2022: Deutscher Studienpreis für Archäologie für Geesche Wilts M.A.

Für ihre an der Universität Hamburg eingereichte Masterarbeit "Abgekratzt und angenagt – Kannibalismus in der archäologischen Forschungsgeschichte in Hinblick auf gesellschaftliche Diskurse" wurde Geesche Wilts M.A. im Juni 2022 in Frankfurt/Main mit dem Deutschen Studienpreis für Archäologie ausgezeichnet.

 

Kannibalismus-Narrative zwischen Forschung, Gesellschaft und Politik

Nicht der (erwartbare) Versuch, kannibalistisches Verhalten in der Ur- und Frühgeschichte endlich eindeutig nachzuweisen oder ebenso eindeutig auszuschliessen, ist Ziel der mit dem achten DGUF-Studienpreis ausgezeichneten Arbeit – ob es Kannibalismus nun gegeben hat oder nicht, ist hier sekundär und wird nur am Rande diskutiert. Vielmehr geht es im Kern um die Frage, wie gesellschaftliche Vorstellungen und politische Gegebenheiten die archäologische Interpretation beeinflussen und wie archäologische Interpretationsmuster wiederum in Gesellschaft und Politik rezipiert werden – im vorliegenden Fall eben am Beispiel der (nur zu häufig emotional statt sachlich geführten) Diskussion um die ur- und frühgeschichtliche Anthropophagie. Wilts spannt in Ihrer Arbeit den Bogen über die verschiedenen politischen Systeme Deutschlands im 19. und frühen 20. Jahrhundert und zieht nicht nur archäologische und ethnologische wissenschaftliche, sondern auch zahlreiche populäre Quellen heran, um herauszuarbeiten, wie Gesellschaft, Politik und Forschung im Kannibalismus-Diskurs miteinander wechselwirken – bislang ein Desiderat der deutschsprachigen Forschung.

Dieser spannende interdisziplinäre, innovative und vor allem sehr kreative Forschungsansatz, der auch auf eine (in der deutschsprachigen Forschung häufig fehlende) Selbstreflexion der archäologischen Forschung hinarbeitet, war für die Jury ausschlaggebend für die Prämierung der Arbeit mit dem diesjährigen Studienpreis. Eine Veröffentlichung der Arbeit in der DGUF-Publikationsreihe "Archäologische Berichte" ist in Planung.

Zur Preisträgerin

Geesche Wilts (r.), Trägerin des Deutschen Studienpreises für ArchäologieGeesche Wilts begann 2008, in Hamburg Vor- und Frühgeschichte zu studieren, wo sie auch 2013 mit einer Bachelorarbeit zum Thema "Neue Methoden zur Erforschung von NS-Lagern" abschloss. Anschließend wechselte sie an die Universität Wien, wo sie zusätzlich ein Studium der Museumsgestaltung aufnahm. 2017 kehrte die gebürtige Bremerin zurück nach Hamburg, wo sie ihr Studium der Fächerkombination Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie und Museumsmanagement im Masterstudium weiterführte und schließlich 2021 mit der 2022 von der DGUF ausgezeichneten Arbeit mit Erfolg beendete. Studienbegleitend nahm Geesche Wilts an verschiedenen Ausgrabungen und Prospektionsmaßnahmen sowie einer ganzen Reihe von Projekten im musealen Bereich teil. Auch organisierte sie während der Flüchtlingskrise 2015 ein Projekt zur Dokumentation von Fluchtbooten auf Lampedusa; zudem arbeitete und arbeitet sie als Touristenguide auf Kreta wie auch in Hamburg. Der Schwerpunkt ihrer zahlreichen, parallel zum Studium geführten Tätigkeiten liegt aber auf archäologiebezogener Medienarbeit, von Social Media bis zum Podcast – zu nennen ist hier vor allem ihr Blog "Miss Jones. Archäologie – Reisen – Abenteuer", in dem sie Beiträge zu einem bunten Kaleidoskop archäologischer Themen veröffentlicht. Momentan macht Wilts sich im Bereich der Medienarbeit selbstständig.

Stand: Juli 2022

 

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