DGUF Newsletter
vom 29. April 2020
Inhalt
1.1 "Das Fach schwindet": DGUF erhebt aktuelle Studierenden- und Absolventenzahlen zu UFG & AMANZ
1.2 In Not geratenen Archäologie-Masterstudierenden helfen: Der Fonds #DGUFNothilfe
1.3 Die DGUF-Ersti-Handreichung: Unsere Tipps für den Einstieg ins Archäologie-Studium
2.1 Neu im Early View der "Archäologischen Informationen"
2.2 Aktuelle Ausgrabungen und Forschung in den Medien
2.3 DFG veröffentlicht "Handreichung zum Umgang mit Forschungsdaten" für den Bereich "Alte Kulturen"
2.4 Neues Netzwerk zur Erforschung bronzezeitlichen Metallhandwerks
2.5 Genaue, verbindungsspezifische 14C-Datierung archäologischer Keramik
2.6 Schöningen (Niedersachsen): Zweites Wurfholz publiziert
2.7 "1 bis 2 % Neandertaler-Gene": was bedeutet das?
2.8 Schafschädel im Inneren eines menschengestaltigen Lehmkopfes entdeckt
3.2 Springer-Verlag: Einige Lehrbücher zu R und Statistik z. Zt. kostenlos
4.1 Aktuelles rund um Kulturgutschutz in den Medien
5.1 "Ein in vielerlei Hinsicht überraschendes Ergebnis": Lohnfindung per Meinungsumfrage?!
6.1 Propylaeum: Nachrichten aus Niedersachsens Urgeschichte (NNU) komplett im Open Access
7 Bürger und Archäologie & Citizen Science
7.1 Lehrmaterialien zur Vorgeschichte für britische Lehrer und Schüler
8.1 Museen in Zeiten der Pandemie: Es geht um eigentlich alles
8.2 Virtueller Besuch im Rössener Haus des Archäologischen Freilichtmuseums Oerlinghausen
8.3 Kritik an Heuneburg-Vermarktung
10.1 Für Kultureinrichtungen: Digitales Publikum gewinnen und pflegen
10.2 Online-Ressourcen zur Bioarchäologie von Säuglingen und Kindern für Dozenten und Studierende
1 DGUF-Nachrichten
1.1 "Das Fach schwindet": DGUF erhebt aktuelle Studierenden- und Absolventenzahlen zu UFG & AMANZ
Anfang 2020 hatte die DGUF per Umfrage an allen Instituten für Ur- und Frühgeschichte (UFG) sowie Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit (AMANZ) die Studierenden- und Absolventenzahlen für das Jahr 2019 zusammengetragen. Jetzt liegt - erstmals seit zwei Jahrzehnten - wieder ein bundesweiter Überblick vor. Ein wesentliches Ergebnis: das Fach schwindet. Während im Vergleich zum Zeitraum 1995-2000 heute an Universitäten 32 % mehr Menschen studieren, sind UFG & AMANZ im gleichen Zeitraum um etwa 10 % geschrumpft. Fast alle BA-Absolventen nehmen ein MA-Studium auf, heute ist der Master der Regelabschluss, mit dem man ins Berufsleben eintritt. Die Promotionsquote ist gegenüber älteren Erhebungen stark gesunken. Ein Vergleich der ca. 132 MA-Absolventen im Fach UFG & AMANZ im Jahr 2019 mit aktuellen Arbeitsmarktdaten zeigt, dass derzeit eine hohe Chance besteht, nach dem Studium auch einen Arbeitsplatz im Fach zu finden. Die Ergebnisse der Befragung stehen wie immer im Open Access allen Interessierten zur Verfügung.
Siegmund, F. (2020). Die Studierenden- und Absolventenzahlen in den Fächern Ur- und Frühgeschichte sowie Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit im Jahr 2019. Archäologische Informationen 43, Early View, online publiziert 16. April 2020. https://www.dguf.de/fileadmin/AI/ArchInf-EV_Siegmund.pdf
1.2 In Not geratenen Archäologie-Masterstudierenden helfen: Der Fonds #DGUFNothilfe
Viele MA-Studierende archäologischer Fächer haben infolge der Corona-Krise ihre Nebenjobs verloren, entweder weil diese Jobs aktuell weggebrochen sind (z. B. in der Gastronomie) oder weil sie selbst derzeit nicht in der Lage sind, einer Beschäftigung nahzugehen – sei es infolge einer Erkrankung an COVID-19, einer Quarantänemaßnahme, durch die nötige Betreuung eigener Kinder angesichts geschlossener Kitas, Schulen, etc. Oder sie sehen sich erhöhten Ausgaben gegenüber, z. B. um an der Online-Lehre des Sommersemesters 2020 teilnehmen zu können. Wir möchten helfen und Betroffenen rasch und unbürokratisch finanzielle Hilfe zukommen lassen. Daher haben wir vor wenigen Tagen einen Spendenfonds #DGUFNothilfe eingerichtet. Mit ihm soll Masterstudierenden aller archäologischen Fächer geholfen werden, die durch die Corona-Krise unverschuldet in unmittelbare wirtschaftliche Not geraten sind. Ziel ist, dass sie dank etwas geringerer Sorgen um ihren Lebensunterhalt ihre Kraft besser auf das digitale Sommersemester 2020 konzentrieren können.
Wenn Sie dieses Anliegen teilen und in der wirtschaftlichen Lage sind, dafür etwas zu spenden, bitten wir Sie heute ganz herzlich um Ihre Unterstützung! Wir hoffen, zusammen mit Ihnen möglichst vielen Bedürftigen helfen zu können. Erste eigehende Spenden machen uns Mut, dass wir dieses Ziel erreichen können. Spenden für die #DGUFNothilfe sind bis zum 22. Mai 2020 möglich. Die DGUF wird alle mit dem Verwendungszweck #DGUFNothilfe im Spendenzeitraum eingehenden Beträge zu 100 % an die Empfänger weitergeben. So können Sie spenden:
Spende per Überweisung:
Empfängerin: Deutsche Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte e. V.
Bankverbindung: (archiviert)
Verwendungszweck (bitte unbedingt angeben): #DGUFNothilfe
Spende per PayPal:
Empfänger-E-Mail-Adresse: (archiviert)
Verwendungszweck (bitte unbedingt angeben): #DGUFNothilfe, Vorname Name
Doch wir bitten Sie nicht nur um eine Spende, sondern sprechen auch die Studierenden unter Ihnen an, die finanzielle Unterstützung dringend benötigen. Antragsberechtigt sind Masterstudierende aller (!) archäologischen Fachrichtungen. Sie müssen im Sommersemester 2020 an einer deutschen Universität immatrikuliert sein. Der Förderbetrag liegt bei einer maximalen, einmalig ausgezahlten Summe von 450 Euro pro Antragsteller; auch geringere Beiträge von 150 und 300 Euro können beantragt werden. Kriterium für die Vergabe einer Förderung ist die individuelle Notlage, die akut, in direkter Folge der Corona-Krise und unverschuldet entstanden ist. Die Antragstellung ist unabhängig von einer DGUF-Mitgliedschaft möglich; DGUF-Mitglieder werden bei der Vergabe nicht bevorzugt. Anträge können bis zum 15. Mai 2020 an
Weitere Informationen zum Spendenfonds und zur Antragstellung: https://www.dguf.de/dgufnothilfe.html
1.3 Die DGUF-Ersti-Handreichung: Unsere Tipps für den Einstieg ins Archäologie-Studium
Auch wenn derzeit das Studium alles andere als normal verläuft, gibt es Herausforderungen, die bleiben: Wie plane ich mein Semester realistisch? Welche einführende Literatur ist empfehlenswert? Woran erkennt man einen guten Dozenten? Und was braucht es für ein gutes Referat? Unsere Handreichung beantwortet diese und viele weitere Fragen! Sie richtet sich an Erstis und auch für höhere Semester der Ur- und Frühgeschichte und weiterer archäologischer Studiengänge, sie soll den Einstieg ins Studium erleichtern.
https://www.dguf.de/fileadmin/user_upload/Studierende/DGUF-Dok_Handreichung_fuer_Erstsemester.pdf
1.4 Unter den DGUF-Rezensionsangeboten: G. Bailey, N. Galanidou, H. Peeters, H. Jöns and M. Mennenga (Eds), The Archaeology of Europe's Drowned Landscapes
Unter den zahlreichen Bänden, welche die Herausgeber der "Archäologischen Informationen" zur Rezension ausschreiben, sei in diesem Monat der am 20.4. bei Springer erschienen Band "The Archaeology of Europe's Drowned Landscapes" hervorgehoben. Aus dem Klappentext: "This volume provides for the first time a comprehensive description and scientific evaluation of underwater archaeological finds referring to human occupation of the continental shelf around the coastlines of Europe and the Mediterranean when sea levels were lower than present. [...] The material reviewed here ranges in date from the Lower Palaeolithic period to the Bronze Age and covers 20 countries bordering all the major marine basins from the Atlantic coasts of Ireland and Norway to the Black Sea, and from the western Baltic to the eastern Mediterranean. The finds from each country are presented in their archaeological context, with information on the history of discovery, conditions of preservation and visibility, their relationship to regional changes in sea-level and coastal geomorphology, and the institutional arrangements for their investigation and protection. Editorial introductions summarise the findings from each of the major marine basins. There is also a final section with extensive discussion of the historical background and the legal and regulatory frameworks that inform the management of the underwater cultural heritage and collaboration between offshore industries, archaeologists and government agencies." - Wenn Sie Interesse an einer Rezension haben, richten Sie bitte Ihre Anfrage mit Ihrer vollständige Postanschrift sowie einer kurzen Begründung, weshalb Sie dieses Werk besprechen wollen, an:
Alle Rezensionsangebote der "Archäologischen Informationen" mit weiteren Informationen zu Modalitäten und Ablauf: http://www.dguf.de/fileadmin/user_upload/publikationen/AI/DGUF-Dok_Arch-Inf_Rezensionsangebote.pdf
Mehr zum Buch: https://www.springer.com/gp/book/9783030373665
2 Forschung
2.1 Neu im Early View der "Archäologischen Informationen"
Schauer, M., Mietz, M. & Schneider, J. (2020). CIfA-Umfrage 2020 zu Lohnuntergrenzen in der privatwirtschaftlichen Archäologie (Arbeitspapiere CIfA Deutschland 2). Archäologische Informationen 43, Early View, online publiziert 28. April 2020.
Ickerodt, U. (2020). Archäologie, Öffentlichkeit, Teilhabe und deren föderale Umsetzung: Ein archäologisch-denkmalpflegerischer Kommentar aus Schleswig-Holstein zu einer akademischen Scheindebatte. Archäologische Informationen 43, Early View, online publiziert 24. April 2020.
Oswald, K. (2020). Rezension zu: Boom, K. H. J. (2018). Imprint of Action. The Sociocultural Impact of Public Activities in Archaeology. Leiden: Sidestone Press. Archäologische Informationen 43, Early View, online publiziert 17. April 2020.
Siegmund, F. (2020). Die Studierenden- und Absolventenzahlen in den Fächern Ur- und Frühgeschichte sowie Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit im Jahr 2019. Archäologische Informationen 43, Early View, online publiziert 16. April 2020.
Gamble, C. (2020). Finlayson, C. (2019). The smart Neanderthal: bird catching, cave art and the cognitive revolution. Oxford: Oxford University Press. Archäologische Informationen 43, Earl View, published online 10 April 2020.
Vander Linden, M. (2020). Review of: Gibson, A. M. (ed.) (2019). Bell Beaker Settlement of Europe: The Bell Beaker Phenomenon from a Domestic Perspective. (Prehistoric Society Research Paper, 9). Oxford: The Prehistoric Society & Oxbow Books. Archäologische Informationen 43, Early View, published online 2 April 2020.
http://www.dguf.de/earlyview.html
2.2 Aktuelle Ausgrabungen und Forschung in den Medien
"Tracing respiratory diseases in skeletal remains" (Motherhood in Prehistory, 29.4.): https://motherhoodinprehistory.wordpress.com/2020/04/29/tracing-respiratory-diseases-in-skeletal-remains/
Bronzezeit: "Kämpfer mit dem Bronzeschwert suchten Kontakt zum Gegner" (Universität Göttingen, 29.4.): http://www.uni-goettingen.de/de/3240.html?id=5874 und "Sword-wielding scientists show how ancient fighting techniques spread across Bronze Age Europe" (Science Magazine, 17.4.): https://www.sciencemag.org/news/2020/04/sword-wielding-scientists-show-how-ancient-fighting-techniques-spread-across-bronze-age
"Direkter Beleg für die Besiedlung von Inseln jenseits der Wallace-Linie im Spätpleistozän. Isotopenanalyse fossiler Zähne zeigt, wie flexibel sich Homo sapiens im Pleistozän an das Leben auf den entlegenen Inseln anpasste" (Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte, 29.4.): https://www.shh.mpg.de/1678544/late-pleistocene-human-colonization-beyond-wallace-s-line
"Ancient cave with distinguished engravings depicting scenes of animals discovered in Sinai" (Ahram Online, 26.4.): http://english.ahram.org.eg/NewsContent/9/40/368014/Heritage/Ancient-Egypt/Ancient-cave-with-distinguished-engravings-depicti.aspx
"Alfresco art gallery 'shows woolly mammoths and rhinos depicted by our ancestors 15,000 years ago'" (The Siberian Times, 24.4.): https://siberiantimes.com/science/casestudy/features/alfresco-art-gallery-shows-woolly-mammoths-and-rhinos-depicted-by-our-ancestors-15000-years-ago/
Eisenzeit: "Diverse livelihoods helped resilient Levänluhta people survive a climate disaster" (University of Helsinki, 24.4.): https://www.eurekalert.org/pub_releases/2020-04/uoh-dlh042420.php
"Examining heart extractions in ancient Mesoamerica. New findings on procedures and meanings of human heart sacrifices in Mesoamerica" (University of Chicago Press Journals, 23.4.): https://www.eurekalert.org/pub_releases/2020-04/uocp-ehe042320.php
"Neandertaler hatten ältere Mütter und jüngere Väter. Forschende haben das Erbgut von 27.000 Isländern nach Neandertaler-DNA durchsucht" (Max-Planck-Gesellschaft, 22.4.): https://www.mpg.de/14729883/0422-evan-019609-neandertaler-hatten-aeltere-muetter-und-juengere-vaeter
"Study sheds light on unique culinary traditions of prehistoric hunter-gatherers" (University of York, 22.4.): https://www.york.ac.uk/news-and-events/news/2020/research/hunter-gatherer-culinary/
"Das menschliche Gebiss als Spiegel unserer Evolution. Wissenschaftler der Universität Tübingen ermitteln, welche Eigenschaften der Zähne zur Rekonstruktion genetischer Verwandtschaft genutzt werden können" (Universität Tübingen, 21.4.): https://uni-tuebingen.de/universitaet/aktuelles-und-publikationen/pressemitteilungen/newsfullview-pressemitteilungen/article/das-menschliche-gebiss-als-spiegel-unserer-evolution/
"Making Bowls in Biblical Gath Was Man’s Work, Fingerprints Indicate. There are differences between male and female fingerprints, and the potters of Early Bronze Age Gath didn’t always trouble to wipe them off their work" (Haaretz, 21.4.): https://www.haaretz.com/archaeology/.premium-making-bowls-in-biblical-gath-was-man-s-work-fingerprints-indicate-1.8786719
"The search for Hannibal’s elephants on the Tagus River. Research shows that the town of Driebes in Guadalajara province could be where the battle between the Carthaginians and the Carparthians was fought in 220 B.C." (El País, 20.4.): https://english.elpais.com/arts/2020-04-20/the-search-for-hannibals-elephants-on-the-tagus-river.html
Natufien: "Human Figure Detected on 14,000-year-old Burial Slab in Israel" (Haaretz, 19.4.): https://www.haaretz.com/archaeology/.premium-human-figure-detected-on-14-000-year-old-burial-slab-in-israel-1.8780763
Ägypten: "Sehr gut erhaltene Sarkophage und Grabbeigaben in Sakkara entdeckt" (Selkets Blog, 19.4.): https://blog.selket.de/aus-der-archaeologie/sehr-gut-erhaltene-sarkophage-und-grabbeigaben-in-sakkara-entdeckt
Neue Methode: "Die Herkunft der Fäkalien: coproID bestimmt zuverlässig den Ursprung archäologischer Exkremente" (Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte, 17.4.): https://www.shh.mpg.de/1669105/coproID
"Milk pioneers: East African herders consumed milk 5,000 years ago" (Washington University in St. Louis, 15.4.): https://www.eurekalert.org/pub_releases/2020-04/wuis-mpe041520.php
"Molecular & isotopic evidence of milk, meat & plants in prehistoric food systems" (University of Bristol, 13.4.): https://www.eurekalert.org/pub_releases/2020-04/uob-mi040920.php
"Mit magischen Formeln gegen Seuchen. Höchst bedrohliche Epidemien gab es schon zur Zeit der Pharaonen. Die Ägyptologin Tanja Pommerening berichtet, was man über die Krankheiten von damals weiß, wie sie erklärt und bekämpft wurden - mit magischen Formeln" (Spiegel, 13.4.): https://www.spiegel.de/geschichte/epidemien-im-alten-aegypten-mit-magischen-formeln-gegen-seuchen-a-3362632f-cb2d-406f-9a3f-a36564d45fdc
"Oldest ever piece of string was made by Neanderthals 50,000 years ago" (New Scientist, 9.4.): https://www.newscientist.com/article/2240117-oldest-ever-piece-of-string-was-made-by-neanderthals-50000-years-ago und "Neanderthal cord weaver" (CNRS, 9.4.): https://www.eurekalert.org/pub_releases/2020-04/c-ncw040720.php
"Earliest humans in the Amazon created thousands of 'forest islands' as they tamed wild plants" (University of Exeter, 8.4.): https://www.eurekalert.org/pub_releases/2020-04/uoe-ehi040620.php
"Bristol leads archaeologists on 5,000-year-old egg hunt. Research reveals surprising complexity of ancient ostrich egg trade" (University of Bristol, 8.4.): https://www.eurekalert.org/pub_releases/2020-04/uob-bla040320.php
"Gesellschaftlicher Wandel und Resilienz auf der Arabischen Halbinsel in 12.000 Jahren Klimawandel" (Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte, 6.4.): https://www.shh.mpg.de/1666170/societal-transformations-and-resilience-in-arabia-across-12-000-years-of-climate-change
"Eberswalder Schatz: Wiederaufgetauchte Kostbarkeit" (Süddeutsche, 3.4.): https://www.sueddeutsche.de/politik/eberswalder-schatz-weltkrieg-1.4848308
Australopithecus, Paranthropus, Homo: "When three species of human ancestor walked the Earth" (Arizona State University, 2.4.): https://www.eurekalert.org/pub_releases/2020-04/asu-wts040220.php und
Broken Hill (Kabwe 1) / Homo heidelbergensis: "Fossil skull casts doubt over modern human ancestry" (Griffith University, 2.4.): https://news.griffith.edu.au/2020/04/02/fossil-skull-casts-doubt-over-modern-human-ancestry/
"Lucy’s species heralded the rise of long childhoods in hominids. Prolonged brain growth was already a feature for hominids before Homo genus members appeared" (Science News, 1.4.): https://www.sciencenews.org/article/lucy-species-brain-skull-heralded-rise-long-childhoods-hominids
Alderney: "Hidden atrocities of Nazis at concentration camp on British island finally come to light. Official accounts describing horrific conditions were hidden for decades" (LiveScience, 1.4.): https://www.livescience.com/nazi-atrocities-camp-british.html
"Modern humans, Neanderthals share a tangled genetic history, study affirms. New research adds to growing evidence that our ancestors interbred with Neanderthals at multiple times in history" (University at Buffalo, 1.4.): https://www.eurekalert.org/pub_releases/2020-04/uab-mhn040120.php
"Homo naledi juvenile remains offers clues to how our ancestors grew up. This rare case of an immature fossil hominin sheds light on the evolution of human development" (PLOS, 1.4.): https://www.eurekalert.org/pub_releases/2020-04/p-hnj032520.php
"Lucy had an ape-like brain. Three million year old brain imprints show that Australopithecus afarensis infants may have had a long dependence on caregivers" (Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie, 1.4.): https://www.mpg.de/14627237/lucy-had-an-ape-like-brain
Homo antecessor: "Mysterious human ancestor finds its place in our family tree" (Science Magazine, 1.4.): https://www.sciencemag.org/news/2020/04/mysterious-human-ancestor-finds-its-place-our-family-tree und "Oldest ever human genetic evidence clarifies dispute over our ancestors" (University of Copenhagen, 1.4.): https://www.eurekalert.org/pub_releases/2020-04/uoct-oeh032720.php und "Homo antecessor. Älteste genetische Hinweise klären Streit um Vorfahren des Menschen" (Spiegel, 3.4.): https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/homo-antecessor-aelteste-genetische-hinweise-klaeren-streit-um-vorfahren-des-menschen-a-457062e9-bf6a-4d08-818f-cc181dc04379
"Mesoamerican copper smelting technology aided colonial weaponry. Spanish conquerors depended on indigenous expertise to keep up their munitions supplies, archaeologists have found" (Massachusetts Institute of Technology, 31.3.): http://news.mit.edu/2020/mesoamerican-copper-smelting-colonial-weaponry-0331
Girsu: "Ancient cultic area for warrior-god uncovered in Iraq" (LiveScience, 30.3.): https://www.livescience.com/girsu-cult-discovered.html
"Research identifies regular climbing behavior in a human ancestor" (University of Kent, 30.3.): https://www.eurekalert.org/pub_releases/2020-03/uok-rir032720.php
2.3 DFG veröffentlicht "Handreichung zum Umgang mit Forschungsdaten" für den Bereich "Alte Kulturen"
Was erwartet die DFG von einem seriösen Antrag auf Forschungsförderung, was sollen wiederum die Gutachter solcher Anträge beachten, woran sich orientieren? Die DFG liefert dazu zahlreiche Handreichungen und Leitlinien, z. B. wie Personalstellen zu kalkulieren sind, wie man nötige Maschinen beantragt, was an Publikationskosten eingesetzt werden darf. Seit 2010 (nicht gerade früh) sind auch Forschungsdaten ein Thema, zunächst die von der Allianz der deutschen Wissenschaftsorganisationen verabschiedeten "Grundsätze", dann 2015 die knappen "Leitlinien" der DFG. Nun hat die DFG nachgelegt, ganz gemäß ihrer Zielsetzung, neben dem Allgemeinen immer auch die Besonderheiten spezifischer Fachkulturen im Auge zu haben und diese respektieren zu wollen: Für den Bereich "Alte Kulturen" (d. h. die Fächer Ur- und Frühgeschichte, Klassische Philologie, Alte Geschichte, Klassische Archäologie, Ägyptische und Vorderasiatische Altertumswissenschaften) wurde jetzt - ergänzend zu den bestehenden Regularien - eine entsprechende Handreichung erarbeitet und veröffentlicht. Danach gelten für alle in DFG-geförderten Projekten gewonnenen Forschungsdaten die FAIR-Prinzipien (s. "Kodex" Leitlinie 13): Daten sollen "_F_indable, _A_ccessible, _I_nteroperable and _R_e-Usable" sein. Förderanträge, in deren Folge Projekte Forschungsdaten gewinnen oder nutzen, sollen ihre Pläne zum Forschungsdatenmanagement offen legen. Als wesentliche Informationen gelten dabei Angaben zu (1) Art und Umfang der Daten sowie vorausgehende rechtliche Klärung, (2) Aufbereitung, Qualitätssicherung und Dokumentation der Daten, (3) Speicherung und Archivierung, (4) Ermöglichung und Regelungen der Nachnutzbarkeit, (5) Verantwortlichkeiten für das Datenmanagement. All dies "nur" Empfehlungen an Antragsteller wie Gutachter; Anträge, denen diese Angaben fehlen, haben eben diesbezüglich das Manko der Unvollständigkeit. Die neue Handreichung zwingt nicht stets auch zu "Open Data" und zur sofortigen Datenpublikation, legt aber allen geförderten Projekten mehr als nahe, sich um den Verbleib und die (Weiter-) Nutzbarkeit der Daten nach Projektende zu kümmern und das Nötige frühzeitig zu planen.
DFG (31.3.): "Fachkollegium 'Alte Kulturen': Handreichung zum Umgang mit Forschungsdaten": https://www.dfg.de/download/pdf/foerderung/antragstellung/forschungsdaten/handreichung_fachkollegium_101_forschungsdaten.pdf
Allianz der deutschen Wissenschaftsorganisationen (24.6.2010): "Grundsätze zum Umgang mit Forschungsdaten": https://gfzpublic.gfz-potsdam.de/rest/items/item_2949914_3/component/file_2949913/content
DFG (30.9.2015): "Leitlinien zum Umgang mit Forschungsdaten": https://www.dfg.de/download/pdf/foerderung/antragstellung/forschungsdaten/richtlinien_forschungsdaten.pdf
DFG (Sept. 2019): "Leitlinien zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis: Kodex": https://www.dfg.de/download/pdf/foerderung/rechtliche_rahmenbedingungen/gute_wissenschaftliche_praxis/kodex_gwp.pdf
2.4 Neues Netzwerk zur Erforschung bronzezeitlichen Metallhandwerks
Was ist eigentlich der "State of the Art" der Analyse bronzezeitlicher Metallfunde? Wie lassen sich stilistische und naturwissenschaftliche Analysen, Verbreitungskarten und Museumsdatenbanken am besten miteinander verbinden, und wo bleiben noch Wissenslücken, die weiterer Forschung bedürfen? Im Projekt "Gold in Britain's auriferous regions, 2450–800BC: towards a coherent research framework and strategy" haben sich die nationalen Museen von England, Wales und Schottland mit europäischen Kollegen zu einem Netzwerk zusammengeschlossen und ein Strategiepapier ausgearbeitet, das auch über die Inseln hinweg Beachtung verdient. Mehr dazu in der Aprilausgabe von PAST, dem Newsletter der Prehistoric Society.
http://www.prehistoricsociety.org/publications/publication/past_94_spring_2020/
2.5 Genaue, verbindungsspezifische 14C-Datierung archäologischer Keramik
Ein aktueller Artikel in "Nature" berichtet über eine neue Methode, die Speisereste – genauer: Lipide -, die in Keramik absorbiert wurden, zur 14C-Datierung mittels einer Beschleuniger-Massenspektrometrie-Analyse heranzieht. Damit bestünde die Möglichkeit einer absoluten Datierung bestimmter Keramiktypen. In einem Blogpost bewertet Rainer Schreg die Bedeutung jener Methode als sehr hoch, weist aber darauf hin, "dass bei der Methode die üblichen Probleme einer 14C-Datierung zu berücksichtigen sind. So ist etwa der Reservoireffekt zu beachten, wenn es sich um Rückstände mariner Lebensmittel handelt. Insofern müsste 14C hier routinemäßig mit einer umfassenderen C/N-Isotopenanalyse kombiniert werden." Es werde interessant sein zu sehen, wie aufwändig und teuer solche Datierungen an Keramik in der Routine würden.
"Eine neue Datierungsrevolution in der Archäologie?" (Archaeologik, 20.4.): https://archaeologik.blogspot.com/2020/04/eine-neue-datierungsrevolution-in-der.html
2.6 Schöningen (Niedersachsen): Zweites Wurfholz publiziert
Die auf ca. 300.000 v. H. datierten Schöninger Speere, die in die Ära des Homo heidelbergensis fallen, sind weltberühmt. Nun hat das Forschungsteam um Prof. N. Conard nach sorgfältiger Analyse ein (zweites) Wurfholz publiziert, das in den 1990er Jahren ergraben worden war. Der Stab von ca. 64 cm Länge, 3 cm Durchmesser, 260 gr. Gewicht und leicht abgeflachtem Querschnitt wurde sorgfältig zugerichtet und geglättet. Seine Oberfläche zeigt Gebrauchsspuren bzw. Verletzungen, wie sie typischerweise an Wurfhölzern entstehen. Experimente an Nachbildungen zeigen, dass solche Hölzer - die zwar rotierend geworfen werden, aber anders als Bumerangs nicht zum Werfer zurückkehren - eine Fluggeschwindigkeit von ca. 30 m/Sek. erreichen. Nach ethnographischen Studien liegt ihre Flugweite im Bereich 5 bis 100 Meter. Typische Zielobjekte solcher Wurfhölzer sind Vögel oder Kaninchen, alternativ dienen sie dazu, größere Wildtiere gezielt zu treiben. Das erste Schöninger Flugholz wurde zusammen mit Speeren schon 1997 publiziert, es ist mit ca. 77 cm etwas länger als das nun publizierte Stück. Ein lesenswerter Blogbeitrag von A. Milks ordnet den Fund weiter ein und begründet, weshalb diese kurzen Stücke eher keine Speere für Kinder, sondern Flughölzer sind.
Conard, N., Serangeli, J., Bigga, G. & Rots, V. (2020). A 300,000-year-old throwing stick from Schöningen, northern Germany, documents the evolution of human hunting. Nature Ecology & Evolution, 20.4.2020: https://www.nature.com/articles/s41559-020-1139-0
Annemieke Milks: "Two Sticks! What a new find from Schöningen tells us about Middle Pleistocene hominins" (Blog sticks-and-stones, 21.4.): https://sticks-and-stones.blog/2020/04/21/two-sticks-what-a-new-find-from-schoningen-tells-us-about-middle-pleistocene-hominins/
Website der Senckenberg Gesellschaft mit kurzem Video zum Fund: https://www.senckenberg.de/de/institute/shep/forschungsstation-schoeningen/
"Eiszeitmenschen erlegten Wasservögel mit Wurfstöcken" (Spektrum, 20.4.): https://www.spektrum.de/news/eiszeitmenschen-erlegten-wasservoegel-mit-wurfstoecken/1725154
2.7 "1 bis 2 % Neandertaler-Gene": was bedeutet das?
Seit einem Jahrzehnt ist es nahezu zum Allgemeinwissen geworden, dass wir moderne Menschen 1 bis 2 % unserer Gene mit dem Neandertaler teilen, in einigen Regionen der Welt sogar etwas mehr. Doch was bedeutet das? Gehören diese Erbinformationen zu dem Anteil unserer DNA, die aktiv sind, oder sind es passiv mitgeschleppte Informationsschnipsel. Eher letzteres, sagt jetzt eine groß angelegte Studie an den Genen rezenter Isländer, die ein Team der Univ. Aarhus nun publiziert hat. Nur fünf von 271 DNA-Schnipseln, die wir mit Neandertalern und Denisova-Menschen teilen, scheinen in irgendeiner Weise auch aktiv die Biologie heutiger Menschen mit zu beeinflussen, z. B. die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Prostatakrebs, die Körperhöhe und die Blutgerinnung. Die überwiegende Mehrheit der Neandertaler-Schnipsel gehört demnach zum inaktiven Teil unserer DNA-Stränge.
Skov, L. et al. (2020). The nature of Neanderthal introgression revealed by 27,566 Icelandic genomes. Nature, 22.4.: https://www.nature.com/articles/s41586-020-2225-9
Ann Gibbons: "The Neanderthal DNA you carry may have surprisingly little impact on your looks, moods" (ScienceMag.org, 22.4.): https://www.sciencemag.org/news/2020/04/neanderthal-dna-you-carry-may-have-surprisingly-little-impact-your-looks-moods
2.8 Schafschädel im Inneren eines menschengestaltigen Lehmkopfes entdeckt
In Chakassien (Sibirien) wurde im Bereich eines Bestattungsplatzes ein Lehmkopf mit menschlichen Zügen aus Lehm, wohl einen Mann darstellend, freigelegt. Im Inneren befand sich – entgegen vorherigen Vermutungen - der Schädel eines Schafes. Es handelt sich hierbei bisher um den einzigen Nachweis dieser Kombination. Der ca. 2100 Jahre alte Fund aus dem Grabhügel Nr. 6 nahe des Dorfes Šestakovo wurde bereits 1968 entdeckt. Mit Hilfe der fluoroskopischen Scan-Methode konnte das Objekt nun zerstörungsfrei untersucht werden. Einer Hypothese der russischen Kollegen zufolge könnte der menschliche Kopf mit dem Tierschädel als Ersatz für einen nicht aufgefundenen Körper gedient haben. Die Bestattung wird der eisenzeitlichen Tagar-Kultur der Steppen des mittleren Enisej-Gebietes zugeordnet, für deren späte Phase Masken typisch sind. Die Bestattungssitten der Tagar-Kultur weisen auf ein aufwändiges, mehrteiliges Totenritual hin. Büstenartige bemalte Totenmasken sind insbesondere für die nachfolgende Taštyk-Kultur charakteristisch.
"Mystery of unique 2,100-year-old human clay head - with a ram’s skull inside" (The Siberian Times, 9.4.): https://siberiantimes.com/science/casestudy/features/mystery-of-unique-2100-year-old-human-clay-head-found-in-ancient-crematorium-with-a-rams-skull-inside/
"Внутри древней глиняной человеческой головы обнаружился череп барана" (Vnutri drevnj glinjanoj čelovečckoj golovy obnaružilsja čerep barana) (Polit.ru, 16.4.): https://polit.ru/news/2020/04/16/ps_ram_skull/
2.9 Besonders lesenswerte Rezension: Clive Gamble zu "The smart Neanderthal: bird catching, cave art and the cognitive revolution" von Clive Finlayson (2019)
Prof. em. Clive Gamble, namhafter britischer Paläolithforscher und vielgeehrtes Mitglied zahlreicher wissenschaftlicher Fachgremien und -gesellschaften, u. a. Präsident der Prehistoric Society, verfasst eine liebevolle Rezension über die Monografie von Clive Finlayson über die Beziehung der Neandertaler zu Vögeln. Laut Finlayson hatten Neandertaler eine besondere Beziehung zu Vögeln, sie waren Teil ihres Symbolguts. Lesenswert! Weil Gamble das Buch voller Überzeugung lobt und empfiehlt, und es zugleich mit fein gesetzten Spitzen und freundlich dezenter Ironie beschreibt und in den größeren Zusammenhang der Neandertaler-Forschung einordnet. Wer sich für das Buch von Finlayson interessiert, für Neandertaler und/oder Vögel, der wird hier kurz und gut über den Inhalt der Werks informiert. Wer dem Thema selbst ferner steht, kann den Text als Lehrstück nehmen, wie man feinsinnig und klar zugleich auch die Schwächen einer Publikation in Worte fassen kann.
Gamble, C. (2020). Finlayson, C. (2019). The smart Neanderthal: bird catching, cave art and the cognitive revolution. Oxford: Oxford University Press. Archäologische Informationen 43, Earl View, published online 10 April 2020. http://www.dguf.de/fileadmin/AI/ArchInf-EV_Gamble.pdf
2.10 Schweiz: Altansässige und Einwanderer lebten vom Ende der Jungsteinzeit bis zur frühen Bronzezeit vermutlich nebeneinander
Zum Ende der Jungsteinzeit, rund 2800 Jahre v. Chr., kam es in Europa zu einer Bevölkerungsumwälzung. Die Einwanderung von Nomaden aus der eurasischen Steppe ist bekannt, bislang wusste man jedoch wenig über den genauen Zeitpunkt dieser Veränderungen und den Ablauf der Vermischung von Einwanderern und Einheimischen. Ein Forschungsteam hat nun die Genome von 96 Individuen aus 13 Ausgrabungsstätten aus der Jungsteinzeit und der frühen Bronzezeit in der Schweiz, in Süddeutschland und dem französischen Elsass sequenziert. Die in "Nature Communications" publizierten Ergebnisse, so das Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte, wiesen auf eine langsame genetische Umwälzung und auf hochstrukturierte Gesellschaften hin, bei der die Männer ihrem Geburtsort treu blieben und die Frauen aus nicht verwandten Familien stammten, unter deren Vorfahren keine Einwanderer aus der Steppe waren.
"Alte Genome deuten auf Parallelgesellschaften in der Schweizer Steinzeit hin" (Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte, 20.4.): https://www.shh.mpg.de/1672133/neolithic-genomes-from-modern-day-switzerland
2.11 Das Verschwinden von Tierarten fordert vom Menschen geistigen, kulturellen und materiellen Tribut
Über die Auswirkungen von Menschen auf das Verschwinden von Tierarten, hauptsächlich durch die Jagd, wird intensiv diskutiert. Eine Untersuchung der Universität Tel Aviv hat den Blickwinkel nun umgedreht: Sie versucht herauszufinden, wie sich das Verschwinden von Tieren - entweder durch Aussterben oder Migration - auf die Menschen ausgewirkt hat. Die Forscher untersuchten Jäger-Sammler-Gesellschaften vom Paläolithikum bis zur Gegenwart und verschiedener Regionen, die Tiere als Grundlage für ihren Lebensunterhalt jagten. Sie untersuchten Situationen, in denen diese Tiere ausstarben oder in klimatisch gastfreundlichere Regionen wanderten. "Wir haben festgestellt, dass Menschen auf den Verlust des von ihnen gejagten Tieres reagiert haben – es war auf tiefgreifende, vielfältige und grundlegende Weise ein bedeutender Partner", sagt Erstautor Eyal Halfon. "Viele Jäger-Sammler-Populationen basierten auf einer einzigen Tierart, die Nahrung, Kleidung, Werkzeuge und Brennstoff lieferte", sagt Mitautor Ran Barkai. "Zum Beispiel jagten bis vor 400.000 Jahren Menschen in Israel Elefanten. Bis vor 40.000 Jahren jagten Bewohner Nordsibiriens das Wollmammut. Als diese Tiere aus diesen Gebieten verschwanden, hatte dies große Konsequenzen für die Menschen. Einige mussten ihre Lebensweise komplett ändern, um zu überleben." Die Autoren postulieren, dass die Menschen diese Tiere auch lang, nachdem sie aus der Landschaft verschwanden, nicht vergaßen. Ein Beleg dafür seien die spätaltsteinzeitlichen Felsbilder in Europa, auf denen Tiere wie Mammuts und Robben abgebildet sind – entstanden oft lange nach dem Verschwinden dieser Tierarten. Eine weitere emotionale Reaktion neben Sehnsucht sei ein Verantwortungsbewusstsein - sogar Schuldgefühle. "Indigene Jäger-Sammler-Gesellschaften haben sehr darauf geachtet, klare Regeln für die Jagd einzuhalten", sagt Barkai. "Wenn ein Tier verschwindet, fragen sie: 'Haben wir uns richtig verhalten? Ist es wütend und bestraft uns? Was können wir tun, um es davon zu überzeugen zurückzukommen?'." Die Studie will Anthropologen und anderen Wissenschaftlern helfen, die gegenwärtigen tiefgreifenden Umweltveränderungen und ihre Auswirkungen besser zu verstehen.
"The Disappearance of Animal Species Takes Mental, Cultural and Material Toll on Humans" (Tel Aviv University, 27.4.): https://www.aftau.org/press-release---disappearance-of-animal-species
Eyal Halfon, Ran Barkai. The material and mental effects of animal disappearance on indigenous hunter-gatherers, past and present. Time and Mind, 2020; 13 (1): 5 DOI: 10.1080/1751696X.2020.1718309
3 Archäoinformatik
3.1 R 4.0.0
Zwanzig Jahre nach dem ersten Erscheinen des Statistikpakets "R" wurde am 24.4. ein neues Update "Arbor Day" ausgeliefert, das nicht die Zählweise R 3.6.3 der letzten Fassung fortführt, sondern mit der Versionsnummer 4.0.0 einen größeren Entwicklungssprung anzeigt. Das Wichtigste zuerst: das Update verlief beim Newsletter-Autor problemlos, nach wenigen Minuten war R 4.0.0 installiert. Indes: man muss auch viele Pakete neu installieren, d. h. in einem zweiten Schritt des Updates noch allerlei nacharbeiten. Am Bequemsten geht dies wohl mit der Update-Funktion von RStudio. Alles in allem sollte man sich für den Wechsel dann doch ca. ein dreiviertel Stündchen Zeit nehmen. Die Liste der Änderungen ist (sehr) lang und Vieles davon klein-klein, d. h. nur für Diejenigen relevant, die genau diese beschriebene Funktion nutzen. Zwei Änderungen, die wohl am meisten auffallen werden: Der Wandel von Zeichenketten (strings) zu "Faktoren" beim Datenimport, der bisher per Default automatisch erfolgte, muss nun aktiv gewünscht werden; die Standardfarbpalette wurde überarbeitet, so dass die Farben (auch für Fehlsichtige) noch besser unterscheidbar sind.
R 4.0.0 bei CRAN: https://cran.r-project.org/
R 4.0.0 "What's New": https://cran.r-project.org/doc/manuals/r-release/NEWS.html
"R 4.0.0 now available, and a look back at R's history" (Revolutions, 27.4.): https://blog.revolutionanalytics.com/2020/04/r-400-is-released.html
3.2 Springer-Verlag: Einige Lehrbücher zu R und Statistik z. Zt. kostenlos
Angesichts der Corona-Krise verschenkt der Springer-Verlag zur Zeit PDFs von insgesamt ca. 500 (z. T. nicht mehr ganz taufrischen) Lehrbüchern verschiedenster Wissensgebiete. Folgt man auf der unten angegebenen Website z. B. dem Link "Free English textbook titles (all disciplines)", erhält man Zugriff auf eine Excel-Tabelle mit 408 Werken. Dank der Sortier- und Filterfunktionen von Excel muss man nicht die komplette Liste durchgehen, sondern kann sich etwa über Spalte L unter "English Package Name" z. B. auf "Mathematics and Statistics" fokussieren. Nach Wahl des interessierenden Werks findet man rechts in Spalte S "OpenURL" den Link zum Buch und kann sich ein PDF kostenlos herunterladen. Auch in der 56 Titel umfassenden Liste deutschsprachiger Lehrbücher findet sich Interessantes.
SpringerNature: "Free access to a range of essential textbooks from all disciplines" (April 2020): https://www.springernature.com/de/librarians/news-events/all-news-articles/industry-news-initiatives/free-access-to-textbooks-for-institutions-affected-by-coronaviru/17855960
4 Kulturgutschutz
4.1 Aktuelles rund um Kulturgutschutz in den Medien
"The UNESCO Site That Never Was. In Turkey, the Ilisu Dam’s flooding of the ancient town of Hasankeyf offers a lesson in how societies choose the sites they preserve or destroy" (Sapiens, 29.4.): https://www.sapiens.org/archaeology/hasankeyf/
"Antikenhandel an die Blockchain?" (Archaeologik, 25.4.): https://archaeologik.blogspot.com/2020/04/antikenhandel-die-blockchain.html
"Kulturgut im Vorderen Orient - 1. Quartal 2020" (Archaeologik, 17.4.): https://archaeologik.blogspot.com/2020/04/kulturgut-im-vorderen-orient-1-quartal.html
"Oxford professor arrested on suspicion of ancient papyrus theft. Dirk Obbink called claim about bible fragments a ‘malicious attempt’ to harm his career" (The Guardian, 16.4.): https://www.theguardian.com/uk-news/2020/apr/16/oxford-professor-arrested-ancient-papyrus-bible-theft-dirk-obbink
"Covid-19 fears grow for indigenous South Americans as Yanomami teen tests positive" (The Guardian, 8.4.): https://www.theguardian.com/world/2020/apr/08/coronavirus-indigenous-communities-brazil-yanomami und "Erfolg: Evangelikale Missionare aus Gebiet unkontaktierter Völker verbannt" (Survival International, 17.4.): https://www.survivalinternational.de/nachrichten/12381 und "Coronavirus: Brasiliens Präsident regiert Urvölker ins Verderben" (SWR, 23.4.): https://www.swr3.de/aktuell/nachrichten/Coronavirus-Brasiliens-Praesident-regiert-Urvoelker-ins-Verderben/-/id=47428/did=5609610/1dbiql3/index.html
"Die Verluste des Museums Idlib (Syrien)" (Archaeologik, 11.4.): https://archaeologik.blogspot.com/2020/04/die-verluste-des-museums-idlib.html
"Coastal Erosion and Flooding on Cultural Heritage Sites in Scotland. Interview with Dr. Mairi Davies" (ArcHerNet, 31.3.): https://www.archernet.org/en/2020/03/31/coastal-erosion-and-flooding-on-cultural-heritage-sites-in-scotland-interview-with-dr-mairi-davies-2
5 Berufsverband
5.1 "Ein in vielerlei Hinsicht überraschendes Ergebnis": Lohnfindung per Meinungsumfrage?!
"Die spinnen, diese CIfA-Leute!" - war eine spontane Publikumsreaktion zur CIfA-Umfrage nach Lohnuntergrenzen: In einer vom 19.3.-14.4. laufenden anonymen fachöffentlichen Umfrage hatte CIfA Deutschland gebeten, eine "Lohnuntergrenze" zu nennen - also das Brutto-Entgelt, das man in der Archäologie pro Monat allermindestens verdienen solle (DGUF-Newsletter vom 27.3.2020 Punkt 6.1.). Die Frage wurde gestaffelt nach den im Grabungswesen üblichen Funktionsgruppen: Grabungshelfer, -facharbeiter, -techniker und wiss. Grabungsleiter. Alle Mitwirkenden waren gebeten, sich selbst auch den einschlägigen Funktionsgruppen zuzuordnen, z. B. als Arbeitgeber oder Arbeitnehmer in der privatwirtschaftlichen Archäologie. Die Erwartung im Vorfeld lautete bei so Manchem: Arbeitgeber wollen möglichst wenig zahlen, werden also niedrige Löhne nennen; Arbeitnehmer wollen gut verdienen, werden also möglichst hohe Löhne nennen. Zwei Wochen nach Ende der Umfrage veröffentlicht Michaela Schauer, die gewählte Präsidentin des Berufsverbands CIfA Deutschland, jetzt zusammen mit Vorstandskollegen das in vielerlei Hinsicht überraschende Ergebnis: 272 in Deutschland tätige Archäologinnen und Archäologen haben sich an der nur vier Wochen dauernden Umfrage beteiligt, und zwar aus allen Regionen Deutschlands und auch aus allen Sparten der Archäologie. Innerhalb der privatwirtschaftlichen Archäologie stimmen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bis auf Winzigkeiten überein, die für die vier Funktionsgruppen empfohlenen Lohnuntergrenzen differieren um maximal 180 Euro. Beide - vermeintlich konträren - Stakeholder zusammengefasst nennen folgende Lohnuntergrenzen: 3.600 € brutto /Monat für wissenschaftliche Grabungsleiter, 3.000 € brutto /Monat für Grabungstechniker, 2.500 € brutto /Monat für Facharbeiter und 2.100 € brutto /Monat für Grabungshelfer. Zugleich Zahlen, die oberhalb des aktuellen mittleren Lohnniveaus in der privatwirtschaftlichen Archäologie liegen, die man aber auch keinesfalls mit einem "träum weiter!" abtun kann, sondern die in einer durchaus realistischen, am Markt auch durchsetzbaren Größenordnung liegen. Etwa ein Drittel (!) aller an der Umfrage Mitwirkenden haben die Einladung zu einem Freitextkommentar angenommen. Diese Reaktionen sind in der Publikation sorgsam dokumentiert, sie geben einen vielstimmigen Einblick in die tatsächliche Lage und Stimmung in der deutschen Grabungsarchäologie. So hat CIfA Deutschland mit einem "verrückten", einem unerhörten Experiment eine wertvolle Diskussionsgrundlage geschaffen. Die Einigkeit zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern zeigt ein in gemeinsamer Kraftanstrengung erreichbares, konkretes Ziel auf.
Schauer, M., Mietz, M. & Schneider, J. (2020). CIfA-Umfrage 2020 zu Lohnuntergrenzen in der privatwirtschaftlichen Archäologie (Arbeitspapiere CIfA Deutschland 2). Archäologische Informationen 43, Early View, online publiziert 28. April 2020. https://www.dguf.de/fileadmin/AI/ArchInf-EV_Schauer-etal.pdf
6 Open Access & Open Data
6.1 Propylaeum: Nachrichten aus Niedersachsens Urgeschichte (NNU) komplett im Open Access
Die 1927 von K. H. Jacob-Friesen begründete, für das Bundesland Niedersachsen bis heute zentrale archäologische Fachzeitschrift "Nachrichten aus Niedersachsens Urgeschichte" steht nun beim Portal Propylaeum /UB Heidelberg komplett im Open Access, von Band Bd. 1, 1927 bis Band 85, 2016. Ausgenommen sind nur die Artikel, für deren Onlinestellung das Einverständnis der Autoren noch aussteht. Jüngere Bände werden ab sofort kontinuierlich nach einer Sperrfrist von zwei Jahren in den Open Access gestellt. Abgerundet wird dieser Service durch das Onlinestellen auch der Vorgängerzeitschrift "Nachrichtenblatt für Niedersachsens Urgeschichte" (1924-1926).
Nachrichten aus Niedersachsens Urgeschichte: https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/nnu/index
7 Bürger und Archäologie & Citizen Science
7.1 Lehrmaterialien zur Vorgeschichte für britische Lehrer und Schüler
Zumindest in England ist die Vorgeschichte verpflichtender Teil des Grundschullehrplans. Lehrkräfte standen damit vor der Herausforderung, sich schnell ein oft komplexes Fachwissen anzueignen. Hier hat nun die Prehistoric Society nachgeholfen und eine Website mit Materialien zur Vorgeschichte Großbritanniens und zu archäologischen Methoden bereitgestellt. Herunterladen kann man dort Vorschläge für den Stundenaufbau, Powerpoints und weitere Informationen für Lehrkräfte sowie sog. "Signposts", die den Besuch von Denkmälern erleichtern sollen. Die Ressourcen erleichtern britischen Lehrern (und deren Schülern) den Einstieg –hierzulande sind sie vielleicht eine Inspiration für die Bemühungen, Vorgeschichte in den Schulunterricht zu bringen.
"A compilation of teaching materials and information on prehistory" (The Prehistoric Society): https://theprehistoricsociety.school.blog/
8 Ausstellungen und Museen
8.1 Museen in Zeiten der Pandemie: Es geht um eigentlich alles
Über Wochen hinweg mussten alle Museen geschlossen bleiben, (natürlich) auch die, deren übliche Besucherdichte dem "social distancing" quasi als Lehrstück hätte dienen können. Unter strengen Auflagen dürfen in der laufenden Woche die ersten Häuser nun wieder öffnen. In der Zwischenzeit haben sich viele Museen stärker oder neu in den digitalen Raum begeben, um den Kontakt zur Gesellschaft nicht zu verlieren, ihn aufrecht zu erhalten oder zu stärken. Mehrere lesenswerte Artikel reflektieren das Geschehen der vergangenen Wochen und die Implikationen für Museen. "Mehr und mehr wird sichtbar, welche Folgen die Corona-Pandemie hat", schreibt der Deutsche Museumsbund am 24.4. "Oft viel zu knapp kalkulierte Budgets lassen sich bei wegbrechenden Einnahmen nicht halten. Das angestellte Personal ist tariflich abgesichert, nicht aber die freien Mitarbeiter*innen, die in ihrer Existenz bedroht sind." Begonnen werden müsse nun mit einer tiefgreifenden Debatte über die zukünftige Rolle der Museen. "In Zeiten, in denen eine so gewaltige Institution wie das New Yorker Metropolitan Museum seinen 150. Geburtstag in der Sorge feiert, von Sommer an überhaupt nicht mehr öffnen zu können, fürchten auch die öffentlichen Häuser in Deutschland die Auswirkungen der Schließung", resümiert die Süddeutsche und macht klar, dass private Häuser oder Stiftungen noch viel stärker betroffen seien. Die meisten Museen, auch kommunale oder staatliche, finanzierten sich zudem zu einem Teil über die Einnahmen aus der Verpachtung von Buchläden, Restaurants oder Cafés, die derzeit und auch in nächster Zukunft komplett wegfallen.
"Museen bereiten sich auf schrittweise Wiederöffnung vor" (Deutscher Museumsbund, 16.4.): https://www.museumsbund.de/museen-bereiten-sich-auf-schrittweise-wiederoeffnung-vor/
"Rückkehr ins Kulturleben: Nachts im Museum?" (Süddeutsche, 23.4.): https://www.sueddeutsche.de/kultur/kunst-museen-wiedereroeffnung-coronavirus-1.4884965
"Erste Ergebnisse und Aufruf zur Teilnahme an NEMO Umfrage zu Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie auf Museen" (Deutscher Museumsbund, 23.4.): https://www.museumsbund.de/erste-ergebnisse-und-aufruf-zur-teilnahme-an-nemo-umfrage-zu-auswirkungen-der-coronavirus-pandemie-auf-museen/
"Museen in Zeiten von Corona: es geht um die Zukunft!" (Deutscher Museumsbund, 24.4.): https://www.museumsbund.de/museen-in-zeiten-von-corona-es-geht-um-die-zukunft/
"Lernen aus Corona: Wie die Kölner Museen digital werden wollen" (Kölner Stadt-Anzeiger, 29.4.): https://www.ksta.de/kultur/lernen-aus-corona-wie-die-koelner-museen-digital-werden-wollen-36620000
8.2 Virtueller Besuch im Rössener Haus des Archäologischen Freilichtmuseums Oerlinghausen
Archäologische Hausrekonstruktionen sind vergänglich. Wie man damit umgeht, wurde im Fach nie grundsätzlich diskutiert. Die Freilichtmuseen nutzen - wenn überhaupt - ihre Altbauten in der Regel zu "Verfallsexperimenten" oder brennen sie ab und graben die Reste anschließend wieder aus. Solche Aktionen haben häufig einen überschaubaren fachlichen Nährwert ... Was aber, wenn das Haus selbst ein Stück Forschungsgeschichte ist? So ist der erste steinzeitliche Hausrekonstruktionsversuch - der deutschen Nachkriegsgeschichte das 1979 errichtete Rössener Haus im Archäologischen Freilichtmuseum Oerlinghausen - mittlerweile baufällig und muss in spätestens zwei Jahren abgerissen (oder abgebrannt?) werden. Im AFM Oerlinghausen versucht man, den unrettbar verlorenen Bau in einer Art digitalem Häuserfriedhof zu konservieren. Ein erstes begehbares Modell wurde im April ins Netz gestellt: Die virtuelle Präsentation besteht aus einer Reihe von Kugelpanoramen, die von verschiedenen Standorten im Gebäude aus gemacht wurden - der virtuelle Besucher kann sich so von Standort zu Standort (weiße Ringe) bewegen und sich von jedem Standort aus jeweils gründlich umsehen. Wahlweise auch mit Virtual-Reality-Brille – aber wirklich nötig ist das nicht, Computerbildschirm, Tablet oder Handy funktionieren auch. Die Qualität ist dabei bei Weitem ausreichend, um auch Details des Baus zu erfassen - eine Erklärungstafel zum Mehlmahlen kann man knapp nicht lesen (aber anhand der Grafik immerhin problemlos erfassen, worum es darauf geht), den Feuerlöscher allerdings erkennt man auch virtuell schon von Weitem. Und auch wenn die Webpräsentation schon rudimentäre 3D- und Messfunktionen (die schnell übersehenen Icons links unten!) bietet - eine "echte" Photogrammetrie, d. h. eine detaillierte photogrammetrische Aufnahme des Gebäudes, ist geplant. Das archäologische Vorbild des Rössener Hauses stammte aus dem Rheinischen Braunkohlerevier, genauer: aus Inden. Mit 29 Metern Länge ist das Haus noch ein Zwerg, aber dennoch beeindruckend. Für den Freilichtforscher Claus Ahrens war es ein typischer Vertreter der "rustikalen Phase" der Rekonstruktion in den 1970er und 1980er-Jahren. Das Modell ist gerade wegen seiner Schlichtheit interessant, da es kein Lebensbild liefert, sondern sich auf die Konstruktion konzentriert. Einigte man sich auf einen Standard, wären digitale Häuserfriedhöfe eine interessante "Konservierungsmethode" für die bald in größerer Zahl anfallenden abgängigen Hausrekonstruktionen. Dokumentationen auf vergleichbarem Level hätten darüber hinaus Potenzial auch für die Forschung.
Virtuelle Präsentation des Rössener Hauses im AFM Oerlinghausen: https://my.matterport.com/show/?m=N8FySEGyaGQ&help=1wiki
8.3 Kritik an Heuneburg-Vermarktung
Rainer Schreg, bekannter Archäologie-Blogger und Professor für Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit an der Universität Bamberg, setzt sich in einem Blogbeitrag vom 5.4.l mit der geplanten Kelten-Erlebniswelt auf und um die Heuneburg (Lkr. Sigmaringen) herum auseinander. Anlass ist der mit April 2020 vollzogene Übergang des Heuneburg-Projekts in die Trägerschaft der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg. Die Ankündigung einer "Marketingmaschinerie" und Vermittlungsziele wie "Wie niedlich waren keltische Ponys? Wie groß keltische Kühe? Und verströmten auch keltische Schweine strenge Duftnoten?" lassen ihn erschrecken. Seine Kritik: die genannten Vermittlungsziele seien zu beliebig, zu zeit-unspezifisch, Interessierte verlören das spezifisch Eisenzeitliche aus dem Blick. Denn Dreck, Gestank, ländliche Primitivität u. ä. seien eben allzu oft auch die Themen, die an anderen Orten für andere Epochen betont und dargestellt würden - wozu Schreg eine lange Belegliste aus Baden-Württemberg anführt. Damit würde die "Heuneburg unter Wert verkauft", das Besondere des Ortes wie der Epoche insgesamt gehe verloren. Schreg plädiert sogar dafür, die vor Ort bestehenden Rekonstruktionen wieder abzuräumen, um der Phantasie, der Magie des Ortes wieder mehr Platz einzuräumen, die Fundstelle selbst und eventuelle Rekonstruktionen auch räumlich sauber voneinander zu trennen. Nicht zuletzt stellt er - wissenschaftlich völlig korrekt - auch die Gleichsetzung der Heuneburg mit den Kelten und dem bei Herodot genannten "Pyrene" in Frage. "Unmöglich ist das nicht, vielleicht sogar plausibel, aber sie ist eben auch nicht ohne Widersprüche und letztlich - wie so vieles in den Geisteswissenschaften - aus methodischen Gründen nicht beweisbar. Das sollte man darstellen und nicht überspielen, denn Vertrauen in die Wissenschaft (und Vertrauenswürdigkeit der Wissenschaft) ist ein hohes Gut. Das Vertrauen muss sich die Wissenschaft verdienen, indem sie sich von Sensationalisierung und oberflächlicher Vermarktung distanziert" - so Schreg.
Rainer Schreg: "Niedliche Ponys und stinkende Schweine auf der Heuneburg? Wissenschaftsvermarktung statt Wissenschaftsvermittlung?" (Archaeologik, 5.4.): https://archaeologik.blogspot.com/2020/04/niedliche-ponys-und-stinkende-schweine.html
9 Gastkommentar
9.1 Studenten in Grabungsfirmen oder auf Amtsgrabungen. Von Sascha Piffko M.A., Geschäftsführer einer Grabungsfirma in Hessen
Viele Studierende der Archäologie verdienen ihr Geld bereits auf Grabungen, sei es für Grabungsfirmen, sei es für Ämter und Behörden. Das ist eine erfreuliche und begrüßenswerte Sache. Angehende Archäologen lernen den handwerklichen Teil im Felde, sammeln Erfahrungen, lernen die wichtigsten Aspekte der Grabungstechnik und finanzieren damit sogar ihr Studium. Zu missbilligen ist jedoch diese Grabungstätigkeit von Fachstudenten,
1) wenn sie Arbeitsplätze für Archäologen gefährden;
2) wenn sie gebraucht werden, um Lohndumping zu betreiben;
3) wenn sie gebraucht werden, um Tariflöhne zu umgehen;
4) wenn das Arbeitsrecht nicht eingehalten wird;
5) wenn die Grabungstätigkeit das Studium des Studierenden verzögert oder gar den Abschluss gefährdet;
6) wenn der Wettbewerb verzerrt wird;
7) wenn durch Werkverträge die Sozialabgaben eingespart werden und der Studierende um die Altersversorgung betrogen wird;
8) wenn Studierende Aufgaben ausführen, für die sie noch nicht qualifiziert sind;
9) wenn die Studierenden nicht fachgerecht angeleitet werden;
10) wenn die Studierenden Gefahr ausgesetzt werden.
Auch Studierende müssen einen anständigen Lohn erhalten. Der Mindestlohn ist KEIN anständiger Lohn. Auch Studierende dürfen keine Arbeiten für das Projekt in ihrer Freizeit verrichten. Das führt nämlich zu Unterschreitung des Mindestlohns. Auch Studierende haben ein Anrecht auf bezahlten Urlaub, Krankengeld, Wegegeld für Anfahrt zu Baustellen, Arbeitskleidung. Unsere Firma zahlt den studentischen Helfern derzeit einen Stundenlohn von etwa 11,25 Euro. Auch die Studierenden haben Anspruch auf 28 Tage bezahlten Urlaub im Jahr plus 5 Tage bezahlten Sonderurlaub für Fortbildung (Prüfungen, Vorträge, Tagungen). Alle Studierenden sind unfall- und sozialversichert eingestellt. Kein Studierender darf durch seine Tätigkeit das Studium vernachlässigen. Auf Grabungen arbeiten immer erfahrene und sicherheitstechnisch geschulte Vorgesetzte mit den Studenten zusammen. Aufgrund der Arbeitsverträge in unserem Betrieb werden die studentischen Mitarbeiter gleichbleibend im Sommer wie im Winter bezahlt. Überstunden werden abgefeiert oder ausbezahlt. Die Studierenden nehmen an der innerbetrieblichen Fortbildung teil (bezahlte Arbeitszeit). Kein Mitarbeiter (auch kein Studierender) muss oder darf Projektarbeit ohne Bezahlung ausführen. Wenn ein Projekt schlecht kalkuliert ist, dann hat der Chef versagt, und kein Mitarbeiter muss das ausbaden. MERKE: Studierende der Archäologie dürfen nicht den eigenen Arbeitsplatz gefährden oder das Lohnniveau drücken!
9.2 Deutsche Archäologiemuseen in Zeiten von #stayathome und #closedbutopen. Von Dr. des. Karina Iwe M.A.
Vom Coronavirus sind viele Bereiche des gesellschaftlichen Lebens in Deutschland stark betroffen, auch die Museen. Aufgrund der Schließung der Einrichtungen gibt es Häuser mit Ausstellungen, die noch nicht eröffnet werden konnten bzw. nicht mehr eröffnet oder verschoben werden. Kreativität und Umsetzungswille sind nun in Zeiten von #closedbutopen gefragt. Die Archäologie hat ein starkes Potenzial für Auftritte in den Social-Media-Kanälen - die Sammlungen bilden die Grundlage für Fotoeindrücke und -geschichten sowie virtuelle Touren.
Ein Blick Richtung Archäologiemuseen zeigt, wie die einzelnen Häuser mit dieser Situation, dass ihre Einrichtungen wochenlang geschlossen bleiben, umgehen.
Unter einer großen Auswahl bekannter Hashtags wie #KulturinZeitenvonCorona, #stayathome, #closedbutopen, #MuseumFromHome, #culturedoesntstop, #DigitalMuseum, #digitaleSammlung, #DigAMus, #Kulturdigital und #KulturimNetz haben sich die Archäologiemuseen zum Ziel gesetzt, während der Schließzeit Bürger*innen von der heimischen Couch aus zu unterhalten und die Zeit mit gezielten Aktionen bis zum Öffnungstag zu überbrücken. Es ist zu beobachten, dass digitale Museumsformate momentan sprießen wie Frühlingsblumen, d.h. die Museen in dieser ungewöhnlichen Situation besonders viele Beiträge für den Onlinebereich erstellen, sie bauen ihre digitalen Angebote aus, probieren sich aus, betreten mitunter Neuland, veröffentlichen kurzfristig oder auch schon langfristig produzierten Content. Eine Zwischenbilanz zeigt, dass neben dem #Digitalisierungsschub ein unterhaltsames Angebot für Archäologieinteressierte (und gleichermaßen vollwertige digitale Museumsbesucher*innen) zu beobachten ist, wenngleich auch einige Beiträge in der Umsetzung einen DIY (Do it yourself)-Charakter aufweisen und (technisch) schnell umgesetzt wirken (Ton, Bildqualität).
Eine Auswahl an Aktivitäten soll an dieser Stelle aufgelistet werden:
@LWLMuseumArchae #Herne: #Kuratorenführungen durch die #Pest Ausstellung, YouTube-Kanal https://www.youtube.com/watch?v=5mNjCP1rw_E&feature=youtu.be
@smac_sachsen #Chemnitz – Lieblingsobjekte der Kuratorinnen der Sonderausstellung #LebenamTotenMeer, https://www.leben-am-toten-meer.de/
@AFMOerling: Programm für #Homeschooling, #Clips, #Arbeitsblätter & #Lernquiz https://www.youtube.com/watch?v=ehaGqargud8&feature=youtu.be
@BLM_Karlsruhe: #Podcast Kaffee mit Kolleg*innen und Mitarbeiter*innen präsentieren Inhalte des Museums https://www.youtube.com/watch?v=l6hCxtTNxJ8
Fazit: Den digitalen Besucher*innen steht ein vielfältiges Überangebot der Museen außerhalb ihrer eigenen Räumlichkeiten zur Verfügung. Das Interesse für digitale Kulturangebote durch Archäologieinteressierte ist groß.
Unter den Auftritten der Museen mit archäologischen Sammlungen ist im Bereich der Online-Kommunikation viel Ähnliches zu sehen: viel visueller Input, ein stärkerer Trend ist das Erstellen von Videos, was fehlt, sind jedoch besonders innovative Ideen und Umsetzungen (wie sie häufig bei den Kunstmuseen zu beobachten sind). Mitunter ist der Druck zu erkennen, unter dem die Museen stehen, trotz Schließung sichtbar zu bleiben.
Digitale Ausflüge waren schon vor Corona bei den Museen zu unterschiedlichen Dimensionen präsent und ausgebaut. In diesen Zeiten zahlt es sich aus, wer am Haus bereits eine ganze oder halbe Social-Media-Stelle im Stellenplan hatte. Bei der Umsetzung von Inhalten und Konzepten sollten an der technischen Qualität keine Abstriche gemacht werden. Zuschauer*innen haben Sehgewohnheiten, und damit auch eine Erwartungshaltung. (Dauerhafte) Qualität für den Digitalbereich erreicht man nur mit Geld und Kompetenz, also entsprechend installierten Stellen.
Aktuell besteht für die Museen die Chance, Digitales anzugehen, weiterzuentwickeln (auch jenseits der Corona-Krise), sich auszuprobieren, voneinander zu lernen (und auf andere Häuser zu übertragen). Hierbei gilt auch, bestehende digitale Kulturangebote bekannter zu machen. Und wie sieht das Feedback der Follower*innen aus? Was wünscht sich die Community - welche Form der Interaktion? Was vermisst sie? Liegt ein zielgruppenspezifisches Vorgehen bei den Online-Angeboten vor? Eine Umfrage (Besucherforschung) für die Online-Angebote wäre gut und sinnvoll. Auch zum Aspekt, wie nachhaltig die digitalen Angebote sind.
Die Zukunft liegt im Digitalen, digitale Angebote der Archäologiemuseen sind eine Erweiterung, kein Ersatz, analoger Angebote. Und dennoch ist klar, Ausstellungen leben vor allem von einem persönlichen Besuch. Die Freude auf die Besucher*innen der Museen nach der Öffnung ist groß!
10 Und sonst …
10.1 Für Kultureinrichtungen: Digitales Publikum gewinnen und pflegen
Pünktlich zum Lockdown: ein kurzer Leitfaden über Werkzeuge und Wege, ein digitales Publikum zu gewinnen und es sich zu erhalten. Wer bereits mit Facebook, Twitter etc. unterwegs ist oder gar eine eigene Website betreibt, erfährt in der 28-seitigen Broschüre kaum etwas grundsätzlich Neues. Aber die einzelnen Optionen werden nach aktuellem Wissensstand beleuchtet, in mehr oder weniger wichtig/wirksam geschieden und ihr Wirkungsgefüge treffend beschrieben. Eine anregende Lektüre.
Schleswig-Holsteinische Landesbibliothek: "Handreichung zum Digitalen Masterplan Kultur: Audience Development" (April 2020): http://www.shlb.de/AudienceDevelopment.pdf
10.2 Online-Ressourcen zur Bioarchäologie von Säuglingen und Kindern für Dozenten und Studierende
Es gibt eine zunehmende Anzahl von Online-Bildgebungsressourcen und -softwares, die für die Bioarchäologie von Säuglingen und Kindern und besonders auch für den Unterricht nützlich sind. Siân E. Halcrow bietet in ihrem Blog "The Bioarchaeology of Childhood" eine aktuelle und wertvolle Zusammenstellung an, beispielsweise zu 3D-Modellen der Knochenpathologie, die Datenbank "AAOF Craniofacial Growth Legacy Collection" oder die "eSkeletons" der University of Texas, Austin.
"Online resources on infant and child bioarchaeology for teachers and students" (The Bioarchaeology of Childhood, 4.4.): https://childhoodbioarchaeology.org/2020/04/04/online-resources-on-infant-and-child-bioarchaeology-for-teachers-and-students/
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