Sie sind nicht verbunden. Der Newsletter enthält möglicherweise Benutzerinformationen, sodass diese möglicherweise nicht korrekt angezeigt werden.

DGUF-Newsletter Nr. 101 vom 25.06.2021

DGUF-Newsletter Nr. 101 vom 25.06.2021

 

DGUF Newsletter Nr. 101

vom 25. Juni 2021

Inhaltsverzeichnis nicht navigierbar? Hier online Newsletter lesen.

Hinweis: Um Ihr Abonnement zu beenden, nutzen Sie bitte den Link am Ende des Newsletters.

 


Inhalt

1  DGUF-Nachrichten

1.1  Die Studierenden- und Absolventenzahlen in den Fächern Ur- und Frühgeschichte sowie Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit im Jahr 2020

1.2  Neu: Dietrich K. Hartmann, "Die katholische Pfarrkirche St. Vitus in Schmiechen, Stadt Schelklingen" (Archäologische Berichte, 34)

1.3  Unter den DGUF-Rezensionsangeboten: Sylvie Beyries, Caroline Hamon & Yolaine Maigrot (Eds): Beyond Use-Wear Traces. Going from tools to people by means of archaeological wear and residue analyses

2  Tagungen und Veranstaltungen

2.1  Theoretical Approaches to Computational Archaeology (Brno, 19.-21.10; CfP bis 15.7.)

2.2  Verbandstagung von MOVA und WSVA entfällt

3  Forschung

3.1  Neu im Early View der "Archäologischen Informationen"

3.2  Aktuelle Ausgrabungen und Forschung in den Medien

3.3  Abschlussband SPM erschienen: "Archäologie der Zeit von 1350 bis 1850"

3.4  DNA anatomisch moderner Menschen im Sediment der Denisova-Höhle nachgewiesen

3.5  Schon gelesen? Mischa Meier & Steffen Patzold: "Gene und Geschichte"

3.6  Arbeitsteilung in der LBK nach Geschlecht?

4  Archäoinformatik

4.1  tidypaleo: Tidy Tools for Paleoenvironmental Archives

4.2  Eine Website mit RStudio bauen

4.3  "R Markdown: The definitive guide" gedruckt & im Open Access

5  Kulturgutschutz

5.1  Aktuelles rund um Kulturgutschutz in den Medien

5.2  Basler Antikenmuseum in Hehlerei-Verfahren verwickelt

5.3  Neue Straßen-Trasse bei Blaubeuren könnte fast ungestörte Fundlandschaft gefährden

6  Studium, Job-Themen und Personalia

6.1  Wie schreibe ich meinen ersten englischsprachigen Aufsatz?

6.2  " Silent Coworking": Mit Mustafa aus Berlin oder Lauren aus Vancouver endlich die eigene Arbeit gebacken kriegen

6.3  Lehrreich: Akute Archäologie-Krise in Großbritannien

6.4  Lionel Pernet ist neuer Präsident von Archäologie Schweiz

6.5  Katja Lembke zur neuen Vorsitzende des DArV gewählt

6.6  Andrea Schaer zum "Tinder der Römerzeit"

6.7  Fachsprache hemmt breite Wahrnehmung von Aufsätzen – auch innerhalb der Wissenschaft

6.8  Kritik am Wissenschaftssystem: "Wir brauchen eine verlässliche und ausreichende Grundfinanzierung"

7  "Fachaufsicht" in der westfälischen Archäologie

7.1  LWL-Archäologie für Westfalen wünscht Gegendarstellung zum 100. DGUF-Newsletter

7.2  Gegendarstellung / Klarstellung der LWL-Archäologie für Westfalen betr. 100. DGUF-Newsletter vom 12. Mai 2021: Anschreiben und Anhang

7.3  Zusammenfassung und kurze Einordnung zur allgemeinen Bedeutung der beiden Perspektiven

8  Open Access & Open Data

8.1  Wissenschaftsschranke wird entfristet

8.2  Was kostet eigentlich die Publikation einer Open Access Monografie?

9  Ausstellungen und Museen

9.1  Einem Unglück digital auf der Spur: "Tod im Salz. Eine archäologische Ermittlung in Persien" (Digitaler Rundgang, Deutsches Bergbau-Museum Bochum)

9.2  Mainzer Landtag gibt "Römische Steinhalle" nicht mehr zurück

9.3  Griechenland: Werden fünf bedeutende Museen selbständig?

9.4  Ausflugstipp: Der Bajuwarenhof bei München

9.5  "Die Möglichkeit, den Reset-Knopf zu drücken": Chancen der Pandemie für den Kulturbetrieb

10     Gastkommentar

10.1      Der "Fall Sheffield" und der Angriff auf Geistes- und Kulturwissenschaften in Großbritannien. Von Alexander Weide

11     Und sonst …

11.1      Indiana Jones – ein popkulturelles Phänomen, das die Filmlandschaft nachhaltig prägte

11.2      Sehenswerte ARTE-Doku zu außergewöhnlichen Grabstätten des Paläolithikums

11.3      Neue BMBF-Website für die Geistes- und Sozialwissenschaften

11.4      Verständlich und praxisgesättigt: Leitfaden Bildrechte

 

 

1         DGUF-Nachrichten

1.1        Die Studierenden- und Absolventenzahlen in den Fächern Ur- und Frühgeschichte sowie Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit im Jahr 2020

Die DGUF-Erhebung bestätigt vor allem die Ergebnisse des Vorjahrs. Auffallende Besonderheit des Jahres 2020 ist die um 27 % gefallene Zahl der Master-Absolventen UFG & AMANZ. Ein Zusammenhang mit der Corona-Pandemie ist wahrscheinlich. Die übrigen universitätsüblichen Kennzahlen wie z.B. Übertrittsquote, Studierendenwanderung und Betreuungsrelation zeigen gegenüber dem Vorjahr keine starken Veränderungen. Die stark gesunkene Anzahl an Master-Absolventen angesichts eines insbesondere in der privatwirtschaftlichen Archäologie wachsenden Arbeitsmarktes mit deutlichem Fachkräftemangel ist bemerkenswert und für planvolles Handeln von Absolventen, Ausbildenden wie auch Arbeitgebern zu berücksichtigen.

Siegmund, F. (2021). Die Studierenden- und Absolventenzahlen in den Fächern Ur- und Frühgeschichte sowie Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit im Jahr 2020. Archäologische Informationen 44, Early View, online publiziert 3. Juni 2021: https://www.dguf.de/fileadmin/AI/archinf-ev_siegmund.pdf

 

1.2        Neu: Dietrich K. Hartmann, "Die katholische Pfarrkirche St. Vitus in Schmiechen, Stadt Schelklingen" (Archäologische Berichte, 34)

Ein Ausbau der Pfarrkiche St. Vitus im Ortsteil Schmiechen (Stadt Schelklingen, Alb-Donau-Kreis) war Anlass für eine umfassende archäologische Untersuchung in den Jahren 1990 und 1992. Bei der Grabung im Innenraum des aktuellen, aus dem 13. Jahrhundert stammenden Kirchenbaus konnte eine lückenlose Abfolge von Vorgängerbauten erschlossen werden. Erste Spur menschlicher Nutzung am Platz ist ein Gebäude unbekannter Funktion, das mutmaßlich in die Zeit der römischen Präsenz in Süddeutschland zu datieren ist. Einer frühmittelalterlichen Nutzung als Friedhof folgte nach den archäologischen Quellen im 9. Jh. ein erstes Kirchengebäude. An diesen frühmittelalterlichen Erstbau schlossen sich mehrere hoch- und spätmittelalterliche Nachfolgebauten an. Eine Besonderheit für eine Kirche im ländlichen Raum ist der Einbau einer tonnengewölbten Krypta im 12. Jh. Die Publikation der Grabungsbefunde ergänzt die vom selben Autor vorgelegten Ergebnisse über die Entwicklung der Dorfkirchen im ehemaligen Bistum Konstanz (Arch. Ber. 32).

Hartmann, D. K. (2021): " Die katholische Pfarrkirche St. Vitus in Schmiechen, Stadt Schelklingen" (Archäologische Berichte, 34). 304 Seiten, davon 54 mit farb. Abb. Gedruckte Ausgabe: ISBN 978-3-945663-19-6. Softcover. 49,00 Euro, für DGUF-Mitglieder 35,00 Euro. Kerpen-Loogh: DGUF.

Direkt zur Online-Ausgabe: https://books.ub.uni-heidelberg.de/propylaeum/catalog/book/765

 

1.3        Unter den DGUF-Rezensionsangeboten: Sylvie Beyries, Caroline Hamon & Yolaine Maigrot (Eds): Beyond Use-Wear Traces. Going from tools to people by means of archaeological wear and residue analyses

Unter den zahlreichen Publikationen, welche die Herausgeber der "Archäologischen Informationen" zur Rezension ausschreiben, sei diesmal ein im April bei Sidestone veröffentlichter Sammelband hervorgehoben. Aus dem Klappentext: " Many studies on technological aspects of material culture deal with specific material categories (e.g. flint, ceramics, bone), often in separate or isolated ways, and this division does not really reflect the integrated nature of technical systems in which different material categories are in dynamic interaction. Hence, exploring the interaction between different chaînes opératoires is crucial for a more global concept of the toolkit with all its components and it is a precondition for paleo-ethnographic reconstructions of technical systems and economies. Starting from a functional perspective, the papers in this book explore various topics such as apprenticeship, group dynamics, social status, economy, technological evolution, spatial organization, mobility patterns and territories, or adaptations to cultural and environmental changes." Wenn Sie Interesse an einer Rezension haben, richten Sie bitte Ihre Anfrage mit Ihrer vollständigen Postanschrift sowie einer kurzen Begründung, weshalb Sie dieses Werk besprechen wollen, an: editor@dguf.de.

Alle Rezensionsangebote der "Archäologischen Informationen" mit weiteren Informationen zu Modalitäten und Ablauf: https://www.dguf.de/fileadmin/user_upload/publikationen/AI/dguf-dok_arch-inf_rezensionsangebote.pdf

Mehr zur Publikation: https://www.sidestone.com/books/beyond-use-wear-traces

 

2         Tagungen und Veranstaltungen

2.1        Theoretical Approaches to Computational Archaeology (Brno, 19.-21.10; CfP bis 15.7.)

The 7thAnnual Meeting of the Central European Theoretical Archaeology Group (CE-TAG) wants to explore the theoretical potential of quantitative and digital archaeological research to contribute to a modern and comprehensive archaeology, which aims at understanding past human behavior and environmental and socio-cultural transformations. An approach is to understand the past as realistic as possible, using a minimum of information and excluding overinterpretation. The organizers consider communications of 15 minutes with a subsequent 5 minutes discussion. Paper proposals are asked by the 15th of July and should be sent to Michael Kempf, kempf@phil.muni.cz.

Facebook-Seite der CE-TAG mit weiteren Informationen: https://www.facebook.com/Central-Europe-Theoretical-Archaeology-Group-CE-TAG-322408878365419/

 

2.2        Verbandstagung von MOVA und WSVA entfällt

Die für Oktober in Jena geplante gemeinsame Veranstaltung des Mittel- und Ostdeutschen Verbands für Altertumsforschung e. V. (MOVA) und des West- und Süddeutschen Verbandes für Altertumsforschung e.V. (WSVA) wurde abgesagt.

 

3         Forschung

3.1        Neu im Early View der "Archäologischen Informationen"

von Nicolai, C. (2021). Rezension zu: Barral, Ph. & Thivet, M. (eds) (2018). Sanctuaires de l’âge du Fer. Actualités de la recherche en Europe celtique occidentale. Actes du 41e colloque international de l’AFEAF (Dole, 25-27 mai 2017). (Collection AFEAF, 1). Paris: AFEAF. Archäologische Informationen 44, Early View, online publiziert 22. Juni 2021.

Siegmund, F. (2021). Die Studierenden- und Absolventenzahlen in den Fächern Ur- und Frühgeschichte sowie Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit im Jahr 2020. Archäologische Informationen 44, Early View, online publiziert 3. Juni 2021.

Sola, G. (2021). Review of: Volpe, G. (2020). Archeologia Pubblica. Metodi, tecniche, esperienze. Roma: Carocci. Archäologische Informationen 44, Early View, published online 6 May 2021.

Mauthner, F. (2021). Gedanken zum wissenschaftlichen Umgang mit archäologischem Fundgut aus Privatsammlungen – eine Fallstudie aus Südösterreich. Archäologische Informationen 44, Early View, online publiziert 3. Mai 2021.

https://www.dguf.de/early-views

 

3.2        Aktuelle Ausgrabungen und Forschung in den Medien

"A new type of Homo unknown to science. Dramatic discovery in Israeli excavation" (Tel-Aviv University, 24.6.): https://www.eurekalert.org/pub_releases/2021-06/tu-ant062321.php

"'Schöner wohnen am Wasser': Römische Funde in Mainz" (ZEIT, 23.6.): https://www.zeit.de/news/2021-06/23/schoener-wohnen-am-wasser-roemische-funde-in-mainz

"Being Anglo-Saxon was a matter of language and culture, not genetics. New evidence to answer the question 'who exactly were the Anglo-Saxons?'" (University of Sydney, 23.6.): https://www.eurekalert.org/pub_releases/2021-06/uos-baw062321.php

"Anglo-Saxon ancestry was 'mixed and mutable'. Skull analysis finds combination of indigenous and immigrant ancestors for early Anglo-Saxons" (PLOS, 23.6.): https://www.eurekalert.org/pub_releases/2021-06/p-aaw061621.php

"Iron age people were emotionally attached to objects, research shows" (The Guardian, 22.6.): https://www.theguardian.com/science/2021/jun/22/iron-age-people-emotionally-attached-objects-researcher

Cannington Quarry: "Mesolithic Cave Burial System Identified from Human Remains" (Cotswold Archaeology, 21.6.): https://cotswoldarchaeology.co.uk/mesolithic-cave-burial-system-identified-from-human-remains

Altai-Gebirge: "Ancient genomes offer rare glimpse of Neanderthal family groups" (Science, 16.6.): https://www.sciencemag.org/news/2021/06/ancient-genomes-offer-rare-glimpse-neanderthal-family-groups

"Knochenfunde auf dem FU-Gelände: Alle Spuren weisen nach Auschwitz. Handelt es sich um Überreste von Opfern des KZ-Arztes Mengele? Sehr wahrscheinlich. Die FU-Spitze blockiert weitere Grabungen" (Berliner Zeitung, 15.6.): https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/knochenfunde-auf-dem-fu-gelaende-alle-spuren-weisen-nach-auschwitz-li.162699

Hunsrück: "Angeblich älteste Felskunst ist womöglich viel jünger" (ZEIT, 14.6.): https://www.zeit.de/news/2021-06/14/angeblich-aelteste-felskunst-ist-womoeglich-viel-juenger

"Ausgrabung in Augsburg: Die Schätze der ersten Römer" (Süddeutsche, 8.6.): https://www.sueddeutsche.de/bayern/bayern-augsburg-ausgrabungen-fundstuecke-roemerzeit-1.5315461

"Stone Age People Donned Elk-Tooth Ornaments During Spirited Dance Sessions. Thousand of animal incisors discovered at an 8,000-year-old Russian cemetery may have been valued for their role in keeping a beat" (Smithsonian Magazine, 7.6.): https://www.smithsonianmag.com/smart-news/elk-tooth-ornaments-reveal-ancient-dance-moves-180977902/

"Amazon-dwellers lived sustainably for 5,000 years" (BBC, 7.6.): https://www.bbc.com/news/science-environment-57388939

"Shackled skeleton identified as rare evidence of slavery in Roman Britain" (The Guardian, 7.6.): https://www.theguardian.com/uk-news/2021/jun/07/shackled-skeleton-identified-rare-evidence-roman-britain und "Reviewing the evidence for slavery in Roman Britain" (Cambridge Core Blog, 7.6.): https://www.cambridge.org/core/blog/2021/06/07/reviewing-the-evidence-for-slavery-in-roman-britain

"How did Neanderthals and other ancient humans learn to count? Archaeological finds suggest that people developed numbers tens of thousands of years ago. Scholars are now exploring the first detailed hypotheses about this life-changing invention" (Nature News, 2.6.): https://www.nature.com/articles/d41586-021-01429-6

Automatisierte Keramikklassifikation: "Objektiver, replizierbarer, schneller und effizienter" (Archaeologik, 31.5.): https://archaeologik.blogspot.com/2021/05/objektiver-replizierbarer-schneller-und.html

"Neu entdeckte 'Klima-Wippe' als Antreiber der menschlichen Evolution" (MPI für Menschheitsgeschichte, 31.5.): https://www.shh.mpg.de/2006833/kaboth-bahr-scerri-african-climate-seesaw?c=1936384

"Eiszeit löschte auch in Asien die alte Bevölkerung aus. Als die Eiszeit vorbei war, wanderten neue Menschen nach Europa: Von der alten Bevölkerung blieben kaum Spuren. Ganz ähnlich lief dies in Asien ab" (Spektrum, 29.5.): https://www.spektrum.de/news/humangenetik-eiszeit-loeschte-auch-in-asien-die-alte-bevoelkerung-aus/1879009

"Sand Dunes Preserved These Roman Baths in Spain for Thousands of Years" (Smithsonian Magazine, 26.5.): https://www.smithsonianmag.com/smart-news/ancient-roman-bath-complex-unearthed-spanish-beach-180977826/

"Möglicherweise ist der Kot sprichwörtlich Gold - Zur Rekonstruktion der Mund- und Darmflora aus archäologischen Funden" (Archaeologik, 26.5.): https://archaeologik.blogspot.com/2021/05/moglicherweise-ist-der-kot.html

"Archäologie trifft Umweltschutz. Geheimnisvolle Funde beim Donauausbau" (BR, 15.5.; Video, 5:26 Min.): https://www.br.de/mediathek/video/archaeologie-trifft-umweltschutz-geheimnisvolle-funde-beim-donauausbau-av:609e2865529dce000755bba6

"Strandläufer entdecken die ewigen Jagdgründe der Doggerländer. Rituelle Ritzungen, Werkzeug und Krijns Schädel: Was vor 8000 Jahren endgültig in der Nordsee versunken ist, kommt zurück - durch Sandaufspülungen" (Tagesspiegel, 12.5.): https://www.tagesspiegel.de/wissen/das-atlantis-europas-strandlaeufer-entdecken-die-ewigen-jagdgruende-der-doggerlaender/27177546.html

"Die erstaunliche Entwicklungsgeschichte unserer Mundflora. Die Rekonstruktion oraler Mikrobiome von Neandertalern, Primaten und Homo sapiens, unter ihnen das mit 100.000 Jahren älteste jemals sequenzierte, ergibt überraschende Hinweise auf die menschliche Evolution und Gesundheit" (MPI für Menschheitsgeschichte, 10.5.): https://www.shh.mpg.de/1995752/the-surprising-evolutionary-history-of-our-oral-bacteria?c=1936384

"Ältestes menschliches Begräbnis in Afrika. Die rund 78.000 Jahre alte Bestattung wurde in der kenianischen Höhle Panga ya Saidi entdeckt" (MPI für Menschheitsgeschichte, 5.5.): https://www.shh.mpg.de/1989436/boivin-petraglia-oldest-burial-in-africa?c=1936384 und María Martinón-Torres et al.: Earliest known human burial in Africa. Nature volume 593, pages95–100(2021): https://www.nature.com/articles/s41586-021-03457-8

"Mysterious stone structures in Saudi Arabia are around 7,000 years old, making them one of the oldest examples of widespread monument-making" (The Art Newspaper, 29.4.): https://www.theartnewspaper.com/news/mysterious-stone-structures-in-saudi-arabia-are-around-7-000-years-old-making-them-one-of-the-oldest-examples-of-widespread-monument-making

"Warum Naturschutz neu gedacht werden muss. Archäologische Daten verlangen neue Ansätze zum Schutz der Biodiversität" (MPI für Menschheitsgeschichte, 19.4.): https://www.shh.mpg.de/1984145/boivin-humans-shape-nature?c=1936384

"Zellkern-Erbgut aus Höhlensedimenten gibt Einblicke in unsere Vergangenheit. Erstmalig können Wissenschaftler chromosomale DNA von Neandertalern aus Höhlensedimenten isolieren und analysieren" (MPI für evol. Anthropologie, 15.4.): https://www.mpg.de/16714865/0413-evan-zellkern-erbgut-aus-hoehlensedimenten-150495-x

"Verlorene Pharaonen-Stadt entdeckt. Bei Ausgrabungen in Ägypten ist eine 3000 Jahre alte Stadt entdeckt worden. Es handelt sich um die größte antike Siedlung, die jemals gefunden wurde. Sie galt als verloren - und wurde nun durch Zufall entdeckt" (Tagesschau, 9.4.): https://www.tagesschau.de/ausland/afrika/aegypten-ausgrabung-luxor-101.html

"Modernes Gehirn des Menschen entstand vor rund 1,7 Millionen Jahren in Afrika" (Universität Zürich, 9.4.): https://www.media.uzh.ch/de/medienmitteilungen/2021/Gehirnevolution.html

Shigir-Stele: "Ein Fund im Ural könnte die Menschheitsgeschichte umschreiben. Eine Stele aus einem Torfstich ist älter als vermutet. Der Befund wirft ein neues Licht auf Kunst und Kultur dort, wo man sie bislang nicht erwartete" (Tagesspiegel, 2.4.): https://www.tagesspiegel.de/wissen/kunst-aus-der-kaelte-ein-fund-im-ural-koennte-die-menschheitsgeschichte-umschreiben/27042214.html

 

3.3        Abschlussband SPM erschienen: "Archäologie der Zeit von 1350 bis 1850"

Mit dem Band "Archäologie der Schweiz von 1350-1850" legt Archäologie Schweiz den abschließenden achten Band der 1993 mit dem Paläolithikum begonnenen Handbuchreihe "Die Schweiz vom Paläolithikum bis zum Mittelalter" (SPM) vor - einer nationalen Synthese, welche die eine Forschergeneration ältere Reihe "Ur- und frühgeschichtliche Archäologie der Schweiz" (UFAS I-VI, 1968-1979) ersetzen soll. Anders als UFAS und die ursprüngliche Planung von SPM, die mit dem Frühmittelalter endeten, wurde SPM nun in zwei Schritten bis in die Neuzeit fortgesetzt. Der durchgehend zweisprachige Band (deutsch, französisch) zeichnet die Kulturentwicklung in der heutigen Schweiz im späten Mittelalter und der frühen Neuzeit primär anhand ihrer materiellen Hinterlassenschaften nach. In thematischen Kapiteln werden in Form einer Synthese zum aktuellen Forschungsstand die verschiedenen Lebensbereiche vorgestellt. Der Abschnitt zur Keramik bietet außerdem Übersichtstabellen zu regionalen Formenentwicklungen. Ein Schlusskapitel zeichnet ein Gesamtbild der Zeit; epilogartig folgt eine Skizze zur Archäologie der Zeit nach 1850. Die gut hundert für die Epoche wichtigsten Fundstellen und Objekte sind in einem Register zusammengestellt. Wie alle SPM-Bände wird der Band von allen namhaften Expertinnen und Experten der Schweiz zu dieser Epoche getragen. Entsprechend der Ausrichtung von Archäologie Schweiz, die stets auch für nicht-studierte Archäologen und Interessierte offen sein will, ist der neu erschienen Band nun zugleich auch Grundlage für an Laien gerichtete Fortbildungskurse.

http://www.archaeologie-schweiz.ch/SPM.127.0.html

 

3.4        DNA anatomisch moderner Menschen im Sediment der Denisova-Höhle nachgewiesen

Umfangreiche DNA-Analysen im Boden der südsibirischen Denisova-Höhle belegen, dass sie auch moderne Menschen beherbergte – die früh genug ankamen, um sich dort möglicherweise zusammen mit Denisova- und Neandertalern aufgehalten zu haben. Die Studie unterfüttert bereits bestehende Hypothesen: Man war bisher davon ausgegangen, dass anatomisch moderne Menschen neben Neandertalern und Denisova-Menschen die Denisova-Höhle über mindestens 300.000 Jahren nutzen. Unter den acht ausgegrabenen menschlichen Fossilien befinden sich der kleine Finger eines Denisova-Menschen, drei Knochen von Neandertalern und sogar einer von einem Kind mit einem Neandertaler und einem Denisova-Elternteil. Die Höhle enthält auch fein gearbeitet Steinwerkzeuge und – in oberen Fundschichten - Schmuck. Aber Fossilien anatomisch moderner Menschen wurden dort bis heute nicht gefunden. In Zusammenarbeit mit einem anderen Expertenteam, das zuvor die Schichten der Höhle datiert hatte, erstellten die Forschergruppe 728 Bodenproben. Nach zweijähriger Analyse wurde in 175 von ihnen menschliche DNA gefunden. Katerina Douka vom Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte bewertet die Studie als "die größte und systematischste ihrer Art". Die Daten zeigen eine komplexe menschliche und tierische Besiedlungsgeschichte mit verschiedenen Gruppen, die im Laufe der Zeit die Höhle nutzen und wieder verlassen, so die Fachpublikation in "Nature": Denisova-Menschen waren vor etwa 300.000 Jahren die ersten menschlichen Bewohner der Höhle waren. Sie verschwanden vor 130.000 Jahren; etwa 30.000 Jahre später folgte eine andere Gruppe von Denisova-Menschen, die wahrscheinlich viele der Steinwerkzeuge herstellten. Neandertaler tauchten vor etwa 170.000 Jahren auf, wobei verschiedene Gruppen die Höhle zu verschiedenen Zeitpunkten nutzten, einige überschneiden sich mit den Denisova-Menschen. Die Letzten, die ankamen, waren anatomisch moderne Menschen, die im frühen Jungpaläolithikum vor etwa 45.000 Jahren auftauchten. Die dieser Zeit entsprechende Bodenschicht enthielt DNA von allen drei Menschengruppen, berichten die Forscher.

"Ancient Siberian cave hosted Neanderthals, Denisovans, and modern humans—possibly at the same time" (Science Magazine, 23.6.): https://www.sciencemag.org/news/2021/06/ancient-siberian-cave-hosted-neanderthals-denisovans-and-modern-humans-possibly-same

"Erbgut aus Höhlensedimenten aus dem Pleistozän. Forschende rekonstruieren 300,000 Jahre Besiedlungsgeschichte der Denisova-Höhle anhand von DNA aus Sedimenten" (Max-Planck-Gesellschaft, 23.6.): https://www.mpg.de/17065706/0621-evan-erbgut-aus-hoehlensedimenten-aus-dem-pleistozaen-150495-x

Elena I. Zavala et al.: Pleistocene sediment DNA reveals hominin and faunal turnovers at Denisova Cave. Nature, 23.6.: https://www.nature.com/articles/s41586-021-03675-0

 

3.5        Schon gelesen? Mischa Meier & Steffen Patzold: "Gene und Geschichte"

Bei Rezo auf YouTube nennt man es einen Rant. Doch hier sind der Althistoriker Mischa Meier und der Mittelalterhistoriker Steffen Patzold, beide Professores an der Uni Tübingen, die Autoren und das Format ein kleines Heft von 160 Druckseiten, bescheiden als "Essay" benannt. Doch die Verve ist in beiden Fällen ähnlich. Das Heft von Maier und Patzold ist klar gegliedert, sprachlich zurückhaltend, elegant, höflich und um Verständlichkeit bemüht, zudem umfassend mit Literatur und Fußnoten unterlegt, und dennoch spürt man die Wut der Autoren. Welche Wut? Die über die "Reise unserer Gene" des Biochemikers Johannes Krause, Direktor des Max-Planck-Instituts für Menschheitsgeschichte (Jena). Während Krause breitschultrig behauptet, die Archäogenetik schriebe nun die Menschheitsgeschichte (neu), legen Meier und Patzold dar, dass dies mitnichten der Fall sei. Dazu legen sie zunächst einmal dar, was das denn ist, "Geschichte": ihr Text ein bisschen wie im historischen Proseminar, aber fein und einleuchtend geschrieben (Kap. II-IV). Nicht zuletzt arbeiten sie die Unterschiede zwischen naturwissenschaftlichen Aufsätzen mit ihren sensationsheischenden Titeln und Abstracts heraus und den Leistungen eines Historiker-Buchs. Fakten oder auch verkettete Fakten aus dem Labor seien noch keine Geschichte, diese ergebe sich vielmehr erst im Buch des Historikers, der mit Blick auf die Quellen, Quellenkritik, die bisher geschriebene Geschichte und mit kritischer Selbstreflektion erst Geschichte erzähle. Anschließend im langen Kap. V sezieren sie vier Fallbeispiele von "Ergebnissen" der Archäogenetik (Pest im 14. Jh.; Pest im 6.-8. Jh; Migration Angeln und Sachsen; Migration Langobarden), lesen die (dünnen) Aussagen der archäogenetischen Aufsätze genau und decken ihre begrenzte Reichweite und inneren Unsicherheiten auf und konfrontieren sie vor allem mit den bisherigen Ergebnissen der Geschichtsschreibung (Geschichte i. e. S. und Archäologie). In allen vier Fällen machen sie deutlich: Selbst wenn man die Ergebnisse der Labors als sachlich korrekt hinnimmt, einen nennenswerten zuverlässigen Beitrag zur Geschichte leisten sie nicht. Im Kap. VI zur Vernaturwissenschaftlichung der Geschichte zerlegen sie als fünfte Fallstudie den von McConnell et al. 2020 behaupteten (und sogleich in der Presse begeistert und verallgemeinernd aufgegriffenen) Zusammenhang zwischen dem Vulkanausbruch des Okmok auf den Alëuten im Jahr 43. v. Chr. und dem Untergang der Römischen Republik; sie schließen weitere Beispiele des leichtfertigen und sich als nicht haltbar erweisenden Umgangs diverser Naturwissenschaften (u. a. Paläoklimatologie) mit Bezügen zur Geschichte an. Ihre Schlussfolgerungen aus all dem packen sie ins sechste und letzte Kapitel "Ausblick: Wie die Zusammenarbeit gelingen könnte". Die bisherigen historisch relevanten Ergebnisse der Archäogenetik seien eng begrenzt und ein Neuigkeitscharakter kaum gegeben. Würde man geschulte Historiker, Archäologen und Archäogenetiker gemeinsam in interdisziplinären Teams vereinen und die Fragestellungen wesentlich von Historikern erarbeiten lassen, könne die Archäogenetik tatsächlich interessante Fakten zuliefern. Sie sei eine Hilfswissenschaft wie es z. B. auch die Numismatik sei, wo es hoher Expertise bedürfe, um einzelne historisch relevante Fakten herauszudestillieren, die erst dann in historischen Gesamtschauen Ergebniskraft entwickeln. Das ist nicht minder selbstbewusst als J. Krauses Reise vorgetragen, doch weitaus freundlicher und einleuchtender argumentiert. Kurz: das Heft ist ein Lese-Muss für alle, die sich mit den Ergebnisse der Archäogenetik beschäftigen. Nach den von Meier und Patzold vorgetragenen Argumenten könnte man von dem Heft des US-amerikanischen Historikers Patrick Geary über die Archäogenetik viel erwarten, ist er doch als Historiker in der von Meier & Patzold empfohlenen Weise maßgeblich in zwei große (d. h. teure) Projekte zur Archäogenetik im Frühmittelalter eingebunden. Doch sein Essay - die verschriftlichte Fassung eines Vortrags bei der Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften - fällt im Vergleich flach aus: Zwar holt Geary "eingangs tief Luft" und berührt grundlegende Fragen, doch ohne sichere Antworten zu diesen gleitet er bald in kursorische Referate der Projekte über, an denen er beteiligt ist. Projekte, die angestoßen sind und erste Ergebnisse aufzeigen, aber aktuell noch mehr aus Hoffnung denn aus Belastbarem bestehen. Die Ergebnisse des laufenden Langobardenprojekts, an dem Geary beteiligt ist, lasen sich bei Meier & Patzold klarer und verständlicher als bei Geary. Kurz: wer nur eines der beiden Werke lesen kann, lese Meier &

Patzold.

Meier, M. & Patzold, St. (2021). Gene und Geschichte: Was die Archäogenetik zur Geschichtsforschung beitragen kann. Stuttgart: Hiersemann.

Krause, J. & Trappe, Th. (2019). Die Reise unserer Gene: Eine Geschichte über uns und unsere Vorfahren. Berlin: Propyläen.

Geary, P. J. (2020). Herausforderungen und Gefahren der Integration von Genomdaten in die Erforschung der frühmittelalterlichen Geschichte. (Das mittelalterliche Jahrtausend, 7). Göttingen: Wallstein.

 

3.6        Arbeitsteilung in der LBK nach Geschlecht?

Ein Team um Alba Masclans (Univ. Barcelona) hat gut erhaltene Gräber aus sechs bandkeramischen Gräberfeldern zwischen Vendenheim im Elsass und Nitra in der Slowakei näher untersucht: 621 Individuen, darunter 151 sichere biologische Frauen und 137 sichere biologische Männer. Verschiedene Beigabengattungen wie z. B. Dechsel und Geschossspitzen wurden im Hinblick auf ihre Typologie und ihren Gebrauch hin untersucht. Zudem wurden die verfügbaren Daten zu stabilen Isotopen hinzugezogen: Strontium, Stickstoff und Kohlenstoff. Dabei zeigen sich einerseits entlang eines West-Ost-Gradienten "kulturelle" Unterschiede, d. h. unterschiedliche Beigabenpräferenzen. Anderseits zeigen sich in der Isotopie, aber auch in den Beigaben Unterschiede entlang des biologischen Geschlechts, die - so die Autoren der Studie - ein Hinweis auf eine ausgeprägte Arbeitsteilung sind. Nicht zuletzt erweisen sich die Gemeinschaften im Osten (Nitra, Vedrovice and Kleinhadersdorf) als virilokal. Im Westen (Schwetzingen) hingegen sind die "Fremden" im Gräberfeld Männer.

Masclans, A., Hamon, C., Jeunesse, C. & Bickle, P. (2021) A sexual division of labour at the start of agriculture? A multi-proxy comparison through grave good stone tool technological and use-wear analysis. PLoS ONE 16(4): e0249130. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0249130

 

4         Archäoinformatik

4.1        tidypaleo: Tidy Tools for Paleoenvironmental Archives

Das im April mit noch sehr niedriger Versionsnummer veröffentlichte R-Paket "tidypaleo" könnte für Archäologen spannend sein. Es hilft, Messwerte oder Häufigkeiten mit einer y-Achse darzustellen, die entweder die stratigraphische Tiefe anzeigt oder das Alter - und zwar so, dass mehrere Messreihen / Variablen nebeneinander gesetzt werden können. Sprich: chemische Elemente in Bodenstraten, Tierknochenspektren entlang der Zeitachse, Pollendiagramme, usw. Interessierte, die das Paket in echter Anwendung testen und gute oder schlechte Erfahrungen gesammelt haben, sind herzlich eingeladen, sich an die Arch. Inf. zu wenden (editor@dguf.de): Softwarerezension möglich.

tidypaleo: https://cran.r-project.org/web/packages/tidypaleo/index.html

Beispiel mit Element-Analysen:  https://cran.r-project.org/web/packages/tidypaleo/vignettes/strat_diagrams.html

 

4.2        Eine Website mit RStudio bauen

Vielleicht keine Lösung für größere Webprojekte wie DGUF.de, aber gewiss eine für Individuen, die für sich eine persönliche Website bauen und mit wenig Aufwand unterhalten wollen, ohne sich den käuflichen, u. a. aus der YouTube-Werbung bekannten "out-of-the-box" Systemen anvertrauen zu wollen: Danny Morris beschreibt in seiner Schritt-für-Schritt-Anleitung, wie man sich auf Basis von RMarkdown eine Website bauen kann. Im Kern steht RStudio und das Paket Blogdown, der Inhalt der Website wird auf GitHub gehostet und der sehr leistungsfähig-schnelle Hosting-Service Netlify spielt die Website aus. Nein, die Redaktion des DGUF-Newsletters hat das Ganze noch nicht selbst nachgebaut! - aber der Text von Morris wirkt auch für Laien nachvollziehbar. Für Interessierte also eine lohnende Lektüre, und die Newsletter-Redaktion ist an Berichten über Erfolge oder auch Misserfolge interessiert.

Danny Morris:"Create, Publish, and Analyze Personal Websites Using R and RStudio" (17.5.): https://r4sites-book.netlify.app/

 

4.3        "R Markdown: The definitive guide" gedruckt & im Open Access

R Markdown ist der R-spezifische Dialekt von Markdown, einer seit 2004 entwickelten einfachen Auszeichnungssprache fürs Verfassen von Texten. Markdown ist einfacher (und options-ärmer) als das bekanntere Satzprogramm LaTeX. Mit dem Zusatzprogramm Pandoc (2006 ff.) können Markdown-Dokumente in andere Textformate wie z. B. HTML, docx, odt, PDF u. a. überführt werden. Mit dem R-Paket "knitr" (2015 ff.) entstand R Markdown, der R-Dialekt von Markdown plus der Möglichkeit, direkt in der Oberfläche RStudio Texte mit R Markdown zu verfassen, die auch ausführbaren R-Code beinhalten. Klingt kompliziert, ergibt aber ein mächtiges Werkzeug, weil nun Texte bis hin zu Büchern verfasst werden können, die R-Code beinhalten, aber zugleich auch ganz normale Texte sind. Über die Brücke des "knittens" (welches Pandoc beinhaltet) können solche in R Markdown verfassten Dokumente anschließend als PDF, Word oder HTML ausgespielt werden. Was in der Bücherwelt wiederum den Vorteil hat, dass man ohne größeren Zusatzaufwand sowohl ein Papierprodukt (PDF) als auch ein Webprodukt (HTML) ausgeben kann. Enthusiasten nutzen R Markdown auch zum Produzieren von Websites, Präsentationen etc. Nach bereits öffentlich greifbaren Vorfassungen wurde Anfang April "the definive guide" publiziert.

Xie, Y., Allaire, J. J. & Grolemund, G. (2021). R Markdown: The Definitive Guide. CRC Press: https://bookdown.org/yihui/rmarkdown/

Ergänzend nützlich: "Write your dissertation in RMarkdown - Using RMarkdown to create compex PDF documents" (Coding Club, o.D.): https://ourcodingclub.github.io/tutorials/rmarkdown-dissertation/

 

5         Kulturgutschutz

5.1        Aktuelles rund um Kulturgutschutz in den Medien

"Italy recovers nearly 800 illegally gathered archaeological finds. Pieces worth €11m returned from a Belgian collector after an investigation that began in 2017" (The Guardian, 21.6.): https://www.theguardian.com/world/2021/jun/21/italy-recovers-nearly-800-illegally-gathered-archaeological-finds

"Russische Rekonstruktion in Palmyra - gegen den Willen der UNESCO" (Archaeologik, 4.6.): https://archaeologik.blogspot.com/2021/06/russische-rekonstruktion-in-palmyra.html

"Theresienstadt droht zu verfallen" (Tagesschau, 21.5.): https://www.tagesschau.de/ausland/europa/theresienstadt-gelaende-zerfaellt-101.html

"Raubgut aus dem heutigen Nigeria. Deutschland gibt Benin-Bronzen zurück" (Tagesschau, 30.4.): https://www.tagesschau.de/inland/rueckgabe-benin-bronzen-101.html und "Benin-Bronzen in deutschen Museen - Gemeinsame Erklärung verabschiedet" (Bundesregierung, 29.4.): https://www.bundesregierung.de/breg-de/bundesregierung/staatsministerin-fuer-kultur-und-medien/aktuelles/benin-bronzen-1899336

"Der Keil in der Forschung. Ein Dilemma entzweit die Fachwelt: Wer illegal beschaffte Keilschrifttafeln übersetzt, arbeitet den Raubgräbern zu. Doch soll man deswegen auf wichtige Erkenntnisse verzichten?" (Spektrum, 22.4.): https://www.spektrum.de/news/illegaler-antikenhandel-der-keil-in-der-forschung/1858420

 

5.2        Basler Antikenmuseum in Hehlerei-Verfahren verwickelt

Die Basler Staatsanwaltschaft hat im Rahmen eines Rechtshilfeersuchens Ende Mai elf Objekte im Antikenmuseum Basel beschlagnahmt. Auslöser war eine Ausstellung im Jahr 2018 in Turin, bei der das Antikenmuseum Basel mit elf Leihgaben vertreten war. Seinerzeit hatte die italienische Polizei - sehr zum Erstaunen der Basler Museumsleitung - insbes. eine Basler Herkulesstatuette sichergestellt, die nun in Italien Gegenstand eines Verfahrens wg. Hehlerei ist. Im Kontext des anhängigen Gerichtsverfahrens gerieten nun weitere Basler Antiken in Verdacht und wurden auf Ersuchen der italienischen Behörden sichergestellt. Der Direktor des Basler Antikenmuseums, Andrea Bignasca, ist zuversichtlich, alle Objekte zurückzuerhalten. Er wird zitiert mit: "Die italienischen Behörden haben keine Beweise". Die Leiterin der kantonalen Abteilung für Kultur, Katrin Gögel, erklärt die bisher mangelnde Provenienzforschung: "Im Fokus stand bis jetzt vor allem Raubkunst aus der Nazizeit, was in der Gesellschaft breit diskutiert wurde und in einem breiten historischen Kontext steht."

"Streit mit Italien - Italienische Polizei wirft Basler Antikenmuseum Hehlerei vor" (SRF, 1.6.): https://www.srf.ch/news/schweiz/streit-mit-italien-italienische-polizei-wirft-basler-antikenmuseum-hehlerei-vor

"Strafverfahren wegen Verdachts der Hehlerei gegen Antikenmuseum" (Telebasel, 29.5.): https://telebasel.ch/2021/05/29/strafverfahren-wegen-verdachts-der-hehlerei-gegen-antikenmuseum/?channel=105105

 

5.3        Neue Straßen-Trasse bei Blaubeuren könnte fast ungestörte Fundlandschaft gefährden

Eine 140 Jahre alte Steige bzw. Ortsverbindungsstraße von Blaubeuren (Alb-Donau-Kreis, Baden-Württemberg) in zwei Teilorte muss erneuert oder auch neu angelegt werden. Zur Erinnerung: Blaubeuren ist unmittelbar verknüpft mit dem UNESCO-Welterbe "Höhlen und Eiszeitkunst der Schwäbischen Alb", den ältesten figürlichen Kunstwerke der Menschheit. Zur Diskussion steht nun eine alternative Streckenführung und damit einhergehend womöglich die Überplanung einer großen, bisher noch fast ungestört zusammenhängenden Fundlandschaft mit Fundhorizonten des Mittelpaläolithikums über das Mesolithikum, LBK, Jungneolithikum, Bronzezeit, Eisenzeit bis heute. Eine Petition von Bürgern stemmt sich seit 17.6. gegen die Pläne – 90% des Quorums waren bei Redaktionsschluss bereits erreicht.

"Schließung der Sonderbucher Steige gefährdet das archäologische Erbe. Folgt auf "umgepflügt" (erkannt ) nun überplant und zerstört?" (Blog "Umgepflügt. Sammlung Robert Bollow", 22.6.): https://lesefunde.blogspot.com/2021/06/httpswww.html

"Brückenbauwerke nicht mehr zu retten" (Schwäbische, 24.6.): https://www.schwaebische.de/home_artikel,-brueckenbauwerke-nicht-mehr-zu-retten-_arid,11379311.html

"Petition zur Sonderbucher Steige erfolgreich gestartet. Zugkräftige Argumente der Organisatoren einer Online-Petition zum Erhalt der Sonderbucher Steige für den Straßenverkehr" (Südwest Presse, 20.6.; Paywall): https://www.swp.de/suedwesten/landkreise/alb-donau/Sonderbuch-Steige-Blaubeuren-Verkehr-Petition-57574359.html

Petition "Für den Erhalt der Sonderbucher Steige für den Straßenverkehr und gegen weitere Flächenversiegelung": https://www.openpetition.de/petition/online/fuer-den-erhalt-der-sonderbucher-steige-fuer-den-strassenverkehr-und-gegen-weitere-flaechenversiegel

 

6         Studium, Job-Themen und Personalia

6.1        Wie schreibe ich meinen ersten englischsprachigen Aufsatz?

Zur typischen Studenten-Frage "Wie schreibe ich eine Hausarbeit?" gibt es eine große Zahl an guten Ratgebern. Das neue Buch von Gábor Lövei zielt auf das nächste Level im großen Spiel des akademischen Publizierens: den ersten Aufsatz in englischer Sprache. Dabei geht es naheliegenderweise nicht nur um das Schreiben in einer Fremdsprache, sondern vor allem um eine Einführung in die anglo-amerikanische Publikationskultur. Warum sehen wissenschaftliche Aufsätze im anglo-amerikanischen Raum so aus, wie sie aussehen? Was steckt hinter diesen Eigenheiten? Das Ganze in 30 kurzen Kapiteln auf knapp 200 Seiten, mit vielen wertvollen Hinweisen. Ein Buch, von dem man als erfahrener Autor sagen würde: Ach, hätt' ich das mal früher gehabt. Übrigens: neben der Option Druck auch online im Open Access als PDF oder auch HTML.

Lövei, G. (2021). Writing and Publishing Scientific Papers: A Primer for the Non-English Speaker. Openbookpublishers. https://www.openbookpublishers.com/product/1272

 

6.2        " Silent Coworking": Mit Mustafa aus Berlin oder Lauren aus Vancouver endlich die eigene Arbeit gebacken kriegen

Na, Seite sechs des Fundberichts das fünfte Mal angefangen zu lesen? Noch immer das heikle Telefonat mit der Chefin nicht geführt? Das Paper der vergangenen Tagung drängt auch schon? Wenn Sie zur großen Gruppe der Hobby-Prokrastinierer gehören, könnten Sie folgende Idee mal testen: Sie verabreden sich im Internet mit einem/einer Fremden. Beide schalten Sie ihre Kameras ein, erzählen einander in weniger als einer Minute, was sie jeweils erledigen wollen, und dann bleiben Sie eine knappe Stunde einfach sitzen und arbeiten – Ihr Gegenüber als kleines Video-Bild stets im Blick. Am Schluss berichtet man einander in Kürze, was man erledigt hat. Die soziale Kontrolle durch Fremde funktioniere überraschend gut, schreibt Maren Hoffmann im "Spiegel", die's ausprobiert hat, "'to get shit done', wie es unter uns Prokrastinierern heißt, wenn wir tatsächlich mal was auf die Kette kriegen". Die Newsletter-Autorin, die diesen Beitrag um 0:13 Uhr fertigstellt, hofft auf Ihre Erfahrungsberichte!

"Silent Coworking. Hurra, in meinem Homeoffice sitzt ein fremder Mann mit Mütze" (Spiegel, 9.6.): https://www.spiegel.de/karriere/silent-coworking-hurra-in-meinem-homeoffice-sitzt-ein-fremder-mann-mit-muetze-a-ae223160-d64e-4311-a1cd-a3ff1f6e2c89

 

6.3        Lehrreich: Akute Archäologie-Krise in Großbritannien

Großbritanniens Archäologie bietet derzeit spannendes Anschauungsmaterial für Entwicklungen, die in einer nationalen Archäologie eintreten können, wenn niemand das große Ganze im Blick hat resp. fachlich ausgewiesene "Rufer in der Wüste" nicht gehört werden. Denn einerseits: Es herrscht ein beträchtlicher Arbeitskräftemangel in der britischen Archäologie, große Infrastrukturprojekte brauchen mehr Archäologiebegleitung, als es der Markt derzeit hergibt. Das wurde seit längerem vorhergesagt, aber mit dem Brexit und Corona ging zusätzlich eine starke Abwanderung nicht-britischer Arbeitskräfte einher. Wenn denn nun wg. Arbeitskräftemangel in Konsequenz notwendige und geplante archäologische Maßnahmen langsamer vonstattengehen als notwendig, könnte die Rettungsarchäologie als Verzögerer und Verhinderer ins Gerede kommen und politisch missliebig werden - so fürchten Sprecher von Grabungsfirmen. Und andererseits: Gleich mehrere britische Universitäten planen, Archäologie-Studiengänge zu schließen (s. der Gastkommentar in diesem Newsletter). Im Laufe der vergangenen Monate gingen in dichter Folge Krisen-Nachrichten zu starken Kürzungen / Studiengangs-Einstellungen in Sheffield, Chester, Leicester ein, lösten Petitionen aus, usw. Offenbar haben einige BA-Studiengänge derzeit so geringe Zuläufe (auch dies u. a. eine Brexit- und Corona-Folge?), dass sie sich nicht mehr rechnen. Auch wenn einzelne Entwicklungen noch offen sind und manche Schließung eventuell doch noch abgewehrt werden könnte, wird mehr als sichtbar, dass die jeweiligen Universitäten vor allem ihre eigene Ökonomie im Auge haben und ein übergeordnetes Planen fehlt. Ein wirksames Rezept gegen die starke Schieflage scheinen die britischen Kollegen noch nicht gefunden zu haben. Offenbar ist ein hohes öffentliches Interesse an allem, was in der Archäologie spannend ist und Spaß macht - es heißt, Kurs- und Mitmach-Angebote für interessierte Laien seien in UK derzeit ausnehmend beliebt bis ausgebucht - kein Garant dafür, dass die gleiche Öffentlichkeit auch die Fürsorge für die Archäologie und vor allem für das kulturelle Erbe schultert.

"Archaeology. Help our profession or UK’s shared history will be lost, say archaeologists" (The Guardian, 30.5.): https://www.theguardian.com/science/2021/may/30/help-our-profession-or-uks-shared-history-will-be-lost-say-archaeologists

Rob Lennox: "CIfA response to threats to Chester & Sheffield archaeology departments" (CIfA, 20.5.): https://www.archaeologists.net/news/cifa-response-threats-chester-sheffield-archaeology-departments-1621502237

"Save Archaeology & Heritage at the University of Chester!": https://docs.google.com/forms/d/e/1FAIpQLSe7BCF0nXutFxKrfNDVacxUd-aZW8TZh6FhBBSlIW0UKLlrSg/viewform

Petition "Save Sheffield's Archaeology Department" (Change.org): https://www.change.org/p/university-of-sheffield-save-sheffield-s-archaeology-department

 

6.4        Lionel Pernet ist neuer Präsident von Archäologie Schweiz

Auf der Mitgliederversammlung von "Archäologie Schweiz" im Juni wurde der bisherige Vize-Präsident und Leiter des Musée cantonal d'Archéologie et d'Histoire Lausanne, Lionel Pernet, zum neuen Präsidenten gewählt. "Archäologie Schweiz" ist mit ca. 2.000 Mitgliedern die große schweizerische Fachgesellschaft und NGO pro Archäologie. Pernets Vorgänger, Thomas Reitmaier, trat turnusgemäß nicht erneut an. Die Schwerpunkte der zurückliegenden drei Jahre – Innovation, Transformation und Kommunikation – sollen beibehalten werden.

 

6.5        Katja Lembke zur neuen Vorsitzende des DArV gewählt

Die Klassische Archäologin sowie Ägyptologin und Direktorin des Niedersächsischen Landesmuseums Hannover wurde im Juni zur Vorsitzenden des Deutschen Archäologen-Verbands e. V. gewählt. Sie ist Nachfolgerin des Klassischen Archäologen Patrick Schollmeyer, der turnusgemäß nicht nur Wiederwahl stand. In den DArV-Vorstand wurden außerdem gewählt: der Klassische Archäologe Holger Kieburg, die Klassische Archäologin Franziska Lehmann, die Klassische und Provinzialrömische Archäologin Ulrike Wolf sowie der Archäologe Leon Ziemer. Dem Hauptausschuss gehören an: Marion Bolder-Boos, Mariachiara Franceschini, Aylin Güngör, Jörn Lang, Kristin Oswald, Annemarie Schantor und Thoralf Schröder.

 

6.6        Andrea Schaer zum "Tinder der Römerzeit"

Die Archäologin Andrea Schaer (Archaeokontor GmbH) wollte eigentlich Rockstar werden. Aber auch als Gesamtprojektleiterin Baden-Bäder (Grabungen und Bauuntersuchungen) im Auftrag der Kantonsarchäologie Aargau ist sie eine gesuchte Interviewpartnerin, so aktuell auch beim Schweizer Radio und Fernsehen (SRF), das Schaer eine ganze Stunde Sendezeit im Hörfunk widmete. Wer dem Schweizerdeutsch folgen kann, erfährt u. a., weshalb die warmen Wannen in der Stadt Baden das Tinder der Römerzeit waren und wie man antike Fake News erkennt.

"Andrea Schaer: 'Ich hoffe, wir hinterlassen nicht nur Plastik'" (SRF, 21.6.; Audio, 58:35 Min.): https://www.srf.ch/audio/focus/andrea-schaer-ich-hoffe-wir-hinterlassen-nicht-nur-plastik?id=12006434

 

6.7        Fachsprache hemmt breite Wahrnehmung von Aufsätzen – auch innerhalb der Wissenschaft

Viele Segmente von Wissenschaft neigen dazu, eine jeweils spezifische Fachsprache zu etablieren, was einerseits mit dem Bedarf nach möglichst spezifischen Begriffen zusammenhängt, andererseits aber auch ein Instrument der Gruppenformierung ist - Jargon kreiert Insider-Zirkel. Doch ist das nützlich? Nicht bezüglich der Rezeption durch Bürger, Politiker und Journalisten – allerdings ist das längst bekannt. Die Frage hier ist: Ist das nützlich für die Rezeption im Fach und in verwandten Fächern? Nein, sagt eine groß angelegte Studie von A. Martínez und St. Mammola. Sie zeigen auf, dass Fachaufsätze, je mehr Fachjargon sie enthalten desto seltener zitiert werden. Wer gelesen werden will, sollte insbesondere den Aufsatztitel und die Zusammenfassung jargonfrei formulieren.

Martínez, A. & Mammola, St. (2021). Specialized terminology reduces the number of citations of scientic papers. Proceedings of the Royal Sociatey B, 7.4.2021: https://royalsocietypublishing.org/doi/full/10.1098/rspb.2020.2581?af=R

 

6.8        Kritik am Wissenschaftssystem: "Wir brauchen eine verlässliche und ausreichende Grundfinanzierung"

Unter #IchBinHanna mobilisieren derzeit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gegen schwierige Arbeitsbedingungen. Auf ihren Druck beschäftigte sich am 24.6. auch der Bundestag mit dem Thema. Die "Tagesschau" sprach mit dem Historiker Dr. Sebastian Kubon, der mit zwei Kolleginnen den Hashtag erschuf, über seine Kritik am deutschen Wissenschaftssystem. Dass gerade die Besten unter den gegenwärtigen Arbeitsbedingungen der Forschung verloren gingen, belegt eine Anfang Juni veröffentlichte OECD-Studie. Der Report empfiehlt u. a., dass die Arbeitsbedingungen beispielsweise mit einer Vertragsmindestlaufzeit von drei Jahren für Postdoktorandinnen und Postdoktoranden verbessert werden sollten. Karrierewege sollten transparenter gestaltet sein, z. B. durch die Einführung eines Tenure-Systems. Die Tenure-Track-Stellen sollten denjenigen offenstehen, die vorher vereinbarte Ziele erfüllten.

"Arbeitsbedingungen an Universitäten: 'Menschen- und wissenschaftsfeindlich'" (Tagesschau, 24.6.): https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/ichbinhanna-101.html

"Die akademische Welt verliert ihren Nachwuchs. Akademische Karrieren sind oft prekär, gerade am Anfang. Die OECD ist den Schwierigkeiten nachgegangen" (Forschung & Lehre, 9.6.): https://www.forschung-und-lehre.de/karriere/die-akademische-welt-verliert-ihren-nachwuchs-3780

 

7         "Fachaufsicht" in der westfälischen Archäologie

7.1        LWL-Archäologie für Westfalen wünscht Gegendarstellung zum 100. DGUF-Newsletter

Unter Punkt 7.2 des. 100. DGUF-Newsletters vom 12.5. äußerte sich ein anonym bleiben wollender Autor zum Thema "Fachaufsicht" in den Pressemitteilungen der LWL-Archäologie in Westfalen. Wie alle der wenigen anonymen Autoren des 100. Newsletters ist auch er ein der Newsletter-Redaktion namentlich bekanntes DGUF-Mitglied. Der 100. DGUF-Newsletter versammelte Beiträge der DGUF-Mitglieder unter dem Titel "Themen, über die man in der Archäologie spricht oder dringend sprechen sollte". Am 28.5. erreichte die DGUF ein Schreiben von Prof. Dr. Michael M. Rind, dem Direktor der LWL-Archäologie, und dem Landesoberverwaltungsrat Dr. iur. Sebastian Heimann. Sie baten um Abdruck [sic] ihrer "Gegendarstellung", im Text selbst zurückhaltender als "Klarstellung" formuliert. Die DGUF empfindet den Sachverhalt als überregional sehr relevant, die Texte von Anonymus wie auch von Rind und Heimann als wertvoll; sie kommt daher der Bitte gerne und freiwillig nach. Dass Debatte entsteht, ist stets im Interesse einer starken, selbstreflektierten Archäologie. Daher regten die DGUF-Herausgeber an, neben der Publikation hier im 101. DGUF-Newsletter den von der LWL-Archäologie explizit gewünschten "Abdruck" zusätzlich in einem Druckerzeugnis umzusetzen, nämlich den Archäologischen Informationen. Damit war die LWL-Archäologie ausdrücklich einverstanden. Den Link zu diesem im Early View erschienen Artikel finden Sie gleich hier im Anschluss; er ist in etwas anderer Abfolge verfasst, aber inhaltlich (von Petitessen abgesehen) identisch wie die drei Einzelbeiträge hier im Newsletter. Auch den Link zum ursprünglichen Beitrag von Anonymus finden Sie gleich hier im Anschluss. – Es folgt nun zunächst die vollständige "Gegendarstellung / Klarstellung", d. h. Anschreiben und Anhang, und dann für die mit längeren Rechtstexten Unvertrauten unter Ihnen eine Zusammenfassung des Sachverhalts und kurze sachliche Einordnung.

Anonymus: "Fachaufsicht" – Eine babylonische Begriffsverwirrung und gezielte Falschinformation (100. DGUF-Newsletter vom 12.5.2021 Punkt 7.2): https://www.dguf.de/ausgaben-jan-2020-ff/archive/542-100-dguf-newsletter-vom-12-05-2021?userid=-&tmpl=raw#_Toc71731908

Scherzler, D. & Siegmund, F. (2021). Die LWL-Archäologie in Westfalen übt keine Fachaufsicht über archäologische Fachfirmen aus. Archäologische Informationen 44, Early View, online publiziert 24. Juni 2021. https://www.dguf.de/fileadmin/AI/archinf-ev_scherzler_siegmund.pdf

 

7.2        Gegendarstellung / Klarstellung der LWL-Archäologie für Westfalen betr. 100. DGUF-Newsletter vom 12. Mai 2021: Anschreiben und Anhang

An: DGUF-Büro

Kopie: Sebastian Heimann (LWL), Ralf Johanshon (LWL), Barbara Rüschoff-Parzinger (LWL), Cornelia Bauer (LWL), Erich Claßen (LVR), Marcus Trier (Stadt Köln), Michael Baales (LWL), Christoph Grünewald (LWL), Sven Spiong (LWL), Bettina Tremmel (LWL), Wolfram Essling-Wintzer (LWL), Hans-Werner Peine (LWL), Birgit Münz-Vierboom (LWL), Carolin Steimer (LWL), Sandra Görtz (LWL), Nils Wolpert (LWL)

 

Sehr geehrte Frau Scherzler,

sehr geehrte Damen und Herren,

 

mit einiger Verwunderung haben wir zur Kenntnis genommen, dass im letzten Newsletter der DeGUF [sic!] vom 12. Mai 2021 unter Abs. 7.2 ein anonymer Beitrag veröffentlicht wurde, der massive Vorwürfe gegen die LWL-Archäologie für Westfalen enthält.

 

Grundsätzlich reagieren wir auf anonyme Äußerungen nicht, machen aber – auch wegen des großen fachlichen Leserkreises – hier eine Ausnahme. Insofern bitten wir um Abdruck der beigefügten Gegendarstellung gem. § 11 LandespresseG NRW (das Schreiben wird zugleich auch per Post zugesendet).

 

Der DeGUF kann ich nur empfehlen, künftig von der Veröffentlichung von Beiträgen abzusehen, wenn sie – wie in diesem Fall – nicht nur zutiefst unwissenschaftlich sind, sondern auch aus der Deckung der Anonymität heraus tendenziös und unfair gegenüber – ihrerseits aber namentlich adressierten – Dritten, hier der LWL-AfW, gehalten sind.

 

Mit freundlichen Grüßen

Michael M. Rind

Direktor der LWL-Archäologie für Westfalen

 

 

Klarstellung zum Anonymen Beitrag im DeGUF-Newsletter vom 12.5.2021 (7.2)

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

angelegentlich Ihres letzten Newsletters vom 12. Mai 2021 bietet der dortige Punkt 7.2 "'Fachaufsicht' – Eine babylonische Begriffsverwirrung und gezielte Falschinformation" Anlass für eine Gegendarstellung seitens des im Artikel adressierten Archäologischen Fachamtes des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL-AfW), die wir im nächsten Newsletter als Klarstellung zu veröffentlichen bitten.

 

Zu dem leider dort von anonymer Seite gemachten Vorwurf, die LWL-AfW würde sich eines ihr nicht zustehenden Fachaufsichtsrechts in dem dort gemeinten Sinne berühmen, stellen wir fest:

 

Zu keinem Zeitpunkt hat die LWL-AfW aufsichtsrechtliche Mittel gegenüber ausführenden Grabungsfirmen angewandt oder behauptet, dass ihm diese im entsprechenden Arbeitsverhältnis zukämen.

 

Dies wäre dem Fachamt auch gar nicht möglich, denn unabhängig davon, ob es Aufsichtsbehörde (§ 7 OrdnungsbehördenG NRW) im durch den anonymen Artikelverfasser gemeinten Sinne ist oder nicht, bezieht sich das Aufsichtsrecht und die Reichweite der damit verbundenen aufsichtsrechtlichen Rechtsvorschriften (§§ 8 - 11 OrdnungsbehördenG NRW) auf das reine zwischenbehördliche Verhältnis einander vor-/ bzw. nachgeordneter Ordnungsbehörden untereinander. Hierzu vgl. aktuell, instruktiv und ausführlich: Etscheid, Fachaufsicht - Management und Verantwortung für Demokratie und Rechtsstaat - in: Die Öffentliche Verwaltung, 2021, S. 297 - 308.

 

Insofern gehen sowohl der mit dem Artikel hier in pseudo-aufklärerischer Weise propagierte Hinweis, "was Aufsicht" eigentlich bedeute und der damit verbundene Vorwurf an die LWL-AfW vollständig an der Rechtsrealität vorbei. Der oder die Verfassende widerlegt sich letztlich selber, wenn er/sie klarstellen möchte, dass er/sie Mittel der Fachaufsicht nicht für auf Grabungsfirmen anwendbar hält. Hiermit erkennt er/sie lediglich das Offensichtliche, denn private Grabungsfirmen sind auf der Hand liegend weder (Ordnungs-)Behörde im Sinne des § 1 Abs. 2 VwVfG-NRW oder des OrdnungsbehördenG NRW noch anderweitig mit Hoheitsrechten Beliehene im Rechtssinne. Sie können schon nach der gesetzlichen Rechtslogik her daher nicht Adressaten aufsichtsrechtlicher Maßnahmen sein. Woher der/die Autor:in nun die Überzeugung gewinnen möchte, die LWL-AfW verbreite hier dennoch Falschinformationen - und betrachte damit Private dennoch als Behörde - kann auch mit einiger Fantasie nicht nachvollzogen werden.

 

Was dem Verfasser aber nicht geläufig zu sein scheint – und hierin liegt wohl das Missverständnis – ist, dass die Gesamtheit der Rechtsvorschriften in Deutschland entgegen eines weit verbreiteten Irrtums keine Einheitlichkeit der Begriffsverwendungen vorsieht. Als Beispiel sei auf die unterschiedlichen Definitionen und Reichweiten des "Wohnsitzbegriffes" in § 7 BGB einer- und den Landesmeldegesetzen der Länder andererseits ebenso verwiesen wie auf den keinesfalls deckungsgleichen Begriff der "bauliche Anlage/bodenrechtlichen Relevanz" des Bauplanungsrechts im Gegensatz zum selben im Bauordnungsrecht. Soweit also durch den Landschaftsverband tatsächlich von "Fachaufsicht" in Bezug auf Grabungsfirmen die Rede sein sollte, ist hiermit erkennbarerweise nicht eine ordnungsbehördliche Tätigkeit gemeint, sondern allein die fachliche Beaufsichtigung im Rahmen von § 22 Abs. 3 Ziff. 4 DSchG NRW stattfindender Bodenarbeiten und der dem Fachamt des LWL dabei zukommender Zuständigkeiten. Das Gesetz spricht a.a.O. von "Überwachung dieser Maßnahmen" durch das archäologische Fachamt des entsprechenden Landschaftsverbandes, in diesem Fall der LWL-AfW. Diese Norm ist normsystematisch als Abs. 3 eine speziellere Aufgabenzuweisung als die allgemeine Beratungsfunktion des § 22 Abs. 2 DSchG NRW, auf die der Autor des Artikels abstellt, und geht dieser daher vor.

 

Ferner bleibt festzustellen: Die Behauptung, die LWL-AfW sei dem Ministerium (MHKBG) weisungsunterworfen, ist schlicht falsch und spricht deutlich für die mangelnde rechtliche Durchdringung der Nordrhein-Westfälischen Verwaltungsstruktur. Weisungsunterworfen können, wie dargestellt, nur Ordnungsbehörden sein. § 20 Abs. 3 DSchG NRW benennt dabei abschließend den Kreis dieser Ordnungsbehörden in Denkmalfragen. Die Archäologischen Fachämter in NRW sind hiervon nicht erfasst. Die LWL-AfW ist vielmehr Teil eben jenes Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe. Dieser ist sog. "Gemeindeverband", manchmal auch "Höherer Kommunalverband" genannt, und als solcher selbständige Körperschaft des öffentlichen Rechts. Das Recht auf Mitwirkung an Verfahren des (Boden-)Denkmalschutzes ist verfassungsmäßig in Art. 18 Abs. 2 Landesverfassung NRW geschützt. Die Fachämter sind daher zwingend durch die Oberen und Unteren Denkmalschutzbehörden (Kreise und Kommunen) bei der Verfahrensabwicklung beizuziehen und im Rahmen des herzustellenden Benehmens, § 21 Abs. 4 DSchG NRW, zu beteiligen. Die LWL-AfW wird aber durch diese Verfahrensbeteiligung gerade nicht zur weisungsgebunden Ordnungsbehörde, was der Beachtung seiner kommunalen Selbständigkeit entspricht.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Prof. Dr. Michael M. Rind

(Direktor der LWL-Archäologie)

 

Dr. iur. Sebastian Heimann

(Landesoberverwaltungsrat)

 

7.3        Zusammenfassung und kurze Einordnung zur allgemeinen Bedeutung der beiden Perspektiven

Wir – Diane Scherzler und Frank Siegmund – fassen im Folgenden die Inhalte zusammen und ordnen sie kurz ein. Anonymus äußert sich im 100. DGUF-Newsletter zu der Tatsache, dass gemäß der Pressemeldungen der westfälischen Landesarchäologie die von Fachfirmen ausgeführten Grabungen in Westfalen stets als "unter der Fachaufsicht" der LWL-Archäologie stehend bezeichnet werden. Anonymus legt dar, dass der Rechtsbegriff "Fachaufsicht" allein im behördeninternen Verkehr gelte und keinerlei Auswirkungen auf z.B. privatwirtschaftliche Firmen habe. Erweiternd erinnert er an die Rechtslage zum Denkmalschutz in NRW: Im Falle einer Verletzung von Auflagen gegen die erteilten Grabungsgenehmigungen sei die Untere Denkmalschutzbehörde zuständig, ggf. anschließend die Obere Denkmalschutzbehörde. Die LWL-Archäologie sei allenfalls das von diesen beratend hinzugezogene Fachamt. Seine Darlegung schließt Anonymus mit dem Befund: "Die in den Pressemitteilungen des LWL kolportierte 'Fachaufsicht des Landschaftsverbandes über die Grabungsfirmen' ist damit eine Falschinformation und verfolgt die Agenda, die Fachfirmen zum ausführenden, weisungsgebundenen Arm des Fachamtes zu instrumentalisieren, indem den Journalisten und der Öffentlichkeit eine 'Zuständigkeit' des Landschaftsverbandes über Grabungsfirmen suggeriert wird." In ihrer Gegendarstellung/Klarstellung betonen Rind und Heimann, dass das Fachamt "LWL-Archäologie für Westfalen" gegenüber ausführenden Grabungsfirmen keine Aufsichtsbehörde sei und keine aufsichtsrechtlichen Mittel anwende noch je angewandt habe. Der Begriff Fachaufsicht regle allein "zwischenbehördliche Verhältnisse". Nach ihrer Auffassung beschreibt der Verfasser des Textes im 100. DGUF-Newsletter "in pseudo-aufklärerischer Weise" "lediglich das Offensichtliche". Damit und mit weiteren juristischen Ausführungen legen Rind und Heimann dar, was für in Westfalen tätige Grabungsfirmen tatsächlich klärend und erhellend sein dürfte: (1) Die LWL-Archäologie für Westfalen hat keine aufsichtsrechtlichen Mittel gegenüber ausführenden Grabungsfirmen; (2) Grabungsfirmen unterstehen nicht dem denkmalpflegerischen Behördenapparat; (3) Die LWL-Archäologie für Westfalen ist keine Ordnungsbehörde und gehört nicht zur Eingriffsverwaltung. Sie hat also nicht über Konsequenzen und Sanktionen zu entscheiden – vielmehr ist dies eine Aufgabe der Unteren bzw. Oberen Denkmalschutzbehörde. (4) Die Überwachung der Maßnahmen seitens der LWL-Archäologie ist eine Aufgabenspezifikation im Rahmen der Beratung und Unterstützung der Sonderordnungsbehörden (Untere und Obere Denkmalschutzbehörden). Kurz: in ihrer "Gegendarstellung" unterfüttern Rind und Heimann mit weiteren juristischen Argumenten die wesentlichen Aussagen von Anonymus. Es verdient Anerkennung, dass die Behörde ihren rechtlichen Status reflektiert und dies angesichts des von Michael Rind gewählten enormen E-Mail-Verteilers auch auf breiter Ebene tut! Warum indes mit "Fachaufsicht" ein juristisch nicht zutreffender und gänzlich missverständlicher Begriff in den Pressemeldungen der LWL-Archäologie verwendet wird – die dahinterstehende Absicht der LWL-Archäologie, der "Öffentlichkeit eine 'Zuständigkeit' des Landschaftsverbandes über Grabungsfirmen" zu suggerieren, ist ja offensichtlich das zentrale Postulat von Anonymus –, darauf gehen Rind und Heimann nicht ein; sie bieten keine Erläuterung an, wieso diese Behauptung von Anonymus falsch sein könnte. Es fällt jedoch auf, dass Anonymus' vorgebliche sachliche Inkompetenz akzentuiert wird, u. a. indem seine Position als "tendenziös und unfair", als "pseudo-aufklärerisch" etc. bezeichnet wird; diese Zuschreibungen begründen Rind und Heimann nicht. Auch die DGUF-Herausgeber werden mit einer "Empfehlung" bedacht, nämlich "künftig von der Veröffentlichung von Beiträgen abzusehen", wenn diese u. a. "zutiefst unwissenschaftlich" seien (allerdings hatten die thematischen Anforderungen des 100. DGUF-Newsletters keine Wissenschaftlichkeit der Beiträge vorausgesetzt). Die Gegendarstellung verwahrt sich in Halbsätzen wie "Zu keinem Zeitpunkt hat die LWL-AfW aufsichtsrechtliche Mittel gegenüber ausführenden Grabungsfirmen angewandt …" gegen Behauptungen, die Anonymus in seinem Text nie gemacht hatte. Hinsichtlich der von Rind und Heimann bestrittenen Weisungsgebundenheit der LWL-Archäologie an das zuständige Ministerium erlauben wir uns, interessierte Leser auf § 24 der Landschaftsverbandsordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (LVerbO) hinzuweisen. – Übrigens hält die Pressestelle der LWL-Archäologie auch nach Versand ihrer Gegendarstellung / Klarstellung an die DGUF am gewohnten Duktus fest: Eine Grabung einer Fachfirma, über die am 26. Mai 2021 in einer Pressemeldung der LWL-Archäologie berichtet wird, findet "unter der Fachaufsicht des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe" statt. Zunächst äußert sich der für die Region zuständige LWL-Außenstellenleiter, erwähnt wird weiter unten: "die archäologischen Arbeiten wurden von einer Fachfirma ausgeführt", danach kommt der wissenschaftliche Grabungsleiter (übrigens der ehem. DGUF-Vorsitzende Thies Evers) der namentlich ungenannten Fachfirma zu Wort, und als Pressekontakt wird einzig die Pressestelle des LWL angeführt.

"Fachaufsicht" (Wikipedia, aktuelle Fassung vom 16.7.2020): https://de.wikipedia.org/wiki/Fachaufsicht

Landschaftsverbandsordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (LVerbO) § 24: http://www.lexsoft.de/cgi-bin/lexsoft/justizportal_nrw.cgi?xid=146832,31"Kleine Fläche - großes Ergebnis: Archäologische Ausgrabungen in Werl-Westönnen" (LWL Pressemeldung, 26.5.): https://www.lwl.org/pressemitteilungen/nr_mitteilung.php?urlID=52483

 

8         Open Access & Open Data

8.1        Wissenschaftsschranke wird entfristet

Wer die hohe Bedeutung dieses Titels nicht unmittelbar versteht, dürfte zur überwiegenden Mehrheit der Bundesbürger gehören. Denn das leicht irreführende Wortungetüm "Wissenschaftsschranke" steht für eine deutsche Spezialität im Urheberrecht und in der weiterhin intensiv geführten Urheberrechtsdebatte - wiewohl die Schranke das Urheberrecht i. e. S. überhaupt nicht tangiert. Worum geht es? Es geht um das Nutzungsrecht an fremden Texte und Inhalten im Kontext Wissenschaft, bei dem die Wissenschaftsschranke - ganz im Gegensatz zu allen anderen Bereichen und im Gegensatz zur landläufigen Bedeutung des Wortes "Schranke" - für wissenschaftliche Zwecke ein sehr weitreichendes Zitierrecht vorsieht: "... Bildungseinrichtungen [dürfen] unter anderem 15 Prozent eines veröffentlichten Werkes ohne Genehmigung, dafür mit pauschaler Abgeltung für Unterrichtszwecke, nutzen, kopieren und verteilen – zum Beispiel in Form digitaler Semesterapparate. Für die eigene wissenschaftliche Forschung dürfen Wissenschaftler sogar bis zu 75 Prozent eines Werkes vervielfältigen." So beschreibt Jan-Martin Wiarda knappst gefasst in seinem Blog die Wirkung dieser Schranke. Sprich: die Wissenschaftsschranke öffnet das kostenlose Zitieren und Weiternutzen von Inhalten weit über die üblichen engen Grenzen hinaus. In den langjährigen, zuletzt durch europäische Gesetzgebung ("DSM-Richtlinie") ausgelösten und weiterhin nicht beendeten Debatte um die gefühlt 1.000ste Urheberrechtsreform war diese Schranke - in Verlängerung bisher geltender Regelungen und Praxis - 2018 in die Gesetzesnovelle des deutschen UrhWissG eingebaut worden. Unter lautem Protest einschlägiger Stakeholder wie etwa der Wissenschaftsverlage. Als Kompromiss quasi war diese Wissenschaftsschranke befristet worden, bis 1.3.2023. Nun hat die GroKo sich darauf verständigt, die Befristung fallen zu lassen. Danach gilt das sehr weitreichende wissenschaftliche Zitierrecht in Deutschland weiterhin. Interessierte finden mehr Details in jenem sachkundigen Blogbeitrag von Jan-Martin Wiarda.

J.-M. Wiarda: "Wissenschaftspolitik: Wissenschaftsschranke gilt bald unbeschränkt" (Blog J.-M. Wiarda, 17.5.):

https://www.jmwiarda.de/2021/05/17/wissenschaftsschranke-gilt-bald-unbeschr%C3%A4nkt/

 

8.2        Was kostet eigentlich die Publikation einer Open Access Monografie?

"Enable!" ist eine Gemeinschaft von Bibliotheken, Verlagen und Autoren, die sich für Open Access in den Sozial- und Geisteswissenschaften einsetzt und die dabei auch die bei vielen Open-Access-Initiativen und -Förderprogrammen "vergessenen" Monografien im Auge behalten will. Im Mai hat Enable! ein Arbeitspapier veröffentlicht, das Autoren eine Orientierung geben will zur Frage: Was sind eigentlich die fairen Kosten einer Monografie, wenn man sie im Open Access als E-Book veröffentlicht? Und was kostet es zusätzlich, wenn man auch ein gedrucktes Buch anbieten will. Die Autorinnen operieren mit - nach Ansicht der Newsletter-Redaktion - vernünftig / fairen und realistischen Kostenvorstellungen und erwägen drei unterschiedliche Qualitätsstufen: Gold, Silber und Bronze. Nehmen wir das Beste, also den Goldstandard, weil er den DGUF-Monografien am besten vergleichbar ist. Für eine 300-seitige Monografie (E-Book) entstehen danach ca. 6.150 bis 8.850 Euro Gesamtkosten. Da heutzutage beim Druck der Verkauf die Kosten nicht deckt, wäre für eine gedruckte Ausgabe zusätzlich ein Zuschuss von etwa 2.000 Euro vonnöten. Die Autoren wollen damit eine Handreichung bieten, wie hoch faire Publikationsgebühren ausfallen dürfen, welche einzelnen Leistungen sie umfassen sollten, und ab wann ein Verlagsangebot als "zu teuer" eingeordnet werden sollte.

Eichler, J., Lembrecht, Chr. & Werner, K. (2021). Leistungen und Kostenrahmen für zeitgemäßeOpen-Access-Publikationen in den Geistes-und Sozialwissenschaften: Vorschlag für eine Differenzierung von Open-Access-Gebühren verlagstypischen Leistungen entsprechend. Bielefeld: ENABLE!-Community. https://doi.org/10.21241/ssoar.72649

Enable! https://enable-oa.org/

"DGUF tritt 'Enable!' bei" (DGUF-Newsletter vom 31.7.2020 Punkt 1.2): https://www.dguf.de/ausgaben-jan-2020-ff/archive/57-dguf-newsletter-vom-31-07-2020?userid=-&tmpl=raw#_Toc47096950

 

9         Ausstellungen und Museen

9.1        Einem Unglück digital auf der Spur: "Tod im Salz. Eine archäologische Ermittlung in Persien" (Digitaler Rundgang, Deutsches Bergbau-Museum Bochum)

Seit 7.4. präsentiert das Deutsche Bergbau-Museum Bochum die neue Sonderausstellung. Im Mittelpunkt steht ein Bergunglück in dem Salzbergwerk Doulākh bei Chehrābād im Nordwesten Irans vor 2.400 Jahren, welches jahrelang von Prof. Dr. Thomas Stöllner mit seinen Kooperationspartnern  untersucht wurde. Die originalen Exponate waren zunächst für eine Ausstellung vor Ort eingeplant, aufgrund der Corona-Situation und der politischer Verhältnisse im Iran ist das jedoch nicht möglich. Während das Bochumer Museum aufgrund der Corona-Pandemie noch geschlossen war, konnte bereits ein digitaler Rundgang durch die Ausstellung unternommen werden. Seit dem 27.5.ist auch der analoge Besuch vor Ort wieder möglich. Die parallel weiterhin erhalten bleibende digitale Ausstellung eignet sich für Besucher, die keine Möglichkeit haben zu reisen, bzw. auch für die Vor- und Nachbereitung eines Museumsbesuches. Die auf Deutsch und Englisch konzipierte digitale Ausstellung richtet sich an ein breites Publikum Archäologie-Interessierter, sie bietet auch eine Kinderspur für junge Ermittler. Ein Etagenplan gibt die exakten Verhältnisse vor Ort im Bochumer Museum wieder. Er ermöglicht beim digitalen Rundgang eine rasche Orientierung, die man im Museum tatsächlich so nicht hätte. Die Ausstellung widmet sich in der unteren Ebene des Gebäudes der weltweiten Gewinnung des Salzes, berichtet über das Salzbergwerk Doulākh in Iran, die Lebenswelt der damaligen Arbeiter und über ihre Ausstattung. Die Männer kamen 400 v. Chr bei einem Grubenunglück im Untertagebergbau durch Einsturz unterirdischer Hohlräume ums Leben. Sie wurden erschlagen und durch das Salz mumifiziert. Dargestellt werden detailliert die Ergebnisse der sehr guten organischen Erhaltung sowie die Möglichkeiten von Untersuchungen und die Erkenntnisse zum Leben jener Zeit. In der oberen digitalen und analogen Ebene der Ausstellung stehen weitere spannende Forschungsprojekte aus Iran des DFG Schwerpunktprogramms "Das iranische Hochland: Resilienzen und Integration in vormodernen Gesellschaften" gemeinsam mit Exponaten im Mittelpunkt. Die Website lässt die digitalen Besucher problemlos die Ausstellung durchlaufen, Filmmaterial und 3D-Aufnahmen von Exponaten bereichern den Rundgang und sorgen für Abwechslung vor dem Bildschirm. Einzig die Tonqualität der Videos ist manches Mal zu bemängeln. Verschiedene Ebenen werden bei der Wissensvermittlung verwendet. Mit visuellen Elementen der Sensationspresse, also "Bild"-schlagzeilenartig, wird das Publikum angesprochen und zu einer Auseinandersetzung mit archäologischen Sensationen und ihrer schriftlichen Präsentation aufgefordert. Ein spannender Ansatz! An dieser Stelle gingen die Ausstellungsmacher noch einen Schritt weiter: Mittels Graphic Novels im Noir-Stil geben sie eine bildliche Vorstellung der Hauptpersonen des Unglücks im Bergwerk. Der deutsch-iranische Graphiker Sasan Saidi schildert den letzten Tag eines verunglückten Bergbaumannes. Hier nutzten die Ausstellungsakteure eine Form, um Inhalte der Ausstellung intuitiv zu erfassen und nicht viele Texte lesen zu müssen. Damit sind die Macher am Puls der Zeit, denn Graphic Novels haben Hochkonjunktur. Das Mittel überzeugt! Auch bei einem digitalen Rundgang. Hier kommen nicht nur Archäologie-Interessierte auf ihre Kosten, auch Liebhaber einer eigenständigen (und unterschätzten) Kunstform. Zusätzlich zum Rundgang durch beide Ebenen lohnt ein Blick in das bereitgestellte Video der Eröffnungsfeier. Moderatorin Susan Zare führt abwechslungsreich durch das Bonusmaterial zu den archäologischen Arbeiten vor Ort in Iran und an der Ausstellung. Es bleibt die Hoffnung, dass die Ausstellung in diesen Zeiten zahlreiche Besucher vor Ort erhalten wird. Bis dahin wird den digitalen Besuchern auch eine Vortragsreihe angeboten, zudem ist ein Ausstellungskatalog mit Hintergrundinformationen und Graphic Novel erhältlich. Fazit: Die Corona-Situation hat ganz sicher etliche Online-Angebote der Museen vorangebracht. In Zeiten geschlossener Häuser sind Online-Ausstellungen und digitale Rundgänge eine willkommene Alternative - vielleicht sogar mit einem enormen Potenzial für die zukünftige Gewinnung von Besuchern.

"Tod im Salz – der digitale Rundgang" (Deutsches Bergbau-Museum Bochum): https://www.tod-im-salz.de/

Website zur Ausstellung "Tod im Salz. Eine archäologische Ermittlung in Persien" (Deutsches Bergbau-Museum Bochum): https://www.bergbaumuseum.de/besuch/ausstellung/sonderausstellungen/tod-im-salz-eine-archaeologische-ermittlung-in-persien

"Bergbau-Museum Bochum: Tod im Salz" (WDR, 4.6.; Audio, 11:02 Min.): https://www1.wdr.de/mediathek/audio/wdr5/wdr5-scala-hintergrund/audio-bergbau-museum-bochum-tod-im-salz-100.html

"Verschiebung der Ausstellung 'Tod im Salz' aufgrund der politischen Lage im Mittleren Osten" (Archäologisches Museum Frankfurt, o. D.): https://www.archaeologisches-museum-frankfurt.de/de/ausstellungen/tod-im-salz

"Chehrabad-Salzmumien-Projekt" (Saltmen of Iran): https://saltmen-of-iran.com/index.php/de/

 

9.2        Mainzer Landtag gibt "Römische Steinhalle" nicht mehr zurück

Die Römische Steinhalle in Mainz ist eine der wichtigsten Sammlungen lateinischer Inschriften aus der Antike in ganz Europa. Die Steinhalle war in den vergangenen fünf Jahre weitgehend leergeräumt, so dass dort das Parlament von Rheinland-Pfalz tagen konnte, solange dessen Plenarsaal umgebaut wurde. Jetzt sollte diese befristete Improvisation wie versprochen wieder zurückgebaut werden. Der Mainzer Landtagspräsident aber will die Steinhalle nicht mehr als einmalige Ausstellungsfläche römischer Inschriften zurückgeben, sondern - statt in großer Zahl einmalige antike Inschriften zu präsentieren - ein "Demokratieforum" einrichten. Dagegen wenden zahlreiche öffentliche Stimmen, u. a. die FAZ und eine am 29.4. lancierte Petition "Für den Erhalt der Mainzer Steinhalle als museale Präsentationsfläche des LM Mainz", die dem Mainzer Landtag übergeben werden soll. Die Petenten verweisen darauf, dass in resp. in der unmittelbaren Nähe zur Mainzer Altstadt mehrere und weitaus geeignetere Gebäude für ein "Demokratieforum" bereitstehen. Am 28.4. berieten sich der Präsidenten des DVA, Prof. A. Wieczorek, und der damalige Vorsitzendes des DArV, Prof. P. Schollmeyer, mit dem rheinland-pfälzischen Landtagspräsidenten zum Thema. Danach streben DVA und dArV eine gemeinsame Nutzung der Liegenschaft an, d. h. als Steinhalle und als Demokratieforum. Für ihre Verbände haben beide Vertreter ihre Bereitschaft erklärt, eine solche Umwandlung fachlich zu beraten. Damit treten sie inhaltlich von einer am 2.2. verfassten öffentlichen Stellungnahme von DVA und DArV zurück, welche eine gemeinsame Nutzung nicht vorsah. In der Sektion "Pro & Contra" bei Openpetition wird diese Kompromisshaltung der Verbände scharf kritisiert, u. a. distanziert sich der Frankfurter Provinzialrömer Prof. Dr. Hans-Markus von Kaenel explizit vom Votum der beiden Verbände, ebenso die Initiatorin der Petition ("Neuigkeiten", Post vom 30.4.2021, 18:40 Uhr). Das Zeichnen der Petition ist noch bis zum 28.6. 2021 möglich; zum Reaktionsschluss dieses Newsletters hatten sie ca. 5.500 Personen unterzeichnet.

Petition "Für den Erhalt der Mainzer Steinhalle als museale Präsentationsfläche des LM Mainz" (Openpetition, 29.4.): https://www.openpetition.de/petition/online/fuer-den-erhalt-der-mainzer-steinhalle-als-museale-praesentationsflaeche-des-lm-mainz#petition-main

"Macht Platz, beim Jupiter! In Mainz gibt es Streit um den alten Plenarsaal." (FAZ, 21.4.): https://zeitung.faz.net/faz/feuilleton/2021-04-21/macht-platz-beim-jupiter/600143.html

"'Wir fühlen uns hinters Licht geführt' – Freundeskreis des Mainzer Landesmuseum: Steinhalle für römische Funde erhalten" (Mainz&, 22.4.): https://mainzund.de/wir-fuehlen-uns-hinters-licht-gefuehrt-freundeskreis-mainzer-landesmuseum-steinhalle-fuer-roemische-funde-erhalten

"Landesmuseum Mainz: Kulturelle und politische Bildung vereinen" (Pressesprecher Mainzer Landtag, 29.4.): https://www.landtag.rlp.de/de/aktuelles/detail/news/detail/News/landesmuseum-mainz-kulturelle-und-politische-bildung-vereinen/-/-/

DVA & dArV (2.2.2021): "Stellungnahme des Deutschen Verbandes für Archäologie e.V. und des Deutschen Archäologen-Verbandes e.V. zur geplanten Einrichtung eines Demokratiemuseums in der Steinhalle des Landesmuseums Mainz": https://www.dvarch.de/fileadmin/redakteure/Stellungnahmen/Erhalt/DVA_Stellungnahme_zur_Einrichtung_eines_Demokratiemuseums_im_LM_Mainz.pdf

 

9.3        Griechenland: Werden fünf bedeutende Museen selbständig?

Es herrscht Unruhe unter unseren Archäologie-Kolleginnen und -Kollegen in Griechenland: Das griechische Ministerium für Kultur und Sport plant, fünf große und bedeutende Archäologie-Museen aus ihrer bisherigen Organisation als Teil eines Ephorates (kommunalen archäologischen Dienstes) herauszulösen und sie als selbständige Einrichtungen zu führen. Es sind dies das Archäologische Nationalmuseum in Athen, das Byzantinische und Christliche Museum in Athen, das Archäologische Museum in Thessaloniki und das Byzantinische Museum in Thessaloniki sowie das Archäologische Museum von Heraklion (Kreta) - also fünf Highlights der griechischen Museumslandschaft. Sie hätten dann, jedes für sich, den gleichen Status wir das 2009 neu eröffnete Akropolis-Museum in Athen. Die Begründung seitens der Politik: mehr Autonomie, weniger Bürokratie, die Möglichkeit für diese fünf Museen, durch eigene Mittelakquise auch ökonomisch selbstständiger zu werden. In einem offenen Brief vom Dez. 2020 stellten sich die Angestellten dieser fünf Einrichtungen gegen die Pläne, im Februar 2021 weitere griechische Kollegen. Worum geht es? Die Griechenlandkontakte der Newsletter-Redaktion schildern die Lage wie folgt: Die archäologierelevante Museumslandschaft in Griechenland umfasst drei Arten von Museen: einige wenige, die seit langem ob ihrer Bedeutung direkt dem Kultusministerium unterstehen; einige wenige, die als private Einrichtungen gelten (z. B. Benaki-Museum in Athen); die überwiegende Mehrheit der Museen ist hingegen Teil der Ephorate, d. h. der archäologischen Dienste der Städte und Landschaften. Sie sind daher eng auch mit dem lokalen/regionalen Denkmalschutz und dem (Rettungs-) Grabungswesen verbunden: Funde und Dokumentationen der in einer Region getätigten Ausgrabungen wandern zwecks Archivierung automatisch in diese Museen. Was fürchten die griechischen Kollegen, die gegen das neue Gesetz opponieren? Einerseits fachliche Probleme und Zuständigkeitsprobleme, die bei einer Trennung von Denkmalpflege/Grabungswesen und Museumswesen entstünden. Eine Debatte also, die auch aus Deutschland bekannt ist, als z. B. die ursprünglich in ein Landesmuseum (z. B. Hannover, z. B. Bonn) eingebundene regionale Denkmalpflege verselbständigt wurde. Die Kollegen fürchten also, dass z. B. die Aufgabe Archiv dann hinter Öffentlichkeitswirksamem und Drittmittel-Gefälligem zurückstehen werde. Vor allem aber fürchten die griechischen Kollegen das Hereinkommen neuer Führungskräfte. Denn bisher stünden stets die Archäologie und die archäologische Kompetenz im Vordergrund, wenn Führungspositionen zu besetzen seien. Dies könne - und werde sich voraussichtlich - in der neuen Struktur ändern: Es sei zu befürchten, dass nun Manager und fachfremde Parteifreunde der jeweils Regierenden in diese wichtigen Häuser einzögen. So sei bereits jetzt über Seltsamkeiten im Habitus der Regierenden zu berichten: Auf der Akropolis, wo nicht einmal der Architekt des Parthenon-Tempels oder Phidias sich habe namentlich habe verewigen können, sei jüngst für die Anlage eines neuen Wegs eine diesen feierende Marmorplatte mit dem Namen der Kultusministerin und des Spenders des Betons angebracht worden.

"Archaeologists appeal to Greek prime minister to halt restructuring of five big antiquities museums" (The Art Newspaper, 4.3.): https://www.theartnewspaper.com/news/archaeologists-oppose-greek-museums-bill

"ΣΥΛΛΟΓΟΣ ΕΛΛΗΝΩΝ ΑΡΧΑΙΟΛΟΓΩΝ" (22.12.2020): https://www.sea.org.gr/details.php?id=1124, und https://www.sea.org.gr/details.php?id=1157

"Akropolis in Athen: Zementplatten bis zum Parthenon" (Tagesschau, 13.6.): https://www.tagesschau.de/ausland/europa/akropolis-griechenland-athen-101.html

 

9.4        Ausflugstipp: Der Bajuwarenhof bei München

Seit gut 15 Jahren rekonstruieren Archäologen und Citizen Scientists nahe Kirchheim (nordöstlich von München) ein landwirtschaftliches Gut, wie es im 6. bis 8. Jahrhundert ausgesehen haben könnte – der Bajuwarenhof. Grundlage dafür sind Funde und Befunde aus dem Gemeindegebiet und der näheren Umgebung. Ein Förderverein betreibt das Freilichtmuseum, pflegt die teilweise bewirtschaftete Anlage, sorgt für viele Veranstaltungen und Führungen. Die Süddeutsche Zeitung hat das Museum porträtiert.

"Freilichtmuseum Kirchheim: Das Mittelalter zum Anfassen" (Süddeutsche, 4.6.): https://www.sueddeutsche.de/muenchen/landkreismuenchen/landkreis-muenchen-kirchheim-bajuwarenhof-geschichte-mittelalter-museum-1.5312701

Website des Bajuwarenhofs: https://www.bajuwarenhof.de

 

9.5        "Die Möglichkeit, den Reset-Knopf zu drücken": Chancen der Pandemie für den Kulturbetrieb

"Die Schließung der Museen in der Pandemie ist das Beste, was der Kunst passieren konnte. Museumsdirektoren, die den Erfolg ihrer Ausstellungen an der Masse der Besucher messen, sind eine Fehlentwicklung." Das sagt Museumsdirektor und Medienkünstler Peter Weibel. Kein Mensch brauche Museen, die Ausstellungen und Events als Spektakel der Nähe inszenieren. "In diesem Sinne ist jedes geschlossene Museum ein Geschenk an die Kunst." Konzertveranstalter Folkert Uhde feiert die Abstandsregeln, die zu wesentlich intensiveren Erlebnissen geführt hätten. "brand eins" hat diese und drei weitere Stimmen von Kulturschaffenden gesammelt, "die sich schon vor der Pandemie nicht auf die Routinen des Betriebs verlassen haben". Lesenswert!

"Wir können auch anders. Die Pandemie wird den Kulturbetrieb verändern. Und sie zeigt, was schon lange schiefläuft. Gut so – finden ein Intendant, eine Schauspielerin, ein Museumsleiter, eine Regisseurin und ein Konzertveranstalter" (brand eins, Juni): http://ow.ly/CBzH50F4gST

 

 

10    Gastkommentar

10.1    Der "Fall Sheffield" und der Angriff auf Geistes- und Kulturwissenschaften in Großbritannien. Von Alexander Weide

Das weit über die Grenzen Großbritanniens hinaus bekannte und geschätzte Institut für Archäologie an der Universität Sheffield steht vor dem Aus. In einer spontan angekündigten Begutachtung des Instituts empfahl der Exekutivrat der Universität am 25.5. die Schließung der archäologischen Einrichtung, was nun vom Senat und Universitätsrat bestätigt werden muss. Auslöser der spontanen Begutachtung war ironischerweise eine Anfrage des Instituts zur Wiederbesetzung von vier Vollzeitstellen, die 2020 von der Universität bewilligt worden waren, aber aufgrund der Pandemie ausgesetzt wurden. Völlig aus dem Nichts, so schildern es die Kolleginnen und Kollegen aus Sheffield, kündigte der Exekutivrat als Antwort auf diese Anfrage die Begutachtung an. Von den drei möglichen Empfehlungen, die auch die völlige Schließung der Archäologie oder eine umfangreiche Investition in das Institut beinhalteten, empfahl der Exekutivrat die Auflösung des Instituts und die Verlagerung einiger Teilbereiche innerhalb der Universität. Demnach sollen Teilbereiche von Forschung und Lehre in veränderter Form weiter bestehen, darunter Kulturgüterschutz und Osteoarchäologie. Die Archäologie als eigenständiges Fach mit vollwertigem Studiengang in Sheffield wäre damit aber Geschichte. Am 23.6. wird der Senat der Universität über die Empfehlung beraten und am 12.7. trifft der Universitätsrat eine endgültige Entscheidung. Schon zum Zeitpunkt der Empfehlung waren beim Exekutivrat ca. 1.700 Unterstützungsschreiben von Kolleginnen und Kollegen aus der ganzen Welt eingegangen (mittlerweile >2.000). Zusätzlich stand eine Petition zur Rettung des Instituts bei mehr als 34.000 Unterschriften (mittlerweile >44.000). Dieser enorme internationale Aufschrei hat an der Entscheidung des Exekutivrats allerdings nichts geändert, und so vermuten viele, dass die kurzfristig angesetzte Begutachtung nie zum Ziel hatte, ein objektives und umfassendes Bild des Archäologischen Instituts zu erhalten. Die Empfehlung zur Schließung war geplant und steht in einem größeren Zusammenhang, der auch politisch motiviert ist: Anfang dieses Jahres kündigte die britische Regierung an, Finanzmittel für die Universitätslehre in geistes- und kulturwissenschaftlichen Fächern für das akademische Jahr 2021/2022 um die Hälfte zu reduzieren. Fächer wie Musik, Schauspiel, Medienwissenschaften, Archäologie und viele mehr bekommen dadurch wesentlich weniger Unterstützung, die in Ingenieurs- und Naturwissenschaften fließen soll. Im Falle der Archäologie steht diese Beschneidung der Lehrmittel in direktem Widerspruch zum Mangel an archäologischen Fachkräften. Viele Grabungsfirmen haben Probleme, ihre offenen Stellen mit qualifiziertem Personal zu besetzen. Der Beruf Archäologie wird von der Regierung sogar als "shortage occupation" aufgeführt, was z. B. die Beantragung von Arbeitsvisa durch ausländische Fachkräfte erleichtert. Trotz dieser staatlichen Anerkennung als maßgeblicher Bestandteil von z. B. großen Infrastrukturprojekten wird die Archäologie mit vielen verwandten Fächern also zusammengestrichen. Neben Sheffield steht u. a. die Archäologie an der Universität Chester vor einer Existenz bedrohenden Verkleinerung, so wie viele andere geistes- und kulturwissenschaftliche Institute im ganzen Land. Diese Entwicklung wird daher von vielen britischen Kolleginnen und Kollegen als "Kulturkampf" der konservativen politischen Klasse gegen Fächer angesehen, die Studierenden "nichts als Schulden bringen" – so der aktuelle britische Bildungsminister Gavin Williamson. Dieser breit angelegte Angriff auf die Archäologie und verwandte Fächer ist nicht allein ein Problem in Großbritannien, wie der aktuelle "Uni-Skandal" an der Universität Halle zeigt. Dort hat der Senat glücklicherweise empört reagiert, als das Rektorat die Philosophische Fakultät zur Ader lassen wollte. Im Falle von Sheffield, Chester und den zahlreichen anderen Instituten im Vereinigten Königreich, gibt es leider nur gedämpfte Hoffnungen, dass der nationale und internationale Aufschrei Wirkung zeigt und die entscheidenden Universitätsgremien einlenken. Auf dem Spiel steht nicht nur die Zukunft einiger Institute, sondern die zukünftige der Rolle der Geistes- und Kulturwissenschaften in der britischen Gesellschaft – und in ganz Europa.

Dr. Alexander Weide, School of Archaeology, University of Oxford, Großbritannien

 

11    Und sonst …

11.1    Indiana Jones – ein popkulturelles Phänomen, das die Filmlandschaft nachhaltig prägte

Vor 40 Jahren flimmerte „Jäger des verlorenen Schatzes“ über die Kinoleinwand. Indiana Jones wird zu einer Ikone der Popkultur der 80er Jahre und in einem Atemzug mit zeitlosen Filmhelden wie Tarzan, Zorro oder Superman genannt – der Archäologe ist heute Bestandteil des kollektiven Gedächtnisses. Die Dokumentation bietet umfangreiches Archivmaterial und lässt George Lucas, Steven Spielberg und Harrison Ford selbst über ihre Erfahrungen berichten.

"Indiana Jones - Eine Saga erobert die Welt" (ARTE, 7.5.; Video, 53 Min.; verfügbar bis 12.7.): https://www.arte.tv/de/videos/098137-000-A/indiana-jones-eine-saga-erobert-die-welt/

 

11.2    Sehenswerte ARTE-Doku zu außergewöhnlichen Grabstätten des Paläolithikums

1872 entdeckte der Archäologe Émile Rivière in den Grimaldi-Höhlen an der französisch-italienischen Grenze das Skelett einer Frau aus der Altsteinzeit. Dieser und weitere üppig verzierte Grabfunde stellten die Menschen des Paläolithikums deutlich differenzierter dar als lange gedacht. Pauline Costes Dokumentation für Arte befasst sich mit Fundstellen in Frankreich, der Tschechischen Republik, Italien und Russland.

"War die Steinzeit viel weiter entwickelt?" (ARTE, 21.6.; Video; 53 Min.): https://www.youtube.com/watch?v=v74TKAhJ9W0

 

11.3    Neue BMBF-Website für die Geistes- und Sozialwissenschaften

Eine "interaktive Plattform für die Geistes- und Sozialwissenschaften" hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geschaffen und will damit "Information, Dialog und Beteiligung" voranbringen. Wer schon einmal in diesem Internet drin war, könnte grübeln, ob Interaktion nicht fast überall dazugehört. So seit Jahrzehnten … Aber egal, schauen wir auf die selbst gesteckten Ziele, die das BMBF wie folgt beschreibt: "Was hält Gesellschaften zusammen, was macht sie innovativ? Was genau leisten die Geistes- und Sozialwissenschaften (GSW)? Und welche Fördermöglichkeiten gibt es, national wie europaweit? Das BMBF-Portal www.geistes-und-sozialwissenschaften-bmbf.de ist die zentrale Plattform für Beiträge zu diesen Fragen." Nun, das ist nicht nur ein gewaltiger Anspruch, den ein neues Portal nur mit gewaltiger Leistung wird einlösen können. Es deutet auch an, dass man im BMBF wohl glaubt, Geisteswissenschaftlerinnen und Geisteswissenschaftler hätten nicht schon längst über die genannten Themen geforscht. Dann kommt, was die Website wirklich soll: "Neben Inhalten rund um das aktuelle BMBF-Rahmenprogramm 'Gesellschaft verstehen – Zukunft gestalten' für die Geistes- und Sozialwissenschaften (2019-2025) bietet das Portal der Wissenschafts-Community die Möglichkeit, sich einzubringen und z. B. auf aktuelle Termine aufmerksam zu machen." Das ist natürlich ein echter Knaller und damit wirklich ganz weit vorn dran in der WWW-Neuland-Welt. Spott beiseite: die Website ist einen Blick wert. Sie stellt Forschungsprojekte und die Menschen dahinter vor, im Juni ist gleich "The Role of Culture in Early Expansions of Humans" (ROCEEH) an.

https://www.geistes-und-sozialwissenschaften-bmbf.de/

 

11.4    Verständlich und praxisgesättigt: Leitfaden Bildrechte

Der Verband Deutscher Kunsthistoriker hat einen Leitfaden für jene Fragen und Fallszenarien erarbeiten lassen, die in der kunsthistorischen Praxis besonders relevant sind - einer Praxis, die sich dieserhalben von der Archäologie kaum unterscheidet. Der Leitfaden ist im Open Access publiziert, auch für Nicht-Juristen gut verständlich und praxisgesättigt.

Fischer, V. & Petri, Gr. (2021). Bildrechte in der kunsthistorischen Praxis. Ein Leitfaden. (Mai 2021): https://kunsthistoriker.org/leitfaden-bildrechte/ bzw. http://archiv.ub.uni-heidelberg.de/artdok/7225/1/Fischer_Bildrechte_in_der_kunsthistorischen_Praxis_2021.pdf

 


 

Impressum und Redaktionshinweise

Der Newsletter wird herausgegeben von der Deutschen Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte (DGUF). Verantwortlich für den Inhalt des Newsletters: Diane Scherzler.

Wenn Ihnen der Newsletter gefällt und Sie ihn weiterempfehlen möchten: gerne! Auch wer nicht Mitglied der DGUF ist, kann den Newsletter beziehen. Dort geht es zur Anmeldung: Newsletter abonnieren

Den Newsletter gibt es auch in unserem Archiv. Dort finden Sie auch alle bisherigen Newsletter: Newsletter-Archiv

Wir freuen uns über Ihre Hinweise auf Veranstaltungen, Tagungen etc. Bitte schicken Sie dazu eine E-Mail an die Redaktion: newsletter@dguf.de. Die DGUF nimmt eine Auswahl und ggf. eine redaktionelle Überarbeitung eingesandter Hinweise und Beiträge vor. Anhänge (z. B. PDFs mit weiterführenden Informationen) können im DGUF-Newsletter nicht aufgenommen werden, ebenso wenig Abbildungen. Es besteht kein Anspruch auf Veröffentlichung. 

Keine Gewähr für Angaben, die nicht aus der DGUF selbst kommen. 

 

Deutsche Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte e.V.
An der Lay 4
54578 Kerpen-Loogh
Telefon: 06593/9896-42
Fax: 06593/9896-43
buero@dguf.de 

Newsletter abbestellen? Abonnement kündigen