umzusetzen seien, noch nicht immer angekommen. Sowohl der Jurist J. Oebbecke wie auch der ehemalige Richter E. Blume betonten, dass angesichts der politischen Forderung nach mehr Bürgerbeteiligung das Verbandsklagerecht auch im Denkmalschutz zunehmend an Bedeutung gewinnen werde. Denn wie im Naturschutz gehe es um Rechtssubjekte, "die sich selbst nicht wehren können", so Oebbecke, und daher von Interessenverbänden zu vertreten seien. Wie Blume betonte, gebe es in Deutschland derzeit nur wenige Verbände, die nach Ihrer Satzung ein Verbandsklagerecht im Denkmalschutz ausüben könnten, insbesondere die DGUF und der BHU.
Ein Tagungsrückblick auf der Website des LWL: http://www.lwl.org/dlbw/service/veranstaltungen/quo-vadis-denkmalrecht

7.4.
Fast komplett: der Archäologische-Informationen-Schwerpunkt "Sammlungsstrategien auf dem Prüfstand" (Tagung Berlin, 6.10.2014)
Die Fachgruppe Archäologische Museen und Sammlungen beim Deutschen Museumsbund hatte sich auf dem 8. Deutschen Archäologiekongress in Berlin im Oktober 2014 in ihrer Sektion mit dem Sammeln und Aufbewahren beschäftigt, genauer: mit der Frage, ob und inwieweit alle Funde aus archäologischen Surveys und Ausgrabungen auch nachhaltig aufbewahrt werden sollen und können. Nun sind fast alle Aufsätze im Open Access in den Archäologischen Informationen publiziert. Das Spektrum der vertretenen Thesen und Haltungen ist sehr breit. Der Archivar A. Pilger und der Archäologe R. Karl plädieren für eine starke Selektion des Aufzubewahrenden, während etwa der Landesarchäologe M. M. Rind den gesetzlichen Bewahrungsauftrag betont und B. Stoll-Tucker ein dafür geschaffenes Handbuch mit wohlbedachten Regeln und Systemen vorstellt. St. Weiß-König erlaubt einen Blick in die niederländische Praxis, wo das Archivgut nach übergreifend vereinbarten Regeln selektiert wird. D. H. Brown berichtet aus der britischen Praxis, wo große Probleme bestehen, das Fundgut aus verursacherfinanzierten Ausgrabungen nachhaltig zu lagern und daher ebenfalls vielerorten eine systematische Selektion vorgenommen wird. In Summe Aufsätze, die ein großes und wachsendes Problem umfassend beschreiben und viel Anregungen zum Nachdenken und Finden guter praxistauglicher Lösungen geben.
Derks, H. & Mühlenbrock, J. (2015). Wie sollen, wollen, können wir sammeln? Sammlungsstrategien auf dem Prüfstand – eine Einführung. Archäologische Informationen, Early View, online publiziert 15. Juli 2015.
Rind, M. M. (2015). Zur Problematik der Archivierung archäologischer Funde. Archäologische Informationen, Early View, online publiziert 8. Juli 2015.
Weiß-König, St. (2015). Archivieren und Aussondern von archäologischen Funden in der denkmalpflegerischen Praxis am Beispiel der Provinz Gelderland (Niederlande). Archäologische Informationen, Early View, online publiziert 30. Juli 2015.
Brown, D. H. (2015). Selecting Archaeological Archives in England. Archäologische Informationen, Early View, online publiziert 30. Juli 2015.
Pilger, A. (2015). Archivieren oder kassieren? Überlieferungsbildung in Archiven. Archäologische Informationen, Early View, online publiziert 15. Juli 2015.
Karl, R. (2015). Besser dem Zufall vertrauen oder strategisch auswählen? Selektionsstrategien für archäologische Sammlungen. Archäologische Informationen, Early View, online publiziert 18. Juni 2015.
Stoll-Tucker, B. (2015). Das EU-Projekt ARCHES und sein Handbuch zur archäologischen Archivierung. Archäologische Informationen, Early View, online publiziert 28. Juli 2015.
http://www.dguf.de/index.php?id=9

7.5.
Könnte sich lohnen: der MOOC "Ancient Egypt: A history in six objects"
Ab 26.10. startet auf der MOOC-Plattform Coursera der Kurs "Ancient Egypt: A history in six objects". Der Kurs verspricht einen allgemeinen Einblick in die Geschichte des alten Ägyptens und zwar anhand von sechs Ausstellungsstücken aus der Sammlung des Manchester Museums. Drei Dozenten der University of Manchester wollen damit beispielhaft die Entwicklung der ägyptischen Kultur über die Jahrtausende verdeutlichen. So führt z. B. ein dekoriertes prädynastisches Gefäß hin zur frühen Staatengründung und Steinbearbeitung. Das ist ein spannender pädagogischer Ansatz, der erst mal neugierig macht. Das Teaservideo zeigt beeindruckende Bilder, die Dozenten hingegen kommen etwas steif daher. Dabei ist Dr. Joyce Tyldesley die Autorin von mehreren gut verkauften populärwissenschaftlichen Büchern, so z. B. von "Tutankhamen’s Curse" (Profile Books, 2013). Mit zwei bis drei Stunden pro Woche ist der Zeitaufwand überschaubar. Ein kurzes Reinschauen könnte sich lohnen!
https://www.coursera.org/course/ancientegypt

7.6.
Zeitgeist oder "digital turn": Was sind und was leisten die Digital Humanities?
Als eine "neue Ära" sehen ihre Anhänger die "die Digital Humanities", sie seien nicht weniger als die neue Disziplin, die die Geisteswissenschaften revolutioniert. Doch was versteht man eigentlich unter Digital Humanities? Was sind "verflüssigte" Texte? Ein Artikel von Urs Haffner in der NZZ fasst zusammen und bewertet. Bis jetzt falle der Leistungsausweis eher bescheiden aus, schreibt er.
Urs Haffner: "'Digital Humanities' und die Geisteswissenschaften: Geist unter Strom" (NZZ, 20.7.): http://www.nzz.ch/feuilleton/geist-unter-strom-1.18582482

7.7.
Die Wikinger als UNESCO-Weltkulturerbe?
Island, Norwegen, Dänemark, Lettland und Deutschland beantragten, die Kultur der Wikinger zum UNESCO-Weltkulturerbe zu erklären. Er wurde zur Verbesserung und Wiedereinreichung zurückgegeben – zu vage sei er. Thomas Steinfeld sucht in der "Süddeutschen" nach Ursachen. Einige Staaten, auf deren heutigem Gelände die Wikinger einmal zu Hause waren, seien sich offenbar gar nicht so sicher, was sie mit diesem Erbe anfangen können.
Thomas Steinfeld, "Weltkulturscherben" (Süddeutsche, 8.7.): http://www.sueddeutsche.de/kultur/unesco-weltkulturscherben-1.2556471


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