2016: Deutscher Studienpreis für Archäologie für Rashida Hussein-Oglü M.A.

Rashida Hussein-Oglü M.A.: Trägerin des Deutschen Studienpreises für Archäologie

Deutscher Studienpreis für Archäologie 2016

Die Preisträgerin wurde am 7. Mai 2016 auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte e.V. (DGUF) in Berlin für ihre an der Universität Münster eingereichte Masterarbeit "Spätbronze- und früheisenzeitliche Grabkeramik in Westfalen: Typologische Klassifikation und Chronologie" geehrt. Die Laudatorin Dr. Jutta Kneisel (Universität Kiel) hob die Kombination von klassischer typologischer Methode mit statistischen Methoden als überzeugend hervor. Der dreifache Gliederungsansatz, den Rashida Hussein-Oglü für die Keramik vorgenommen hat, sei zutiefst beeindruckend.

Der Preis wurde Rashida Hussein-Oglü (li.) von Diane Scherzler M.A., der Vorsitzenden der DGUF, und dem Sprecher des Beirats Dr. Christoph Rinne überreicht. Foto: DGUF/Daniel StotzkaDer Preis wurde Rashida Hussein-Oglü (li.) von Diane Scherzler M.A., der Vorsitzenden der DGUF, und dem Sprecher des Beirats Dr. Christoph Rinne überreicht. Foto: DGUF/Daniel StotzkaRashida Hussein Oglüs Arbeit behandelt die Grabfunde Westfalens in der Zeit von ca. 1200 bis 600 v. Chr. unter dem eminent wichtigen Aspekt der zeitlichen Gliederung und mittels der grundlegenden Methode einer Typengliederung. Hier scheint auf den ersten Blick die Frage nach dem Besonderen, oder Innovativen naheliegt. Doch wer das archäologische Inventar, die Befunde und aktuelle Forschungslage in diesem Zeitabschnitt Westfalens kennt, erahnt die Herausforderung, die eine angemessene Bearbeitung dieses Themas darstellt. Die dominierenden Brandbestattungen zeichnen sich durch wenige Beigaben aus, Metallfunde, wie sie in den benachbarten Regionen vertreten sind und dort der zeitlichen Gliederung dienen, fehlen fast vollständig. Ausgehend von den vorliegenden, variantenreichen und teils widersprüchlichen Chronologiesystemen und auf Grundlage einer umfangreichen Datenerhebung erarbeitete Rashida Hussein-Oglü sehr konsequent eine auch statistisch begründete und mit Radiokarbondatierungen überprüfte Gliederung. Dies ist eine besondere Leistung mit nachhaltiger Wirkung für die Archäologie.

Rashida Hussein Oglü mit spätbronze- bis früheisenzeitlichen Urnen und Beigefäßen aus dem Stadtmuseum Lippstadt. Foto: Peter Freitag/Stadtmuseum Lippstadt.

Arbeitsschritte und Leistungen der ausgezeichneten Arbeit
Rashida Hussein Oglü mit spätbronze- bis früheisenzeitlichen Urnen und Beigefäßen aus dem Stadtmuseum Lippstadt. Foto: Peter Freitag/Stadtmuseum Lippstadt.Rashida Hussein Oglü mit spätbronze- bis früheisenzeitlichen Urnen und Beigefäßen aus dem Stadtmuseum Lippstadt. Foto: Peter Freitag/Stadtmuseum Lippstadt.Welche Arbeitsschritte und Leistungen im Einzelnen stehen nun hinter dieser hervorragenden Ergebnis einer chronologischen Gliederung für die späte Bronze- und frühen Eisenzeit Westfalens? Es sind im wesentlichen drei Schritte, die sehr konsequent für den gesamten Datenbestand von 1.219 Gefäßen mit den zugehörigen Befundinformationen bearbeitet und eingehend diskutiert werden. In einem ersten Schritt wird das Material ausgehend von älteren Arbeiten A. D. Verlindes formenkundlich analysiert. Hierbei erfolgt zugleich eine kritische Auseinandersetzung mit einzelnen Sonderformen und der forschungsgeschichtlich zum Teil überholten Nomenklatur. Hieran schließt sich die neue, metrische Analyse der Gefäße an, deren Auswertung quantifizierte und nachvollziehbare Unterschiede und Entwicklungen in der Formgebung herausstellt.

Im Ergebnis entsteht ein an Verlindes Gliederung orientiertes und doch wesentlich klarer strukturiertes System, in dem erstmals das gesamte Fundmaterial der Prov. Overijssel und Westfalens klassifiziert ist. Insgesamt 50 Radiokarbondaten, bisher dispers oder hier erstmals publiziert, werden einheitlich kalibriert und erlauben es, chronologisch relevante Maße und Indizes herauszuarbeiten. Im Ergebnis entsteht eine ganz wesentlich präzisierte und absolut chronologisch fundierte Typengliederung, in die 565 Gefäße (84% des Datenbestandes) eingehen.

An dieses grundlegende Ergebnis schließt sich die eingehende Diskussion der Widersprüche zu älteren Arbeiten an. Die neue, einheitliche und in der Datierung wesentlich verbesserte Systematik erlaubt erstmals die vergleichende Analyse der Gräberfelder Westfalens. Die vorliegende Arbeit ist deshalb nicht nur ein Schlüssel für zukünftige Materialanalysen, sondern Ausgangspunkt für weitere wichtige Studien zum Wandel der Bestattungssitte und der sozialen Verhältnisse oder auch einer demografischen Veränderung im epochalen Wechsel zur Eisenzeit.

Eingehende Auseinandersetzung mit dem Fundmaterial
R. Hussein-Oglü (li.), Jutta Kneisel. Foto: DGUF/Daniel StotzkaR. Hussein-Oglü (li.), Jutta Kneisel. Foto: DGUF/Daniel StotzkaDie Laudatorin Dr. Jutta Kneisel von der Universität Kiel, eine Expertin für die nordmitteleuropäische Bronze- und Eisenzeit, hob die eingehende Auseinandersetzung mit dem Fundmaterial hervor. Diese intensive Beschäftigung mit den Funden sei weiterhin eine zentrale Grundlage des Faches, was heutzutage neben den zahlreichen modernen und durchaus wichtigen Neuerungen zu den Techniken und Methoden der Archäologie allzu leicht aus dem Blickfeld gerate. Im vorliegenden Fall sei die  mühevolle und arbeitsintensive Analyse besonders zu betonen, hätten doch renommierte Fachkollegen und Kenner der Materie wie etwa Klemens Wilhelmi und Hans Nortmann sehr ernüchternde Urteile über die Attraktivität und begrenzte Aussagekraft der untersuchten Keramik gefällt.

Über die Bezeichnung "Frühstückskörbchen", einem heute überholten Fachbegriff älterer Typologien, schlug Jutta Kneisel den Bogen zum Thema Ernährung und setzte einen launigen Vergleich ans Ende ihrer Rede: Das erkennbare "Enger-Schnallen des Gürtels" am Ende der Bronzezeit habe sich offenbar idealisiert im damals dominierenden Gefäßprofil manifestiert, denn nach Hussein-Oglü werden die Gefäße im Laufe der Zeit schlanker mit einer deutlichen Verlagerung des Bauchumbruchs nach oben.

Frau Hussein-Oglü setzt ihr Studium an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster fort. Die ausgezeichnete Arbeit wird derzeit für die Publikation vorbereitet.

 

Literatur:
A. D. Verlinde, Die Gräber und Grabfunde der späten Bronzezeit und der frühen Eisenzeit in Overijssel 1. Ber. ROB 28, 1978, 111-131.

A. D. Verlinde, Die Gräber und Grabfunde der späten Bronzezeit und der frühen Eisenzeit in Overijssel 2. Ber. ROB 29.1, 1979, 219-254.

A. D. Verlinde, Die Gräber und Grabfunde der späten Bronzezeit und der frühen Eisenzeit in Overijssel 3. Ber. ROB 30, 1980, 65-168.

A. D. Verlinde, Die Gräber und Grabfunde der späten Bronzezeit und frühen Eisenzeit in Overijssel (Leiden 1987) 163-341 = Ber. ROB 35, 1985, 231-411.

 

Stand: Juni 2016

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