DGUF-Newsletter Nr. 126 vom 12.10.2024

Inhalt

1  DGUF-Nachrichten

1.1 Tagungsbericht "Von der digital gestützten Ausgrabung zu digitalen Diensten in der Archäologie" (Bochum, 8.10.)

1.2 Unter den DGUF-Rezensionsangeboten: Marc Vander Linden: The Bell Beaker Phenomenon in Europe. A Harmony of Difference

2  Tagungen und Veranstaltungen

2.1 10th World Archaeological Congress (Darwin, 22.-28.6.; Call for Themes bis 31.10.)

2.2 Die Dinge einmal anders betrachten – Neuer Materialismus in der Archäologie (Mainz, 20.-21.3.; CfP bis 15.12.)

2.3 "Aus der Erde ins Netz. Datenmanagement von der Ausgrabung bis zur E-Publikation" (Online, 20.11.)

2.4 "Scales of Social, Environmental & Cultural Change in Past Societies" (Kiel, 24.-29.3.; CfP bis 31.10.)

3  Forschung

3.1 Neu im Early View der "Archäologischen Informationen"

3.2 Aktuelle Ausgrabungen und Forschung in den Medien

3.3 Peter Caselitz: Zur jüngerbronzezeitlichen Bevölkerung von Darverden

3.4 Wurfspeer gewinnt durch hohe Werferposition, Speerschleuder nicht

3.5 Christoph Huth über bronzezeitliche Brucherzfunde und den Wert der Detektorarchäologie

3.6 Osterinsel: Kontakte zu amerikanischen Ureinwohnern vor Kolumbus / kein Ökozid im 17. Jh.

4  Archäoinformatik

4.1 Buck & Juárez (2024). Bayesian radiocarbon modelling for beginners

4.2 Neu: Gianmarco Alberti (2024). From data to insights: A beginner's guide to crosstabulation analysis

4.3 Wirklich kurzer Bericht zum Workshop der AG CAA in Münster (5.-6.9.)

5  Kulturgutschutz

5.1 Aktuelles rund um Kulturgutschutz in den Medien

5.2 Sudan: Ausgrabungsstätten und Antiken ohne Schutz, Nationalmuseum Khartoum geplündert

6  Beruf Archäologie

6.1 Bremen verabschiedet Landesarchäologin Prof. Uta Halle in den Ruhestand

6.2 Dr. Stefanie Berg Nachfolgerin von Sebastian C. Sommer

6.3 Berliner Morgenpost: Irreführendes betreffs Beruf Archäologie

6.4 Archäologie-Gehälter in Großbritannien

6.5 Koblenz: Mitarbeiter der GDKE soll bewusst Falschangaben zum Alter von Funden gemacht haben

6.6 Deutscher Verband für Archäologie (DVA) nunmehr ohne persönliche Mitglieder

7  Open Access & Open Data

7.1 Jetzt auch beim bayerischen und baden-württembergischen Landesdenkmalamt: Grabungsberichte "roh" veröffentlichen

8  Bürger und Archäologie & Citizen Science

8.1 André Schoellen: Ist eine Zusammenarbeit mit der Metalldetektorindustrie ethisch vertretbar?

 

1         DGUF-Nachrichten

1.1         Tagungsbericht "Von der digital gestützten Ausgrabung zu digitalen Diensten in der Archäologie" (Bochum, 8.10.)

Am 7.-10.10. fand in Bochum mit etwa 300 angemeldeten Teilnehmerinnen und Teilnehmern die jährliche Verbandstagung statt, dieses Mal gemeinsam ausgerichtet vom Nordwestdeutschen Verband für Altertumskunde, der Ruhr-Universität Bochum, dem Deutschen Bergbau-Museum Bochum und dem LWL-Museums für Archäologie und Kultur Herne. Das am Mittwoch, 8.10. angesiedelte, u. a. von NFDI4Objects, Bergbaumuseum Bochum und DGUF organisierte Schwerpunkthema der Tagung lautete "Von der digital gestützten Ausgrabung zu digitalen Diensten in der Archäologie". Der lange Tag mit Programm von 8:45 bis 18:45 Uhr und 19 Vorträgen kreiste um drei Themenfelder. (1) In mehreren Vorträgen stellten in NFDI4Objects-Aktive ihre aktuellen Teilprojekte und Arbeitsstände vor. Diese zum Teil hochspezifischen und -spezialisierten Vorträge boten in ihrer Fülle einen guten Überblick über "das, was läuft" und somit Interessierten auch viele Anknüpfungspunkte zu Nachfragen und Diskussionen, aber eben auch vielfältige Anregungen zum Mitmachen. (2) In vier Vorträgen stellten Grabungsfirmen ihre Arbeitsbedingungen und verbessernden Lösungsansätze bei der Gewinnung von Primärdaten vor. Bei allen Unterschieden wird deutlich, dass in der meist bundesländer-übergreifend tätigen Privatwirtschaft die landesspezifisch doch sehr unterschiedlichen Grabungsrichtlinien gerade bei der modernen, komplett digitalisierten Grabungsdokumentation ein Hemmnis sind – umso mehr, wenn sie versuchen, statt des fertigen Produkts "Grabungsdokumentation" auch die Workflows zu regeln. Die derzeit noch unterschiedlichen Lösungen der Firmen laufen alle darauf hinaus, eigenständig eine umfassende digitale Dokumentation nach eigenen Regeln und Vorgehensweisen anzufertigen und aus diesem Informationsfundus heraus dann nach den landesspezifischen Richtlinien die jeweils geforderte Untermenge auszuspielen. (3) In zwei Vorträgen wurden Möglichkeiten der Integration von Ehrenamtlichen / Sondengängern aufgezeigt. Stefanie Hoss stellte das staatlich finanzierte und seit 2022 vollends aktive Projekt "Portable Antiquities of the Netherlands (PAN)" vor, das Sondengängern u. a. eine Fundmelde-App bietet und dahinter eine öffentlich zugängliche Datenbank und fachliche Vorgehensweisen samt Rückmeldungen an die Finder. Eicke Siegloff stellte die renovierte und in der Veröffentlichung befindliche Bodendenkmälerdatenbank für die Archäologische Landesaufnahme Schleswig-Holstein vor, die neu ein Webportal für Fundmeldungen anbietet. Die mehr als 600 zertifizierten Sondergänger und Sammler in Schleswig-Holstein können hier ihre Nachforschungsgenehmigungen beantragen und erhalten und dort später auch ihre Funde samt Foto melden. Ein im Amt hinterlegter geordneter Workflow sorgt für Fundbestimmungen, förmliche Fundmeldungen, Fundrückgabe etc. Zwei ausgereifte Modelle für Vorgehensweisen und technische Abläufe im Zusammenhang mit Sondengängern, die leicht adaptiert werden könnten. Die Vorträge der Bochumer Plenarsitzung sollen in den "Archäologischen Informationen" publiziert werden.

Informationen zur Tagung: https://dguf.de/tagungen-events/tagungen/vergangene-tagungen/tagungen-seit-2020/2024-9-okt-bochum-von-der-digital-gestuetzten-ausgrabung-zu-digitalen-diensten-in-der-archaeologie

Website NFDI4Objects: https://www.nfdi4objects.net/

Portable Antiquities of the Netherlands: https://portable-antiquities.nl/pan/#/public

 

1.2         Unter den DGUF-Rezensionsangeboten: Marc Vander Linden: The Bell Beaker Phenomenon in Europe. A Harmony of Difference

Unter den zahlreichen Publikationen, welche die Herausgeber der "Archäologischen Informationen" zur Rezension ausschreiben, sei diesmal der 75 Seiten schlanke siebte Band der "Elements"-Reihe der EAA herausgehoben – "The Bell Beaker Phenomenon in Europe. A Harmony of Difference" von Marc Vander Linden. Aus dem Klappentext: "After a brief presentation of the historiography of the Bell Beaker phenomenon, this 'Element' offers a synthetic account of the available evidence structured on a regional basis. Following the renewed interest in human mobility generated by stable isotopes and ancient DNA studies, the central thesis developed here is that the Bell Beaker Phenomenon can adequately be described as a metapopulation, a concept borrowed from population ecology." Wenn Sie Interesse an einer Rezension haben, richten Sie bitte Ihre Anfrage mit Ihrer vollständigen Postanschrift sowie einer kurzen Begründung, weshalb Sie dieses Werk besprechen wollen, an: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein..

Alle Rezensionsangebote der "Archäologischen Informationen" mit weiteren Informationen zu Modalitäten und Ablauf: https://www.dguf.de/fileadmin/user_upload/publikationen/AI/dguf-dok_arch-inf_rezensionsangebote.pdf

Marc Vander Linden: The Bell Beaker Phenomenon in Europe. A Harmony of Difference. Elements in the Archaeology of Europe 7. 75 pages. March 2024. https://www.cambridge.org/core/elements/bell-beaker-phenomenon-ineurope/6CE35EF669A4A6A910AAB12FDA3C370C#element

 

2         Tagungen und Veranstaltungen

2.1         10th World Archaeological Congress (Darwin, 22.-28.6.; Call for Themes bis 31.10.)

WAC-10 will be held in Darwin, Northern Territory, Australia. The conference will include a diverse academic program that includes all forms of archaeology; a cultural festival that showcases the visual and performing arts of Indigenous peoples in Australia and globally; tours to archaeological sites; aboriginal teachers sharing stories, artworks and ancient traditions spanning more than 65,000 years; and social events and policy-making. Proposals for Themes close 31 October 2024, proposals for Sessions and Workshops close 31 January 2025, proposals for Papers, Posters and Displays close 30 April 2025.

https://worldarchaeologicalcongress.com/wac10/

 

2.2         Die Dinge einmal anders betrachten – Neuer Materialismus in der Archäologie (Mainz, 20.-21.3.; CfP bis 15.12.)

Wie lässt sich unter der Forschungsperspektive des Neuen Materialismus das Zusammenleben von Menschen, Tieren und Dingen in der Vergangenheit neu verstehen? Welche Auswirkungen hat der Neue Materialismus auf archäologisches Arbeiten wie Ausgraben und Kategorisieren, Restaurieren und Konservieren, Interpretieren und Quantifizieren, Konzeptualisieren und Theoretisieren sowie Ausstellen und Vermitteln? Welche neuen Herausforderungen und Zugangsweisen, Fragestellungen und Perspektiven ergeben sich aus der Perspektive des Neuen Materialismus? Und wie stellt sich Archäologie jenseits von Dualismen in einer relationalen Denkweise dar? Diese Fragen stellen die Organisatoren der Veranstaltung am Leiza. Bis 15.12. können Vortragsvorschläge zu Aspekten wie posthumanistische Narrative, Assemblagen, archäologische Kategorien, Körperverflechtungen, Architektur und Kunst eingereicht werden. Auch Beiträge zum Einfluss des Neuen Materialismus auf archäologische Aufzeichnungen, Ausgrabungen, Kontexte und Merkmalsbildungen seien willkommen.

https://www.leiza.de/call-for-papers-die-dinge-einmal-anders-betrachten-neuer-materialismus-in-der-archaeologie

 

2.3         "Aus der Erde ins Netz. Datenmanagement von der Ausgrabung bis zur E-Publikation" (Online, 20.11.)

Zu einem Workshop mit World Café laden Propylaeum (UB Heidelberg) und NFDI4Objects (Task Area 5) am 20.11. ein. Praxisnah sollen Fragen diskutiert werden wie z. B.: Wie genau könnte so ein Workflow von der Ausgrabung zur online Publikation der Daten im Open Access aussehen? Welchen Problemen und Herausforderungen – wie z. B. Lizenzen oder technischen Hürden – muss man sich dabei stellen? Wer hat welche Ansprüche? – Einen Input werden drei Impulsreferate zu Beginn leisten. Seitens der DGUF thematisiert der Leitende Herausgeber der Schriftenreihen, PD Dr. Frank Siegmund, die Monographienreihe "Archäologischen Quellen" = Grabungsberichte als Forschungsdaten; auch spricht er über die Möglichkeit von Open Daten und Open Data Papers in den Archäologischen Informationen. Nach den Impulsvorträgen sollen Herausforderungen und Hindernisse aus den unterschiedlichen Anforderungsperspektiven, aber auch Wünsche, Ziele oder gar schon Best Practice Beispiele diskutiert werden. Der Workshop richtet sich an interessierte Forscher in allen Karrierestufen und Institutionen (Landesdenkmalämter, Grabungsfirmen, universitäre Forschungsprojekte etc.), die Interesse daran haben, ihre generierten Daten online und im Open Access zu publizieren. Bei Interesse melden Sie sich bitte bis zum 8.11. bei Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein. an und erläutern in 4–5 Sätzen Ihre Motivation zur Teilnahme. Es entstehen keine Teilnahmegebühren.

https://www.nfdi4objects.net/activities/n4o_activity_20241010-1509/

 

2.4         "Scales of Social, Environmental & Cultural Change in Past Societies" (Kiel, 24.-29.3.; CfP bis 31.10.)

According to the organizers, the scientific program of the conference aims to promote discussion by merging themes that explore the roots of social, environmental, and cultural phenomena and processes, well as different scales of transformations in prehistoric and archaic societies. The sessions intend to explore wide diachronic and interdisciplinary spectra: From Late glacial societies to communities of pre-modern cites, from topics on human adaptation and coping strategies, to those on burial rites, residential behavior, the formation of complex networks, and past health, as well as different theoretical and methodological approaches covering social, physical, life, and formal sciences.

https://www.kielconference.uni-kiel.de/

 

3         Forschung

3.1         Neu im Early View der "Archäologischen Informationen"

Schoellen, A. (2024). Archäologische Denkmalpflege: ist eine Zusammenarbeit mit der Metalldetektorindustrie ethisch vertretbar? – Ein Meinungsbeitrag und Appell. Archäologische Informationen 47, Early View, online publiziert 11. Okt. 2024.

Heller, D. (2024). Rezension zu: Budke, A., Dieckmann, U., Henselowsky, F., von Reumont, F., Schäbitz, F., Simon, M. & Vogelsang, R. (2024). Auf der Spur der Menschen vor 80.000 Jahren. Eine kommentierte Graphic Novel. Berlin: Reimer Verlag. Archäologische Informationen 47, Early View, online publiziert 16. Sept. 2024.

https://www.dguf.de/early-views

 

3.2         Aktuelle Ausgrabungen und Forschung in den Medien

"Vestiges du Néolithique récent, de l’âge du Fer et du haut Moyen Âge à Pfulgriesheim (Bas-Rhin)" (INRAP, 9.10.): https://www.inrap.fr/vestiges-du-neolithique-recent-de-l-age-du-fer-et-du-haut-moyen-age-19589

"Geschicklichkeit im bronzezeitlichen Speerkampf. Forschende untersuchen Abnutzungsspuren an Speerspitzen und stellen Vergleichsdaten bereit" (Universität Göttingen, 8.10.): https://www.uni-goettingen.de/de/3240.html?id=7561

Assiut/Ägypten: "3900 Jahre alte Grabkammer einer noblen Tochter im Grab ihres Vaters entdeckt" (Selkets Blog, 6.10.): https://blog.selket.de/aus-der-archaeologie/3900-jahre-alte-grabkammer-einer-noblen-tochter-im-grab-ihres-vaters-entdeckt

"Archäologie zwischen Bagger, Dreck und Baulärm: In Zürich reichen ein paar Stunden, um ein Tor in die Vergangenheit zu öffnen" (NZZ, 3.10.): https://www.nzz.ch/wissenschaft/archaeologie-in-der-baugrube-wenn-jede-stunde-geschichte-rettet-ld.1830835

"Ein 10.500 Jahre alter Fund im Duvenseer Moor fasziniert Archäologen" (Welt, 28.9.): https://www.welt.de/geschichte/article253650706/Archaeologie-Ein-10-500-Jahre-alter-Fund-im-Duvenseer-Moor-fasziniert-Forscher.html

"Schlachtfeld im Tollensetal: Pfeilspitzen deuten auf frühe überregionale Gewaltkonflikte. Forscherteam entdeckt bronzezeitliche Hinweise auf Kämpfer aus dem Süden" (Universität Göttingen, 23.9.): https://www.uni-goettingen.de/de/3240.html?id=7549

"Oldest DNA from South Africa decoded to date. 10,000-year-old human genome are genetically similar to those of ethnic groups living in the region today" (MPG, 19.9.): https://www.mpg.de/23470846/0918-evan-new-insights-into-south-african-population-history-150495-x

"Neue Ausgrabungen in der befestigten Siedlung der Linearbandkeramik bei Eilsleben" (Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt - Landesmuseum für Vorgeschichte, 19.9.): https://idw-online.de/de/news839997

Italien: "Archäologische Grabung im antiken Fregellae beleuchtet Ende einer Kulturlandschaft" (Leiza, 17.9.): https://www.leiza.de/presse/details-pressmeldungen/archaeologische-grabung-im-antiken-fregellae-beleuchtet-ende-einer-kulturlandschaft

Ägypten: "Restaurierung im Tempel von Edfu bringt Inschriften, Farbe und Gold ans Licht" (Universität Würzburg, 16.9.): https://www.uni-wuerzburg.de/aktuelles/pressemitteilungen/single/news/restaurierung-edfu/

"Quedlinburger Galgenberg: Gruseliger Fund deutet auf »Wiedergänger«-Grab hin" (Spiegel, 11.9.): https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/quedlinburg-skelett-mit-steinen-auf-galgenberg-ist-wohl-wiedergaenger-grab-a-03094ff7-72e4-4cf2-bfd1-377939d4ec64

"How paleoenvironmental data improves climate models—the Amazon example" (Roots, 11.9.): https://www.uni-kiel.de/en/cluster-roots/details/news/141-amazonas-archaeo

Taunus: "Archäologische Untersuchungen am Kapellenberg erfolgreich fortgesetzt" (Leiza, 6.9.): https://www.leiza.de/presse/details-pressmeldungen/archaeologische-untersuchungen-am-kapellenberg-erfolgreich-fortgesetzt

"Neolithic plague bacterium did not cause mass mortality" (Roots, 6.9.): https://www.uni-kiel.de/en/cluster-roots/details/news/138-plague-dog

 

3.3         Peter Caselitz: Zur jüngerbronzezeitlichen Bevölkerung von Darverden

In einer dem Titel nach sehr lokalspezifisch ausgelegten Monografie publiziert der erfahrene Hamburger Anthropologe Peter Caselitz seine Analyse der Leichenbrände des Gräberfeldes von Darverden (Kr. Verden) südlich von Bremen. Es umfasst 255 bestimmbare Individuen. Die Population ist, wie der Titel schon sagt, demografisch nicht repräsentativ, zudem steht (wie so oft) die archäologische Fundvorlage und -analyse aus. Warum ist die Publikation der Newsletter-Redaktion dennoch einen Hinweis wert? Weil Caselitz die Gelegenheit nutzt, nach Vorstellung der eigenen Serie insgesamt 52 Vergleichsserien zusammenzustellen, die die östlichen Niederlande und ganz Norddeutschland bis zur Oder abdecken, inkl. des nördlichen Westfalens. Auf dieser Basis ordnet er die eigene Serie für taphonomische und demografische Fragen in den übergeordneten Kulturraum ein. Im Ergebnis bietet seine fleißige Sammlung nun eine wertvolle Referenz zur Einordnung neuer Serien aus der jüngeren Bronzezeit. Sein Methodik (Sammeln, Vergleich mit den UN-Modellen etc.), seine Tabellen und Grafiken entsprechen seinem Anfang 2024 publizierten Band über die vorrömische Eisenzeit (ebenfalls Brandbestattungen) und seinem 2021er Buch über die Merowingerzeit (vorwiegend Körperbestattungen), woraus sich in Summe eine willkommene diachrone Perspektive ergibt.

Caselitz, P. (2024). Viele Frauen und Kinder, aber wenig Männer: Zur jüngerbronzezeitlichen Bevölkerung von Darverden. (Studia Osteoarchaeologica, 9). Göttingen: Cuvillier.

"Ein Urnenfriedhof bei Daverden" (Landkreis Verden, o.D.): https://www.landkreis-verden.de/portal/seiten/ein-urnenfriedhof-bei-daverden-901000523-20600.html

Caselitz, P. (2024). Von Menschen und ihren Urnen: Bevölkerungen der vorrömischen Eisenzeit im südlichen Elbmündungsgebiet. (Studia Osteoarchaeologica, 8). Göttingen: Cuvillier.

Caselitz, P. (2021). Zwischen Antike und Mittelalter: Zur Demographie der späten Völkerwanderungs- und der Merowingerzeit. (Studia Osteoarchaeologica, 6). Göttingen: Cuvillier.

 

3.4         Wurfspeer gewinnt durch hohe Werferposition, Speerschleuder nicht

Eine Gruppe um Michelle Bebber (Kent State University, USA) hat in sorgfältig angelegten Versuchen die Wirkung von Wurfspeeren und Speerschleudern verglichen: Wie wirkt sich ein gegenüber dem Ziel / Jagdwild erhöhte Standort der Werferin / des Werfers aus? Die Geschwindigkeit des Geschosses sei beim Einsatz von Speerschleudern deutlich höher, doch mit erhöhter Position beim Wurf nehme der Geschwindigkeitsnachteil des Wurfspeers sukzessive ab. Ab ca. 9 m Höhenunterschied sei der Wurfspeer am Ziel schneller. Die kinetische Energie eines Wurfspeeres sei stets höher als die mit Hilfe einer Speerschleuder erreichte, doch ab ca. 4 bis 5 m Höhenunterschied werde die Schere zwischen Speer und Speerschleuder deutlich größer. Die experimentalarchäologische Studie sieht sich als Beitrag zur Erkennung prähistorischer Jagdstrategien.

Bebber, M. R. et al. (2024). The gravity of Paleolithic hunting. Journal of Archaeological Science: Reports, 59, no. 104785: https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S2352409X24004139

 

3.5         Christoph Huth über bronzezeitliche Brucherzfunde und den Wert der Detektorarchäologie

In einem aktuellen Aufsatz über bronzezeitliche Hortfunde plädiert Christoph Huth dafür, sich von vorgefertigten modernen Sichtweisen und Interpretationswünschen zu lösen. Aus einer Gesamtschau auf dieses Phänomen heraus ergebe sich, dass viele der klassischen Deutungsmodelle nicht haltbar seien, und dass viele Deutungsmodelle metallurgische Tatsachen allzu sehr ausklammern. In einem Nachwort verdeutlicht er, dass unser Wissen über diese Hortfunde in den jüngsten 25 Jahren wesentlich durch Detektorfunde bereichert wurde; diese Fundkomplexe seien qualitätvoller und repräsentativer als viele Altfunde und moderne Notbergungen, bei denen oft nur ein kleiner Ausschnitt des Bestands geborgen werde.

Huth, Chr. (2024). Scrap hoards of the Late Bronze Age. In E. Borgna (ed.), Nature and function of bronze deposition between Europe and the Mediterranean: Hoards of the Late Bronze Age. (West & East Monografie, 5). (p. 19-40). Trieste: Edizioni Università di Trieste. https://www.academia.edu/123741630/Scrap_hoards_of_the_Late_Bronze_Age

 

3.6         Osterinsel: Kontakte zu amerikanischen Ureinwohnern vor Kolumbus / kein Ökozid im 17. Jh.

Rapa Nui, die Osterinsel, liegt mehr als 1.900 km östlich der nächsten bewohnten polynesischen Insel und 3.700 km westlich von Südamerika. Die Untersuchung der Genome von 15 Einwohnern, die zwischen 1670 und 1950 lebten, zeigen zwei wesentlich neue Erkenntnisse: 1. Bereits lange Zeit vor den Europäern – im Zeitraum vom 13. zum 15. Jahrhundert – kamen die Bewohner von Rapa Nui in Kontakt mit indigenen Amerikanern waren. Die jetzigen, in "Nature" veröffentlichten Untersuchungen zeigen, dass etwa zehn Prozent des Rapa-Nui-Genpools von Native Americans stammt. "Unsere Studie kann uns zwar nicht sagen, wo dieser Kontakt stattfand, aber das könnte bedeuten, dass die Vorfahren der Rapa Nui Amerika vor Christoph Kolumbus erreichten", sagt Anna-Sapfo Malaspinas von der Fakultät für Biologie und Medizin der Universität Lausanne, Letztautorin der Studie. 2. Bei der zweiten überprüften Theorie geht es um einen vermuteten Bevölkerungskollaps durch "Ökozid" in den 1600er Jahren. Die Forscher suchten nach einer genetischen Signatur eines Populationskollaps, etwa einen plötzlichen Rückgang der genetischen Vielfalt – vergebens. "Unsere genetische Analyse zeigt, dass die Population vom 13. Jahrhundert bis zum Kontakt mit den Europäer*innen im 18. Jahrhundert stabil wächst. Diese Stabilität ist von entscheidender Bedeutung, denn sie widerspricht direkt der Vorstellung eines dramatischen Bevölkerungskollaps vor dem Kontakt", sagt Bárbara Sousa da Mota von der Universität Lausanne und Erstautorin der Studie. Die Wissenschaftler glauben, dass die Idee des Ökozids als Teil eines kolonialen Narrativs entstanden ist.

Víctor Moreno-Mayar, Olivier Delaneau, Anna-Sapfo Malaspinas, Tom Higham et al.: Ancient Rapanui genomes reveal resilience and pre-European contact with the Americas. 2024, Nature. DOI: 10.1038/s41586-024-07881-4

"Durch alte DNA belegt: Bewohner*innen der Osterinsel waren lange vor den Europäer*innen mit Native Americans in Kontakt" (Universität Wien, 11.9.): https://medienportal.univie.ac.at/media/aktuelle-pressemeldungen/detailansicht/artikel/durch-alte-dna-belegt-bewohnerinnen-der-osterinsel-waren-lange-vor-den-europaeerinnen-mit-native/

 

4         Archäoinformatik

4.1         Buck & Juárez (2024). Bayesian radiocarbon modelling for beginners

Ein vielversprechender Aufsatztitel und ein vielversprechender Textbeginn: "Due to freely available, tailored software, Bayesian statistics is now the dominant paradigm for archaeological chronology construction in the UK and much of Europe and is increasing in popularity in the Americas. Such software provides users with powerful tools for Bayesian inference for chronological models with little need to undertake formal study of statistical modelling or computer programming." ... Eine Einführung für Anfänger also. Doch dann? Formeln, Formeln, Formeln, ... samt Hinweis darauf, dass all das Besprochene in drei zitierten, einfach zu bedienenden Softwaretools enthalten sei. Fein! Eine Schritt-für-Schritt-Anleitung entlang dieser Software? Fehlanzeige. Ansonsten ist das Vorgehen mit 14C-Daten aus einer archäologischen Stratigrafie schön erklärt.

Buck, C. E. & Juárez, M. A. (2024). Bayesian radiocarbon modelling for beginners. Archaeometry, 1-18: https://doi.org/10.1111/arcm.12998

 

4.2         Neu: Gianmarco Alberti (2024). From data to insights: A beginner's guide to crosstabulation analysis

Kreuztabellen alias Mehrfeldertafeln alias Kontingenztabellen dienen dazu, Zusammenhänge zwischen nominalskalierten Variablen zu untersuchen. Weil dieses Thema außerhalb der Archäologie (und der Sozialwissenschaften) eher marginal ist, bieten die üblichen Statistik-Handbücher dazu in der Regel nur knapp die grundlegendsten Erläuterungen. Anders das hier angezeigte Buch von Alberti, dass dieses Themenfeld - ohne einen komplexen Formelapparat - in verständlicher Sprache in beachtlicher Tiefe aufarbeitet. Das 150 Seiten starke Buch im handlichen Format 16 x 24 cm führt gründlich in die Chi-Quadrat-Statistik ein und bietet anschließend wichtige Vertiefungen, z. B. zum Umgang mit schwach besetzten Tabellen - was in der Archäologie oft vorkommt. Sehr eingehend werden jenseits des Chi-Quadrat-Tests die verschiedenen Maße des Zusammenhangs zwischen Variablen erläutert (Phi-Koeffizient, Cramer's V, Odds ratio, ...) und ihre jeweiligen Vor- und Nachteile, d. h. Anwendungsgebiete, erläutert. Der Haupttext verzichtet auf einen Anmerkungsapparat, aber in einem Anhang wird zu jedem Kapitel / Thema die relevante wissenschaftliche Literatur angeführt. Einziges Manko: das Buch geht die Themen zwar stets an konkreten Beispielen durch, aber die praktische Umsetzung z. B. mit Hilfe von R wird nicht dargelegt, d. h. Alberti gibt seinen Lesern keinen konkreten Code mit auf den Weg. Dennoch ein wertvolles Werk für alle, die intensiv mit Nominaldaten und Kreuztabellen arbeiten.

Alberti, G. (2024). From data to insights: A beginner's guide to crosstabulation analysis. Boca Raton: CRC Press.

 

4.3         Wirklich kurzer Bericht zum Workshop der AG CAA in Münster (5.-6.9.)

Der Workshop der CAA Deutschland an der Uni Münster wurde örtlich organisiert von Jan Miera. Anders als kurz zuvor auf der stets abgehetzten EAA (diesmal in Rom) mit ihrem 15-Minuten-Takt gaben die Organisatoren den Vorträgen jeweils 45 Minuten Zeit - 30 Minuten für den Vortrag, 15 Minuten für Fragen und Austausch. Das gab den ca. 30 Teilnehmern eine angenehme Entschleunigung und viel Platz für die Kommunikation. Vorwiegende Themenfelder waren Daten (-banken) und FAIRe Datenverwaltung sowie Fernerkundung, GIS-Applikationen und 3D-Themen, während die klassische statistische Analyse aktuell in den Hintergrund tritt. Und wie immer fand Wichtiges und Anregendes oft "nebenbei" statt, z. B. in den Kaffeepausen. So hat die Newsletter-Redaktion z. B. Stichworte wie "baserow", "rgeoda", "Hexagone statt Quadrate nehmen", "KIRI engine" und "www.rgzm.de/adp" aufgeschnappt, die nach der Tagung vertieft werden wollen.

Tagungswebsite: https://www.uni-muenster.de/UrFruehGeschichte/caa2024.html

 

5         Kulturgutschutz

5.1         Aktuelles rund um Kulturgutschutz in den Medien

"Archäologische Fundstellen benötigen individuelle Schutzkonzepte. Kooperationsprojekt untersucht Ursachen für Hochwasserschäden an archäologischen Fundstellen im Rheinland und wie entstandene Schäden in Zukunft schneller erfasst werden können" (Universität Köln, 10.10.): https://portal.uni-koeln.de/universitaet/aktuell/meldungen/meldungen-detail/archaeologische-fundstellen-benoetigen-individuelle-schutzkonzepte#news10934

"What is the Future of the Temple of Bel in Palmyra?" (ASOR, 19.9.): https://anetoday.org/palmyra-temple-of-bel/

"Scanning for Roman villa structures in the Villa Son Sard Project: a day in the field" (Leiden Archaeology Blog, 12.9.): https://www.leidenarchaeologyblog.nl/articles/scanning-for-roman-villa-structures-in-the-villa-son-sard-project-a-day-in-the-field

"Mashco Piro in Peru: Ein Angriff mit Pfeil und Bogen, zwei tote Holzfäller und eine große Sorge" (Spiegel, 6.9.): https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/peru-getoetete-holzfaeller-warum-eskaliert-der-konflikt-mit-den-mashco-piro-a-5b7e02b6-45ad-41af-b06a-96cd7267ad9d

 

5.2         Sudan: Ausgrabungsstätten und Antiken ohne Schutz, Nationalmuseum Khartoum geplündert

"Der Sudan steht vor dem kulturellen Ruin" betitelt Deutsche-Welle-Kulturredakteur Stefan Dege seinen Beitrag. Viele Welterbestätten im Sudan seien zerstört oder ausgeraubt. Vor den antiken Ruinen von Naga posieren Soldaten der paramilitärische Gruppe Rapid Support Forces (RSF). "Die Situation ist ganz übel", ordnet Arnulf Schlüter, Direktor des Ägyptischen Museums München, das im Beitrag ein: "Die meisten Grabungshelfer sind geflohen, das Grabungshaus ist aufgebrochen, die Reifen der Fahrzeuge gestohlen. Das Antikenareal liegt schutzlos da." Die Büros des Antikendiensts Sudans in Khartoum wurden geplündert, viele Unterlagen gingen verloren – und ein zentrales Register war gerade erst im Aufbau. Soldaten hätten Museen ausgeraubt und zerstört, laut UNESCO wurde das Sudanesische Nationalmuseum in Khartoum mit seinen bedeutenden archäologischen Sammlungen, u. a. zur Geschichte Nubiens und das Reich von Kusch, geplündert. Zwei Geländewagen mit Antiken aus dem Museen konnten an der Grenze zur Republik Südsudan aufgehalten werden. Der Archäologe Mohamed Albdri Sliman Bashir kennt das Museum gut. In einem Beitrag auf "The Conversation" sagt er: "The history of the Nubian and Kushite cultures is a testimony to the rich contribution of black African communities to human civilisation. They emphasise the resilience, complexity and ingenuity of African societies that are often overshadowed by Eurocentric versions of history." Rainer Schreg bloggt auf "Archaeologik": "Ein Teil der Zerstörung von Kulturgut ist schlicht Kollateralschaden, doch plündern insbesondere die RSF gezielt kulturelle und staatliche Institutionen. Sie erklären, Sudans Geschichte müsse neu geschrieben werden, da es sie nicht repräsentiere."

"Der Sudan steht vor dem kulturellen Ruin" (Deutsche Welle, 23.9.): https://www.dw.com/de/der-sudan-steht-vor-dem-kulturellen-ruin/a-70261547

"UNESCO Warns against the Looting and Trafficking of Artifacts from Sudan" (ARTNews, 24.9.) https://www.artnews.com/art-news/news/unesco-warns-against-the-looting-and-trafficking-of-artifacts-from-sudan-1234718420/

"GIS Stops Two Trucks Carrying Stolen Sudanese Antiquities" (Sudanhorizon, 20.9.): https://sudanhorizon.com/gis-stops-two-trucks-carrying-stolen-sudanese-antiquities/

"Noch ein Krieg: Sudan" (Archaeologik, 13.9.): https://archaeologik.blogspot.com/2024/09/noch-ein-krieg-sudan.html

"Looting of the Sudan National Museum – more is at stake than priceless ancient treasures" (The Conversation, 10.9.): https://theconversation.com/looting-of-the-sudan-national-museum-more-is-at-stake-than-priceless-ancient-treasures-238528

 

6         Beruf Archäologie

6.1         Bremen verabschiedet Landesarchäologin Prof. Uta Halle in den Ruhestand

Ende September ging die langjährige Bremer Landesarchäologin Uta Halle in den Ruhestand. Ihre Nachfolge ist noch nicht ausgeschrieben, einstweilen leitet Dieter Bischop das Amt. Ihr jüngstes größeres Projekt, die Grabungen 2021-22 auf dem Friedhof für sowjetische Kriegsgefangene an der Reitbrake, nimmt sie mit in den Ruhestand, weil sie die Identifizierung und Rückführung der noch vorhandenen menschlichen Überreste abschließen möchte. Nach Aussage des Weserkuriers soll die bisherige Konstruktion mit der Trias Landesarchäologie, Abteilungsleitung im Focke-Museum und Professur an der Universität Bremen nicht fortgeführt werden, die Ausschreibung der Nachfolge soll vielmehr auf die Aufgaben Landesarchäologie und Abteilungsleitung im Focke-Museum fokussiert werden.

"Bremer Landesarchäologin Uta Halle wechselt in den Ruhestand" (Weserkurier, 2.10.): https://www.weser-kurier.de/bremen/bremer-landesarchaeologie-uta-halle-im-ruhestand-doc7xf5a4ksqg3i77tjfhe

 

6.2         Dr. Stefanie Berg Nachfolgerin von Sebastian C. Sommer

Anfang Sept. 2024 hat Dr. Stefanie Berg die Nachfolge des im Oktober 2021 überraschend verstorbenen Dr. C. Sebastian Sommer als "Abteilungsleiterin der Abteilung Bodendenkmalpflege im Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege (BLfD)" alias bayerische Landesarchäologin angetreten. Zuvor war sie Leiterin des Bereichs "Lineare Projekte" im BLfD.

Wikipedia: "Stefanie Berg": https://de.wikipedia.org/wiki/Stefanie_Berg

"Archäologin Stefanie Berg über Funde aus der Nazidiktatur: 'Entdeckungen, die vom Wahnsinn des Nationalsozialismus erzählen'" (Spiegel, 10.7.2024): https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/funde-aus-dem-nationalsozialismus-entdeckungen-die-vom-wahnsinn-des-nationalsozialismus-erzaehlen-a-ee30d6d3-e429-44f9-98b8-6d4f2a8d3df8

 

6.3         Berliner Morgenpost: Irreführendes betreffs Beruf Archäologie

In den Social Media nennt man dies "Clickbaiting": eine reißerische Überschrift, die verspricht, was der Inhalt nicht hält. Die Berliner Morgenpost vom 10.10. fragt plakativ "Was verdient ein Archäologe? Profi gibt ehrlichen Einblick" und beantwortet die Frage im dann folgenden, länglichen Beitrag nicht. Stattdessen der übliche, dem Fach und seiner Professionalität schadende Duktus: man mache eben sein Hobby zum Beruf, es komme nicht so sehr aufs Geld an. Statt konkreter Informationen, die ein Leser unter dieser Überschrift erwartet, lautet das Fazit: "es kommt drauf an". Das Ganze peinlicherweise (mit-) verfasst von einem promovierten Archäologen. Richtig ist: es gibt handfeste und konkrete Informationen zu diesem Thema! Im öffentlichen Dienst tätige Archäologinnen und Archäologen werden nach einem transparenten und öffentlich einsehbaren Tarifsystem bezahlt (in etwa wie Gymnasiallehrer); die in der Privatwirtschaft Tätigen erhalten frei ausgehandelte Gehälter, über deren aktuellen Pegel die DGUF seit 2019 jährlich berichtet. Der Satz des Archäologen: "Geben Sie es zu: Am liebsten würden Sie hier jetzt natürlich konkrete Summen oder zumindest eine grobe Gehaltsspanne von mir lesen wollen. Leider kann ich Ihnen diesen Wunsch nicht erfüllen" gibt daher vor allem Auskunft über die arg begrenzte Kompetenz des Autors, nicht jedoch über das tatsächlich verfügbare Wissen.

"Kárpáty gräbt aus: Was verdient ein Archäologe? Profi gibt ehrlichen Einblick" (Berliner Morgenpost, 10.10.): https://www.morgenpost.de/panorama/article407438346/was-verdient-ein-archaeologe-profi-gibt-ehrlichen-einblick.html

Siegmund, F. (2024). Deutliche Lohnverbesserungen im Jahr 2023 und Wachstumspläne für 2024 – DGUF-Monitoring-Report privatwirtschaftliche Archäologie 2023. Archäologische Informationen 47, Early View, online publiziert 12. Juni 2024: https://dguf.de/fileadmin/AI/siegmund_2024a.pdf

Siegmund, F., Schauer, M. & Scherzler, D. (2020). Löhne und Gehälter in der deutschen Archäologie – Auswertung der DGUF-Umfrage "Evaluation Beruf Archäologie" 10.6.-31.10. 2019 (EvaBA 2). Archäologische Informationen 43, 237-270. https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/arch-inf/article/view/81413

 

6.4         Archäologie-Gehälter in Großbritannien

CIfA hat in Großbritannien 2024 bis auf weiteres das Setzen von Lohnuntergrenzen aufgegeben, nachdem deutlich geworden war, dass der Vorstand nach britischer Gesetzeslage mit dem bisherigen Verfahren erhebliche rechtliche Risiken eingeht. (Risiken, die so in Deutschland nicht bestehen.) Die Mitgliederversammlung hatte jedoch darauf gedrungen, dass es ein belastbares und aktuelles Orientierungswissen um die üblichen Gehälter brauche. Dem kommt CIfA nun nach, und zwar in einem zweistufigen Verfahren. Im ersten Schritt wurde anhand von aktuellen Stellenanzeigen der Ist-Zustand der Gehälter ermittelt. Später soll mit einer repräsentativen Umfrage – d. h. ähnlich dem Vorgehen der DGUF – überprüft werden, inwieweit diese Zahlen verallgemeinerbar sind. Der Bericht auf Basis der Stellenanzeigen liegt nun vor. Dabei wurden zwei Kategoriensysteme verfolgt: einmal die Gehälter nach den CIfA-Graden ACIfA, PCIfA und MCIfA ermittelt, sodann nach den in der Feldarchäologie üblichen Stellen- bzw. Funktionsbezeichnungen. In einem Exkurs werden zum Vergleich auch die Gehälter verwandter Berufe im Bauwesen dargestellt. Mitgeteilt werden für jede Kategorie das Minimum, das Maximum und der Mittelwert aller Beobachtungen. Da das gesamte System der Sozial-, Kranken- und Rentenversicherung in Großbritannien anders ist als in Deutschland, verzichtet die Newsletter-Redaktion auf den Vergleich des nicht Vergleichbaren. Wer aber über einen Job in Großbritannien nachdenkt, findet in diesem 18-seitigen Bericht eine gute Orientierung, wie beispielsweise ein vorliegendes Gehaltsangebot einzuordnen ist.

CIfA (2024). Salary benchmarking survey interim report. October 2024: https://www.archaeologists.net/sites/default/files/Salary%20benchmarking%202024_interim%20report%20071024.pdf

 

6.5         Koblenz: Mitarbeiter der GDKE soll bewusst Falschangaben zum Alter von Funden gemacht haben

"Es bestehen konkrete Anhaltspunkte, dass geschichtsträchtige archäologische Funde durch einen leitenden Mitarbeitenden der Generaldirektion Kulturelles Erbe (GDKE) bewusst manipuliert wurden", schreibt das Mainzer Innenministerium. Mindestens 21 von ihm gefundene Schädel oder Schädelfragmente stammen nicht aus dem 5. Jahrhundert v. Chr., wie der Mitarbeiter behauptet hatte, sondern aus dem Mittelalter oder der Neuzeit. Die Generaldirektion geht davon aus, dass es sich nicht um ein Versehen handelt, sondern dass der Mitarbeiter gezielt täuschen wollte. Die Gründe dafür seien jedoch noch unklar, berichtet der SWR. Der Mitarbeiter bestreite die Vorwürfe. Das Land untersucht die Vorwürfe nun disziplinarrechtlich. Unterstützen sollen bei der Aufklärung der Landesarchäologe von Schleswig-Holstein, Ulf Ickerodt, sowie Prof. Silviane Scharl vom Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität zu Köln. – Der Standort Koblenz hatte bereits 2020 für öffentliche Empörung gesorgt, als Mitarbeitende menschliche Wirbelsäule als "Pflanzen" in Blumentöpfen arrangierten; 2021 ging es in Koblenz dann um "rechtsradikale, sexistische und homophobe Beträge" im Zusammenhang mit einem WhatsApp-Chat (DGUF-Newsletter vom 22.2.2021, Punkt 8.2).

"Schneider: 'Wollen wissenschaftlichen Schaden abwenden'" (Ministerium des Innern und für Sport Rheinland-Pfalz, 11.10.): https://mdi.rlp.de/service/pressemitteilungen/detail/schneider-wollen-wissenschaftlichen-schaden-abwenden

"Archäologie-Skandal in Koblenz: Landesbeamter soll Alter von Funden gefälscht haben" (SWR, 11.10.): https://www.swr.de/swraktuell/rheinland-pfalz/koblenz/leitender-mitarbeiter-von-gdke-soll-funde-manipuliert-haben-100.html

 

6.6         Deutscher Verband für Archäologie (DVA) nunmehr ohne persönliche Mitglieder

Am 8.10. fand in Bochum im Rahmen der Verbandstagung des NWDVA auch die Mitgliederversammlung des DVA statt. Kernthema der MV war die lange vorbereitete Satzungsänderung, über die nun beschlossen wurde. Wobei die Änderungen sich vor Ort als weiterhin strittig erwiesen und wesentliche Punkte nur mit knappen Mehrheiten entschieden wurden. Im Ergebnis gibt der DVA die bisher bestehende Möglichkeit persönlicher Mitgliedschaften auf. Stimmberechtigte Mitglieder sind nunmehr allein die institutionellen Mitglieder. Damit ist der DVA nunmehr ein Verband im eigentlichen Sinne, d. h. ein "Verein von Vereinen", eine Dachorganisation. Derzeit hat der DVA zwölf Mitglieder, darunter auch die drei Altertumsverbände und der Deutsche Archäologenverband (DArV). Nach den nun verabschiedeten Satzung hat in der MV des DVA jedes Mitglied eine Stimme, d. h. jedes der zwölf Mitglieder ist unabhängig von seiner Mitgliederstärke gleichberechtigt.

Website des DVA: https://www.dvarch.de/

 

7         Open Access & Open Data

7.1         Jetzt auch beim bayerischen und baden-württembergischen Landesdenkmalamt: Grabungsberichte "roh" veröffentlichen

2017 hat die DGUF mit ihren "Quellen" eine neue Monografienreihe eröffnet, um rohe Grabungsberichte zu veröffentlichen, nur leicht gegenüber dem Abgabeexemplar ins Archiv überpflegt. Ziel: die Fülle der Firmengrabungen nicht länger im Archiv verdunsten zu lassen, sondern das Fach und auch die Bürger niederschwellig und schnell zu informieren, den Investoren einen Mehrwert zu bieten und den Ausgräbern ihre Autorenschaft zu sichern. Angesichts der erwartbaren Fülle, die nun mit den neuen Stromtrassen (u. a. Suedlink) auf uns zukommt, haben nun – "endlich" dürfen wir sagen – die bayerische und die baden-württembergische Landesarchäologie nachgezogen und entsprechende Reihen begründet, die – wie die "Quellen" der DGUF – im Portal Propylaeum (Universitätsbibliothek Heidelberg) online gehostet werden. Grabungsberichte im Open Access; einziger Unterschied zum DGUF-Modell: die neuen Reihen erscheinen allein als "Propylaeum-Dok", ohne eine gedruckte Ausgabe.

"Archäologische Ausgrabungen in Bayern": https://archiv.ub.uni-heidelberg.de/propylaeumdok/view/schriftenreihen/sr-87.html

"Dokumente zur Archäologie in Baden-Württemberg": https://archiv.ub.uni-heidelberg.de/propylaeumdok/view/schriftenreihen/sr-88.html

"Archäologische Quellen": https://dguf.de/publikationen/archaeologische-quellen/profil-der-archaeologischen-quellen

 

8         Bürger und Archäologie & Citizen Science

8.1         André Schoellen: Ist eine Zusammenarbeit mit der Metalldetektorindustrie ethisch vertretbar?

Der ehem. Leiter des Service de la Carte Archéologique am Institut national de recherches archéologiques (Luxemburg) analysiert das Marketing der Metalldetektor-Industrie in den USA. Angesichts der grundsätzlich denkmalfeindlichen und irreführenden Politik dieser Branche sollten - so Schoellen - Archäologen und Denkmalpfleger jegliche Zusammenarbeit mit den Detektorherstellern sowie den Vertretern der Schatzsuche überdenken.

Schoellen, A. (2024). Archäologische Denkmalpflege: ist eine Zusammenarbeit mit der Metalldetektorindustrie ethisch vertretbar? – Ein Meinungsbeitrag und Appell. Archäologische Informationen 47, Early View, online publiziert 11. Okt. 2024. https://dguf.de/fileadmin/AI/archinf-ev_schoellen.pdf

 

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