PD Dr. Tim Kerig

Ich bin Prähistoriker, breit aufgestellt, und arbeite zumeist zum Neolithikum oder zu diachronen Fragestellungen – zurzeit zu sozialer Ungleichheit. Dem west- und mitteleuropäischen Neolithikum gehört meine besondere Aufmerksamkeit, eines meiner momentanen Projekte ist die Ausgrabung eines chalkolithischen Tells im Nordirak. Dazu kommen diachrone Arbeiten vom Paläolithikum bis in die Laténezeit auf europäischer Ebene. An 11 Universitäten hatte ich Lehraufträge. Ich verfüge über mehrjährige Erfahrung im Museumsbetrieb und in der Denkmalpflege. In allen meinen eigenen Projekten, auch in den Projekten anderer, habe ich immer in interdisziplinären Zusammenhängen gearbeitet. Ich gutachte verschiedentlich (u.a. DFG, BMBF, EU, Leverhulme, nationale Forschungsorganisationen in USA, UK, F, B, AUS, IQ) und war im Museumsbereich wie auch auf bundespolitischer sowie gewerkschaftlich wie für die DAX-Vorstandsebene beratend tätig. Für Computeranwendungen und quantitative Archäologie habe ich mich zehn Jahre lang als Vorstand der CAA und als Sprecher bei den Altertumsverbänden engagiert. Seit drei Jahrzehnten bin ich befristet beschäftigt und kenne auch daher unser Fach als Soziotop.

A. Zimmermann (Köln) – sicher mein wichtigster Lehrer – verdanke ich die Frage nach Relevanz und Hauptdimensionen eines Problems und nach den methodischen Möglichkeiten, es zu lösen. M.K.H. Eggert (Tübingen) hat mir den Wert der wissenschaftlichen Tradition vermittelt. J. Hahn (Tübingen) hat meinen Blick für Details geschärft, K. Randsborg (Kopenhagen) ihn auf die weiteren Zusammenhänge erweitert. Mein ehemaliger Chef und Projektpartner S. Shennan (London) hat mein forschungsstrategisches Vorgehen stark geprägt. Einer bestimmten Schule rechne ich mich nicht zu.

Wichtig ist mir die Stimmigkeit von Forschungsfragen, Theorie, Methoden und Material (wobei in einem Projekt nicht alle diese Elemente zwingend explizit sein müssen): Die archäologische Relevanz der Forschungsfragen muss angemessen reflektiert sein, Theorie und Methoden müssen aufeinander bezogen sein, das archäologische Material muss sinnvolle Aussagen versprechen. Genehmigte Mittel sind angemessen, nachhaltig und (sozial-)verantwortlich einzusetzen.

Hierzu folgende Stichpunkte: 1) Förderung der interdisziplinären Einbindung und der Wirksamkeit der Ur- und Frühgeschichte über das Fach hinaus. 2) Deutlich mehr Risikobereitschaft: Die Ergebnisse eines Projektes müssen nicht schon bei der Beantragung bekannt sein – stattdessen muss ein methodisch ausgereiftes Konzept vorliegen. Die Beurteilung kann mitunter stärker chancenorientiert erfolgen. 3) Verstärkte Orientierung an archäologisch innovativen und an gesellschaftlich relevanten Fragestellungen und – wo sinnvoll – an theoriegeleitetem Vorgehen. 4) Förderung der Wahrnehmung der Vielfalt der modernen Archäologie: Forschungsgeschichtlich, theoretisch, hinsichtlich des Materials und der Methoden. Die Breite der Ur- und Frühgeschichte ist auch in der Mittelvergabe zu berücksichtigen, selbstverständlich auf fachlich hohem Niveau und im Wettbewerb um knappe Ressourcen.

Der Impakt einer Veröffentlichung mag durch den Impact Factor nur unvollkommen erfasst werden, doch ist dieser ein interdisziplinär und international wichtiges Maß in der Wahrnehmung. Unterschiedliche wissenschaftliche Formate, vom Peer Reviewed Paper über die lokale Befundvorlage bis zum Katalog einer Landesausstellung, bleiben notwendig für die angemessene Informationsspeicherung und -übermittlung. Natürlich ist Open Access anzustreben und ja, auch von der DFG gefordert – dafür verlangte z.T. erhebliche Gebühren vermindern jedoch die uns allen verfügbaren Ressourcen. FAIR Data und Persistente Identifikatoren werten Datensätze zu wissenschaftlichen Ergebnissen auf und helfen zugleich, intellektuelles Eigentum zu schützen, auch unter den Bedingungen der Maschinenlesbarkeit. Immer mehr, gerade auch hochrangige Zeitschriften, verlangen verstärkt vollständige Reproduzierbarkeit der Ergebnisse. Die Nachhaltigkeit von Repositorien archäologischer Daten bleibt vorerst noch ein ungelöstes Problem, an dem auf der Ebene etwa der Landes- und Universitätsbibliotheken, in und für Verbundprojekte und auf nationaler Ebene geforscht wird. Wir brauchen die Vielfalt der Publikationsformen für eine Vielfalt der Inhalte.